Montag, 28. Januar 2019

Ladakh 2018 - Teil IV: Tsomoriri, Leh und Heimreise

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Tsomoriri


Nach einer letzten ruhigen, kalten Nacht im Basislager wurden wir am Morgen des 20.9. um 8 Uhr geweckt, wie wir es abends vereinbart hatten. An diesem letzten Trekkingtag sollte es ja „nur“ noch zum Tsomoriri hinab gehen und außerdem hofften wir, dass die Sonne uns bis dahin schon im Zelt einheizen würde.

Diese Rechnung ging jedoch nur bedingt auf: Zwar war der Morgenhimmel beileibe nicht vollständig wolkenverhangen und zunächst lud Sonnenschein auch dazu ein, das eine oder andere Ausrüstungsstück zum Trocknen auszulegen. Doch während wir beim Frühstück saßen, schlich sich eine fette graue Wolke hinterrücks an und sorgte just in der Zeit, als wir unsere Sachen packten, für den einen oder anderen lästigen Graupelschauer – während sonst rundum die Sonne schien … Davon ließen wir uns aber nicht groß aufhalten und schon bald waren wir bereit zum Start in die letzte Trekkingetappe.

Blick zurück auf dem Weg zum Yalung Nyau La -
"unsere" Mentok-Pyramide ist hier schon wieder verdeckt.

Zunächst ging es fast eben zum Pass „Yalung Nyau La“, wo uns ein Pferdemann abpasste, der bis dahin das Gepäck eines (vermutlich amerikanischen) Paares transportiert hatte, jetzt aber um das Fohlen einer seiner Stuten besorgt war, das offenbar immer schwächer wurde. Da die beiden Trekker nicht viel mehr Gepäck hatten als einen großen Rucksack, fand Jimmy, es sei kein Problem, diesen noch zusätzlich auf unsere Pferde zu packen. Der Pferdetross folgte uns diesmal unmittelbar und so war die Sache schnell erledigt, und die beiden durchgefrorenen Wanderer, die wohl schon lange am Pass auf Hilfe gewartet hatten, konnten sich an den Abstieg zum See machen.

Packpferde und Mannschaft überqueren den Pass.

Wir dagegen kraxelten erst noch ein paar Meter zu einem Aussichtspunkt hinauf, von wo man einen schönen Blick auf den Tsomoriri hatte.


Dann begann auch für uns der lange, staubige Abstieg, wobei wir unsere Pferde meist im Blick hatten. So konnten wir auch „hautnah“ mitverfolgen, als eines davon plötzlich zu bocken anfing und gleich einen Teil seiner Ladung abwarf, ehe es davonstürmte. Stanzin und der Pferdemann versuchten es zu bändigen, was ihnen bald auch gelang, ersterem aber eine leichte Verletzung am Arm eintrug (zum Glück nichts Schlimmes, nachmittags im Camp war ihm schon nichts mehr anzumerken). Jimmy sammelte die verlorenen Gepäckstücke auf und nachdem diese wieder festgezurrt waren, konnte es weitergehen.

Dem "bockigen" Pferd wird wieder aufgepackt.

Der aus Pferdesicht schlimmste Teil des Abstiegs war dann auch bald geschafft, das Gefälle nahm ab und schließlich erreichten wir eine weite, anfangs noch recht wüstenhafte Ebene. Hier hängten uns die Pferde endgültig ab, obwohl auch wir flott voran kamen. Am rechten Rand der Ebene wurde es bald immer grüner und einzelne Gehöfte tauchten auf.

Korzog Sumdo - die erste feste Siedlung nach einer Woche.

Doch obwohl wir uns nun schon sehr nahe am Tsomoriri befanden, war dieser bis fast zuletzt aus unserem Blickfeld verschwunden, da ein Höhenzug uns vom See abschnitt. Nach einiger Zeit querten wir zum ersten Mal den Bach „Korzog Chu“, dem wir dann folgten und der bald darauf durch eine Schlucht Richtung See floss. Hier legten wir noch eine letzte Rast ein, wenn Jimmy auch meinte, wir wären in spätestens 10 Minuten am Ziel. Aber erstens hatten wir an diesem Tag bei 3 ½ Stunden staubigem Fußmarsch bis dahin gerade einmal gerastet und zweitens gab dies unserer Crew die Möglichkeit, schon mal mit dem Zeltaufbau zu beginnen.

