Mittwoch, 30. August 2023

Bretagne - Roadtrip im Mai und Juni 2023 - Teil II: In der Bretagne von Südost nach Nordwest

Text: Eva Irmler







Von Belz zum Cap Sizun



Sonntag, 21. Mai – Camping Municipal de Toul Ar Ster bei Penmarc‘h



Unser erstes Ziel an diesem Tag lag nur wenige Kilometer vom Campingplatz in Belz auf der gegenüberliegenden Seite der Rivière d’Étel: der „Cimitière marin du Magouër“ ist eine Art Schiffsfriedhof, wo einige alte Holzboote malerisch am Ufer vor sich hin rotten. Die am besten erhaltenen wurden zudem vor einigen Jahren ganz offiziell von Graffitikünstlern verziert. Am Sonntagmorgen hatten schon einige Leute den Weg hierher gefunden, so dass es für Günter als Fotograf nicht ganz einfach war, die Boote möglichst ohne (fremde) Menschen zu erwischen. 


Fischerbootgerippe ...


... teils mit künstlerischer Verzierung ...


... an der Rivière d'Étel.




Anschließend rollten wir mit dem Auto noch zur Landspitze an der Barre d’Étel, wo wir jedoch nur ganz kurz verweilten und die Nase zum ersten Mal auf dieser Reise wirklich in die Atlantikluft streckten. 


Barre d'Étel


Drachensteigenlassen in der frischen Atlantikbrise


Doch dann hieß es schleunigst weiterfahren, denn Günter hatte am Abend zuvor für 12.30 Uhr in Doëlan im Restaurant „Le Rive Gauche“ einen Tisch reserviert und bis dahin war es gut eine Stunde Fahrt. Da war zunächst schon fast fraglich, ob uns genügend Zeit blieb, um unterwegs noch irgendwo einzukaufen. Mit den Rollern hatten wir am Vortag ja nicht die Möglichkeit gehabt, in größerem Stil Wasser und dergleichen zu transportieren, so fehlte uns doch noch das eine oder andere. Bei der Ortschaft Merlevenez lag aber ein Intermarché sehr praktisch direkt an der Durchgangsstraße und so ging unsere Rechnung letztlich zum Glück doch auf. 

Doëlan erreichten wir schließlich sogar mit einer viertel Stunde Vorlauf, parkten an der Anse de Doëlan und gingen die letzten paar hundert Meter zu Fuß. In der Bucht war um diese Zeit noch fast komplett Ebbe, die größeren Boote lagen auf Kiel im seichten Wasser und die kleinen Plastikboote hingen mit ihren Tauen an der Kaimauer wie Wäsche an der Leine. 


Bei Ebbe ...


... an der Anse de Doëlan
 

Dank Reservierung konnten wir uns diesmal im Restaurant einen Platz aussuchen, zwar servierte man auch hier ausschließlich im Freien, doch immerhin durch Glasscheiben windgeschützt, was wegen der kühlen Brise wieder sehr notwendig war.


Doëlan mit der Terrasse "unseres" Restaurants


Wir teilten uns dann eine Vorspeise: Jakobsmuscheln-Ceviche mit Linsen - sehr gut, aber auch sehr übersichtlich. Unsere beiden Hauptgerichte, Fisch des Tages, ebenfalls mit Linsen, und „Millefeuille“ von irgendwas eher streng schmeckendem Fleischigen (Rollbraten aus gepökeltem Schweinefleisch oder gar Innereien?), die Scheiben gestapelt und jeweils mit grob gestampften Kartoffeln als Zwischenlage, waren dann allerdings so dimensioniert, dass wir am Ende froh waren, nur einen gemeinsamen Nachtisch bestellt zu haben. 


Picknick auf Englisch und Französisch am Leuchtturm
oberhalb vom Restaurant. - Welches sind wohl die Franzosen ...


Doch auch so rächte sich das üppige Mahl auf den ersten Metern unserer anschließenden Küstenwanderung an jeder noch so kleine Steigung, dabei war die gut 6 km lange Runde definitiv nicht wirklich anstrengend. An der Küste entlang ging es über mehrere Buchten bis fast zur Ortschaft Merrien und dann etwas im Landesinneren retour durch herrlichen Wald, der mit seinem üppig wuchernden Grün schon fast an tropischen Dschungel erinnerte. 

