Dienstag, 23. Oktober 2018

Ladakh 2018 - Teil I: Klöster, Seen, hohe Berge

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Projekt 6x6 zum zweiten: Wir machen weiter!


Nach der Rückkehr aus Chile verging die Zeit mal wieder rasend schnell und ehe wir’s uns versahen war schon Juni und uns wurde klar, dass wir uns schleunigst um die Reisevorbereitungen kümmern mussten, sollte es mit dem zweiten Teil des „Projekts 6x6“ noch etwas werden.

Der San Pedro (links im Bild), einer der beiden 6000er
in Chile, deren Gipfel wir im Rahmen des ersten Teils
unseres "Projekts" erreicht haben - geplant waren drei.

Ein Reiseziel war schnell gefunden: Nach Ladakh sollte es gehen, das im nordwestlichen Zipfel Indiens im Bundesstaat Jammu und Kaschmir liegt, eingezwängt zwischen Pakistan und China (Tibet).
  
Schon 2015 war unsere erste Wahl auf einen 7000er dort, den Kun, gefallen. Da diese Expedition damals aber nicht zustande kam und wir stattdessen den Putha Hiunchuli in Nepal versuchten, stand unser erster Besuch Indiens immer noch aus und dies wollten wir nun ändern.

Beim Blick auf die Landkarte fällt gleich auf, dass die Zahl der 6000-Meter-Gipfel in Ladakh schier unendlich ist, wobei die meisten davon noch nicht mal eine offizielle Bezeichnung haben. Zunächst fiel uns die Wahl unserer Gipfelziele - auch diesmal sollten es drei 6000er sein - daher nicht leicht.

Da ohnehin klar war, dass wir bei der Planung und Durchführung dieser Reise professionelle Unterstützung brauchen würden, hielten wir bald nach einem Reiseveranstalter Ausschau, der uns auch in diesem Punkt würde beraten können. Dabei waren wir anfangs völlig offen dafür, uns einer größeren Gruppe mit fixem Trekking- und Bergprogramm anzuschließen, falls es mit unseren Vorstellungen so ungefähr harmonierte.

Nach einiger Recherche entdeckten wir bei der österreichisch-ladakhischen Agentur Gesar Travel eine Trekkingreise mit Besteigung von zwei 6000ern und den Hinweis, dass man auch individuell zusammengestellte Reisen buchen könne. So wandten wir uns an die österreichische Mitinhaberin und arbeiteten mit ihrer und der Hilfe ihres ladakhischen Teams ein passendes Reiseprogramm für uns beide aus.

Den unmittelbar bei Leh gelegenen Stok Kangri schlossen wir bei der Auswahl der in Frage kommenden Berge von vornherein aus, da absolut jeder Bergreiseveranstalter diesen im Programm hat und er folglich ziemlich überlaufen sein muss.

Weitere wichtige Kriterien waren,

  • dass die bergsteigerischen Anforderungen sich in für uns machbaren Grenzen hielten, 
  • dass es überhaupt erlaubt war, die Berge zu besteigen (nicht selbstverständlich bei der Nähe zur umstrittenen Grenze mit China und der massiven Militärpräsenz dort, mehrere Vorschläge von unserer Seite waren deshalb nicht realisierbar), und 
  • dass sie halbwegs sinnvoll in der uns zur Verfügung stehenden Zeit (Reise insgesamt: 3 ½ Wochen; Trekking und Bergsteigen davon ca. 2 Wochen) miteinander zu verbinden sein würden.

Außerdem wollten wir unbedingt noch die beiden großen Seen Pangong Tso und Tsomoriri „mitnehmen“.

Und so sah schließlich unser Plan aus:


Nach der Anreise über Delhi würden wir die ersten drei Tage in und um Leh, der Hauptstadt Ladakhs, mit Sightseeing verbringen. Für den Anfang war die Devise, möglichst nichts Anstrengendes zu unternehmen, da die Stadt bereits auf 3500 m liegt und der Körper damit erst mal fertig werden muss.

Am vierten Tag sollte es dann zum Pangong Tso gehen, einem riesigen See (in etwa so groß wie der Bodensee), der an und zu einem großen Teil auch schon jenseits der chinesischen Grenze liegt.

