Donnerstag, 29. Oktober 2015

Expedition zum Putha Hiunchuli - Teil 4: Gipfelversuch

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Aufbruch zum Gipfel


Nach einem weiteren Ruhetag im Basislager, der leider nicht für alle die gewünschte Erholung brachte – bei Günter bahnte sich eine Erkältung an und ein anderer Teilnehmer kämpfte mit einer Nebenhöhlenentzündung, die letztlich verhinderte, dass er über Lager I hinaus kam – standen uns nun der finale Aufstieg und der Gipfelversuch bevor.

Die Wettervorhersage, die Markus regelmäßig aus Dresden bekam, sprach zwar von einem baldigen Umschwung, aber es bestand eine reelle Chance, dass bis zum übernächsten Tag, für den der Gipfelsturm geplant war, das gute Wetter noch halten würde. So oder so hatten wir die Zeit, die für den Aufbau der Lagerkette und die Akklimatisation vorgesehen war, schon nahezu ausgeschöpft; wir hätten höchstens noch einen Tag länger abwarten können, was aber bei dieser Prognose nicht sinnvoll erschien.

Am Morgen des 27. Oktober machten wir uns also voller Spannung ein letztes Mal an den Aufstieg diesmal gleich bis zum Lager II. Während in der Früh noch die Sonne wärmte, zog es gegen Mittag mehr und mehr zu und ein eisiger Wind kam auf. Bei der Mittagsrast im Lager I krochen wir beide daher in eins der dort verbliebenen Zelte, und kochten uns eine warme Suppe. Anschließend ging es wieder auf den Gletscher, was wegen der Wolken und der fortgeschrittenen Tageszeit eine recht schattige Angelegenheit wurde. Zusätzlich hatte ich mich noch bei der Wahl der Kleidung verschätzt, was nun dazu führte, dass ich hinter dem außergewöhnlich langsam aufsteigenden Günter, dem seine Erkältung zu schaffen machte, erbärmlich fror.

So war es ein Glück, dass wir in Lager II diesmal nicht noch das Zelt aufbauen mussten und nach der Ankunft zügig mit dem Schneeschmelzen und Kochen anfangen konnten. Die Nacht war nicht ganz so kalt wie bei unserem ersten Aufenthalt hier, aber trotzdem recht unruhig, denn wieder bekamen wir beide mehr oder weniger starkes Kopfweh und zusätzlich plagte auch mich jetzt noch ein trockener Höhenhusten.

Morgens musste dann alles relativ zügig zusammengepackt werden, denn unser Zelt sowie fast die komplette Ausrüstung sollte mit ins Lager III. Der anfängliche Sonnenschein, der unser Zelt beim Frühstück noch erwärmte, verleitete mich auch heute dazu, mich zu dünn einzupacken - ein Fehler, der sich schon bald rächte, denn noch vor unserem Abmarsch hatte der Himmel sich komplett bedeckt und es ging wieder derselbe eisige Wind wie am Vortag. Die Füße in den gut isolierten Schalenbergstiefeln wurden mit der Zeit auch mit dünnen Socken warm, kritischer waren die Hände, die trotz körperlicher Anstrengung einfach nicht auftauen wollten.

Kalt!

Der erste Teil des Aufstiegs ging über ein besonders steiles Stück Gletscher, das Jamba und Lila einige Tage zuvor mit einem Fixseil ausgestattet hatten. Dieses wurde nun zwar nicht gebraucht, da die Schneeauflage überall noch griffig genug war, aber eben dieser Schnee sorgte auch dafür, dass der Aufstieg unendlich mühsam wurde, weil man ständig einbrach oder in den Fußstapfen der Vorangehenden herumrutschte. Am oberen Ende des Steilhangs wartete Günter auf mich, der heute trotz viel schwererem Rucksack wieder deutlich flotter unterwegs war, und ich konnte mir seine Daunenfäustlinge borgen; meine eigenen hatte ich dummerweise so verstaut, dass ich unterwegs keinen Zugriff darauf hatte.

Etwas oberhalb der Steilstufe bei zunehmend schlechtem Wetter

Weiter ging’s mit endlich warmen Händen und in etwas flacherem Gelände, wobei sich inzwischen der Wind schon fast zum Sturm gesteigert hatte und alle Spuren im Nu verwehte. Da waren die Bambusstäbe, die Jamba und Lila vor uns in regelmäßigen Abständen als Wegmarkierung in den Schnee steckten, bald die einzige Orientierungsmöglichkeit, extrem wichtig nicht zuletzt auch wegen der jetzt kaum mehr erkennbaren Gletscherspalten.

Schließlich kam der Platz für unser Lager III in Sicht, wo die Sherpas, Markus und alle Teilnehmer, die schneller gewesen waren, schon fieberhaft damit beschäftigt waren, Plattformen für die Zelte herzurichten. Alles sollte möglichst schnell gehen, da inzwischen ein richtiggehender Schneesturm tobte. Da kamen wir Expeditionsneulinge dann doch so langsam an unsere Grenzen und bei unserem Zeltaufbau lief so manches schief, insbesondere verabschiedeten sich 2 der 5 Zeltstangen auf Nimmerwiedersehen in den Abgrund. Zum Glück ließ das Zelt sich mit nur 3 Stangen doch noch so einigermaßen stabil aufbauen und sturmsicher mit seinen Nachbarn vertäut überstand es auch die folgende schwierige Nacht.

Dass es mit dem Gipfel wohl nichts werden würde, war eigentlich schon jetzt am Abend klar, auch wenn Markus noch einmal über das Satellitentelefon sogar zwei verschiedene Wetterberichte einholte. Der eine davon war dann tatsächlich etwas optimistischer und versprach im Lauf der Nacht eine Besserung, weshalb die Wecker auf 3 Uhr gestellt wurden.

Nachdem wir uns mühsam eingerichtet und diesmal mit nur einem Kocher (den zweiten hatten wir zur Gewichtsersparnis im Lager II zurückgelassen) genügend Schnee für Abendessen und Trinkflaschen geschmolzen hatten, wartete eine ungemütliche Nacht auf uns. Dabei waren das durch die fehlenden Stangen etwas geschrumpfte Zelt und der sich darauf akkumulierende Schnee noch das kleinere Problem. Beide schlugen wir uns diesmal mit heftigen Kopfschmerzen herum, so dass es zumindest für mich schon fast eine Erlösung war, als Markus den Gipfelgang in der Nacht abblies.

Morgens im Lager III: der Sturm hat jede Menge Schnee in die Außenschalen der Schuhe geweht.


Rückzug


Tatsächlich hörte es die ganze Nacht und auch am folgenden Tag nicht auf zu schneien.

Wir packen zusammen und steigen ab - das war's dann mit dem Gipfel!

Am anderen Morgen war dann schnell klar, dass selbst der Abstieg nicht einfach werden würde. Die Sicht war praktisch null, so dass oft nicht einmal die Markierungsstäbe zu erkennen waren. So half dann nur noch Markus‘ GPS  und zum ersten und einzigen Mal seilten wir uns an.