Und dann waren wir am Ende unseres Trekkings angekommen und hatten die äußersten Ränder der „Zivilisation“ wieder erreicht. Allerdings äußerte sich diese hier zunächst hauptsächlich durch Dreck und Müll … Unser letztes Camp wurde ganz am Rand der Ortschaft Korzog an einem Bach errichtet, aus dem leider auch Trink- und Spülwasser für uns geschöpft wurde. Dabei war mir schon viel weiter bachaufwärts bei der ersten Überquerung aufgefallen, dass die Steine im Bachbett grün vor Algen waren, und etwas oberhalb des Campingplatzes hatten wir gesehen, wie jemand am Bach sein Auto putzte. Da konnten wir nur hoffen, dass unser Immunsystem auch diese letzte Hürde nehmen würde, so wie es in den vergangenen zwei Wochen alle Angriffe mit Bravour pariert hatte. – Wieder einmal machten wir die Erfahrung, dass man in der Hinsicht doch erstaunlich viel mehr aushält, als man gemeinhin glaubt.

Fast am Ende der gemeinsamen Reise gönnen sich Koch
 und Guide einen entspannten Schwatz am Nachmittag.

Jimmy hatte an dem Tag noch einmal unseren Lunch spazieren getragen, den wir jetzt  draußen an unserer Blechkiste mit Tischtuch verspeisen durften. Halb kalter Reis mit etwas Ei plus Paneer in roter Soße – nicht gerade Haute Cuisine, aber passte nach dem langen Marsch schon. Nach dem Essen schrieb ich noch ein wenig Tagebuch, während Günter seine Fotos des bisherigen Tages sichtete. Bald verabschiedete sich auch schon der Pferdemann, der seine Tiere anderswo weiden lassen wollte.

Am späteren Nachmittag brachen Günter und ich schließlich noch zu einem Aussichtspunkt auf, von wo man den ganzen See überblicken konnte. Günter schoss Unmengen von Fotos, insbesondere von den Zwillingsgipfeln Lungser und Chamser Kangri (beide um 6600 m hoch), die ursprünglich auch auf seiner „Wunschliste“ für Ladakh gestanden hatten. Leider darf man diese Berge aber nicht mehr besteigen seit vor einigen Jahren zu ihren Füßen am Ufer des Tsomoriri ein Militärcamp eingerichtet wurde.

Korzog am Tsomoriri

Das Cafè am Aussichtspunkt hatte leider geschlossen.

Blick zum Südende des Sees,
die Berge dahinter sind schon in Tibet.

Am jenseitigen Ufer ragen Chamser und Lungser Kangri auf.

Auf dem Rückweg machten wir einen Abstecher ans Seeufer und testeten das Wasser: erfrischend und gar nicht besonders salzig! Dann ging’s zurück zum Camp, noch ein wenig im Zelt ausruhen, schon mal umziehen für die Nacht und dann wurden wir ungewöhnlich früh zum Abendessen gerufen.

Offenbar hatte auch Jimmy nicht damit gerechnet, denn zunächst waren wir mit Koch und Gehilfe allein, nach einer Weile gesellte sich der Fahrer des Busses zu uns, der uns anderntags nach Leh bringen sollte und der natürlich schon an diesem Tag angereist war. Unser letztes Abendessen war nicht weiter spektakulär, man merkte schon, dass Dawa so langsam die Zutaten ausgingen: Tomatensuppe aus der Tüte, Reis, Dal und Paneer mit Dosenpilzen gebraten. Doch zum krönenden Abschluss präsentierte er dann tatsächlich noch eine Torte aus einem Biskuitboden, den er mit Sahne und Marmeladenverzierung versehen hatte. Die Verzierungen sollten wohl Berge darstellen und in der Mitte war ein Kreis mit einem „P“, dem „Peak“. Wir bedankten uns recht schön und vertilgten beide ein ordentliches Stück, obwohl es doch eher eine trockenen Angelegenheit war und wir eigentlich davor schon satt waren.

