Dienstag, 26. Juni 2018

Chile 2018 - Teil III: Auf den San Pedro und zum Meer

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


San Pedro


Am Karfreitag ließen wir uns von der Sonne wecken und blieben noch bis kurz vor neun im warmen Bett. Beim Frühstück zeigte sich, dass die eigentliche Hotelbesitzerin die sehr resolute Schwiegermutter der jungen Frau vom Vortag war. Die beiden machten uns Rührei und Espresso und backten Brötchen auf. Am Tisch warteten schon Marmelade, Butter, Wurst und Käse und von allem hätten wir noch nach bekommen können.

Anschließend packten wir in aller Ruhe zusammen, saßen noch ein wenig in der Sonne und beobachteten Hund und Katz‘, die sich gegenseitig umschlichen und provozierten. Nach dem Zahlen (unsere günstigste Unterkunft für 47000 Pesos) rollten wir zur Laguna Inca Coya. Diese große Süßwasserquelle mit einem benachbarten Bach, an dem Lamas weideten, unzähligen Libellen, einer Art Blässhühner und sogar kleinen Fischen im Flachwasser, ist für Einheimische wie Touristen eine der Hauptattraktionen von Chiu Chiu. 

Die Laguna Inca Coya vor San Pedro (links) und San Pablo


Am Ufer campierte ein Wohnmobil mit Münchner Kennzeichen und im Vorbeigehen sprachen wir den Besitzer an, der gerade an seinem Motor herumbastelte. Es entspann sich ein nettes Gespräch, bei dem wir erfuhren, dass seine Frau und er schon seit 2015 in Südamerika unterwegs sind, das Wohnmobil (eher ein Kleinlaster mit Campingaufbau, Marke Bremach), solange sie jeweils Heimaturlaub machen, in Uruguay unterstellen und die anfängliche Überfahrt mit dem Frachtschiff kein Problem gewesen sei. Diesmal wollten sie noch bis Mitte Juni bleiben – beneidenswert!


So viel Zeit hatten wir leider nicht und so langsam mussten wir auch sehen, dass wir weiterkamen. Für ein Mittagessen im Restaurant „Muley“ gleich am Ortseingang von Chiu Chiu reichte es aber noch, wo wir nach anfangs ärgerlich langer Wartezeit von einem jungen Kellner bemerkenswert zuvorkommend bedient wurden.

Mehr als satt wälzten wir uns dann wieder ins Auto und machten uns endlich auf den Weg zum San Pedro. Zunächst folgten wir dabei aber nicht der Hauptstraße, sondern machten noch einen Abstecher in eine sehr fruchtbare, von einem Bach plus Bewässerungskanal (den „Levadas“ auf Madeira nicht unähnlich) durchflossene und intensiv landwirtschaftlich genutzte Schlucht.

Am Rio Loa

Offenbar war dieses Tal schon seit Urzeiten bewohnt: auf einem Hügel etwas oberhalb gab es ein ganzes Ruinendorf aus Prä-Inka-Zeit. (Die Inkas eroberten den Norden Chiles am Ende des 15. Jahrhunderts, Spuren von Besiedlung gibt es aber in den fruchtbaren Ecken der Atacama schon ab 12000 v. Chr.)

Auf den Felsen oberhalb des (Markt-?)Platzes
 befinden sich die Ruinen eines Dorfes aus Vor-Inka-Zeit.

Dann ging es endlos in der Weite der Wüste dahin bis es Zeit war, mal wieder Richtung El Tatio abzubiegen, auf eine Schotterstraße, der wir bis zu einer Brücke über den kleinen Bach folgten, der parallel zur Straße das Tal durchfloss. Spätestens ab hier waren unsere Informationen über die weitere Anfahrt zum Berg eher dürftig, da sie nur auf einem Video, sowie Fotos und wenigen Hinweisen in zwei Besteigungsberichten bestanden. 

Crossing the Bridge - was uns wohl auf der anderen Seite erwartet?

Nachdem wir den Bach überquert hatten, brachte uns eine teils extrem holprige, oft auch sandige Piste immer näher an den Fuß des Berges, wobei die Spur allerdings mit der Zeit immer schlechter und undeutlicher wurde. 

Wo geht's hier lang?

Doch gerade als uns langsam dämmerte, dass dies nicht die richtige Route sein konnte, stießen wir auf einen vorläufig wesentlich besseren Weg, dem wir nun folgten. Auch dessen Zustand verschlechterte sich zwar wieder, insbesondere gab es ein paar sehr steile und sandige Stellen, die Günter und das Auto aber wieder nahezu mit links meisterten. So hatten wir es bald geschafft und erreichten das Basislager für die Besteigung des San Pedro auf 4325 m, ohne einen Schritt zu Fuß gegangen zu sein!

Kleiner Mensch vor großer Landschaft - unser Basislager,
 im Hintergrund der San Pablo.

Hier schlugen wir unser Zelt auf einer der Plattformen auf, die von unseren offenbar zahlreichen Vorgängern praktischerweise schon hergerichtet und auf der Windseite mit Mäuerchen versehen worden waren. Den restlichen Nachmittag bei zunächst sehr sonnigem, mildem, nahezu windstillem Wetter verbrachte ich damit, das Reisetagebuch auf den neuesten Stand zu bringen, während Günter Fotos von der genialen Aussicht schoss.

Gleich schluckt uns wieder mal der Schatten.

Vesper gab es im Auto mit Blick auf die anderen Berge (unter anderen der sehr markante Paniri, siehe Bild oben) und den Salar im Tal.

Nach Sonnenuntergang flüchteten wir bald ins Zelt, denn gegen Abend war doch wieder ein recht garstiger Wind aufgekommen und auch Wolken verhüllten teils die Berge, „unseren“ San Pedro und seinen Nachbarn San Pablo.

Und dann versuchten wir zu schlafen, was leider mal wieder gar nicht so einfach war. Der Wind pustete gefühlte Tonnen von feinem Sand ins Zelt und reizte meine Nase, die eh schon unter der chronischen Trockenheit litt. Dann war es zunächst recht kühl, so dass ich das Bedürfnis hatte, den Schlafsack um Kopf und Hals fest zuzuziehen, aber irgendwann erwachte ich schweißgebadet und fror anschließend umso mehr… Kurz: die Nacht war lang, aber alles andere als erholsam. Günter ging es wohl ähnlich, auch wenn die Zahnschmerzen, die ihn seit dem Vortag geplagt hatten, zum Glück mit der Zeit schwächer wurden.

Nachts ist der Himmel über dem San Pedro wieder klar.

So krochen wir morgens erst weit nach Sonnenaufgang aus den Schlafsäcken und begannen gemütlich mit dem Packen unserer großen Rucksäcke, denn heute, am Karsamstag, 31.3., stand der Aufstieg in unser „ABC“ (= Advanced Base Camp) an: Im Sattel zwischen San Pedro und San Pablo auf ca. 5300 m sollte es nach unseren Informationen mindestens einen riesigen Felsen geben, der genügend Windschutz für ein Zelt bot, und diesen peilten wir für unser nächstes Nachtlager an.

11 Uhr war eigentlich unsere Zieluhrzeit, zu der wir abmarschbereit sein wollten. Doch schließlich dauerte es doch länger und ging schon stark auf 12 Uhr zu bis alles konvergierte. Aber es war allemal wichtiger, genau zu überlegen, was mit ins Hochlager sollte und musste, als ein künstliches Zeitlimit einzuhalten. Außerdem hatten wir so den Vorteil, dass wir unser Mittagessen noch beim Auto verspeisen und Knäckebrot, Käse und Wurst anschließend dableiben konnten.

Während wir da so saßen und unsere Brote knabberten, kamen doch tatsächlich zwei Wanderer vorbei, die allerdings nicht einen der beiden Berge besteigen wollten, sondern nur eine Tageswanderung bis zu einem gefrorenen Wasserfall auf ca. 5000 m vorhatten. Andererseits hatten sie bis hierher auch schon einiges an Höhenmetern und Strecke hinter sich gebracht, da sie ihr Auto lieber schon vor den tückischen sandigen Stellen der Anfahrtspiste geparkt hatten.

Auch wir brachen nun endlich auf und machten uns an den mühseligen Aufstieg mit unseren dicken Packen, in denen wir ja, weil bis zum „ABC“ nirgends mit Wasser oder Schnee zu rechnen war, zu allem anderen jeweils noch 4 Liter Wasser (plus 1l Tee für unterwegs) transportierten.

Die erste Stufe ist überwunden - Blick zurück zum Basislager.