Damit die ganze Gruppe beieinander blieb und keiner verloren gehen konnte, banden wir uns alle 12 in ein einziges langes Seil ein, was das Gehen nicht eben erleichterte: Ständig lief man Gefahr, seinem Vordermann auf die Hacken zu treten, und man konnte auch nicht einfach mal stehen bleiben, um beispielsweise die beschlagene Brille zu putzen, weil man gnadenlos weitergezogen wurde. So schafften wir es aber wenigstens heil durch die Spaltenzone und am Beginn des Fixseils konnten wir uns wieder ausbinden, da hier auch die Sicht allmählich besser wurde.

Während des weiteren Abstiegs mussten wir nach und nach alles Material, das noch in den beiden unteren Lagern verblieben war, zusätzlich schultern, da uns keine Zeit für einen weiteren Gipfelversuch mehr blieb. So schwankten zuletzt alle, ganz besonders aber Jamba und Lila, unter unglaublichen Lasten, die uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit brachten.


Der sowieso schon weite Weg zog sich unter diesen Bedingungen noch einmal mehr in die Länge und der Neuschnee auf dem Blockgelände im unteren Abschnitt führte dazu, dass laufend irgendjemand ausrutschte und sich mühsam mit seinem schweren Packen wieder aufrappeln musste.

Letzter Teil des Abstiegs mit maximal viel Gepäck: den Schluss macht Jamba mit insgesamt 3 Zelten auf dem Rücken.

Günter und ich waren diesmal wieder bei den Langsameren und kamen erst nach Einbruch der Dunkelheit und volle 9h nach dem Aufbruch von Lager III ins Basislager zurück. Unsere Langsamkeit hatte aber für mich auch einen angenehmen Nebeneffekt, denn so kam ich gemeinsam mit einer anderen Frau in den Genuss eines speziellen Service unserer Küchenmannschaft: vor dem letzten Gegenanstieg standen auf einmal Rup Lama und einer seiner Gehilfen in der Dämmerung am Wegesrand und nahmen uns „Ladies“ unsere Rucksäcke ab!

Leider vergaß ich dabei, meine Stirnlampe dazubehalten und so mussten wir, als es bald darauf finster wurde, zu zweit mit nur einer Lampe durch die Dunkelheit stolpern.

An diesem Abend war allen die Erschöpfung und auch die Enttäuschung über die verpasste Gipfelchance anzumerken. Nach dem Abendessen verzogen sich daher alle recht bald in ihre Zelte, um erst mal auszuschlafen. Bei allem Frust stellte aber keiner die Entscheidung für den Rückzug in Frage, zu eindeutig war die Lage gewesen, und letztlich zählte jetzt nur noch, dass alle wieder heil und gesund ins Basislager zurückgekehrt waren.

Wieder im Basislager - jetzt ebenfalls tief verschneit



Dienstag, 27. Oktober 2015

Expedition zum Putha Hiunchuli - Teil 3: Einrichten der Hochlager

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt

Erster Aufstieg zum Lager I


Unsere erste Annäherung an den Berg begann anderntags eher gemütlich. Bis alle fertig gepackt hatten war es schon 10 Uhr. Mit den schweren Rucksäcken (meiner knapp 14kg, Günters über 18 laut Markus‘ Gepäckwaage) fiel das Gehen natürlich gleich nochmal schwerer als durch die dünne Höhenluft sowieso schon und so kamen wir eher langsam voran.


Die ganze Truppe war diesmal noch gemeinsam gestartet, nur Markus folgte erst in einigem Abstand. Jamba und Lila waren schon am Tag zuvor beim Lager I gewesen, um die Lage zu sondieren (kein Wasser!) und Zelte und anderes Material hoch zu schaffen, und kamen deshalb diesmal nicht mit. So passierte es, dass wir bereits nach den ersten paar hundert Metern eine falsche Abzweigung nahmen und uns schon ziemlich weit in ein verkehrtes Seitental verstiegen hatten, bevor es uns auffiel. Markus, der mittlerweile hinterher gekommen war, lotste uns über einen Moränenhang ins richtige Tal, was uns wohl insgesamt mindestens eine 3/4h zusätzlich und entsprechend mehr Kraft gekostet hat.

Dabei war der Weg auch so schon nicht ohne, mit viel grobem Schotter und Blockwerk, auf dem gegen Ende auch noch Schnee lag. Scheinbar endlos ging’s durch viele kleine Senken mit den entsprechenden Gegenanstiegen und natürlich waren immerhin 500 Hm zu überwinden, was im Vergleich zu mancher Trekkingetappe oder Wanderung in den Alpen zwar nicht nach viel klingt, aber auf inzwischen deutlich über 5000m und bei noch nicht sonderlich weit gediehener Akklimatisation reichte es allemal für ein anstrengendes Tagespensum.


Irgendwann, als ich schon nicht mehr daran zu glauben wagte, erreichten wir dann doch den Platz für unser Lager I auf 5400m, unmittelbar am Fuß des eigentlichen Gletschers. Der Moränenschotter, auf dem das Lager errichtet werden sollte, war dick eingeschneit, die Plattformen, die unsere Vorgänger hergerichtet hatten, aber gut zu erkennen. Weil die Sonne sich auch schon wieder gewaltig dem (Berg-)Horizont zuneigte – wir waren erst zwischen 4 und 5 angekommen – und außerdem durch die seit Tagen erste Wolke zeitweise verdeckt wurde, bauten wir schleunigst die Zelte auf.

Lager I am Morgen

Kaum waren wir fertig, hatte sich die Sonne auch schon endgültig verabschiedet und wie immer wurde es schlagartig eiskalt. Sowohl bei Günter als auch bei mir hatten sich im Lauf des Tages leichte Kopfschmerzen eingestellt, was jeden Handgriff zusätzlich mühsam machte. Und zu tun gab es noch viel: Zelt einräumen, die Leinen mit möglichst vielen Steinen beschweren, was sich in der Nacht gleich als ziemlich nützlich erwies, weil es zeitweise gewaltig stürmte, Schnee holen, Schnee schmelzen, Essen kochen, die Trinkflaschen mit heißem Wasser füllen… Da war es gut, dass wir zwei Kocher zur Verfügung hatten, denn so konnten wir immer in einem Topf den Schnee schmelzen, dann umfüllen und im zweiten das Wasser zum Kochen bringen, während im ersten gleich neuer Schnee vor sich hin taute, was viel Zeit sparte.


Nach dem Essen waren wir trotzdem so durchgefroren, dass wir uns das Zähneputzen schenkten und uns gleich für  eine sehr lange, kalte Nacht in die Schlafsäcke verkrochen. Weil an Schlaf aber zunächst noch nicht zu denken war, vertrieben wir uns die Zeit mit Musik- oder Hörbuch-Hören. Mich trieb noch mehrmals ein dringendes Bedürfnis nach draußen, was in dem verschneiten Blockgelände jedes Mal ein rechtes Geschlitter und Gestolper war. Erst gegen Mitternacht gewann die Müdigkeit die Oberhand über Kopfweh, verstopfte Nase und alle andere Unbill und ich konnte endlich einschlafen.