Auch wir hatten an diesem letzten Abend noch einen Trumpf im Ärmel, denn wir wollten uns bei Dawa und Stanzin schon mal für ihre Dienste bedanken und überreichten nun unser Trinkgeld an die beiden. Das sorgte dann noch einmal für Stimmung im Küchenzelt, ehe wir uns für die Nacht verabschiedeten. Erst jetzt schneite auch noch Jimmy herein und wunderte sich nicht wenig, dass für heute schon alles vorbei war.

Zurück nach Leh


Die Nacht am Tsomoriri war deutlich wärmer als die vorangegangenen, obwohl der See noch immer auf stolzen 4700 m Höhe liegt. Bei soviel Wasser vor der „Haustür“ wurde es allerdings auch recht feucht, so dass wir morgens einige Sachen einpacken mussten, ehe sie richtig trocken waren. Frühstück gab es noch ein letztes Mal im Freien, belauert von einigen Hunden, die vergebens auf Abfälle hofften. Während des Zusammenpackens trampelten zudem einige der landestypischen Zwergkühe (unwesentlich größer als ein großer Hund) zwischen den Küchenutensilien herum und ließen sich selbst mit Klapsen kaum vertreiben.

Kurz nach neun war auch der Bus bereit, der morgens zunächst Startschwierigkeiten gehabt hatte. Schnell war alles darin und darauf verstaut und dann konnte es losgehen mit der langen Rückfahrt nach Leh. Da wir das Industal ja schon von der Herfahrt kannten, hatten wir den Fahrer gebeten, diesmal die Strecke über den Tso Kar zu nehmen. Zwar bedeutete dies einige Kilometer mehr und außerdem zwei zusätzliche Passüberquerungen, aber er erklärte sich gerne bereit dazu.

Zunächst ging es aber durch den Ort Korzog und dann am Seeufer entlang, wo gleich mal wieder ein Militärposten nach Pässen und sonstigem Papierkram verlangte. Am nördlichen Ende des Sees erreichten wir das Tal, das Ausgangspunkt unserer zweiten Woche Trekking und Bergsteigen gewesen war, und von da ging es ein gutes Stück auf gleicher Strecke wie auf der Herfahrt zurück.

Abschied von Korzog und dem Tsomoriri.

Bei der Rückfahrt passieren wir noch einmal den Kyagar Tso.

Beim Dorf Sumdo Yogma, dessen Bewohner gerade auf sehr altertümliche Weise mit Kind und Kegel auf den Feldern bei der Getreideernte waren, zweigten wir schließlich Richtung Tso Kar ab – und mit uns eine ganze Meute Motorradfahrer, die (sowie noch viele andere mehr) uns an diesem Tag noch oft begegnen sollten.

Wir hatten das Dorf mit seinen grünen Feldern noch kaum hinter uns gelassen, da tauchten wir in eine richtige Wüste ein. Entlang des Baches, dem wir nun wieder aufwärts Richtung Polo Kongka La (4970 m) folgten, war überall Salz abgelagert und stellenweise war es richtig sandig. Jenseits des Passes ging es vorbei an einigen Hirtencamps zum Tso Kar hinab, der trotz seines Namens (Tso = See) im Wesentlichen eine Salzpfanne ist. Hier legten wir einen Sightseeing- und Fotostopp ein – nicht nur der herrlichen Landschaft wegen, sondern weil Jimmy, der manchmal auch als „Nature Guide“ unterwegs ist, einige „Black-necked cranes“ (Grus nigricollis, Schwarzhalskraniche) erspäht hatte. Leider waren sie viel zu weit entfernt, um sie genau beobachten zu können, ebenso wie die Wildesel, die wir an zwei verschiedenen Stellen entdeckten.

Schwarzhalskraniche am Tso Kar

Gut getarnte Wildesel.

Bei der Weiterfahrt verdrehten wir uns noch eine ganze Zeit die Köpfe, in der Hoffnung, einen letzten Blick auf „unsere“ versteckte Mentok Pyramide zu erhaschen – zumindest von hier aus jedoch vergeblich. Dagegen sind wir uns ziemlich sicher, dass wir den Gipfel des Spangnak Ri vom See aus sehen konnten.