Anderntags würden wir in unsere erste Trekkingwoche starten und innerhalb der nächsten drei bis vier Tage den 5777 m hohen Pass „Shara La“ überschreiten. Und wenn bis dahin alles wie geplant verliefe, könnten wir am 10. Tag nach Ankunft in Ladakh unseren ersten Gipfel, den 6045 m hohen Shara Peak, besteigen.

Für die zweite Trekkingwoche würden wir in die Gegend des Sees Tsomoriri weiter im Süden wechseln, wo noch zwei weitere Gipfel auf uns warteten: der Spangnak Ri (6355 m) und die Mentok Pyramide (6290 m).

Schließlich sollte unser Trekking direkt am Tsomoriri enden, von wo uns ein Kleinbus wieder nach Leh zurückbringen würde.

Nach einem freien Tag in Leh wollten wir dann zurück nach Delhi fliegen und von hier noch einen Abstecher nach Agra machen. Das Taj Mahal sowie das nahe gelegene Fatehpur Sikri (einstige Hauptstadt des Mogulreichs) standen auf unserem Programm, ehe es von Delhi wieder in die Heimat gehen würde.

Aus diversen Gründen konnten wir die Reise erst Anfang September antreten, was bedeutete, dass wir auch diesmal – wie schon in Chile – im Herbst unterwegs sein würden. So blieb nur zu hoffen, dass uns kein früher Wintereinbruch einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Unsere Ausrüstung war diesmal definitiv noch nahezu komplett und, nachdem die Chilereise noch nicht so furchtbar lange her war, konnten wir auch ganz gut einschätzen, was alles mit musste.

Einzig beim Schuhwerk überlegten wir uns noch relativ kurzfristig, dass es sinnvoll sein könnte, das Trekking mit leichteren als unseren normalen Wanderstiefeln zu bestreiten. Die Wege zwischen den einzelnen Lagerplätzen sollten nicht allzu anspruchsvoll sein, auf den Bergtouren würden wir uns noch genug mit unseren schweren Schalen-Stiefeln plagen und zudem rechneten wir überwiegend mit gutem Wetter, also trockenen Bedingungen.

Um die neugekauften Schuhe dann noch ausführlich zu testen oder gar einzulaufen, blieb allerdings keine Zeit mehr. Aber für ein oder zwei Touren reichte es doch, bei denen der erste Eindruck recht positiv ausfiel.

Nette Klettereinlage am Nordanstieg des Sonntagshorns

Am Gipfel des Bischofs (2033 m)

Kam mir schon vor Chile unser Trainingspensum recht bescheiden vor, so dümpelte es diesmal auf wahrlich unterirdischem Niveau dahin, wenn man von den fleißigen Bergtouren und Radelrunden der letzten Wochen(enden) vor der Abreise mal absieht. Günter hatte das Laufen praktisch vollständig eingestellt, bedingt durch zahlreiche Geschäftsreisen und eine Zahn-OP, deren Folgen zum Glück schnell ausgestanden waren. Und für mich war es auch schon eine gute Woche, wenn ich mich zweimal zum Joggen durchringen konnte und dabei mindestens einmal um die 10 km lief …

Beide hatten wir zwar nicht das Gefühl, sonderlich fit zu sein, zumal auch die paar Kilos, die wir nach Chile vielleicht verloren hatten, schnell wieder auf den Hüften waren. Dennoch war die Motivation zum Trainieren offenbar nicht besonders hoch, vermutlich unter anderem deshalb, weil wir in diesem Jahr ja schon ganz ähnliche körperliche Anforderungen gemeistert hatten.



Anreise und erste Tage in Ladakh



Am 2.9. ging es dann endlich los: erst mit der Lufthansa nach Delhi und von da früh am nächsten Morgen mit Air India weiter nach Leh.

Gepackt hatten wir in Etappen, teils schon am Wochenende zuvor, nur um ziemlich schnell zu merken, dass wir noch eine größere wasserdichte Tasche brauchen würden, da die beiden bewährten 89l-Ortlieb-Taschen allein nicht reichen würden. Vom Reiseveranstalter wurden uns, anders als bei der Nepalreise mit Diamir, diesmal keine Packsäcke zur Verfügung gestellt und unsere normalen Reisetaschen würden einem Trekking mit Pferdetransport sicher nicht standhalten. 