Morgens kam die Sonne erst um halb 10 ins Lager und vorher war es schlicht zu kalt, um an einen Aufbruch zu denken. Beim Frühstück hatte sich mein Kopfweh zwar verflüchtigt, allerdings war es mit meinem Appetit trotzdem nicht allzu weit her. So brachte ich gerade mal einen Früchteriegel und etwas Grießbrei mit Schokolade runter, was sich leider bei den folgenden Hochlagerübernachtungen jedes Mal so ähnlich wiederholte.

Kaum war die Sonne da, ging plötzlich alles ganz schnell. Anscheinend hatten unsere Mitstreiter schon in den Startlöchern gesessen, so dass wir mit die letzten waren, die ihre sieben Sachen beisammen hatten – außer dem Zelt und Kochequipment mussten wir sowieso das meiste wieder mit ins Basislager nehmen – und uns auf den beschwerlichen Rückmarsch machen konnten. Rechtzeitig zum Mittagessen kamen wir dort an und konnten gleich einen Teil der durch die Strapazen der letzten beiden Tage verbrauchten Kalorien wieder auffüllen.

Gletschertische an der Abstiegsroute von Lager I

Das Essen, das unser Koch Rup Lama und seine Crew für uns zubereiteten, war während der ganzen Expedition sehr reichhaltig und im Anbetracht der Umstände auch recht wohlschmeckend. Natürlich wurde es mit der Zeit doch eher eintönig, da mit zunehmendem Abstand zur Zivilisation keine frischen Zutaten mehr zur Verfügung standen. Hatte es anfangs noch verschiedene Gemüsesorten gegeben, lief es gegen Ende ein ums andere Mal auf Blumenkohl hinaus. Fleisch gab es schon bald nur noch in Form von Frühstücksfleisch aus der Büchse. Am besten waren immer noch jede Form von Gebäck und das Omelette, für das ein Träger den ganzen weiten Weg Unmengen an Eiern geschleppt hatte. Und auch der dem Emmentaler ähnliche Käse, der über die ganzen 3  ½ Wochen nicht ausging, schmeckte fast zu jeder Tageszeit.

Träger mit Küchenutensilien und "zerbrechlichen Gütern" auf dem Weg ins Basislager

Für den Rest des Tages war dann nur noch Erholung angesagt, aber die war auch bitter nötig.

Blauschafe in den Felsen nahe beim Basislager

Am folgenden Ruhetag stand neben Verrichtungen wie Wäsche waschen schon wieder Packen für den nächsten Aufstieg auf dem Programm. Diesmal würden wir in Lager I und Lager II je eine Nacht bleiben, dementsprechend brauchten wir mehr Verpflegung und auch zum ersten Mal die komplette Bergausrüstung, da es oberhalb von Lager I auf den Gletscher gehen würde. Günter und ich beschlossen außerdem, auch unsere Thermarest-Matten mit hoch zu schleppen. Die leichteren Falt-Isomatten hatten sich im Lager I als nicht ausreichend erwiesen.

Das Basislager und "unser" Berg (rechts oben)

Zweiter Aufstieg zum Lager II


In der Nacht vor unserem zweiten Aufstieg vom Basislager ging es Günter so richtig mies, an irgendetwas hatte er sich den Magen verdorben. Entsprechend gedämpft war unsere Stimmung an diesem Morgen. Nach dem Frühstück, das für Günter praktisch ausfiel, und nachdem wir die Schlafsäcke und alles, was wir sonst in der Nacht noch gebraucht hatten, in unseren Rucksäcken verstaut hatten, machten wir uns wieder auf den Marsch zum Lager I.

Der Gletscherbach im unteren Teil des Aufstiegs.

Diesmal hatte ich den schwereren Packen zu schultern, weil bei Günter das Zelt wegfiel, das ja schon im ersten Hochlager stand - bei seiner momentanen Verfassung ein Glück! Trotzdem war ich diejenige von uns beiden, die schon am allerersten Steilhang schier verzweifeln wollte, und auch der weitere Aufstieg fiel mir fast noch schwerer als beim ersten Mal. So kamen wir erst nach 15 Uhr im Lager I an, wo wir uns gleich in unserem Zelt verkrochen.

Teepause auf dem Weg zu Lager I, die gesamte Route bis zum Gipfel im Blick

Zwei von unseren Mitstreitern hatten in Absprache mit Markus das Lager I an diesem Tag übersprungen und waren mit Jamba und Lila gleich zum Platz für Lager II aufgestiegen, wir waren dagegen froh, erst mal angekommen zu sein. Günter raffte sich dann noch dazu auf, Schnee für eine Suppe und unsere Trinkflaschen zu schmelzen, wenn er auch selbst immer noch keinen Appetit hatte; zu seiner Übelkeit hatte sich mittlerweile noch Kopfweh gesellt. Irgendwann rang er sich dazu durch 2 Ibuprofen-Tabletten zu schlucken, was glücklicherweise die erhoffte Besserung brachte, so dass er in der Nacht gut schlafen konnte und morgens wieder deutlich fitter war. Auch der Appetit war wieder da, während meiner – siehe oben.

Frisch gestärkt lud Günter sich bei der Gepäckverteilung gleich noch ein ganzes Zelt mit auf, was natürlich gerne angenommen wurde. Dann ging es - genau zur Halbzeit der Expedition - zum ersten Mal auf den Gletscher, mit Schalenbergstiefeln, die wir, wie fast alle anderen, für diesen Aufstieg schon ab dem Basecamp angezogen hatten, und Steigeisen, aber ohne uns anzuseilen. Im unteren Bereich des Gletschers gab es nicht besonders viele Spalten und die waren bei bestem Wetter und wenig Schneeauflage gut zu erkennen.


Das erste Stück Weg hatte es dann gleich in sich, über einen Steilhang, der stellenweise ziemlich vereist war, stiegen wir hinauf. Als wir schließlich etwas flacheres Gelände erreichten legten wir eine Ess- und Trinkpause ein, danach folgte bald eine zweite Steilstufe hinter der so langsam unser Tagesziel sichtbar wurde.


Ein paar Zelte standen ja schon in Lager II, das nahe an einer Felsrippe am rechten Rand des Gletschers und dicht unterhalb eines weiteren, noch steileren Aufschwungs lag. Hier kamen uns auch schon Jamba und Lila im Abstieg entgegen, die zuvor noch oberhalb von Lager II an einem Steilstück herumgeturnt waren und ein Fixseil angebracht hatten.