Zunächst ging es aber überraschend gut, der Anstieg war zwar stramm, aber nirgends übertrieben steil oder rutschig. Wir suchten uns aus den verschiedenen Spuren jeweils die flachste aus, im Gegensatz zu den beiden Tageswanderern, die wir ein Stück voraus immer die steilen Hänge hochkraxeln sahen. Dabei beobachteten wir, dass der jüngere der beiden immer ein Stück weit ziemlich schnell aufstieg und sich dann wieder neben einen Stein zu Boden plumpsen ließ. – Auch eine Methode mit der Höhe klar zu kommen, die wir uns aber heute nicht leisten konnten, bei uns war langsames, gleichmäßiges Steigen angesagt.


Leider passierte auch jetzt wieder, was wir schon tags zuvor beobachtet hatten: Am späten Nachmittag bildeten sich Wolken über den Gipfeln und ein heftiger kalter Wind kam auf. So suchten wir uns für eine Rast auf etwas mehr als der halben Strecke gleich einen großen Stein als Windschutz, bei dem offenbar auch schon öfter Wanderer campiert hatten, den zurückgelassenen Wasserflaschen nach zu urteilen.

Anschließend kamen wir am Ende einer längeren Querung erst über einen kleinen Bach, der tatsächlich sogar etwas Wasser führte (!), und anschließend ging es über eine relativ steile Stufe, an der wir keinen klaren Pfad mehr erkennen konnten. Später, als wir diese Problemstelle schon mit Hängen, Würgen und Gezeter überwunden hatten (weglose Querungen an steilen oder zumindest in dem Moment von mir als steil empfundenen Hängen sind einfach immer noch nicht meins…), sahen wir von oben, dass es auf der anderen Seite des Bachs eine wesentlich überzeugender wirkende Alternative gegeben hätte.

Die Stufe war dann leider noch nicht das Ende, denn so langsam hätte es mir gereicht. Es ging noch einmal einen zum Glück wesentlich sanfteren Hang hoch bis zum eigentlichen Sattel und dann musste in der weiten Ebene noch „der Stein“ gefunden werden, was sich als schwieriger herausstellte, als gedacht. Große Felsbrocken gab es einige, aber keiner sah als Windschutz so richtig überzeugend aus. Beide waren wir langsam entkräftet und vom ständig an uns zerrenden Wind entnervt und so einigten wir uns auf einen leidlich ausreichenden Felsen, hinter dem wir unser Zelt aufbauten.

Hinter den Stein gequetscht - unser "ABC"

Zunächst dachten wir, dass die Standfläche eben genug wäre, aber da hatten wir uns sehr getäuscht: Im Lauf der Nacht kämpften wir beide mit der schiefen Ebene – ich, weil ich gefühlt am Steilhang lag und ständig auf Günter rollte, und er, weil an seinem Kopfende offenbar ein besonders ausgeprägtes Loch war. Kurzum – auch diese Nacht wurde nicht erquicklich.

Dabei waren wir anfangs beide so froh, endlich im Zelt und im Warmen zu sein. Die Suppe (wieder eine Asia-5-Minuten-Terrine, diesmal aber nur ein Pott für uns beide, was völlig ausreichte) tat gut, schmeckte und machte satt. Und der Schlafsack gab warm in den eisigen Höhen… Eisige Höhen? Tatsächlich war diese Nacht wärmer als die vorige 700m tiefer! Das Wasser gefror diesmal mitnichten im Zelt, der Wind legte sich bald komplett und ich hatte die halbe Nacht eher mit „zu warm“ zu kämpfen, da ich natürlich auch für nachts lauter warme Sachen mitgenommen hatte.

Der Morgen kam dann viel zu schnell und leider gerade, als ich dem Gefühl nach zum ersten Mal wirklich fest eigeschlafen war… Aber da half nun nichts, denn dieser Ostersonntag (1.4.) sollte ja unser Gipfeltag sein. Jetzt bei Tagesanbruch um 7.30 Uhr war es daher schon allerhöchste Zeit (oder, wie Günter bald meinte, eigentlich schon 2h zu spät), sich fertig zu machen und aufzubrechen. Die Innenschuhe der Bergstiefel und praktisch alles an Kleidung für den Tag hatten unnötigerweise über Nacht mit im Schlafsack gesteckt, da wir ja von bitterer Kälte ausgegangen waren. Geschadet hatte es, abgesehen von der Komforteinbuße, aber auch nicht. Zusätzlich zu den üblichen Verrichtungen wollten die am Cordon del Tatio gelaufenen Blasen noch verpflastert und getapt werden und so wurde es schließlich 8.20 Uhr bis wir abmarschbereit waren.

Trotz relativ leichtem Rucksack (außer ein paar Klamotten enthielt er nur 1l Wasser und die Steigeisen plus der außen befestigte Pickel, falls Richtung Gipfel tatsächlich Schneefelder zu queren wären) fiel mir der Aufstieg von Anfang an schwer.

Erst mal durchschnaufen...

Nach einiger Zeit kam ich dann aber doch in einen einigermaßen gleichmäßigen Trott, da auch die Spur, der wie folgten, in eher gemächlicher Steigung über einen Schotterhang querte.

Etwa nach einer Stunde machten wir jeweils eine bitter nötige Pause, vor allem um uns auszuruhen und zu trinken, selten auch was zu essen. Von den eigentlich eingeplanten Müsli- und Schokoriegeln war die Hälfte versehentlich im Zelt geblieben, aber letztlich war unser Appetit so viel kleiner als gedacht, dass wir sogar davon noch welche zurück brachten. Jedes Mal stellte Günter per GPS fest, wie hoch wir inzwischen gekommen waren, und nachdem wir anfangs noch 200 Hm pro Stunde geschafft hatten, pendelte es sich bald auf 150 Hm ein. 

Schließlich wurde der Hang, den wir querten immer steiler und die bis jetzt deutliche Spur verschwand, wo vor noch nicht allzu langer Zeit Wasser in einer Rinne abgeflossen sein musste. Wir entschieden uns nach kurzer Diskussion dafür, in einem mit Felsen durchsetzten Hang weiter aufzusteigen, was ich ungleich mühsamer fand, da ich nun nicht mehr stur und gleichmäßig vor mich hin marschieren konnte, sondern mir einen Weg über die Felsen suchen und ganz unterschiedlich hohe Stufen überwinden musste. So blieb ich bald immer öfter stehen, um Atem zu holen, ehe ich bereit war, die nächsten paar Stufen zu überwinden.

Von hier oben wird erkennbar, dass der Sattel
zwischen Pedro und Pablo in Wirklichkeit ein Krater ist.

Noch ein paar Worte zu Wetter und Temperaturen: Wieder war es morgens ein strahlender, klarer Tag mit zunächst kaum Wind. Losgegangen waren wir beide mit unseren dicksten Daunenjacken, aber während Günter seine anbehielt (die vermutlich auch nicht ganz so warm ist wie meine), wurde mir schon ganz am Anfang zu warm und ich wechselte zu Fleecepulli und Goretexjacke, was ziemlich lang völlig ausreichte (zusammen mit Stirnband, Buff und Skihandschuhen). Erst im oberen Drittel des Berges, als sich auch schon wieder die ersten mittäglichen Quellwolken bildeten und der übliche garstige Wind aufkam, brauchte ich dann wieder die Daunenjacke.

Dieses oberste Drittel bis zum Vor- und dann vollends zum glücklicherweise nicht mehr weit entfernten Hauptgipfel schaffte mich so gründlich, dass ich auch Günters an sich harmlosen Witz, dies sei wohl wieder nur der nächste Vorgipfel, überhaupt nicht mehr lustig finden konnte…

Das Ziel ist nah - am Vorgipfel.

Aber dann war es doch geschafft und wir standen gegen 14.30 Uhr auf 6145 m am Gipfel des San Pedro!

Geschafft! - Freude über den Gipfelerfolg

Bei mir überwog erst mal die Erleichterung, es einfach nur geschafft zu haben und nicht mehr weiter aufsteigen zu müssen. Erst nach und nach konnte so etwas wie Freude aufkommen und konnte ich auch die herrliche Aussicht würdigen.

Geschafft! - Im Sitzen lässt sich die Aussicht am besten genießen.

Etwa ein halbe Stunde rasteten wir auf unserem ersten Sechstausender auf dieser Reise, der nebenbei bemerkt, ebenfalls zu den noch aktiven Vulkanen zu zählen ist, da es aus einem Nebenkrater intensiv schweflig rauchte.

Aussicht Richtung Bolivien

Auf der anderen Seite des Gipfels liegt reichlich Schnee,
 rechts der rauchende Nebenkrater

Dann machten wir uns an den Abstieg, wobei wir nur anfangs in etwa auf unserer Aufstiegsroute über die Felsen abkletterten und bald den Einstieg in den direkt auf unseren Übernachtungsplatz zu laufenden, schier endlosen Schotterhang suchten und fanden. Über diesen schlitterten und rutschten wir in nur wenig mehr als anderthalb Stunden hinab, wofür wir im Aufstieg über sechs quälende Stunden gebraucht hatten.