Und noch ein Blick zurück -
die "Straße" zum Tsomoriri ist eher übersichtlich.

Dann führte die Straße in einen Taleinschnitt und über eine Kuppe und das war’s dann erst mal mit dem Blick zurück. Bald darauf erreichten wir die Hauptstraße, die von Manali im indischen Tiefland her Richtung Leh führt, und kurz nach der Einmündung eine Ansammlung von Zeltrestaurants (mit „Homestay“, d.h. Übernachtungsmöglichkeit bei Einheimischen), die uns fürs Mittagessen gerade recht kamen.

Raststätte auf ladakhisch - am Manali-Leh-Highway.

Jimmy wählte nach Gutdünken eins davon aus, wo es dann immerhin Reis und Dal gab, eine Portion Momos vom Vortag, Nudelsuppe und das Angebot, ein Omelette zuzubereiten. Wir entschieden uns für ersteres plus einer Flasche Cola. Der Fahrer sicherte sich die "alten" Momos und der Rest der Mannschaft begnügte sich mit Nudelsuppe und Milktea. Das beste an der Sache war eigentlich das Ambiente und das Prozedere, sowie die beiden „Wirte“: er ein großer Schlaks, sie klein und rundlich, beide mit coolen Sonnenbrillen, die sie auch im Zelt beim „Kochen“ nicht abnahmen. Im Wesentlichen wurde wohl aufgewärmt, der Reis dürfte fertig irgendwo warmgehalten worden sein. An das große, runde Zelt, in dem rundum an den Wänden niedrige harte Pritschen mit Decken und Tischen davor standen, schloss sich hinten ein weiteres an, das offenbar zum Übernachten diente. Natürlich erhob sich nach dem Essen auch hier wieder die Frage nach der Toilette: hinter die Zelte wurden wir geschickt, wo sich hinter einer halbhohen, windschiefen grünen Plane als Sichtschutz ein Graben im Boden befand, über den drei Steinplatten als „Donnerbalken“ gelegt waren …

Weiter ging‘s auf nun deutlich besserer Straße, die sich schon bald wieder zum nächsten Pass hinaufwand, dem ca. 5300 m hohen Taglang La - laut Tafel am Pass wieder einmal der zweithöchste der Welt … Am Pass stoppten wir noch einmal, um die Aussicht zu genießen, und hier meinte nun Jimmy, dass er die Mentok Pyramide doch noch erspäht hätte. Unglaublich viele Motorradfahrer posierten dort oben für ein Erinnerungsfoto – nicht weiter überraschend, da wir uns nun auf dem berühmten Manali-Leh-Highway befanden und hier zudem am höchsten Punkt der ganzen Strecke.

Immer gut besucht: der Taglang La, ...

... mit 5300 m der höchste Pass auf dem Manali-Leh-Highway.

Jenseits des Passes schraubte sich die Straße wieder scheinbar endlos ins Tal hinab. Unser Fahrer wurde jetzt zunehmend ungeduldiger und ließ sich zu teils recht gewagten Überholmanövern hinreißen, wenn mal wieder ein Tanklaster vor uns her kroch. Auf der engen Passstraße begegneten uns auch mehrere Radler, unter anderen zwei ziemlich junge Mädchen, denen ich nur ganz viel Glück wünschen konnte, in diesem Land der tollkühnen Autofahrer!

Irgendwann hatten dann die Serpentinen ein Ende und wir erreichten ein Tal, teils fast eine Schlucht, mit imposanten rot und grün gestreiften Felsen, durch das ein Zufluss des Indus plätscherte. Hier war die Straße – immerhin eine der beiden einzigen Straßenverbindungen zwischen Ladakh und dem Rest Indiens – nun eher wieder ein Sträßchen, das sich eng und kurvig um die Felsen wand.

Im rot und grün gestreiften Gebirge.