Heute war es für Günter und mich recht gut gelaufen und so kamen wir mit den ersten im Lager an. Mit Markus‘ Hilfe richteten wir eine Plattform für unser Zelt her – Eisbuckel mussten weggepickelt und Löcher im Schnee aufgefüllt werden bis eine halbwegs ebene Fläche von in etwa der richtigen Größe entstanden war. Kaum war das erledigt und das Zelt aufgebaut, verschwand schon wieder die Sonne hinterm Berg, obwohl es erst 15 Uhr war, und sofort fiel das Thermometer um gefühlt 20°C.

Im Lager II - schnell das Zelt aufbauen, gleich ist die Sonne weg!

Günter mühte sich noch ziemlich lang, das Zelt sturmfest abzuspannen, unter anderem setzte er unsere beiden Eisschrauben dafür ein, während ich die Inneneinrichtung des Zeltes übernahm und froh war, als er endlich auch reinkam und wir mit dem Kochen anfangen konnten (vorher geht nicht, weil im Eingangsbereich des Zeltes gekocht wird).

Unser Lager II lag auf etwas über 5800m und damit viel niedriger, als ursprünglich gedacht bzw. als bei vielen anderen Expeditionen. Lager III würde voraussichtlich auf etwa 6200m sein, wo sonst oft schon das zweite Hochlager errichtet wird. So waren die Etappen zwischen unseren Hochlagern eher übersichtlich und die Schlafhöhen eher niedrig, dafür wären am Gipfeltag satte 1000 Hm zu bewältigen.

Da es uns an diesem Abend zunächst beiden verhältnismäßig gut ging, verputzten wir große Teile des mitgebrachten Proviants. Günter hatte sowieso viel Nachholbedarf von seinem „Fasttag“ und auch mir schmeckte es noch. In der Nacht, die bei mir wie immer von diversen Gängen vors Zelt unterbrochen war - in den losen Außenschalen der Bergstiefel (die Stiefel jedes Mal komplett anzuziehen war einfach zu langwierig) und auf dem Gletscher gleich noch eine kritischere Angelegenheit als im Lager I - kehrten Günters Kopfschmerzen zurück, die er diesmal aber gleich mit Ibuprofen bekämpfte.

Morgens schien schon ab 7 Uhr die Sonne auf unser Zelt, taute alles auf, was in der extrem kalten Nacht – jemand hatte -16°C im Zelt (!) gemessen – gefroren war, und trocknete es anschließend sogar weitgehend. Obwohl ich mich ansonsten ganz gut fühlte, haperte es auch heute wieder mit dem morgendlichen Appetit, so dass ich mich letztlich lediglich mit einem Früchteriegel und etwas heißer Schokolade im Magen auf den langen Rückweg ins Basislager machte.



Der erste Teil des Abstiegs über den Gletscher bis Lager I war schnell geschafft, dafür brachte mich der Rest des Weges wieder an den Rand der Verzweiflung: dieses elend lange Tal und das Stolpern über die Felsblöcke nervte von Mal zu Mal mehr und es half auch kein bisschen, dass mein Rucksack jetzt deutlich leerer war als beim Aufstieg, da jede Menge Ausrüstung in den beiden Lagern geblieben war.

Auf dem Gletscher etwas oberhalb von Lager I - bis zum Basislager ist es noch weit...


Schließlich hatte aber auch diese Strapaze wieder ein Ende und wir konnten uns im Basislager erholen und neue Energie tanken. Der Nachmittag verging dann noch sehr gemütlich bei Kaffee, Tee und Kuchen: Markus zauberte dafür einen Schokokuchen und zwei Packungen „Kalter Hund“ aus einer speziellen Vorratstonne.

Vollmondnacht im Basislager



Montag, 19. Oktober 2015

Expedition zum Putha Hiunchuli - Teil 2: Trekking zum Basecamp und Lagerleben

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Trekking zum Basislager


Nachdem wir mit Tee und Gebäck verköstigt worden waren und auch das restliche Gepäck mit einem späteren Flug aus Nepalgunj angekommen war, nahmen wir bald die erste, nur 3-stündige Etappe unseres Trekkings in Angriff. Zunächst ging es durch Juphal hinab zum Fluss Thuli Bheri und dann beinahe eben an diesem entlang bis Dunai, wo wir schon am frühen Nachmittag ankamen.


Um zu unserem Zeltplatz auf einer Wiese am Rand des recht stattlichen Dorfes zu kommen, mussten wir dieses beinahe ganz durchqueren. Schon bald nach uns kamen auch die Maultiere an und wir konnten uns zum ersten Mal im Aufbau unseres Zeltes üben, was anfangs gar nicht so einfach war – jedes Zelt ist anders und sowohl von der Größe als auch vom Typ her war dieses für uns ungewohnt.

Nach ruhiger Nacht und leider recht frühem „Wecken“ durch Maultiertreiber und Küchenmannschaft, die schon um 5 Uhr früh noch vor Sonnenaufgang Krach machten, ging es bald nach dem Frühstück auf die zweite Etappe nach Tarakot.

Unsere Maultiere werden im Hof gegenüber vom Zeltplatz beladen.

Der Weg folgte weiterhin dem Thuli Bheri in stetigem Auf und Ab und war durchweg gut ausgebaut. So kamen wir schnell voran und erreichten schon deutlich früher als geplant, das Dorf, in dem es Mittagessen geben sollte. Rup Lama bekochte uns in einer Hütte, wir durften davor Platz nehmen und waren die Attraktion für die Dorfjugend, die Stifte und Süßigkeiten forderte oder fotografiert werden wollte. Auch die eine oder andere Wunde der Dorfbewohner musste unser Arzt (einer der Expeditionsteilnehmer ist Orthopäde) versorgen.

Eine Brandwunde wird verarztet.
Der Weiterweg durch eine enge Schlucht bis zu unserem Tagesziel Tarakot war am Nachmittag ebenfalls schnell geschafft und wir bauten unsere Zelte auf der schönen Wiese unterhalb des Dorfes auf. Kaum waren wir damit fertig und hatte ich mich am Brunnen einer ersten Outdoor-Wäsche unterzogen (mit Günter als Sichtschutz), fing es an zu regnen, ein Muster, das wir auch in den folgenden Tagen immer wieder erlebten. Die Dolpo-Region ist zwar eigentlich dafür bekannt, sehr niederschlagsarm zu sein, aber das Wetter macht hier, wie überall auf der Welt, eben doch was es will.

Im Lauf der Nacht klarte es wieder auf und morgens konnten wir, dank den hier „unten“ auf 2500m noch erträglichen Temperaturen, sogar im Freien frühstücken.


Dann ging es wieder ans Marschieren, bis Mittag noch auf der Haupttrekkingstrecke, danach bogen wir bei Laisicap ab ins Tal des Bharbung Khola, wo abgesehen von den Einheimischen nur noch wir Putha-Aspiranten unterwegs waren.