Da wir also deutlich früher als gedacht zurück am Zelt waren, wo mittlerweile wieder mindestens genauso hässliches Wetter herrschte wie tags zuvor beim Aufbauen, beschlossen wir, zum Aufwärmen und für den weiteren Abstieg noch eine Kanne Tee zu kochen. Dann hieß es die übrigen Sachen und das Zelt einpacken und der zweite Teil des Abstiegs folgte. 


Auch jetzt nahmen wir die jeweils gut abfahrbaren, meist steileren Pfade und erreichten recht flott das Auto. Die Füße, die in der Zwischenzeit immer mal wieder neu getapt worden waren, machten es ganz gut mit. Nur mein Kreuz tat gegen Ende zunehmend weh, so dass ich das Auto wieder mal eher kriechend erreichte…

Steigeisen hatten wir im übrigen auch diesmal wieder nicht gebraucht, da das Schneefeld, das wir schon vom Tal aus gesehen hatten, nicht auf unserer Aufstiegsroute lag. So waren die dicken Bergstiefel höchstens unter dem Wärmeaspekt sinnvoll gewesen.

Gleich zurück beim Pickup -
und schon wieder lauert der nächtliche Schatten.

Immerhin war es entgegen allen düsteren Prognosen noch hell als wir abfahrbereit waren (ca. 19 Uhr) und erst nachdem wir die schwierige Sand- und Schotterpiste schon hinter uns gelassen hatten und auf der zwar auch nur geschotterten, aber wesentlich besseren Straße im Tal unterwegs waren, nachtete es vollends ein.

In Rekordzeit (< 1h) ging es dann zurück nach Chiu Chiu und in Rekordzeit bezogen wir unser neues, altes Zimmer und duschten, damit wir noch eine kleine Chance hätten, im Dorf etwas zu essen zu bekommen. Tatsächlich ließ man uns schon beim zweiten Restaurant, das wir ausprobierten, dem „Talatur“, noch hinein und bewirtete uns, obwohl offensichtlich alles schon für den Feierabend aufgeräumt war und keiner mehr ernsthaft mit Gästen gerechnet hatte. Um 22 Uhr wollte man schließen, 21.30 Uhr kamen wir an und um 22.05 Uhr waren wir fix und fertig und hatten gezahlt – noch ein Rekord! Das Essen war ok und wir anschließend, nach dem ansonsten recht hungrigen Tag, wieder pappsatt – Ziel erreicht! 

So konnten wir zurück im Hotel endlich ins wohl verdiente Bett fallen und eine ruhige Nacht mit viel Schlaf genießen.


Ans Meer


Nach der entspannten Nacht und einem gemütlichen Frühstück packten wir ebenso geruhsam unsere Sachen, wurden den angesammelten Müll los und zuletzt ergab sich sogar noch ein kurzes nettes Gespräch mit der jungen Hauswirtin, bei dem ich erfuhr, dass ihr Töchterchen zu Hause zur Welt kam und damit seit 14 Jahren das erste Kind war, das in Chiu Chiu selbst geboren wurde. Günter hatte sie zuvor erzählt, dass sie selbst schon einmal zwei Wochen mit dem Rad in Bolivien unterwegs gewesen war, und Tipps für ein lohnenswertes Ziel auf unserer weiteren Route mit auf den Weg gegeben.

Abschied von Chiu Chiu und von Pedro und Pablo.

Um ca. 11 Uhr waren wir schließlich startklar und machten uns auf die lange Fahrt zurück an die Küste. Bei Calama schloss sich dabei ein erster Kreis, als wir die Abzweigung nach San Pedro passierten.

Ab da ging es zunächst auf gleicher öder Wüstenstrecke zurück nach Antofagasta, was mir die Möglichkeit bietet, hier noch auf ein sehr spezielles Phänomen entlang der chilenischen Straßen einzugehen, das gerade dort besonders ausgeprägt war: die vielen, vielen oft aufwendig gestalteten Gedenkstätten für Verkehrstote.

Ganz vereinzelt sah man auch einfache blumengeschmückte Kreuze, wie sie bei uns daheim zu finden sind, aber der „Normalfall“ waren hier eher hundehütten- bis kapellengroße Häuschen, teils sogar mit einem Gärtchen drum herum, das in der Wüste (!) am Leben zu erhalten eine echte Aufgabe sein musste. Oft gab es noch einen schattenspendenden Baldachin über dem ganzen, Bänkchen, Sofas, sogar eine Hollywoodschaukel habe ich gesichtet, und nahezu allgegenwärtig: die Nationalflagge.

Manche dieser „Schreine“ waren sehr kreativ ausstaffiert, manche auch eher makaber mit Teilen von oder dem kompletten Unfallauto „geschmückt“. Und dies sind nur die Eindrücke, die sich mir im flotten Vorbeifahren einprägten. Wenn man sich die Zeit nähme, den einen oder anderen davon genauer zu inspizieren, könnte man sicher noch viel mehr entdecken.

Besonders traurig stimmte dabei (abgesehen davon, dass die schiere Menge auf sehr viele tödliche Unfälle schließen ließ) der Anblick der Stätten, die keiner mehr pflegen mochte oder konnte und die in einem mehr oder weniger desolaten Zustand des Zerfalls waren.

Nicht das allerschönste Beispiel für eine Gedenkstätte, da es an
der Hauptroute der Panamericana eher schwierig war anzuhalten.

Kurz vor Antofagasta bogen wir diesmal Richtung Süden ab und hatten eigentlich geplant, gleich im Anschluss zu tanken und essen zu gehen, wo sich, wie wir dachten, eine kleine Ortschaft befand. Leider zeigte sich nun, dass dies so ungefähr das hässlichste Industriekonglomerat seit dem Ruhrpott Mitte des 20. Jahrhunderts war. Tanken war kein Problem, aber mit einem ordentlichen Restaurant sah es mau aus. So ließen wir uns schließlich darauf ein, in einem der Schuppen einzukehren, die als Fernfahrerkneipen den Straßenrand säumten, wofür wir extra sogar noch einmal umgekehrt waren, da Google uns hier ein empfehlenswertes „Restaurant“ anzeigte. 

Mittagessen im Container

Das Essen war dann im Rahmen des unter diesen Umständen zu Erwartenden ok, aber der Zustand des Geschirrs machte uns ziemliche Sorgen. Doch wir hatten Glück und gravierende Folgen blieben aus.

Als wir danach wieder unterwegs waren, stellten wir zu unserem Bedauern fest, dass hier nach wenigen Kilometern ein „richtiges“ Restaurant gekommen wäre, das uns Google leider nicht angezeigt hatte…

Noch einige Kilometer weiter bogen wir von der Hauptroute der Panamericana nach Westen Richtung Küste ab. Bei der folgenden recht einsamen Querung passierten wir den Abzweig zur Europäischen Südsternwarte (ESO) El Paranal und aus einer Laune heraus bogen wir ab, um zumindest mal einen Blick auf die Kuppeln zu werfen, die die Teleskope beherbergen. Eine sehr gute Straße führte dort hinauf und bald kam die ganze Kuppelansammlung sowie die Wohnquartiere der Astromomen in Sicht – bei Tag an sich wenig eindrucksvoll, aber abends, wenn zwar nicht die Teleskope als solche, aber der hier besonders klare Nachthimmel seinen großen Auftritt hätte, wollten wir ja schon am Meer sein.

El Paranal

Auf den Weiterweg wurde bald das zunehmende Gefälle deutlich spürbar und die bis dahin über weite Strecken schnurgerade Straße wand sich in Serpentinen hinab zum Meer. Auch der Verkehr verdichtete sich merklich, vermutlich vor allem weil die Laster sich durch ihr Kriechtempo hier stauten.

Das Fischerdorf Paposo, bei dem die Route das Meer erreichte, machte einen eher trostlosen Eindruck. Aber wir wollten ja sowieso noch ein Stück die Küste entlang nach Süden fahren, um dort an einem möglichst lauschigen Strand zu zelten… 

Ja, so hatten wir uns das ausgemalt und iOverlander wies auch diverse Stellplätze aus, aber bei jedem, den wir ansteuerten, mussten wir feststellen, dass die Strände hier offenbar vorzugsweise als Müllkippe genutzt wurden. Oder aber (wahrscheinlich) im Sommer in der Urlaubszeit tobte hier die Party und die Hinterlassenschaften wurden, abseits bestimmter Gemeinden, die Wert auf Sauberkeit legten (die gab es auch, wie wir später feststellten!), von niemandem weggeräumt. Ein weiteres Problem: nahezu in jeder Bucht stand eine Hütte oder ein Zelt, wo offenbar jemand wohnte und oftmals Hunde frei herumliefen.