Die daraufhin bestellte knallrote 135l-Reistasche von The North Face, kam zum Glück nach wenigen Tagen an und so konnten wir am Samstag vor der Abreise zur finalen Befüllung schreiten – was mir dann auch ziemlich leicht gelang … Günter war wie immer bei der Kleidung deutlich genügsamer und schaffte es, seine Sachen in einer der Ortliebs zu verstauen. Der Gewichtscheck auf der Personenwaage ergab für die beiden Gepäckstücke 20 bzw. 22 kg, das auch diesmal gültige 23-kg-Limit hielten wir also locker ein.

Sohn Daniel konnte uns ausnahmsweise nicht zum Flughafen bringen, da er noch selbst in Norwegen unterwegs war. So fuhren wir seit langem mal wieder selbst und ließen das Auto in einem der Parkhäuser dort stehen, wo er es sich nach seiner Rückkehr zwei Tage später abholen konnte.

Da es trotz „Star Alliance“, der sowohl die Lufthansa als auch Air India angehört, nicht möglich war, unser Gepäck bis Leh durchzuchecken, mussten wir, nach einem ruhigen und mit 6,5 h nicht übermäßig langen Flug, in Delhi erst unsere Taschen abholen und anschließend wieder aufgeben. Letzteres war dann aber dank dem bei Air India gebuchten Business-Ticket so schnell erledigt (Warteschlange – was ist das?), dass wir noch einige Nachtstunden am Flughafen zu überbrücken hatten, bis frühmorgens um 6.15 Uhr der Weiterflug nach Leh wartete. Doch auch hier half Business: wir durften in die Lounge der Airline, wo es deutlich ruhiger zuging als am restlichen Flughafen und es halbwegs bequeme Sessel und Sofas, Snacks, Getränke sowie kostenloses Internet gab.

Dann folgte der kurze 1,5-h-Hüpfer nach Leh in der – abgesehen  vom Platzangebot – wenig businessmäßigen Business-Class der altersschwachen A 319, bei dem leider bis kurz vor der Landung hauptsächlich Wolken zu bewundern waren.

Unser erster Blick auf das Industal bei Leh.

Am Ausgang des Flughafens wurden wir schon von einem Gesar-Mitarbeiter mit Fahrer erwartet und direkt zum Hotel Omasila gebracht, das sich zwar als recht alter und teilweise schon etwas maroder Kasten herausstellte, dies aber durch die günstige Lage am Rand der Altstadt und vor allem durch seinen wunderschönen Garten etwas ausgleichen konnte. 

Unser Zimmer, im obersten Stockwerk und zur Straße hin gelegen, bestand aus zwei großen Räumen, die zu drei Seiten umlaufende Fenster hatten. So hatten wir praktisch den ganzen Tag Sonne (so sie denn schien …) und zudem eine herrliche Aussicht über die Stadt. Der Nachteil war allerdings, dass wir bis spät in die Nacht und schon wieder früh morgens nahezu ungebremst dem Lärm von der Straße ausgesetzt waren, weshalb unsere ersten Nächte hier nicht sonderlich erholsam ausfielen.

Doch zunächst störte uns das alles nicht, waren wir doch nach der fast 20-stündigen Anreise und der Ankunft in ungewohnt dünner Luft so hinüber, dass wir problemlos ein paar Stunden schlafen konnten. 

Nachmittags lernten wir dann unseren Guide „Jimmy“ (eigentlich Jigmet) kennen, der für eine kurze Vorbesprechung zum Trekking im Hotelgarten vorbeikam. Ab dem folgenden Tag würde er uns (fast) bis zum Ende der Reise führen, auch schon beim Sightseeing an den ersten beiden Tagen. Leider war sein Englisch nicht so besonders, so dass die Kommunikation anfangs etwas schwierig war. Doch im Lauf der Zeit spielten wir uns auf einander ein und die Gespräche funktionierten immer besser.