In den ersten Tagen des Trekkings stand neben dem Wandern vor allem gegenseitiges Kennenlernen innerhalb der Gruppe auf dem Programm, wodurch die Zeit oft recht schnell verflog. Alle unsere Mitreisenden hatten hoch spannende Lebenswege und es kristallisierte sich heraus, dass Günter und ich in Sachen Berg- und Expeditionserfahrung die absoluten Greenhorns gegen den Großteil der Truppe waren. Nicht nur Markus, unser Expeditionsleiter mit seiner reichen Bergerfahrung, unter anderem an 5 Achttausendern, spielte in einer ganz anderen Liga, sondern auch verschiedene andere Teilnehmer, unter denen einer die Seven Summits (die jeweils höchsten Berge aller 7 Kontinente) erfolgreich bestiegen hatte. Und eine meiner weiblichen Kolleginnen hatte einige Jahre zuvor in Rekordzeit den Kilimanjaro gemeistert und zudem insgesamt schon 35 mal auf dessen Gipfel gestanden. Trotzdem fühlte ich mich die ganze Zeit sehr wohl mit unseren Mitreisenden; nie hatte ich das Gefühl, dass irgendeine Art von Konkurrenzdenken herrschte oder sich irgendwer extrem mit seinen Leistungen brüsten wollte. Und auch vom Gehtempo her konnte ich bestens mithalten, was im Vorfeld der Reise zu meinen größten Sorgen gezählt hatte. Offenbar beherzigten von Anfang an alle die Empfehlung, sich in der Akklimatisationsphase nach Möglichkeit nicht zu sehr zu verausgaben, obwohl die Höhe frühestens ab dem dritten Tag eine Rolle zu spielen begann. Bis dahin waren wir erst zwischen 2100 und 2800m unterwegs, was noch für keinen von uns ein Problem darstellte.

Der Zeltplatz für unsere dritte Nacht war leider wenig einladend, die ehemals grüne Wiese völlig kahlgefressen und mit Kuhfladen übersät und überdies drohte schon wieder der abendliche Regen. So bauten wir in aller Hektik unsere Zelte auf und verzogen uns dann schnell ins Mannschaftszelt, von wo sich bis nach dem Abendessen niemand mehr wegbewegen wollte.

Aber auch nach dieser Nacht begrüßte uns ein sonniger Morgen, der offenbarte, dass es auf den höheren Gipfeln ringsum geschneit hatte. 


Weiter ging’s auf einer Hängebrücke über den Seitenfluss Mushikhola, der dem Zeltplatz seinen Namen gab, und dann bis sich das Tal des Bharbung Khola zu einer Schlucht verengte.


Hier querten wir den Fluss und stiegen auf der anderen Seite zum ersten Mal substantiell viele Höhenmeter auf bis wir die Schwemmebene erreichten, über der auf  3200 m der Ort Kakkotgaon wie an den Fels geklebt thront.


In diesem letzten Dorf, durch das wir auf unserem Trekking zum Basislager kommen würden und wo wir genau eine Woche nach dem Abflug von zuhause eintrafen, gönnten wir uns einen Tag Pause. So hatte der Körper Gelegenheit, sich an die schon erreichte Höhe anzupassen und sich vor den letzten beiden, sowohl vom Höhengewinn, als auch von den zu bewältigenden Strecken äußerst strapaziösen Etappen bis zum Basislager noch einmal zu erholen.

Unsere Zelte im Hof des kleinen buddhistischen Klosters bei Kakkotgaon

Auch an diesem Nachmittag zogen bald dichte Wolken auf, wenn es auch zunächst trocken blieb. Nachdem die Maultiere ein letztes Mal unsere Lasten gebracht und die Treiber mit Tieren und Trinkgeld abgezogen waren, bauten wir im Hof des etwas außerhalb des Dorfes gelegenen buddhistischen Klosters unsere Zelte auf. Für die Mahlzeiten durften wir sogar die überdachte Veranda vor dem Eingang des Gebetsraums nutzen.

Leider war einigen unserer Mitreisenden erst nach dem Abmarsch der Maultierkarawane aufgefallen, dass gerade heute ihr Gepäck nass geworden war, sonst wäre der eine oder andere Geldschein in unserer Trinkgeldkasse geblieben. Von jetzt an würden Yaks unsere Sachen tragen, die in größeren Höhen die geeigneteren Tragtiere sind. Außerdem scheinen die Einwohner von Kakkotgaon eine Art Monopol auszunutzen, so dass jeder, der durch ihr Dorf kommt, ihre Yaks und Treiber für den Gepäcktransport anheuern muss. Von dem daraus angeblich erwachsenden Reichtum konnte ich zwar nicht viel erkennen, die Hütten sahen aus wie vor Jahrhunderten, die Kinder strotzten vor Dreck, aber immerhin gab es eine Schule und Solarpanels auf der einen oder anderen Hütte.


Reichtum ist eben relativ und unsere Vorstellungen von Sauberkeit entsprechen nicht den hiesigen. Und was die Hütten angeht: wir erfuhren, dass das Dorf über kurz oder lang in die Ebene beim Kloster umgesiedelt werden soll, da der alte Standort an der Felswand nicht mehr sicher ist, immer mehr Häuser sind abrutschgefährdet und von oben droht ständig Steinschlag.

Den Ruhetag nutzten alle zum Wäsche Waschen, Umpacken, Lesen, Tagebuchschreiben, Fotos sortieren oder einfach nur Rumbummeln. Auch Körperpflege stand bei manchen auf dem Programm, wenn die Möglichkeiten  auch eher eingeschränkt waren. Es gab zwar über die Ebene verteilt mehrere Brunnen, aber keinerlei Sichtschutz, und die Wolken und der kalte Wind taten ein übriges, dass den meisten die Lust darauf verging. Günter und ich machten, wie verschiedene andere, noch eine kleine Wanderung, um auch diesen Tag nicht völlig untätig und ohne „Höhenreiz“ zu verbringen. Eigentlich wollten wir zu den weithin sichtbaren Fahnen über dem Dorf aufsteigen, fanden aber nicht den richtigen Zustieg. Vor einer Felswand ging es nach 300 Hm nicht mehr weiter und wir mussten umkehren.

Ein paar Yaks warten schon darauf, unser Gepäck zu übernehmen.

Nach einer weiteren Nacht im Klosterhof ging es dann auf die Etappe zur Alm Pangzi, die von allen den größten Höhensprung mit sich brachte. Bei schönstem Sonnenschein überquerten wir zunächst den Fluss und stiegen dann praktisch in der Direttissima 1200 schweißtreibende Höhenmeter hinauf zu einem Grat.

Verdiente Rast am Grat mit Blick zurück ins 1200 m tiefer gelegene Tal.

Wer jetzt aber gedacht hatte, damit wäre das Tagesziel schon fast erreicht, sah sich bitter getäuscht: nach einer ausführlichen Rast ging es auf der Rückseite wieder bestimmt 300 Hm hinab, die anschließend in mehreren Stufen wieder erklommen werden mussten. An den Nordhängen lag hier sogar teils schon Schnee.

Zwei mit Küchenutensilien beladene Tzos (Kreuzung zwischen Yak und Rind) steigen mit uns einen verschneiten Nordhang hinauf.