Nach längerem Suchen und schon fast bei Sonnenuntergang entdeckten wir doch noch ein leidlich sauberes Fleckchen für unser Zelt – zwar nicht direkt am Strand, aber mit Meerblick und umgeben von dekorativen Kakteen. 


Hier vesperten wir auf der Ladeklappe und sahen der Sonne beim Untergehen zu, und so warm war es, dass wir auch anschließend noch eine ganze Weile in kurzen Hosen sitzen bleiben konnten.


Das Aufräumkommando ist nach dem Vesper
schnell zur Stelle: Großohrenmaus (Auliscomys boliviensis).

Am Dienstag, 3.4.,erwachten wir nach ruhiger, milder, aber durch die Nähe zum Meer auch recht feuchter Nacht zu einem herrlichen Morgen. 

Morgendunst am Meer

Frühstück gab es wieder auf der Ladeklappe, danach ging Günter erst mal auf die Geierpirsch. Auf einem Felsen in der Nähe hatte sich ein Exemplar der, wie wir später feststellten, hier an der Küste sehr häufigen Truthahngeier niedergelassen und seine beeindruckenden Schwingen zum Trocknen oder Aufwärmen aufgespannt.


Nachdem wir zusammengepackt hatten, drehten wir noch eine kurze Runde über die Felsen, wobei die Vögel aber leider gerade entweder ausgeflogen oder eher inaktiv waren, nur ein paar Pelikane saßen müde herum.

Statt der Vögel gab es Echsen (Liolaemidae) ...

... und Kakteen (Copiapoa columna alba) zu bewundern.

Dann ging es weiter an der Küste entlang nach Süden und später erst auf der Panamericana Richtung Copiapó, ehe wir noch einen Schlenker durch den Nationalpark „Pan de Azucar“ machten, der wirklich gigantische weiße und total aufgeräumte Strände bot. Hier wollten wir auf der Rückfahrt auf jeden Fall noch einmal Station machen.

Neben den Stränden und der "Zuckerbrot"-Insel ...

... sind hier auch die durch unterschiedliche Mineralien
 bunt gefärbten Hügel sehenswert.

Nach einem ordentlichen Mittagessen im Restaurant „Quechua“ im Ortszentrum von Chañaral erreichten wir nachmittags schließlich die Stadt Copiapó, die Hauptstadt der Region Atacama. Diese liegt in einem weiten, offenbar sehr fruchtbaren und intensiv landwirtschaftlich genutzten Flusstal ca. 60 Kilometer landeinwärts von der Küste und auf ungefähr 400 m Höhe.

Noch vor der eigentlichen Stadt befand sich, ziemlich versteckt zwischen Feldern und unter Bäumen, das Hotel „Wara“, unsere mit Abstand luxuriöseste Unterkunft in Chile. Unser „Zimmer“ bestand aus zwei Rundhütten mit eigenem Garten und Terrasse und hatte auch sonst alle erdenklichen Annehmlichkeiten. Abends gönnten wir uns im hoteleigenen Restaurant ein mehrgängiges Mahl, das direkt am Pool serviert wurde. 

Kurzum: wir ließen es uns noch einmal so richtig gut gehen, denn nach dieser letzten Nacht im Luxusdomizil stand der zweite Teil unseres Bergsteigerprogramms unmittelbar bevor. In den nächsten 7 Tagen wollten wir versuchen, zwei weitere 6000er zu besteigen, den San Francisco (6018 m) und schließlich als Höhepunkt den Ojos del Salado (6893 m).

Doch zunächst mussten dafür noch unsere Vorräte an Wasser und Essen ergänzt werden, da Copiapó hierzu die letzte Gelegenheit bot. Überhaupt wartete jenseits von dieser Stadt die absolute Wildnis auf uns. Selbst der Diesel musste von jetzt an reichen bis wir am 11.4. hoffentlich heil und ganz wieder hier eintreffen würden, um uns noch einmal im Hotel Wara von den dann überstandenen Strapazen zu erholen.

Montag, 18. Juni 2018

Chile 2018 - Teil II: 5000+ - Akklimatisierung

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Lascar


Unsere zweite Nacht in San Pedro war leider nicht so ruhig wie erhofft, da diesmal die unzähligen Dorfhunde einfach nicht zur Ruhe kamen. Oder aber wir bekamen mehr davon mit, weil wir inzwischen das Schlafdefizit vom Flug wieder aufgeholt hatten. Morgens gab der Chef persönlich das Frühstück aus und wir unterhielten uns noch eine Weile. Scheinbar kommen nicht allzu oft Gäste in die Planeta Atacama Lodge, die auf einen oder mehrere Andengipfel steigen wollen. Umso mehr freute sich der Bergenthusiast über unsere Pläne und schwärmte von der Ruhe und Weite in Wüste und Bergen.

Dann hieß es zusammenpacken und los ging’s. Unser erster Weg führte uns an die einzige Tankstelle, die sich aus obskuren Gründen im Hof einer Hotelanlage mitten im Ort befand. Die aufgrund von diversen Schauergeschichten im Internet befürchtete Mega-Warteschlange trafen wir zum Glück nicht an und konnten praktisch direkt an die Zapfsäule rollen. Günter erstand noch einen Reservekanister und ließ ihn gleich mit 18 l Diesel befüllen, so waren wir bis auf weiteres bestens ausgerüstet. Sowieso stellte sich heraus, dass der Nissan längst nicht so viel schluckte, wie wir gedacht hatten, „nur“ ca. 9 l auf 100 km.

Danach ließen wir San Pedro hinter uns und rumpelten zum Salar de Atacama. Die 15000 Pesos Eintritt zu der offenbar sehr touristischen Laguna Cejar waren uns dann doch zu viel, so steuerten wir die Laguna Tebenquiche an. Auf der Anfahrt passierten wir dabei zwei Wasserlöcher mitten in der Wüste, die Ojos del Salar. 

Das eine "Auge der Salzpfanne".

Offenbar sprudelt hier Süßwasser an die Oberfläche, weshalb die beiden Teiche jeweils von einem schmalen Streifen üppigem Grün gesäumt werden und jede Menge Libellen umherschwirren.


An der Lagune selbst waren dann 2000 Pesos pro Person zu berappen, also völlig im Rahmen, und es gab ein ordentliches und sehr willkommenes Baño (= Toilette). Ein hübscher Weg führte an der Lagune entlang. Die Flamingos waren leider alle gerade ausgeflogen, aber wir entdeckten Eidechsen, die hinter den Salzfliegen herjagten. 

Liolaemus fabiani

Und auch der Blick über Lagune und Salar auf die praktisch wolkenlose Bergkulisse machte diesen Ausflug absolut lohnenswert. 


Obwohl wir hier der Sonne völlig ungeschützt ausgesetzt waren, hielt sich die Hitze auch heute wieder in Grenzen durch den konstanten kühlen Wind.

Zurück ging es erst auf gleicher Strecke, aber nach Erreichen der Hauptstraße wandten wir uns Richtung Süden bis nach Toconao, wo wir erst den kleinen Glockenturm der Dorfkirche mit seiner für die Gegend typischen Tür aus Kaktusholz bewunderten und dann ganz in der Nähe zum Mittagessen einkehrten. 



Toconao - oben der Glockenturm mit der Kaktusholz-Tür

In dem einfachen Gasthaus waren und blieben wir die einzigen Gäste, obwohl wir rund um den Hauptplatz doch einige Touristen gesehen hatten. Das „Menu complete“ war dann auch sehr mäßig, am besten fand ich noch die Suppe, die wirklich mit Fleisch gekocht war, das sich neben diversem Gemüse auch auf dem Teller wiederfand. Der Hauptgang, einmal Costoleto mit Arroz (Kotelett mit Reis) und einmal „Hamburguesa“ (eigentlich Hamburger, in diesem Fall aber nur Hacksteak) mit Salat, fiel dagegen ziemlich ab. Dafür war’s unschlagbar günstig und hatte entgegen unseren Bedenken auch keine unangenehmen Nachwirkungen.

Dann noch ein Abstecher in die Schlucht von Jerez (Quebrada de Jere) gleich beim Ort, ein für die Wüste unglaublich üppig begrüntes, tief eingeschnittenes Flusstal, in dem insbesondere viele Feigenbäume wuchsen, die gerade eifrig abgeerntet wurden. Auch hier war wieder Eintritt fällig, 1500 Pesos pro Person für den Blick in die Tiefe von einem Aussichtspunkt und eine Rast unter den schattigen Bäumen.

Quebrada de Jere

Hinter Toconao folgten wir noch ein paar Kilometer der Hauptstraße, die nach Socaire und später zur argentinischen Grenze am Paso Sico führt, ehe wir endgültig Richtung Lascar abbogen. Innerhalb von höchstens 20 km gewannen wir dann über 1000 Höhenmeter bis wir unser Tagesziel Talabre Viejo erreichten.