Gegen Abend meldete sich dann doch so langsam der Hunger, da das Frühstück im Flieger nun schon recht lange her und das Mittagessen wegen Erschöpfung ausgefallen war. So machten wir einen ersten Ausflug in die nähere Umgebung des Hotels und zu einem der vielen Restaurants, die allesamt fast dieselben „touristengerechten“ Speisekarten zu haben schienen: Immer gab es neben indischen auch internationale Gerichte (Pizza, Pommes, Burger & Co.), sowie oft auch noch solche, die speziell für die israelische Kundschaft gedacht waren. Wir hielten uns jedoch stets an die eher „regionale“ Küche, wobei zugegebenermaßen auch schon das indische Essen nicht wirklich typisch für Ladakh ist. 

An diesem ersten Abend wählten wir (obwohl es im Restaurant „La Piazzetta“ passend zum Namen auch Holzofen-Pizza gegeben hätte) Chicken Tikka Masala ( gegrilltes Huhn in einer roten, sämigen Soße) und Chicken Biryani (Huhn in einem Berg Reis mit viel Kurkuma und Kardamom in ganzen Kapseln) plus jede Menge Butter-Naan – und hatten damit bald das ganze Essensdefizit des Tages mehr als vollständig aufgefüllt.

Anderntags, nach dem etwas mageren Frühstück (Omelette, Toast, Butter, Honig, Aprikosenmarmelade und Nescafé), holte Jimmy uns am Hotel ab und wir drehten eine etwa zweistündige Runde durch Altstadt und Markt, wobei wir auch schon ein erstes buddhistisches Kloster mitten in der Stadt besuchten.

Die Haupteinkaufsstraße von Leh

Marktfrauen mit frischem Gemüse

Jimmy dreht eifrig die Gebetsmühlen am Kloster.

Blick von einem Aussichtshügel über die Altstadt
zu Leh-Palast und Namgyal Tsemo Gompa

Danach hatten wir Pause zum Mittagessen und für eine Siesta im Hotel, ehe am späten Nachmittag der zweite Teil des Besichtigungsprogramms anstand.

Dafür hatte Jimmy diesmal einen Fahrer dabei, der uns zur Namgyal Tsemo Gompa, dem Kloster hoch über dem Leh-Palast, brachte. Da die meisten Mönche gerade offenbar nicht zuhause waren und so bis auf einen alle Räume verschlossen, fiel die Besichtigung des Klosters eher kurz aus. Doch für den atemberaubenden Blick über die Stadt und das Industal bis hinüber zum Stok Kangri hat sich der Besuch dort auf jeden Fall gelohnt.

Der 6154 m hohe Stok Kangri ist der höchste Berg in der
Stok Range auf der gegenüberliegenden Seite des Industals.

Blick von der Namgyal Tsemo Gompa zum Shanti Stupa

Anschließend gingen wir über viele Stufen zu Fuß in die Stadt hinab, wo wir noch ein weiteres Kloster besichtigten, in dessen Gebetsraum einige westliche Touristen meditierten, während ein Mönch den typischen monotonen Singsang anstimmte und sich selbst mit Trommel und Zimbeln begleitete. 


Vor dem Klostertor wartete wieder unser Fahrer auf uns und brachte uns noch zum Shanti (= Friedens-) Stupa, einem erst 1991 eingeweihten Heiligtum auf einem anderen Hügel über der Stadt, das auf seinen vier Seiten wichtige Stationen aus dem Leben Buddhas zeigt. Auch von hier hatte man eine tolle Aussicht auf Stadt und Umgebung, doch während wir beim Namgyal Tsemo Kloster nahezu allein gewesen waren, tummelten sich hier jede Menge, überwiegend indische Touristen auf der großzügigen Aussichtsterrasse.



Von hier führten Stufen nahezu direkt zu unserem Hotel, wo wir uns von Jimmy bis zum nächsten Morgen verabschiedeten. Da wir fanden, dass wir heute schon genug gegangen waren, bewegten wir uns fürs Abendessen nur noch wenige Schritte vom Hotel weg zum Café-Restaurant „Yama“, wo wir zwar nicht den angeblich besten Kaffee in Leh probierten, es aber zum einfachen, guten Essen endlich mal stabil funktionierendes Internet gab.