So kamen wir erst kurz vor Sonnenuntergang bei der „Alm“ auf 4400 m Höhe an, die sich als mächtig steiler Hang erwies, aus dem ein paar leidlich ebene Plattformen für die Zelte herausgehackt waren. Die Yaks kamen glücklicherweise auch schon bald nach uns um die Ecke und so schafften wir es gerade noch, die Zelte vor Einbruch der Dunkelheit aufzustellen.

Kurz vor der Alm Pangzi - in der Sonne ist es noch angenehm warm, im Schatten schon eisig kalt.

Hier machte sich nun zum ersten Mal ernsthaft die Höhe bemerkbar: Günter klagte wie verschiedene andere Teilnehmer über Kopfschmerzen. Davon blieb ich zwar vorerst verschont, dafür hatte ich von jetzt an jede Nacht mit einer verstopften Nase zu kämpfen – vermutlich aufgrund der trockenen Höhenluft. Außerdem machte ich mir Sorgen, ob mein Schlafsack der Kälte weiter oben gewachsen sein würde, da ich schon jetzt nicht mehr richtig warm darin wurde. Immerhin die Füße blieben warm, da wir dem Beispiel von einigen anderen gefolgt waren und je eine mit heißem Wasser gefüllte Trinkflasche als Wärmflasche benutzten.

Die Sonne kommt ins Lager auf der "Alm".

Nach dieser ersten frostigen Nacht brach der letzte Tag unseres Trekkings ins Basislager an und wieder begrüßte uns bald schon die Sonne. Auch diese Etappe sollte noch einmal lang und anstrengend werden, allerdings weniger wegen vieler zu überwindender Höhenmeter – 500 fehlten uns noch bis zum Basislager auf 4915 m – sondern aufgrund der Distanz und  dem endlosen Auf und Ab. Zunächst mussten wir von der Alm wieder zum Grat aufsteigen, den wir bei einem mit Gebetsfahnen geschmückten Pass erreichten, und dann ging es immer am Hang entlang, der von Zeit zu Zeit von mehr oder weniger tiefen Bacheinschnitten unterbrochen wurde.


An einer Stelle ging es dabei über die berüchtigten „abschüssigen Platten“, die in keiner Beschreibung des Trekkings fehlen, bei uns aber nicht weiter kritisch waren, da schneefrei und trocken. Gleich im Anschluss stapften wir allerdings zunehmend durch Schnee und mussten auch ein paar rutschige Steilstufen überwinden, ehe wir schließlich den Platz für unser Basislager erreichten.

Kurz vor dem Basislager der erste Blick auf den Putha Hiunchuli
- groß und mächtig in der oberen Bildmitte.

Unmittelbar vor der Ankunft konnten wir an diesem 9. Tag unserer Reise auch zum ersten Mal einen Blick auf „unseren“ Berg werfen, der in eisiger Schönheit über dem Tal thront.
Leider verschwand just in dem Moment die Sonne hinter den Bergen und es wurde sofort eisig kalt. Da half es auch nur bedingt, die durchgeschwitzte Unterwäsche gegen trockene und wärmere zu tauschen. Glücklicherweise waren die Küchenzelte schon vor dem Rest des Gepäcks eingetroffen und so konnten wir uns dort verkriechen bis die Yaks mit unseren Sachen kamen. An diesem Abend war noch ein Schweizer, der den Putha Hiunchuli ein paar Tage zuvor erfolgreich bestiegen hatte, im Basislager und auch er gewährte einigen von uns Unterschlupf.

Schon in Kakkotgaon hatten wir am ersten Abend zwei tschechische Bergsteiger getroffen, die den Gipfel bei besten Bedingungen erreicht hatten, und auf dem Weg von Pangzi zum Basislager war uns eine weitere Gruppe Tschechen begegnet, die allerdings das Unternehmen wegen schlechten Wetters schon im ersten Hochlager hatten abbrechen müssen. -  Da konnte man mal wieder sehen, wie unterschiedlich die Bedingungen innerhalb weniger Tage an so einem Berg sein können, und wie dicht Erfolg und Misserfolg beieinander liegen!

Nachdem sich der Schweizer anderntags auf den Rückweg gemacht hatte, war unsere Expedition nun die einzig verbleibende im Basislager und die letzte für diese Saison. So hatten wir nahezu freie Platzwahl und konnten uns schön über das Gelände ausbreiten, eine leicht abschüssige Wiese in einem Talkessel, durch den ein kleiner Bach als Wasserquelle fließt.


Leider war auch dieses abgeschiedene Fleckchen Erde nicht verschont geblieben von den Folgen der menschlichen Zivilisation: der an sich hübsche Bach, war stellenweise übersät mit Müll. Unsere Küchencrew entsorgte zwar alles, was nicht wieder mit ins Tal genommen wurde, jenseits eines Hügels und verbrannte es von Zeit zu Zeit, aber der Wind und die auch hier allgegenwärtigen Krähen verteilten doch einiges davon wieder großflächig. Außerdem achteten wohl auch nicht alle Expeditionen so streng darauf, möglichst keine Spuren zu hinterlassen, was uns später auch im ersten Hochlager auffiel, wo ebenfalls diverser Müll zurückgeblieben war.


Basislagerleben


Der erste Morgen im Basislager empfing uns mit strahlendem Sonnenschein und erstaunlich milden Temperaturen. Hier unten bei uns war es auch nahezu windstill, während die Schneefahnen an den umliegenden Gipfeln zeigten, dass es weiter oben anders aussah. Nach dem Frühstück ging zunächst jeder gemütlich seinen Geschäften nach bis um 11 die Puja stattfinden sollte. Vor jeder ernsthafteren Unternehmung im Himalaya gibt es eine solche buddhistische Zeremonie, um die Götter und Geister gnädig zu stimmen. Eigentlich müsste sie von einem Lama durchgeführt werden, aber hier übernahmen das unsere nepalesischen Bergführer, die sich in Kathmandu eigens dafür hatten autorisieren lassen – gegen Bares. Das ganze fand rund um den einfachen Chörten aus aufgeschichteten Steinen am Rand des Lagers statt, von dem aus neue Gebetsfahnen in die 4 Himmelsrichtungen aufgespannt worden waren.

Jamba und Lila bei den Vorbereitungen für die Puja.

Außerdem sollte jeder Teile seiner Bergausrüstung (Stiefel, Steigeisen, Klettergurt, Pickel) mitbringen, die dann quasi gesegnet wurden. Die Zeremonie war insgesamt eine recht heitere Angelegenheit, bei der jedem ein Gebetsschal und ein Amulett umgelegt, Rum, Whisky (für jeden je einen Fingerhut voll) und Gebäck als Stärkung herumgereicht und schließlich Mehl und Reis Richtung Chörten verstreut wurde.


Bei dem schönen, milden Wetter beschlossen eine der anderen Frauen und ich anschließend, uns eine Haarwäsche zu gönnen. Die Küchenmannschaft belieferte uns dafür mit warmem Wasser in einer Waschschüssel.