Bei Talabre - Blick in die Schlucht und bis zum Salar de Atacama.

Kakteen vor Vulkanlandschaft - hier oben wächst deutlich mehr
 als eine Stufe tiefer am Salar.

Die Lamaherde gibt nur zögernd den Weg nach Talabre Viejo frei.
Im Hintergrund thront der Lascar über dem Canyon.

Diese Ortschaft war Anfang der 1970er Jahre aufgegeben und vom Ufer des Bachs, der hier in einem breiten Canyon von den Bergen herabfließt, auf das Hochplateau darüber verlagert worden. Offenbar wurden damals bei einem Ausbruch des Lascar Teile des Dorfes zerstört und den Bewohnern wurde es dort in der Folge zu gefährlich. 

Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass hier ein guter Übernachtungsplatz zu finden ist. (Wir hatten die Information von iOverlander, einer Website, die weltweit schöne Stellplätze für Camper sammelt.) So befürchteten wir schon, dass wir die Nacht dort nicht allein verbringen würden, als nacheinander noch zwei andere Autos die Zufahrtspiste herabgerumpelt kamen. Doch es stellte sich zu unserem Glück heraus, dass deren Insassen doch nur die Ruinen besichtigen wollten.

Einsamer Zeltplatz im "Geisterdorf"

So sprach nichts mehr gegen eine absolut ruhige erste Zeltnacht. Trotz der Höhe (ca. 3500 m) war es kein bisschen kalt, so dass ich in meinem extra-warmen Expeditionsschlafsack im Lauf der Nacht sogar bei geöffnetem Reißverschluss ziemlich schwitzte. Das im Vorzelt deponierte Wasser hatte morgens höchstens Kühlschranktemperatur, weshalb wir vermuten, dass es vielleicht 5/6°C gehabt haben dürfte. Und außer einem Esel, der ein paarmal Laut gab, blieb auch alles still.

Kurzum: die Nachtruhe hätte eine ungestörte sein können, wären wir nicht beide laufend von dringenden Bedürfnissen nach draußen getrieben worden. Doch das sollte ja ein gutes Zeichen sein in Bezug auf die Höhenakklimatisation, genauso wie das völlige Ausbleiben von Kopfschmerzen. Nur meine Nase war wieder trocken und dicht, wie ich das schon von unserer Himalaya-Reise her kannte.

Trotz allem war die Nacht hinreichend lang, dass wir morgens halbwegs erholt aufwachten. Und da für heute lediglich die Anfahrt zum Lascar geplant und außerdem Günters Geburtstag war, blieben wir liegen bis die Sonne das Zelt gegen halb neun erreichte. Zur Feier des Tages gab es Nusskuchen zum Frühstück, dazu Nescafe und den leider nahezu ungenießbaren, da exzessiv mit Süßstoff traktierten Orangennektar.

Anschließend packten wir gemütlich zusammen und machten uns auf den kurzen Weg zur Laguna Lejia. Die Szenerie wurde dabei mit jedem Kilometer spektakulärer: schneebedeckte und schneefreie, aber in allen Farben von rot über braun bis gelb leuchtende Vulkangipfel, teils sogar mit einem Anflug von grün an den unteren Flanken von den Grasbüscheln, die dort wuchsen, und das alles vor tiefblauem Himmel.

In der Wüste der Farben

Einige Male trafen wir Esel auf der (Schotter-)Straße an, die Vikunjas flüchteten allerdings immer schon sehr frühzeitig, wenn wir daher gerattert kamen. Ein einziges Mal kam uns ein Auto entgegen, ansonsten waren wir bis zur Lagune allein unterwegs. Um dorthin zu gelangen, mussten wir den Lascar einmal fast komplett umrunden und schon jetzt am Morgen fiel uns an seinem Gipfel eine dünne Wolke auf, die verdächtig nach Vulkan-Qualm aussah. Im Lauf des Tages bestätigte sich unsere Vermutung immer mehr und später am Fuß des Berges roch es zeitweise deutlich nach Schwefel.

Sehr aktiv - der Lascar

An der Lagune entdeckten wir unsere ersten Flamingos, die glücklicherweise so in die Futtersuche vertieft waren, dass sie sich aus relativ geringer Distanz fotografieren ließen.

Ein Andenflamingo (Phoenicoparrus andinus)

Wir inspizierten dann den Lagerplatz, den es etwas oberhalb der Lagune gab, wanderten von hier kurz (10 min.) auf einen Aussichtshügel mit herrlichem Blick über die Lagune und die Gipfel des Lascar und seiner Nachbarn.


Von hier oben erspähten wir auch eine Vikunja-Herde am Ufer, der wir anschließend mit dem Auto und zu Fuß möglichst nahe zu kommen versuchten.

Vikunjas vor einem sehr fotogenen Nachbargipfel des Lascar

Schließlich ließen wir uns am halbwegs windgeschützten Lagerplatz zum Mittagsvesper nieder, beschlossen aber, die Nacht lieber etwas näher am Ausgangspunkt unserer morgigen Gipfeltour zu verbringen. Jetzt am frühen Nachmittag kamen auch nacheinander mehrere Autos vom Lascar zurück. Wir schafften es allerdings nicht, eines davon abzupassen, um nach den Bedingungen am Berg zu fragen.

So machten wir uns eben ohne die neusten Informationen auf den Weg. Wie sich herausstellte, führten jede Menge Fahrspuren über die Ebene bis an den Fuß des Vulkans und wir konnten nur auf gut Glück eine davon wählen. Ob wir dabei die ideale Route fanden, ist fraglich, jedenfalls wurden wir teils ziemlich durchgerüttelt auf dem Wellblech und Günter musste gut aufpassen, um nicht unvermutet in ein tieferes Loch zu brettern.

Tatsächlich ist es am Lascar möglich bis auf knapp 5000 m Höhe mit dem (Allrad-)Auto zu fahren, so dass bis zum 5592 m hohen Gipfel nur 600 Hm zu Fuß zu überwinden sind. Doch heute fuhren wir nur bis die Piste etwas steiler zu werden begann. Da es hier aber extrem zugig war und wir auch keinen geeigneten Übernachtungsplatz entdecken konnten, drehten wir um und steuerten eine Stelle mit jeder Menge riesigen Felsblöcken an, die uns schon vorher ins Auge gestochen war.

Der Platz stellte sich zwar auch als weniger windgeschützt heraus als wir gehofft hatten, aber hier hatten vor uns eindeutig schon andere ihre Zelte aufgeschlagen. Im leidlichen Windschatten eines besonders großen Felsens bauten dann auch wir unser Zelt auf, errichteten mit kleineren Felsbrocken einen Windschutz und beschwerten die Zeltheringe zusätzlich mit Steinen. Und auch der Pickup wurde strategisch platziert, um ebenfalls möglichst viel Schutz zu bieten.

Unser Lagerplatz - schon droht der lange Schatten der Nacht.

Abends herrschte immer noch bestes Wetter, nur im Osten zeigten sich ein paar harmlose Wolkenbänke. So blieb nur zu hoffen, dass wir anderntags ähnlich gute Bedingungen haben würden. 

Kurz vor sechs verschwand die Sonne hinter dem Berghang und wie befürchtet wurde es gleich ziemlich kalt. Unser Abendessen verspeisten wir deshalb im Auto mit herrlichem Blick auf die Lagune und die Berge dahinter. Es gab eine asiatisch angehauchte, recht scharfe Nudelsuppe, eine Art 5-Minuten-Terrine, die man nur mit heißem Wasser aufgießen musste. Günter machte dafür im Vorzelt das Wasser heiß, ich reichte ihm die Töpfe zum Auffüllen raus, und es war ein erstaunlich ergiebiges und wohlschmeckendes Mahl.

Die Nacht am Fuß des Lascar, auf immerhin 4603 m Höhe (laut GPS), wurde eher ungemütlich, da es durchgehend böig stürmte und auch deutlich unter 0°C wurde. Die Luft war dabei erstaunlich feucht, so dass sich Raureif auf Auto und Zelt bildete. Aber wenigstens kam kein Regen und über Nacht klarte es wieder komplett auf. Abends waren wir uns nicht so sicher gewesen, ob das Wetter hält, da sich hinterrücks von Westen ein paar dicke, dunkle Wolken angeschlichen hatten.

Gefühlt hatte ich in dieser Nacht relativ wenig geschlafen und hatte auch leichte Kopfschmerzen, aber da die Nacht von 20.30 Uhr bis kurz vor 8.00 Uhr dauerte, waren wohl letztlich doch ein paar Stunden Schlaf drin. Morgens trieb es mich schon vor Sonnenaufgang aus den üblichen Gründen nach draußen und das war dann auch der Startschuss zum Aufstehen.

Früh morgens liegt noch Reif auf Auto und Zelt.