Auch dieser Streckenabschnitt zog sich noch einmal lang und auf Dauer eintönig dahin. In den vereinzelten Dörfern, durch die wir kamen, gab es aber stets auffallend viele Hinweisschilder zu Unterkünften, Homestays oder Campingmöglichkeiten. Schließlich weitete sich das Tal dann doch und bei dem Ort Ubshi erreichten wir wieder den Indus. Von da war es dann nicht mehr weit bis nach Kharu (unterhalb des Klosters Hemis), wo sich der Kreis für uns endgültig schloss: Hier waren wir vor gut zwei Wochen zum Pangong Tso abgebogen und hier erreichten wir nun wieder die altbekannte Strecke nach Leh. Noch einmal mussten an einem Posten die Pässe und Papiere gezeigt werden und danach wollte der Fahrer offensichtlich nur noch heim, jedenfalls wurde sein Fahrstil noch einmal deutlich gewagter und laufend kam die Hupe zum Einsatz.

Zum Glück ging aber alles gut und um kurz nach vier rollten wir in den Hof des Hotels Omasila. Der Fahrer bekam zum Trinkgeld von Günter die Mahnung, in Zukunft etwas langsamer und weniger aggressiv zu fahren; Dawa und Stanzin halfen beim Ausladen des Gepäcks und dann verabschiedeten wir uns von den beiden. Jimmy kam noch mit in die Lobby und klärte mit dem Rezeptionisten, dass wir diesmal ein möglichst ruhiges Zimmer nach hinten raus bekamen. Dann verabschiedete auch er sich, jedoch nur bis zum nächsten Abend, für den wir uns zum Essen verabredet hatten.

Unser neues Zimmer war in der Tat wesentlich ruhiger als das erste, vor dem Fenster lag ein Stück Garten mit herrlichen Dahlien und ein paar Apfelbäumchen, die ordentlich trugen.

So waren wir denn wieder zurück in Leh und der abenteuerliche Teil unserer Reise lag hinter uns. Einmal Duschen (mit zweimaligem Haare Waschen …), etwas Ruhen und ein deftiges Abendessen (endlich mal wieder mit Fleisch und einem Bier für Günter) später, fühlten wir uns schon fast wieder wie zivilisierte Menschen.

Wir waren erstaunt, wie viele Läden und Restaurants geschlossen hatten, und führten es zunächst aufs Saisonende zurück. Später vermuteten wir dann, dass es auch teilweise daran liegen könnte, dass Freitag war und damit sicher für manche muslimische Geschäftsleute Ruhetag.

"Letzter" Tag in Leh


An unserem „freien“ Tag in Leh schlenderten wir nach dem späten Frühstück auf alternativen Wegen Richtung Altstadt und Fußgängerzone. Hinter unserm Hotel begann ein Fußpfad, der sich entlang eines Baches zu Tal schlängelte. Diesem folgten wir nun ein Stück weit bis wir auf eine „richtige“ Straße stießen und schließlich am Main Bazar wieder bekanntes Terrain erreichten.

Einsame Pfade - in Leh wird es gegen Ende der Saison ruhig.

Die Kühe haben hier ein geruhsames Dasein.

Unsere Einschätzung vom Vortag, dass die Saison sich dem Ende zuneigte, bestätigte sich dabei immer mehr. Tatsächlich waren auch heute jede Menge Läden und Restaurants verriegelt und verrammelt und an verschiedenen Stellen der Stadt wurde verstärkt gebaut und renoviert. So waren z.B. in unmittelbarer Umgebung unseres Hotels Straßenbauarbeiten im Gange und diverse Hotels und Gästehäuser hatten bereits geschlossen und wurden umgebaut oder für die nächste Saison auf Vordermann gebracht.

Die Apfelernte war 2018 wohl auch hier gut
 - und offensichtlich schmeckt's.

Die Moschee am Main Bazar.


"Willkommen zum Ladakh Festival!"

Andererseits waren am Main Bazar ganz offensichtlich neben den üblichen Touristen auch viele Einheimische unterwegs, die für das Ladakh Festival angereist waren, das an diesem Wochenende hier stattfand. Nach einem kurzen Ausflug zu einem ziemlich verfallenen kleinen Stupa auf einem Hügel mitten in der Stadt, machten auch wir uns dorthin auf den Weg. Das Festival besteht wohl seit ein paar Jahren und wird vom Tourismusverband ausgerichtet mit dem erklärten Ziel, Touristen aus aller Welt die hiesigen Bräuche näher zu bringen. Für uns wirkte die Veranstaltung, zu der wir nun stießen, wie ein Treffen von Trachtenvereinen aus den verschiedensten Gegenden Ladakhs.