Beim Mittagessen besprachen wir, wie es in den nächsten Tagen nun weitergehen sollte. Eigentlich war ja schon für den folgenden Tag der erste Aufstieg zum Lager I geplant, dabei sollten wir nur Zelte und Material nach oben schaffen und anschließend wieder ins Basislager zurückkehren. Die Mehrheit sprach sich jetzt aber für eine Änderung der Strategie aus, nämlich noch einen Tag im Basecamp zu verbringen, dann aufzusteigen und gleich dort zu übernachten. Mir sollte es recht sein, so konnte ich noch einen geruhsamen Nachmittag verbringen mit Lesen und Tagebuchschreiben und musste nicht schon den großen Rucksack packen. Nachdem um 15.30 Uhr wieder die Sonne aus dem Lager verschwunden war, zogen sich alle in die Zelte zurück. Fürs Abendessen holte ich zum ersten Mal meine dicke Daunenjacke raus, da es auch im Gemeinschaftszelt nach Sonnenuntergang schnell frostig wurde.


Zum Glück stellten sich meine Befürchtungen im Hinblick auf die Tauglichkeit meines Schlafsacks schnell als unbegründet heraus. Nachdem er in der Sonne und trockenen Höhenluft im Basecamp einmal so richtig durchgetrocknet war, wärmte er auch in den eisigsten Nächten noch ganz hervorragend. Die Kombination mit der „Wärmflasche“ an den Füssen, die außerdem dafür sorgte, dass wir auch morgens noch trinkbares Wasser zur Verfügung hatten, bewährte sich ebenfalls.


An unserem zweiten Ruhetag lachte nach wie vor die Sonne vom ungetrübten Himmel, trotzdem war es deutlich kühler geworden, weil inzwischen auch hier unten Wind aufgekommen war. Der Tag stand dann ganz im Zeichen der Vorbereitungen für den Aufstieg zu unserem ersten Hochlager. Nach dem Frühstück gab uns Markus eine Ausrüstungs-Einweisung – was ist an Hochlagerverpflegung vorhanden, in welcher blauen Tonne findet sich was, wieviel ist sinnvoll mitzunehmen pro Tag und Nase, Kocher - welche Modelle gibt es, was muss man beachten, wie benutzt man die Funkgeräte, und, und, und…

Nachmittags ging’s dann ans Rucksackpacken. Markus hatte die Devise ausgegeben, um Gewicht zu sparen, diesmal nur das mitzunehmen, was für diese erste Hochlagerübernachtung wirklich nötig war, d.h. Kocher, Topf, Essen für 1x Abend und 1x Morgen, Tee und Getränkepulver, Wechselklamotten bzw. warme Sachen für abends/nachts (2. Satz lange Unterwäsche, Daunenjacke, Mütze, Handschuhe), Schlafsack, Isomatte(n) und diverser Kleinkram („Wasch“-zeug in abgespeckter Form, Toilettenpapier, Stirnlampe, Tempos, Sonnencreme und –brille). Günter würde sich noch zusätzlich ein ganzes Zelt (ca. 5kg) auf den Rücken schnallen, so dass doch schon einiges zusammen kam.


Sonntag, 11. Oktober 2015

Expedition zum Putha Hiunchuli - Teil 1: Einleitung und Anreise


Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt

Einleitung


Im Oktober 2015 nahm ich zusammen mit meinem Mann Günter an einer Expedition zum 7246m hohen Putha Hiunchuli im Dolpo, Nordwest-Nepal teil, die vom Dresdener Reiseveranstalter Diamir durchgeführt wurde.

Eher zufällig waren wir bei dieser Unternehmung gelandet, hatten wir doch zunächst den etwas niedrigeren, dafür technisch anspruchsvolleren Kun in Ladakh / Indien angepeilt. Mangels Interessenten war diese Expedition jedoch abgesagt worden und Diamir bot uns den Putha als Alternative an. Unsere Bedenken in Bezug auf die Lage in Nepal nur wenige Monate nach dem schweren Erdbeben waren bald ausgeräumt, zumal das Dolpo nicht zu den betroffenen Regionen zählte und auch der Aufenthalt in Kathmandu nach allem, was in Erfahrung zu bringen war, schon wieder problemlos möglich sein sollte. So stand unser Entschluss bald fest, an der Expedition zu diesem idealen Einsteiger-7000er teilzunehmen, eine Entscheidung, die sich in vielerlei Hinsicht als Glücksfall erweisen sollte.

Meine Höhen-Erfahrungen beschränkten sich bis dahin auf einige 5000er (Kilimanjaro, Illiniza Norte, Cotopaxi) und einen 6000er (Chimborazo), während Günter in jungen Jahren noch ein paar weitere hohe Andengipfel bestiegen hatte.

Chimborazo 2012
Kilimanjaro 2011

Beide waren wir allerdings bisher weder im Himalaya noch je im Expeditionsstil unterwegs gewesen, also mit einem mehrtägigen Anmarsch zum Basislager mit viel Material, das von Tragtieren oder Trägern transportiert wird, und mehreren Hochlagern am Berg. So gab es im Vorfeld der Reise außergewöhnlich viel zu bedenken und zu besorgen und zusätzlich wollten wir natürlich so viel wie möglich trainieren. Letzteres lief aus verschiedenen Gründen leider mehr schlecht als recht, nicht zuletzt, weil das Wetter bis weit in den Sommer hinein eher bescheiden blieb und uns bei mancher geplanten Tour einen Strich durch die Rechnung machte. Da blieb oft nur Joggen, Joggen, Joggen - und die Hoffnung, dass es am Ende schon irgendwie reichen würde.

Im Lauf der Wochen häufte sich immer mehr Ausrüstung, warme Kleidung und allerlei Kleinkram an, was alles unbedingt mit sollte, aber andererseits galt es, sowohl das Gewichtslimit von Qatar Airways zu beachten, als auch das begrenzte Volumen der Packsäcke, die Diamir als Gepäckschutz zur Verfügung stellte. Letzterer würde sich vor allem während des Trekkings als extrem wichtig herausstellen, da die Maultiere und Yaks ebenso wie ihre Treiber alles andere als zimperlich mit ihren Lasten umsprangen.

Zu unserer großen Erleichterung gelang es uns aber, bei einem Probepacken am Wochenende vor der Abreise alles irgendwo unterzubringen. Wir waren also bereit, es konnte losgehen!