Noch während wir frühstückten kam ein Auto vorbei, offenbar ebenfalls auf dem Weg zum Lascar, was ein Glück war, da wir uns später an diesem orientieren konnten, um im Gewirr der Fahrspuren zum richtigen Parkplatz zu finden. Wir packten dann zügig alles zusammen – da wir an unserem Übernachtungsplatz auf dem Rückweg nicht noch einmal vorbeikommen würden, musste auch das Zelt gleich mit – und fuhren los. Trotz der Orientierungshilfe kamen wir kurzfristig vom rechten Weg ab und mussten noch einmal ein Stück bergab rollen, dann aber waren wir am richtigen Ausgangspunkt.

Die Schuhe geschnürt, den Rucksack geschultert, die Stöcke gepackt und los ging’s. Schon vom Start weg plagte uns dabei ein garstiger Wind, der von überall her zugleich zu kommen schien. Auch die Schwefeldämpfe vom Krater waren deutlich zu riechen und stachen teils richtig in die Nase. So setzten wir ganz langsam („pole-pole“ – wie am Kilimanjaro J) einen Schritt vor den anderen, immer bemüht möglichst nicht außer Atem zu kommen, was erstaunlich gut klappte bei diesem ersten Mal. Abgesehen von dem heftigen kalten Wind war das Wetter zunächst wieder absolut genial und die Aussicht wurde mit jedem Höhenmeter besser.

Weiter Blick über die Vulkanlandschaft - am unteren Bildrand der "Parkplatz",
unser Lagerplatz befand sich hinter der rötlichen Felszunge am rechten Rand.

Anfangs hatten wir noch die anderen gesehen, die vor uns aufgestiegen waren, bis sie dann hinter einer Kuppe verschwanden. Aber der Weg war wirklich nicht zu verfehlen und die Spur meist so festgetreten, dass das Gehen von daher recht leicht fiel.

Ein paar Trinkpausen später und etwa nach zwei Dritteln des Aufstiegs kam uns auch schon die andere Gruppe wieder entgegen, die nach unserer Einschätzung aus einem Bergführer und drei Gästen bestand. Sie waren „nur“ bis zum Kraterrand aufgestiegen und der Bergführer empfahl dies auch uns, aber wenn wir absolut zu einem Gipfel müssten, meinte er, daure es links (zum Hauptgipfel) etwa eine Stunde und rechts (zum 30 m niedrigeren Nebengipfel) zirka eine halbe. 

Hier im oberen Drittel des Aufstiegs wurde es noch einmal deutlich windiger. Hatte bis jetzt noch meine Primaloftjacke über Fleecepulli und langer Unterwäsche ausgereicht, zog ich jetzt gerne noch die Softshell darüber und auch die wärmeren (Ski-)Handschuhe mussten her. Außerdem war es die goldrichtige Entscheidung, von Anfang an die Gletscherbrille aufzusetzen, da so die Augen maximal vor Wind und Sonne geschützt waren.

Dick vermummt gegen Wind und Sonne.

Am Krater angelangt war die Sicht in denselben leider gerade sehr eingeschränkt, da aus Westen wieder dicke Wolken darüber hin jagten. So hielten wir uns nicht lange auf und machten uns an den finalen Aufstieg zum (Neben-)Gipfel, auf den eine deutliche Spur hinauf führte, was auf der linken Seite Richtung Hauptgipfel nicht der Fall war. Zudem erleichterte uns die Entscheidung, dass die rechte Seite des Berges häufiger in der Sonne lag.

Um 12.25 Uhr, ziemlich exakt 3h nach unserem Aufbruch vom Auto, erreichten wir unseren ersten Gipfel hier in Chile, den ca. 5560m hohen Nebengipfel des Lascar.

Gipfelfoto im Sturm: mit dem Rücken zum Wind und gut festhalten ;)

Hier oben stürmte es ganz ordentlich, so dass wir erst nur ein paar schnelle Fotos machten, bei denen mir die Gesichtszüge ziemlich schnell einzufrieren drohten (und die am Ende sowieso eher nicht vorzeigbar waren ...). Echte Erfrierungsgefahr bestand aber unserer Meinung nach nicht, da es hierfür dann doch noch zu warm war. Andere Bergsteiger vor uns hatten sich erfreulicherweise die Mühe gemacht, einen Windschutz aus Steinen zu errichten, hinter dem wir noch eine ganze Zeit beim Gipfeltee die herrliche Aussicht nach Osten genießen konnten.


Dann machten wir uns wieder an den Abstieg, und siehe da: die Wolken rissen immer mehr auf und wir konnten doch noch den Krater in seiner ganzen Pracht und die Quellen des stechenden Schwefeldampfs bewundern.

Blick in den "Höllenschlund"

Der restliche Abstieg ging flott, da es zu der festen Aufstiegsspur meist alternative Spuren zum Abrutschen gab, wo der Vulkanschotter noch locker war.

Im Abstieg - unser Auto steht nun allein am Parkplatz.

Gegen 14.00 Uhr waren wir wieder am Auto und rumpelten zurück zur Lagune.

Der Piste von der Anfahrt folgten wir allerdings nur für einige Kilometer und bogen dann auf eine „Abkürzung“ ein, die uns direkt in den Ort Socaire bringen sollte, wo es eine angeblich sehenswerte Kirche zu besichtigen gab und wir eventuell auch eine Kleinigkeit essen wollten.

Am Beginn der Piste nach Socaire - noch ist alles ganz harmlos.

Die Piste führte dann auch tatsächlich dorthin und wir kamen letztlich auch dort an, aber dazwischen war der „Straßenzustand“ über viele Kilometer so haarsträubend mit tiefen ausgewaschenen Gräben und Sand und einem Canyon, der durchquert werden musste, dass es sogar für Günters Geschmack fast eine Spur zu abenteuerlich war. Er meisterte aber alle Schwierigkeiten mit Bravour – da kann ich als Autofahr-Legastheniker nur immer wieder staunen. Und auch das Auto hielt sich wacker, nachdem es uns morgens und im Anschluss an die Tour an diesem Tag schon zweimal einen Schrecken eingejagt hatte, weil es nur mit Mühe angesprungen war.

In Socaire entpuppte sich die viel gerühmte Kirche als äußerlich nicht weiter besonders und leider war sie zudem verschlossen.


Zu essen gab es dort auch nichts mehr – es war mittlerweile 16.00 Uhr. So fuhren wir mit einem kurzen Fotostopp – der Lascar präsentierte sich hier noch einmal von seiner besten Seite – die 50 km nach Toconao weiter und versuchten dort unser Glück.

Letzter Blick auf unseren ersten erfolgreich bestiegenen Gipfel in Chile.

In einem Restaurant an der Hauptstraße gab es noch Omelette mit Reis und Salat – nicht berauschend, machte aber satt, und „richtig“ Essen gehen wollten wir ja abends in San Pedro.

Dort fuhren wir jetzt auch hin und checkten in unser Hotel ein, das „Pascual Andino“. Das Zimmer war sehr ordentlich, wie es sich für ein Hotel der gehobenen Kategorie gehört, mit riesigem Bett und riesigem Bad und kleiner Terrasse, die ich gleich nutzte, um diverse Wanderklamotten zu lüften und Socken und Buff nach dem Auswaschen zu trocknen. 

Nach Duschen und etwas Ausruhen machten wir uns auf die Restaurantsuche. Letztlich landeten wir nur ein paar Ecken weiter im „Adobe“, das mich mit dem offenen Feuer (wir waren hinterher gut geräuchert), der schummrigen Beleuchtung und den groben Holztischen sehr an eine hippe Bier-und Burger-Kneipe in München erinnerte.

Abends in San Pedro - wir sind nicht die einzigen auf Futtersuche.

Burger gab es dann zwar keinen, aber das Essen war durchaus mal was Besonderes, denn die Beilagen zu Rind und Lamm-Köfte ( = Fleischbällchen) waren ziemlich kreativ (z.B. Quinoa mit Feige). Dazu eine Flasche Weißwein, um auf Günters Geburtstag und den ersten bezwungenen Berg anzustoßen, so hatten wir bald die nötige Bettschwere und genossen eine überraschend ruhige Nacht mitten in San Pedro.


Cordon del Tatio


Leider endete unsere Nachtruhe schon viel zu früh, weil die Geräusche von der Straße und aus dem Hotel selbst fast ungedämpft hereinschallten. Da wir aber an unserem letzten Morgen in San Pedro keine Eile hatten, blieben wir trotzdem noch bis weit nach 8.00 Uhr gemütlich liegen. Dann das Frühstück im Hotel und anschließend mussten wir auch schon wieder unsere Sachen packen, da spätestens um 11 das Zimmer geräumt sein musste. Noch einmal suchten wir die Tankstelle auf und in einem kleinen Laden ergänzten wir unsere Wasservorräte, da inzwischen schon einige der 6 l-Kanister vom Anfang durch das Rütteln und Scheuern auf der Ladefläche leck geschlagen waren.