Prächtige Gewänder, Türkise ...

... und üppiger Silberschmuck.

Teilnehmer aus allen ...

... Altersstufen. - Die Jugend scheint auch hier dieselben
 Interessen zu haben, wie mittlerweile auf der ganzen Welt ;)

Nacheinander wurden die einzelnen Gruppen aufgerufen, die dann jeweils ihre oft prachtvollen Gewänder, häufig mit Silberschmuck und Türkisen verziert, präsentierten und teils auch Tänze aufführten oder sangen. Das Ganze fand im Freien auf dem „Polo Ground“ statt, einer relativ großen Freifläche nahe beim Leh-Palast, die sonst meist als Parkplatz genutzt wird. Hier waren auf drei Seiten provisorische Tribünen für die Zuschauer errichtet, während auf der vierten Seite in einer deutlich erhöhten Loge, verschiedene religiöse und weltliche Würdenträger den Vorführungen beiwohnten. Neben anderen Veranstaltungen sollte es auch ein Polo-Turnier geben, das jedoch offenbar an einem anderen Ort stattfand. Aber immerhin waren in der Altstadt einige Reiter in Polokluft an uns vorbei geritten.


Nach einiger Zeit hatten wir uns an dem bunten Spektakel satt gesehen, wohingegen der Magen so langsam nach dem Mittagessen verlangte. So schlenderten wir wieder hügelab, erstanden in einer engen Gasse hinter dem Main Bazar noch Räucherstäbchen und Gebetsfähnchen als Souvenirs und kehrten dann im Restaurant „Gesmo“ ein. Inzwischen sah es immer mehr nach Regen aus, die ersten Tropfen fielen aber erst, als wir uns auf dem Rückweg vom Essen doch noch von einem der vielen Schalverkäufer in seinen Laden locken ließen. Wie alle anderen versprach auch dieser besonders günstige Preise zum  Saisonende, da er demnächst schließen und Leh verlassen werde bis zum nächsten Jahr. Auf die Frage, wohin er denn dann gehe, meinte er: erst nach Kashmir zu seiner Familie und dann nach Goa, wo er den Winter über sein Geschäft habe. – Vermutlich machen das viele der Souvenirhändler so, um das ganze Jahr über Einnahmen zu haben. Natürlich sind wir dann nicht ohne etwas zu kaufen wieder aus der Sache herausgekommen. Ein schwarz-weiß-gestreifter Kashmir-Schal und ein rot-orange-bunter etwas größerer aus Kashmir-Seiden-Gemisch mussten schon sein.

Anschließend kehrten wir noch zu Kaffee und Kuchen im „Yama“-Café ein, wo wir auch schon vor dem Trekking zum Abendessen gewesen waren und, wie wir wussten, das Internet recht gut war. So schaffte Günter es dann doch noch, uns für den Flug nach Delhi (geplanter Abflug 11.55 Uhr am folgenden Tag) einzuchecken, woran er zuvor im „Gesmo“ mehrfach gescheitert war. Zum Glück war das „Yama“ vom Hotel nur ein paar Schritte entfernt, denn erstens regnete es mittlerweile so richtig und zweitens fiel uns erst vor unserer Zimmertür auf, dass wir die Tüte mit den Schals dort vergessen hatten …

Wegen des Regens unternahmen wir an diesem Nachmittag dann nichts weiter. Packen stand noch auf dem Programm, wobei ich meinen dicken Schlafsack erst mal noch draußen ließ, da ich zurecht vermutete, dass ich ihn in der Nacht brauchen würde. In unserem Zimmer war es schon jetzt recht frisch und die Zudecken auf den Betten waren ziemlich dünn.