Nach einer weiteren unruhigen Nacht ging es dann mit dem Auto zum ersten Mal raus aus Leh und ins Industal hinab, wo mehrere berühmte buddhistische Klöster sich hintereinander aufreihen. 

Der Indus und Stakna Gompa

Shey und Thikse ließen wir zunächst links liegen und steuerten das Hemis-Kloster an, das schon wieder relativ weit oberhalb des Indus und vom Tal aus versteckt an einem Berghang liegt.

Weil von hier aus eine erste kurze Wanderung zur Einsiedelei Gotsang geplant war, hatte ich mich an diesem Tag für meine Wanderstiefel entschieden, was sich als lästiger Fehlgriff erwies, da vor jedem zu besichtigenden Klosterraum wieder aufs neue die Schuhe ausgezogen werden mussten. Und auch für die Wanderung hätten meine „Stadtschuhe“ (= Turnschuhe) völlig ausgereicht, da der Weg nach Gotsang ziemlich gut ausgebaut war.

Junge Mönche in Hemis streuen Mandalas aus farbigem Sand.

Klosterhof von Hemis

So besichtigten wir also erst die diversen Räume und das angeschlossene Museum des Hemis-Klosters und machten uns dann auf den Weg nach Gotsang, wohin sich schon seit Jahrhunderten Mönche zur Meditation zurückziehen, zunächst in eine Höhle, später in das an derselben Stelle errichtete kleine Kloster. 

Kloster Gotsang

Die Meditationshöhle von Gotsang

Nach der Besichtigung luden uns die beiden anwesenden Mönche noch zu Tee und Keksen ein, ehe wir bei bestem Wetter wieder nach Hemis abstiegen. Zu unserem Glück war es beim Aufstieg noch bewölkt gewesen, so dass sich die Strapazen in Grenzen gehalten hatten. Die Höhe hatte sich allerdings deutlich bemerkbar gemacht – kein Wunder, liegt Gotsang doch auf beachtlichen 4200 m!

Eindrucksvolle Landschaft auf dem Rückweg nach Hemis

Nach dem Mittagessen im Klosterrestaurant, bei dem Jimmy hauptsächlich über sein Lieblingsthema, (natürlich J) die Berge und das Bergsteigen redete, ging es dann auf dem selben Weg zurück bis zum Kloster Thikse, das auf einem Felsrücken oberhalb des Indus und des gleichnamigen Dorfes thront. 

Die Klosteranlage von Thikse

Auch in dieser sehr eindrucksvollen Anlage gab es diverse Klosterräume zu besichtigen, die neben den meist goldenen Buddha-Statuen mit bunten Bildern geschmückt waren, die Szenen aus der buddhistischen Mythologie darstellten. Wie üblich sollten sie auf einem Rundgang im Uhrzeigersinn durchlaufen werden, wie auch jeder Stupa am Wegesrand nach Möglichkeit im Uhrzeigersinn umrundet werden soll.




Abends waren wir dann wieder zurück in Leh, wo wir nach einem einsamen (wir waren die einzigen Gäste), aber sehr guten Essen im Restaurant „KC Garden“, schon mal unsere Reisetaschen weitgehend fertig packten. Am folgenden Morgen sollte es schon um 8.30 Uhr Richtung Pangong Tso gehen und direkt im Anschluß warteten 2 Wochen Trekking und Bergsteigen auf uns. Ein paar wenige Sachen, die wir dabei nicht brauchten, packten wir in eine separate Tasche, die wir so lange im Hotel deponieren konnten.

Und dann ging’s also los: die ersten Kilometer noch auf vertrauter Strecke bis wir in Kharu, dem Ort zu Füßen des Klosters Hemis, zum Pass Chang La abbogen. Unmittelbar danach bekamen wir zum ersten Mal zu spüren, dass wir uns von jetzt an im Grenzgebiet zu China bewegten, denn unser Fahrer hielt bei einem Militärposten, wo er diverse Formulare (sicherlich u.a. das „Inner Line Permit“) sowie unsere Pässe vorzeigen musste. Auf der kompletten Strecke zum Pangong Tso war dann die Präsenz des indischen Militärs unübersehbar, sowohl auf der Straße, wo uns jede Menge Militärfahrzeuge begegneten, als auch in Form von Stützpunkten, die fast zahlreicher zu sein schienen als normale Dörfer.