Dann stellten wir das Auto mit etwas schlechtem Gefühl wegen der Diebstahlsgeschichten, die im Internet kursierten, auf einem öffentlichen Parkplatz ab und besichtigten die berühmte Kirche des Orts. In ihrer vielhundertjährigen Geschichte ist diese mehrfach komplett abgebrannt, weshalb gar nicht mehr bekannt ist, wie alt sie wirklich ist. In ihrer heutigen Form besteht sie seit dem 18. Jahrhundert. Am sehenswertesten fand ich das Eingangstor (außen in der Begrenzungsmauer) und die Decke des Kirchenschiffs, die jeweils aus Kaktusholz gefertigt wurden.


Die Kaktushölzer des Eingangstors sind mit Streifen
 aus Lamahaut zusammengebunden.

Auf dem Weg zum Mittagessen gingen wir noch einmal am Auto vorbei, das aber zum Glück noch unberührt da stand. Im Restaurant „Baros“ zeichnete es sich beim Blick auf die Tische der anderen Gäste ab, dass es dauern könnte bis das Essen kam. So machte Günter sich, nachdem wir bestellt hatten, schnell noch einmal auf die Socken und parkte das Auto auf einen Platz in unmittelbarer Nähe um. Etwas beruhigter konnten wir so ausharren bis das Essen serviert wurde, das dann zwar nicht besonders lecker ausfiel (Lomo allo pobre = „Schnitzel für Arme“, in diesem Fall 2 Fleischscheiben garniert mit 2 Spiegeleiern auf einem Bett aus Matschpommes …), aber dafür umso sättigender.

Danach verließen wir San Pedro endgültig und machten uns auf den Weg nach El Tatio. Bei schönstem Sonnenschein legten wir unterwegs noch eine Menge Stopps ein, um die Landschaft und die Tierwelt zu bewundern.

Säulenkakteen - Echinopsis atacamensis


Die Schlucht des Puritama - wo Wasser, da Leben.

Unter anderem ging es durch oder über diverse Schluchten, in denen erstaunlich viel Wasser floss und es entsprechend grün war. Säulenkakteen säumten viele Hänge und immer wieder tauchten Vikunja-Herden auf, die viel weniger scheu waren als am Lascar, vermutlich weil hier täglich Touristen auf dem Weg nach El Tatio vorbeikommen.

Ein neugieriges Vikunja.

Und endlich richtig viele Flamingos.

Je mehr wir uns unserem Ziel jedoch näherten, desto schwärzere Wolken bauten sich vor uns auf.

Unser Plan war, direkt in El Tatio zu campen, um am nächsten Morgen in aller Frühe zum Cordon del Tatio zu starten, der sich direkt neben dem Geothermalfeld erhebt. Zwischenzeitlich sah es aber für beides ziemlich schlecht aus. Dabei hatte Günter es mit Radebrechen auf Spanisch und unserem hochoffiziellen Difrol-Permit am Eingang tatsächlich geschafft, die Parkwächter zu beschwatzen, uns dies zu erlauben. Und obwohl wir es keineswegs darauf angelegt hatten, war uns zudem der Eintritt (10000 Pesos) erlassen worden.

So bewunderten wir unter schwarz dräuende Wolken erst die „Geysire“, die allerdings nur etwas vor sich hin blubberten und rauchten, und anschließend nahmen wir sogar noch ein Bad in der Thermalquelle, bis zuletzt in der Hoffnung, dass der Kelch an uns vorüberziehen und es trocken bleiben würde.


Die Thermalquelle von ElTatio, an den rot markierten
Stellen befinden sich die Heiß-Wasser-Zuflüsse.

Zum Glück gab es dort Umkleidekabinen, da wir nicht sonderlich aufgewärmt derselben entstiegen und draußen der eisige Wind schon erste Schneeflocken vor sich her trieb. Das Wasser war überwiegend doch eher lau gewesen und nur an wenigen Stellen wurde es von Zeit zu Zeit umso heißer, so dass man sich schon fast verbrühte, wenn man nicht aufpasste.

Und kaum hatten wir es uns anschließend im vergleichsweise angenehm warmen Auto gemütlich gemacht, krachte ein gewaltiger Donnerschlag so unmittelbar nach einem ersten unerwarteten Blitz, dass wir davon ausgingen, dass er in unseren „Badesee“ eingeschlagen hatte. – Da hatten wir ja gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt!

Erstmal blieb uns nun nichts anderes übrig, als im Auto sitzen zu bleiben und auf das Ende zu warten – des Schnee-Gewitters zumindest, wo schon nicht unser eigenes ;) - und es schien mehr als fraglich, ob wir den Berg anderntags überhaupt würden angehen können.  Aber auch schon eine weitere Nacht auf 4200 m wäre ja ein Gewinn in puncto Akklimatisierung.

Schließlich musste aber doch eine Entscheidung her, da es kurz nach 19.00 Uhr allmählich dunkel zu werden drohte. Das Gewitter war mittlerweile vorbeigezogen und auch das Schneegestöber ließ nach, so dass wir uns eine gewisse Chance ausrechneten, trocken ins Zelt zu kommen. Von der Thermalquelle rollten wir daher zum Fuß des Cordon del Tatio, wo der Ausgangspunkt für die Tour am folgenden Tag wäre – annehmbares Wetter vorausgesetzt.

Während des Zeltaufbaus bei hereinbrechender Dunkelheit hörte der Schneefall dann zunächst leider mitnichten auf, sondern ging in großes, nassflockiges Gestöber über. Wir mühten uns nach Kräften, trotzdem alles halbwegs trocken und schnell unter Dach und Fach zu bringen. Dennoch machte Günter noch mindestens 3 Extratouren zum Auto, weil jedes Mal irgendwas Essentielles fehlte (z.B. der Knopf für die Bedienung des Kochers, der zunächst unauffindbar war…).

"Lauschiger" Zeltplatz - El Tatio, 4300 m

Dann konnte es endlich ans Teekochen für den folgenden Tag gehen und verzehrten wir unser spätes Vesper. Bis wir schließlich in den Schlafsäcken lagen war es tatsächlich schon 21.45 Uhr, verdammt spät für eine Wildcamping-Zeltnacht und auch im Hinblick darauf, dass am folgenden Morgen schon um 6.30 Uhr der Wecker läuten würde.

Am Gründonnerstag begannen wir dann wirklich noch in der Dämmerung damit, uns anzuziehen und den so notwendigen wie lästigen morgendlichen Verrichtungen nachzugehen. Über Nacht hatte es nämlich komplett aufgeklart, so dass unserer Tour nichts mehr im Weg stand. Auch von den üblichen Höhenbeschwerden waren wir diesmal verschont geblieben, vielleicht weil wir nun doch schon die zweite Nacht über 4000 m verbrachten. Was auch eine Rolle gespielt haben dürfte, war die ziemlich hohe Luftfeuchtigkeit, die zwar zu Nässe und Raureif im Zelt geführt hatte, dafür aber die Atemwege schonte.

Punkt 8 waren wir startklar und stiefelten los. Wegen des Schnees vom Vorabend hatten wir uns diesmal für die dicken Bergstiefel entschieden und Steigeisen eingepackt. Zunächst aber war der Schnee noch total weich, und als wir nach etwa einer Stunde so langsam in die Sonne kamen, begann er auch gleich zu schmelzen. Anfangs war es absolut windstill, so dass wir bald leicht ins Schwitzen kamen. So pausierten wir gerne immer mal wieder und warfen einen Blick zurück nach El Tatio, wo die Geysire eindrucksvoll dampften und offenbar auch heute jede Menge Touristenbusse herumkurvten.

El Tatio in der Morgendämmerung

Spätestens jetzt ist klar,
warum die meisten Besucher um diese Zeit kommen.

Der Anstiegsweg  war eher unklar, da es an diesem selten bestiegenen Berg keine deutliche Spur gab, und so kamen wir zunächst etwas zu weit nach rechts und mussten weiter oben nach links zurückqueren. Die einzige Tourenbeschreibung überhaupt hatten wir im Internet bei Outdooractive gefunden, glücklicherweise mir GPS-Track, der nun sehr hilfreich war.

Mühsame Wegfindung zwischen Felsbrocken.

Drei Stunden und eine längere Ess- und Trinkpause später kamen wir so langsam in offeneres Gelände und sofort setzte wieder der gleiche ekelhafte Wind ein wie am Lascar. Im Gegensatz zu dort fiel mir der Aufstieg allerdings deutlich schwerer, sei es dass Günter, der selbst recht fit und unbeschwert wirkte, ein höheres Tempo vorgab oder dass mir das weglose Gelände zu schaffen machte.