Abends stand Jimmy pünktlich um sechs auf der Matte zusammen mit einem Gesar-Mitarbeiter, den wir schon vom Beginn der Reise kannten. Letzterer wollte offenbar erfahren, ob alles zu unserer Zufriedenheit gelaufen war, und war auch für die Organisation des Taxis zum Flughafen am anderen Morgen zuständig. In der Nähe des Gesar-Büros verabschiedete er sich dann und wir gingen zu dritt weiter zum Restaurant „Tibetan Kitchen“. Dieses schien sehr beliebt zu sein, jedenfalls bekamen wir nur so gerade noch einen Tisch im Inneren des Restaurants, während alle, die nach uns kamen und nicht reserviert hatten, draußen in der feuchten Kälte sitzen mussten. Bei unterschiedlichen tibetischen Lammgerichten unterhielten wir uns noch einmal sehr nett mit Jimmy, überreichten mit viel „Dankeschön“  das in seinem Fall wirklich wohlverdiente Trinkgeld und trabten dann gemeinsam zurück zum Hotel, wo wir endgültig Abschied nahmen. 

Jimmy (auf dem Spangnak Ri)


Heimreise mit Hindernissen


Ja, und dann dachten wir: noch eine Nacht im nasskalten Leh, ehe wir ins „echte“, heiße Indien fliegen, um die Reise mit einem Besuch des Taj Mahal abzuschließen. - Doch da hatten wir die Rechnung ohne das Wetter und seine Auswirkungen auf den Flugverkehr gemacht! Denn anderntags kamen wir gerade mal bis vor den Eingang des Flughafens und schon hörten wir die Durchsage, dass unser Flug gecancelt sei. Zunächst versuchten wir, vor Ort herauszufinden, wie es nun für uns weiter gehen würde, mussten aber schon bald einsehen, dass wir dort nichts ausrichten konnten. So suchten wir uns ein Taxi, das uns zurück in die Stadt zum Hotel Omasila brachte. Die Rezeption rief dann gleich bei Gesar an, wo man versprach, sich um alles Weitere zu kümmern. Und wir bezogen wohl oder übel wieder dasselbe Zimmer, das wir nur kurze Zeit zuvor geräumt hatten.

Anfangs wunderten wir uns noch darüber, dass unser Flug gestrichen worden war, wo es doch für unser Gefühl nicht extrem regnete. Bei jedem Flughafen in „normaler“ Lage wäre dies auch sicher kein Grund gewesen, doch in einem Talkessel auf 3500 m zwischen teils über 6000 m hohen Bergen ist eben alles etwas anders und Starts und Landungen sind schon bei gutem Wetter keine leichte Übung. Im Lauf dieses Tages gab es widersprüchliche Informationen, ob nun noch ein Flug stattfinden würde, aber tatsächlich war der Luftverkehr wohl komplett lahmgelegt. Der einzige Flieger, der in Delhi mit Ziel Leh gestartet war, kehrte nach kurzer Zeit dorthin zurück.

Uns blieb letztlich nicht viel anderes übrig als uns auf die Gesar-Mitarbeiter zu verlassen, die versuchten, uns auf den nächsten Tag umzubuchen – kein leichtes Unterfangen, da wir natürlich bei weitem nicht die einzigen Betroffenen waren. Der Tag zerrann uns weitgehend untätig – wegen des Regens hatten wir wenig Lust, uns noch einmal in die Stadt zu begeben, ganz abgesehen davon, dass wir zunächst hofften, eventuell doch noch an diesem Tag von Leh wegzukommen, und so bewegten wir uns nur zwischen unserem feucht-kalten Hotelzimmer und dem deutlich angenehmeren „Yama“-Café hin und her.

Jetzt heißt es geduldig ausharren wie der Ochse ...
(Der war stets vor diesem Schrein anzutreffen,
 wo es täglich frische Blumen gab.)

Auf dem Weg zum Abendessen machten wir einen Abstecher zum Gesar-Büro. Zwei Mitarbeiter bemühten sich hier immer noch, Air India davon zu überzeugen, uns am folgenden Tag mit nach Delhi zu nehmen (vorausgesetzt das Wetter besserte sich …), doch die Hoffnung schwand immer mehr. Schließlich sahen wir alle nur noch die Chance, anderntags so früh wie möglich am Flughafen zu sein und mit Unterstützung einer Gesar-Mitarbeiterin dort zwei Plätze für uns zu ergattern. Eigentlich hatten wir ja ein gutes Argument, denn während es zwar ärgerlich war, dass wir den Besuch in Agra und das dort gebuchte Hotelzimmer hatten abschreiben müssen, käme es doch schon einer mittleren Katastrophe gleich, wenn wir unseren Weiterflug nach München verpassen würden. Doch es stand zu befürchten, dass selbst das nicht überzeugen würde, weil es sicher genügend andere potentielle Passagiere mit ähnlichen Problemen gab.
 