So schraubten wir uns denn mühsam aus dem Industal zum 5360m hohen Chang La hinauf, einem von mehreren „zweithöchsten Straßenpässen der Welt“ (wobei es der angeblich höchste, der Khardung La, ebenfalls in Ladakh, statt auf die oftmals behaupteten 5600m tatsächlich wohl auch „nur“ auf 5359m bringt). Der Straßenzustand war dabei sehr unterschiedlich, teils wurde gerade gebaut, auf wenigen Teilstücken war der neue Belag schon fertig, aber überwiegend war die Strecke ein sehr schlechter Flickenteppich aus zerbröselndem Asphalt, Schotter und Schlaglöchern.

Bis wir nach 3h den Pass erreicht hatten, waren wir also schon ziemlich durchgerüttelt. Die dünne Luft machte sich beim Aussteigen durch leichten Schwindel bemerkbar – mehr als ein paar Schritte hätten wir hier definitiv nicht laufen wollen.


Am Chang La

Nach ein paar Erinnerungsfotos ging es daher bald weiter, hinab ins Tal des Tangtse, wo wir schließlich im gleichnamigen Ort (wieder im wesentlichen ein Militärstützpunkt, bei dem auch noch einmal Pässe und Permits kontrolliert wurden) auf Empfehlung des Fahrers zum Mittagessen einkehrten. In dem offenbar typisch ladakhischen Restaurant saß man, nicht wie wir es gewöhnt sind an Tischen auf Stühlen, sondern auf niedrigen betonierten Podesten, die mit Teppichen leidlich gepolstert waren, und hatte winzige Bänkchen als Tisch vor sich. Das Essensangebot war übersichtlich: es gab Dal mit Chapatis oder „Vegetable Fried Rice“, was wir dann je einmal bestellten. Beides schmeckte uns gut und war mehr als genug. Anfangs hatten wir noch allein in dem großen Raum gesessen, da Jimmy und der Fahrer Richtung Küche verschwunden waren, mit der Zeit kamen aber noch zwei andere Kleinbusse angefahren und lieferten ihre Touristenfracht zum Mittagessen ab.

Zum Pangong Tso, ging es von hier anschließend wieder bergauf bis zu einem weiteren, allerdings „nur“ 4300m hohen Pass, wobei die Straße noch einmal deutlich schlechter wurde. Wir fühlten uns abwechselnd an Chile und Island erinnert – letzteres auch, weil das Wetter mittlerweile entsprechend trüb war und gelegentlich Regentropfen die Windschutzscheibe sprenkelten. 

Neugieriges Murmeltier am Straßenrand

Kurz nach dem Pass konnten wir einen ersten Blick auf den Pangong Tso erhaschen, der bei diesen Wetter natürlich nicht spiegelglatt da lag und türkisblau leuchtete, wie wir uns das so vorgestellt hatten, aber noch bestand ja die Hoffnung, dass es anderntags besser wäre …

Die letzten Kilometer am See entlang bis zu unserer Unterkunft hatten es dann noch einmal besonders in sich: von der Straße war hier nur noch eine ziemlich üble, ausgefahrene Schotterpiste übrig, die auch den einen oder anderen Bachlauf querte, und das alles mit einem ganz normalen Auto ohne Allrad – Hut ab vor unserem Fahrer!