13 Uhr war als spätester Umkehrzeitpunkt festgelegt, da wir am selben Tag noch nach Chiu Chiu wollten (oder mussten, da das Hotel fest gebucht war), und dorthin sollten es mindestens 3 h Fahrzeit sein. Als wir daher um ca. 11.30 Uhr eine Geländekuppe erreicht hatten, hinter der erst der ganze mächtige Gipfelaufbau sichtbar wurde, und Günter zudem verkündete, dass wir gerade mal auf 4900 m waren, ging meine Moral doch sehr in den Keller. 5560 m ist der Cordon del Tatio hoch und davon entfallen die letzten ca. 400 Hm auf einen ziemlich steilen Gipfelhang, der von hier deutlich zu erkennen war und dessen Fuß wir bei weitem noch nicht erreicht hatten.

 Der Cordon del Tatio,
an der rechten Schneeflanke wäre der Gipfelanstieg.

Nach einer weiteren Rast mit Tee und Schokoriegeln beschlossen wir daher, noch mindestens bis zu besagtem Fuß oder aber noch etwa 1 h weiterzugehen. Im Endeffekt kam dies auf dasselbe heraus: um 12.30 Uhr erreichten wir unseren höchsten Punkt auf knapp 5100 m.

"Gipfelrast" auf 5100 m

Damit hatten wir für die rund 800 Hm Aufstieg und laut GPS-Track 4,6 km Strecke (was uns etwas wenig vorkam) 4,5 h gebraucht. Angenommen wir bräuchten für die restlichen knapp 400 Hm im Verhältnis genauso lang, wären das mindestens noch einmal 2 h Aufstieg. Plus sicher 2,5 bis 3 h für den Abstieg hätte das bedeutet, dass wir erst um 17 Uhr frühestens wieder im Tal gewesen wären. 

Günter ärgerte sich schon ein wenig, dass wir die Hotelbuchung in Chiu Chiu hatten, da er meinte, mit entsprechend mehr Zeit hätten wir den Gipfel sicher geschafft. Ich bin mir da allerdings nicht so sicher, insbesondere weil mir der Abstieg auch so noch zu einer rechten Qual wurde: Die Schalenbergstiefel, in denen ich bis jetzt zwar noch nie richtig gut, aber doch ohne größere Probleme unterwegs gewesen war, plagten mich diesmal so richtig. Da konnte man nur gespannt sein, wie sich das noch entwickeln würde, zumal sich schon abzeichnete, dass wir am San Pedro – und später am Ojos del Salado sowieso – wieder mit den dicken Stiefeln würden gehen müssen, da es an diesen Gipfeln definitiv Eis gab.

Yareta (Azorella compacta) - eine extrem langsam wachsende Andenpflanze.
 In Chile streng geschützt, da durch jahrzehntelangen Raubbau (für Brennholz!)
 vom Aussterben bedroht.

Jedenfalls kam ich dann gegen 14.30 Uhr doch recht auf dem Zahnfleisch zum Auto gekrochen, wo das inzwischen in der Sonne wieder vollständig getrocknete Zelt auf uns wartete. So packten wir noch einige Zeit ein und um, da vom chaotischen Zeltaufbau und dem auch eher schnellen, da ohne Sonne noch sehr frostigen Zusammenpacken morgens ein arges Durcheinander im Auto zurückgeblieben war.

Nachmittags ist bis weit hinauf nichts mehr übrig vom Schnee.

Dann rollten wir zurück zum Eingang, wo Günter unser tags zuvor zum Kopieren dagelassenes Difrol-Permit nach einigen Mühen und Verwirrungen wieder ausgehändigt bekam und ich noch die Segnungen der Zivilisation in Form der Toilette genoss.

Erstaunlich war, dass sich an diesem wunderschönen Nachmittag nicht ein einziger Besucher in El Tatio aufhielt!

Noch ein Blick zurück zum Cordon del Tatio,
 diesmal mit dem Gipfelhang in Frontalansicht.

Nachdem auch wir dem Geothermalfeld endgültig den Rücken gekehrt hatten, fuhren wir auf ziemlich einsamen, aber überwiegend überraschend guten Nebenstrecken Richtung Chiu Chiu. Ursprünglich war hier wohl durchgehend asphaltiert gewesen, aber mittlerweile wurde nichts mehr ausgebessert, so dass gelegentlich gewaltige Schlaglöcher oder ganze Abschnitte entstanden waren, wo die Asphaltdecke komplett fehlte.

Weites, menschenleeres Land

An einer Stelle trafen wir dabei auf eine offenbar permanente Straßensperre der Polizei, wo der junge Beamte Günters Pass und Führerschein kontrollierte (sprich: neugierig aber verständnislos anschaute…) und sich offensichtlich gern mit uns über Woher und Wohin unterhalten hätte, was aber an der Sprachbarriere leider wieder hoffnungslos scheiterte.

Bei unserer Ankunft in Chiu Chiu wurden wir gleich ein zweites mal kontrolliert, was aber den Nutzen hatte, dass wir uns nach der Lage unserer Unterkunft erkundigen konnten, die Google-Maps ausnahmsweise nicht für uns hatte finden können. 

Dort angelangt breitete sich dann aber zunächst Ratlosigkeit aus, da das Gelände des Hotels „Sol Atacama“ ziemlich öd und leer dalag und auch auf unser wiederholtes Hupen hin niemand auftauchte. An der Tür zu einem der Zimmer steckte ein Schlüsselbund mit vielen Schlüsseln. Auf dem Schreibtisch in der Rezeption lag ein Handy, der Aufenthalts- und Frühstücksraum war offen – eigentlich sprach alles dafür, dass die Hotelbesitzer nicht weit sein konnten.

Fast eine halbe Stunde dauerte es bis schließlich eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm auftauchte, uns unser Zimmer zeigte und auch sonst herumführte. Wir wurden dann noch darüber informiert, dass abends anlässlich der „Semana Santa“, der Karwoche, eine Prozession im Ort stattfinde, welches Restaurant zu empfehlen sei, und als wir erwähnten, dass wir zum Vulkan San Pedro wollten, führte unsere Gastgeberin uns aufs Dach eines Rohbaus, von wo aus der Berg zu sehen war. Dies alles in einem Mix aus Englisch und Spanisch, der gerade so zur Verständigung ausreichte.

So bezogen wir also unser einfaches Zimmer mit den getrennten Betten und stellten uns erst mal unter die sich leider anfangs nur sehr zögerlich erwärmende Dusche. Danach fuhren wir gleich ins Dorfzentrum und parkten bei der jetzt, kurz nach 19 Uhr, verschlossenen Kirche.


Das empfohlene Restaurant "Inka Coya" daneben hatte aber geöffnet und wir bekamen in recht kurzer Zeit je ein Bier (Marke „Kunstmann“), Günter ein „Kaiser-Lomo“, eine Art Cordon Bleu, und ich „Pollo alla Plancha“ (gebratene Hühnerbrust) jeweils mit Pommes und Ensalada Chileña. Letzteres stellte sich als Tomatensalat mit einem buchstäblichen Haufen roher Zwiebeln heraus… Alles war sehr appetitlich angerichtet und qualitativ sehr gut, die Zwiebeln allerdings waren uns beiden zu viel. Überhaupt schienen die Chilenen ein besonderes Faible für rohe Zwiebeln zu haben, das ich in dieser Ausprägung sonst noch nirgends erlebt hatte. Das fing bei der zum Brot routinemäßig servierten roten Sauce mit ganz vielen Zwiebelstückchen an und endete beim Salat noch lange nicht.

Mittlerweile waren wir längst die letzten Gäste und so zögerten wir nicht lange mit dem Zahlen, was den Angestellten meinem Eindruck nach sehr entgegenkam. Draußen waren dann inzwischen erstaunlich viele Menschen unterwegs und auch die Kirche war wieder offen und hell erleuchtet. Drinnen in der laut einer Inschrift von ca. 1550 stammenden und angeblich sogar ältesten erhaltenen (da vermutlich nicht so häufig abgebrannten) Kirche Chiles waren ein paar Schwestern und andere Leute zugange und so lange wir uns noch umsahen läutete jemand die – ziemlich blechernen – Glocken. Ein Anschlag an der Kirchentür informierte uns, dass tatsächlich ab 20.30 Uhr hier eine Abendmahlsandacht und anschließende Prozession stattfinden würde. Da es aber erst kurz nach 8 und wir hundemüde waren, entschieden wir uns, nicht darauf zu warten, obwohl dies sicher ein einmaliges Erlebnis gewesen wäre.


Im Hotel fielen wir dann ziemlich umstandslos in unsere Betten und genossen die ruhige Nacht im Warmen. Schon anderntags sollte es ja wieder hoch hinaus gehen zum Basislager am Vulkan San Pedro.