So stapften wir im Regen und in eher gedrückter Stimmung zu unserem (hoffentlich) letzten Dinner in Leh. Immer wieder kam es zu Stromausfällen, so dass die ganze Stadt oder zumindest Teile davon im Dunkeln lagen, und der Rückweg ins Hotel wurde noch recht abenteuerlich, zumal die häufig nicht asphaltierten Straßen ziemlich durchweicht waren und teils praktisch nur noch aus riesigen Pfützen bestanden.

Um 4.30 Uhr schellte dann schon wieder der Wecker und tatsächlich stand bereits unser Taxi vor dem Tor. Kurz nach fünf erreichten wir in stockdunkler Nacht den Flughafen, der zu dem Zeitpunkt noch nicht mal geöffnet hatte. Bald wurden wir aber doch eingelassen und das, obwohl wir kein gültiges Ticket für diesen Tag hatten. Tsering, die uns im Auftrag von Gesar begleitete, schien jedoch praktisch jeden und jede hier zu kennen, deshalb machte das Sicherheitspersonal für uns eine Ausnahme und wir durften in die Vorhalle des Flughafens, wo sich die Büros der Airlines befanden.

Hier begann nun ein zähes Ringen mit Air India um unsere Plätze auf einem Flug nach Delhi. Während anfangs nur immer die Standardantwort kam, dass alles ausgebucht und nichts zu machen sei, zahlte pure Hartnäckigkeit sich am Ende aus: nach ein paar Stunden Ausharren vor dem und teils sogar im Air-India-Büro war der örtliche Manager des Flugunternehmens vermutlich so entnervt, dass er den Befehl herausgab, uns auf die Passagierliste zu setzen – und zwei andere Pechvögel dafür zu streichen …

Das war ein Schritt zum Glück, aber noch längst nicht das Ende des Krimis für diesen Tag. Von Tsering, der wir wirklich zu großem Dank verpflichtet sind, denn ohne sie hätten wir es hundertprozentig nicht geschafft, an diesem Tag von Leh wegzukommen, verabschiedeten wir uns nun herzlich. Es folgten viele, viele Stunden in einem Wechselbad der Gefühle, da es lange alles andere als klar war, ob der Air-India-Flug nach Delhi überhaupt stattfinden würde. Nach und nach wurden die Passagiere der anderen Airlines aufgerufen und die Halle leerte sich zusehends, nur wir saßen immer noch auf unseren Reisetaschen …

Doch dann, schon am späten Nachmittag, ging plötzlich alles ganz schnell: Taschen abgeben, Sicherheitskontrolle, am Gate noch einmal eine knappe Stunde warten (was ist das schon an so einem Tag ;)) und nach schlappen 11 Stunden am Flughafen von Leh konnten wir endlich den Flieger nach Delhi besteigen – uff!

Abschied von Leh - auf den Bergen liegt reichlich Neuschnee.

Ab hier ging dann alles ohne weitere Komplikationen vonstatten, wenn wir auch am Indira-Ghandi-Airport noch viel Zeit zu verbringen hatten, ehe wir unser Gepäck aufgeben und durch die Kontrollen gehen konnten. Andererseits war es aber zu wenig Zeit, um noch etwas in Delhi zu unternehmen. Doch das störte uns nun alles nicht mehr, Hauptsache wir hatten es bis hierher geschafft und konnten wie geplant um 0.55 Uhr nach Hause fliegen.

Der Rückflug verlief dank Premium Economy im nagelneuen Flieger sehr angenehm. Auch abgeholt wurden wir wieder trotz der unchristlichen 6.00 Uhr früh, um die wir ankamen. Daniel ließ sich anschließend gleich zur Arbeit bringen und wir fuhren vollends heim und genossen einen geruhsamen Tag zuhause, ehe der Alltag uns wieder hatte.