Gegen 15.30 Uhr hatten wir es endlich geschafft und konnten unsere Unterkunft in einer Art Jurte beziehen, die allerdings mit einem richtigen Doppelbett, einem separaten Bad (sogar mit Dusche) und Heizung ausgestattet war. Heißes Wasser stand zwar nur abends und morgens für je 3 h zur Verfügung, aber dafür spülte dann auch die Toilette warm … J

Die Jurten-Siedlung des "Pangong Sarai" (rechts unten)

Schon bei der Anfahrt war uns aufgefallen, dass hier am See praktisch ausschließlich in mehr oder weniger einfachen Zelten übernachtet werden kann, wobei das „Pangong Sarai“ mit seinen Jurten schon eher in die luxuriösere Kategorie fiel. Günter meinte, dass hier im Naturschutzgebiet eigentlich gar keine Touristen-Unterkünfte gebaut werden dürften und daher die „Zelte“ als Kompromiss gerade noch so durchgingen. Und offenbar ist der Touristenansturm während der Saison trotz der abseitigen Lage riesig, bei den indischen Besuchern seit einigen Jahren befeuert durch eine beliebte Serie („Three Idiots“), die hier spielt.

Drei Menschen am Ufer des Pangong Tso

Den Nachmittag verbrachten wir mit einem Spaziergang am Seeufer. Zu mehr hätte es von der Zeit her auch kaum mehr gereicht und abgesehen davon war die Luft hier auf 4300 m dünn genug, dass jeder kleine Hügel bei uns schon zu heftigem Schnaufen führte.




Impressionen vom Pangong Tso am Spätnachmittag.

Abendessen gab es in einer Art Pavillon – von der Form her zwei aneinander gebaute Jurten, aber mit überwiegend verglasten Wänden. Dabei gesellte sich Jimmy zu uns und es ergab sich ein ganz interessantes Gespräch, bei dem er auch ein wenig von seiner Familie (Eltern, Bruder) erzählte. Das Essen kam in so vielen Gängen, anfangs eher europäisch (Pizza, Nudeln), dann viel Indisches, dass wir alle irgendwann kapitulierten und zuletzt nur noch den Nachtisch (Kokospudding mit Kirschen) akzeptierten.

Übrigens versprach dies die alkoholfreiste Reise seit langem zu werden: Schon in Leh hatten wir festgestellt, dass in der Regel nur nicht-alkoholische Getränke auf der Karte zu finden waren. Im einen oder anderen Restaurant konnte man auf Nachfrage immerhin Bier bestellen, doch ebenso wie hier im Pangong Sarai, gab es auch oft nichts dergleichen. Und auf dem Trekking würden wir natürlich sowieso auf Wasser und Tee beschränkt sein.
Aber gut: in der Akklimatisierungsphase soll Alkohol sowieso kontraproduktiv sein und ein paar Wochen Abstinenz konnten uns beiden auch mal nicht schaden ;)

Nach dem Essen legten wir uns bald ins Bett und genossen noch einmal die Wärme und die Bequemlichkeit einer halbwegs festen Unterkunft. Doch auch hier, an diesem eigentlich so abgelegenen Ort, war uns noch nicht die ersehnte ungestörte Nachtruhe vergönnt: Bis der Strom-Generator irgendwann abgestellt wurde plärrte aus einer Nachbar-Jurte ein Fernseher herüber und morgens drehte schon wieder in aller Herrgottsfrühe ein Fahrer seine Anlage auf, während er sein „Heiligs-Blechle“ polierte.

So begannen wir den Tag in eher gedämpfter Laune, die das „Frühstück“ (Omelette ohne Brot, Cornflakes mit heißer Milch, Porridge, Schwarztee) nicht wirklich hob. Und auch die erhoffte Wetterbesserung hatte sich nicht eingestellt, eher im Gegenteil: Schon morgens hingen dicke graue Wolken über dem See, die verdächtig nach Regen aussahen.

Einen lichten Moment abgepasst - Abschied vom Pangong Tso

Längere Fotostopps lohnten also kaum, was Guide und Fahrer sehr entgegen zu kommen schien. Später wurde auch der Grund dafür klar, doch jetzt am Morgen war uns noch nicht wirklich bewusst, dass wir an diesem Tag noch eine ausgewachsene Trekkingetappe mit 600 Hm Aufstieg vor uns hatten.