Anreise


Am 8. Oktober war es dann soweit: nach dem finalen Packen und einem frühen Mittagessen brachte uns unser Sohn zum Flughafen, von wo es zunächst nach Doha ging. Dort stand uns dann allerdings eine außerplanmäßige Hotelübernachtung bevor. In Nepal, das in diesem Punkt ausschließlich von Indien abhängig ist, herrschte gerade aufgrund von politischen Verwicklungen eine extreme Treibstoffknappheit, weshalb viele Flüge von und nach Kathmandu gestrichen oder zum Auftanken umgeleitet wurden. So kamen drei andere Expeditionsteilnehmer, die in der Zwischenzeit zu uns gestoßen waren, und wir in den zweifelhaften Genuss, uns wenige Stunden auf einem Hotelbett in Doha-City ausstrecken zu dürfen, ehe wir in aller Frühe wieder zum Flughafen gekarrt wurden. Leider stellte sich unmittelbar vor dem Einsteigen heraus, dass durch die Verschiebung unseres Flugs auch die Sitzplatzreservierung hinfällig geworden war. Statt am Fenster mit Blick auf die Bergriesen des Himalaya zu sitzen, mussten wir nun mit Plätzen im Mittelschiff des Fliegers ohne jede Aussicht vorlieb nehmen.

Die Landung in Kathmandu gelang erst im zweiten Anlauf, da sich über dem Himalaya riesige Gewitterwolken auftürmten und für entsprechend heftige Turbulenzen sorgten. Bei der Einreise lief für uns dann alles optimal, wir waren bei den ersten, die an den Visa-Schaltern ankamen, und auch unser Gepäck konnten wir trotz des Tohuwabohus, das wie befürchtet rund um die einzigen beiden Förderbänder herrschte, schon bald vollständig in Empfang nehmen.

Vor dem Flughafengebäude wurden wir schon erwartet – mittlerweile waren wir zu sechst – und ein Minibus brachte uns samt Gepäck quer durch die Stadt zum „Kathmandu View Hotel“, das direkt beim Touristenviertel Thamel liegt und sich als einfaches, aber sehr empfehlenswertes Quartier erwies.

Abends beim Begrüßungsessen waren dann fast alle der insgesamt 10 Teilnehmer der Expedition dabei, nur einer fehlte noch, der erst später am Abend in Kathmandu landen würde. Auch unser Expeditionsleiter, Markus Walter, und Jamba, einer der beiden nepalesischen Bergführer, die uns begleiten würden, waren mit von der Partie. Das erste gegenseitige Beschnuppern fiel durchweg positiv aus, was mir schon mal einen großen Stein vom Herzen fallen ließ. Froh war ich auch insbesondere darüber, dass außer mir noch zwei weitere Frauen mitkommen würden.



Anderntags hatten wir bis zum frühen Nachmittag Gelegenheit, Kathmandu ein wenig zu erkunden. Günter und ich lenkten unsere Schritte zunächst ins Touristenviertel, wo wir an einem Geldautomaten Nepalesische Rupien abhoben und in einem der zahllosen Shops mit Trekkingausrüstung eine Stirnlampe erwarben - mir war am Abend eingefallen, dass ich meine zuhause hatte liegen lassen… Anschließend statteten wir dem Stupa Swayambunath einen Kurzbesuch ab, einem der beiden wichtigsten buddhistischen Heiligtümer in Kathmandu.



Es befindet sich auf einem von Affen bevölkerten Hügel, den man über 365 Stufen ersteigt, und von wo man auch einen schönen Blick über die Stadt genießen kann.



Nach einem schnellen Mittagessen in einer Freiluft-Elektrobar in Thamel wartete dann schon wieder der Minibus, der uns mit Sack und Pack zum Inlandsflughafen für den Weiterflug nach Nepalgunj bringen würde. Unterwegs gab es zunächst aber noch einen Besichtigungsstopp beim Stupa Bodnath, der beim Erdbeben leider seine Spitze eingebüßt hatte und deshalb teilweise gerade eher einer Großbaustelle glich. Die ganze Reisegruppe umrundete den Stupa, das wichtigste tibetisch-buddhistische Heiligtum Nepals, wie es sich gehört, mehrfach im Uhrzeigersinn und die unzähligen Gebetsmühlen antreibend – ein bisschen Glück für das Gelingen unseres Vorhabens zu erflehen, konnte gewiss nicht schaden!



Vor dem Flug mit Yeti Airlines wurde unser gesamtes Gepäck gewogen und da hier nur 20 kg pro Person inklusive waren statt 30 kg, wie auf den internationalen Flügen, kam die ganze Truppe auf insgesamt 200 kg kostenpflichtiges Übergepäck. Der etwa einstündige Flug war dann schnell überstanden und schon empfing uns die tropische Hitze des Terai (Tiefebene an der indischen Grenze) und zu unserem Schrecken mussten wir feststellen, dass 3 Gepäckstücke, darunter auch Günters Seesack, fehlten. Nach einigem Hin und Her konnte Jamba in Erfahrung bringen, dass die restlichen Teile mit dem nächsten Flug von Kathmandu ankommen würden. Halbwegs beruhigt ließen wir uns daraufhin vorbei an ärmlichen Wellblechhütten im Minibus zum „besten Hotel am Platz“ bringen - die Auswahl scheint in Nepalgunj sehr begrenzt zu sein, aber unser Hotel, das „Batika“, war im großen und ganzen in Ordnung.  Und tatsächlich konnten wir schon kurze Zeit nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, Günters Gepäck in Empfang nehmen!

Nach einem hervorragenden indischen Abendessen und einer leider viel zu kurzen Nacht gönnten wir uns noch die allerletzte Dusche für die nächsten 3 1/2 Wochen, bevor es schon um 5 Uhr früh wieder zum Flughafen ging.

Auch diesmal wurde das Gepäck akribisch gewogen und trotz Optimierungsversuchen hatten alle wieder gewaltiges Übergepäck zu bezahlen. Die nach Geschlechtern getrennte Sicherheitskontrolle, bei der es offenbar hauptsächlich darum ging, zu verhindern, dass Feuerzeuge oder Batterien mit in den Flieger kamen – einem von uns wurde allerdings seltsamerweise auch eine Rolle Tape abgeknöpft und ein Taschenmesser, das die Stewardess dann wieder mitbrachte – ging bei den Männern erst sehr schleppend voran. Erst als die Piloten, die schon in ihrer Twin Otter auf dem Rollfeld warteten, ungeduldig wurden, tauchte noch ein weiterer Kontrolleur auf und beschleunigte den Vorgang.

Nach der Landung in Juphal

Bereits um 7 Uhr morgens hoben wir so von Nepalgunj ab und machten uns auf den Flug nach Juphal, einem kleinen Ort im äußersten Nordwesten Nepals an der Grenze zu Tibet. Die atemberaubende Landung auf der extrem kurzen Landepiste, die auf einem Plateau oberhalb des Dorfes liegt, gelang perfekt und schon bald konnten wir uns mit der ersten Ladung Gepäck auf den Weg zu einer Lodge machen. In deren Innenhof wurde alles außer unseren Tagesrucksäcken auf Maultiere verladen, denn ab jetzt ging es für uns nur noch zu Fuß weiter. Hier trafen wir auch den Rest der Mannschaft, die mit uns zum Basislager ziehen würden, unseren Koch Rup Lama, und seine beiden Gehilfen, sowie Lila, den zweiten nepalesischen Bergführer, der als einziger schon einmal am Putha Hiunchuli gewesen war.

Das alles müssen die Maultiere schleppen.