Das Reiseprogramm, das wir von Gesar erhalten hatten, schwieg sich über Entfernungen und Höhenmeter völlig aus. Und wir hatten zwar unsere Karten in Papierform und auf dem Handy, aber auch hier war oft unklar, wo genau die einzelnen Ortschaften und sonstigen Wegmarken sein sollten. Die Schreibweisen wichen häufig so stark von einander ab, dass man ein und denselben Ort kaum wiedererkannte, und so manchem Punkt oder Berg fehlte die Beschriftung ganz. Besonders in den ersten Tagen glich unser Trekking daher einem Überraschungsprogramm, bis wir uns auf den Karten orientiert hatten und die Kommunikation mit Jimmy allmählich auch besser klappte.

An diesem allerersten Tag ging es mit dem Auto erst auf gleicher Strecke zurück bis Tangtse, wo wir in ein Seitental abbogen, dem wir aufwärts folgten. Nach etwa einer viertel Stunde erreichten wir den kleinen Ort Shashukul (auf der Karte „Sasakul“), von wo unser Trekking starten sollte. Nach ein paar falschen Versuchen fand der Fahrer die richtige Stelle, an der die Asphaltstraße bei einem kleinen Stupa endete und in einen Jeep-Track überging. 

Kurz darauf erschien auch schon der Pferdemann, Herr über 8 Pferde und Maultiere, die in der ersten Woche unser Gepäck transportieren sollten. Der Koch und sein Helfer warteten weiter unten im Dorf mit der ganzen Trekkingausrüstung, so erfuhren wir jetzt. Also alle Mann wieder ins Auto? Wir schlugen vor, dass wir ja schon mal langsam loswandern könnten, zumal der Weg, der bis auf weiteres dem Jeep-Track folgen sollte, ja kaum zu verfehlen war. Währenddessen könnte Jimmy mit dem Fahrer im Dorf alles Nötige veranlassen und uns später wieder einholen. 

Jimmy zog es dann aber vor, doch gleich mit uns zu kommen, und überließ alles andere dem Fahrer bzw. Pferdemann, Koch und Gehilfe. Wobei letztere anscheinend (von Jimmy über Handy) auch erst noch davon überzeugt werden mussten, dass schon heute gewandert werden sollte …

So schulterten wir denn die Rucksäcke und los ging’s: Erst mit mäßiger Steigung den Jeep-Track entlang immer weiter hinein ins Tal – für meinen Geschmack schon bald ein wenig zu flott. Jimmy ging recht zügig los und wir versuchten zunächst, mit ihm Schritt zu halten, was aber zumindest mir in der noch ungewohnten Höhe (über 4200 m) bald weder machbar noch sinnvoll erschien.

Ins weite Land hinaus ...

Offensichtlich sah es Jimmy nicht als seine Aufgabe an, uns das Tempo vorzugeben oder regelmäßige Pausen anzusagen. Natürlich ging dies völlig in Ordnung, denn jeder Guide hat nun mal seinen eigenen Stil, nur mussten wir uns eben erst darauf einstellen.

Bald sah auch Günter ein, dass wir besser etwas langsamer gehen sollten, damit wir uns nicht schon am ersten Tag Kopfschmerzen einhandelten. Auch eine kurze Rast zum Trinken und für einen Müsliriegel legten wir ein, die allerdings durch die Wolken, die inzwischen auch hier aufgezogen waren, und den frischen Wind eher ungemütlich ausfiel. 

Etwas später verließen wir die „Straße“ und stolperten einige Zeit querfeldein einen Schotterhang entlang bis zu einem Bach. 


Hier ruhten wir uns noch einmal aus, ehe es dann etwas steiler über mehrere Stufen auf eine weite Hochebene ging, über die am entfernten Ende ein kleines Kloster auf einem Hügel wachte. Dies war also das ominöse „Pullu“ aus unserem Reiseprogramm, ein Hirtenlager, das allerdings so spät im Jahr bereits verlassen war. 

Ankunft auf der Hochebene von Pullu, unserem ersten Lagerplatz.

Zwei Bäche mäanderten durch die grasige Ebene, rundum Berge mit ein paar Schneeflecken  - eigentlich alles sehr idyllisch, wäre das Wetter nicht so wechselhaft und von den Pferden mit unseren Sachen schon irgendwo eine Spur gewesen ...

Warten auf die Packpferde - bei zweifelhaftem Wetter