Vergleichsweise warm (ca. 22°C) war es an diesem Nachmittag und die Sonne schien öfter, als sie sich hinter Wolken versteckte. So waren wir nicht völlig überrascht, dass, als wir auf dem Rückweg noch einmal die Bucht „Porz Bali“ querten, sich dort tatsächlich bereits die ersten Mutigen ins kühle Atlantikwasser wagten.
 

Schleimfisch in einem Gezeitentümpel
an der felsigen Bucht "Porz Lamat"


An der Küste zwischen Porz Lamat und Porz Teg


Porz Teg


Smaragdeidechse beim Abstieg zur Porz Bali


Auch auf den Felsen an der Küste blüht es:
Schuppenmiere


Fetthenne


Porz Bali


Im "Dschungel" ...


... etwas landeinwärts von der Porz Bali


Wir jedoch hatten noch einmal fast 1 ½ h Fahrt vor uns bis zu unserem nächsten geplanten Übernachtungsplatz, dem Campingplatz bei Penmarc’h. Das lange Wochenende neigte sich nun seinem Ende zu, die Masse der Franzosen war längst wieder auf dem Heimweg und folglich war die Lage auf dem Platz an diesem Abend angenehm entspannt.



Montag, 22. Mai – Camping Municipal bei Penmarc‘h


Schon am Sonntagabend hatten wir beschlossen, hier um eine Nacht zu verlängern und am Montag mit den Rollern die Gegend zu erkunden. Der „Phare d’Eckmühl“ sollte unser erstes Ziel sein, dann hatten wir auch für heute wieder in einem Restaurant fürs Mittagessen reserviert und anschließend wollten wir noch ein Stück weiter der Küstenlinie Richtung Norden folgen. Später würden wir ins Landesinnere abbiegen und dort noch den berühmten Calvaire bei der Kapelle „Notre-Dame de Tronoën“ besichtigen, ehe es zurück zum Campingplatz gehen sollte. - Klingt nach einem guten Plan und die erste Hälfte bis einschließlich Mittagessen klappte auch perfekt, doch dann … – Aber dazu später mehr.
 
Zunächst ging es nach einer wirklich absolut ruhigen Nacht wieder eher gemütlich in den Tag und dementsprechend spät (10.15 Uhr) vom Campingplatz los. Diesmal aber kein Problem, denn bis zum Restaurant, wo wir um 12.30 Uhr erwartet wurden, sollte es zu Fuß gerade mal eine Stunde dauern, so dass wir selbst unter ungünstigsten Bedingungen noch genügend Luft für die Leuchtturmbesichtigung und andere Zwischenstopps hätten. 

Anfangs rollten wir dann auch sehr entspannt an der Küste entlang, mal auf Teer, mal auf festgetretenem Sand. Bei einem Abstecher auf die Hafenmole, von der aus sich Günter einen besseren Blick Richtung Leuchtturm versprach, rollten unsere Gefährte sogar fast ohne unser Zutun so flott, als ob es leicht bergab ginge (und viele Passanten mal wieder ganz offensichtlich nach dem versteckten Motor Ausschau hielten ...). 


Blick von der Hafenmole zum Phare d'Eckmühl


Doch stellten wir nur allzu bald fest, dass der Wind hier der alles entscheidende Faktor war: Kaum hatten wir nämlich die Landspitze mit dem Leuchtturm umrundet, sah die Welt schlagartig anders aus und der Wind, der bis jetzt unser Freund und Helfer gewesen war, blies uns nun gnadenlos heftig und frisch ins Gesicht.

Zuerst wurde jetzt aber der Leuchtturm besichtigt: Für 4 € pro Nase durfte man schweißtreibende 290 Stufen bis zur Aussichtsplattform ersteigen und den beeindruckenden Rundumblick auf Meer, Strand und Hinterland genießen. 


Die schöne Aussicht Richtung Meer ...


... und an der Küste entlang Richtung Saint-Guénolé ...


... gibt es nicht geschenkt:


Erst wollen 290 gewendelte Stufen erklommen sein.


Dass der Leuchtturm, obwohl über tausend Kilometer von der Grenze nach Deutschland entfernt, einen so deutsch klingenden Namen trägt, hat seinen Grund: Die Errichtung des Turms wurde mit Geld finanziert, das die Marquise Adélaïde-Louise d’Eckmühl de Blocqueville in ihrem Testament dafür bestimmt hatte. So sollte das Andenken ihres Vaters geehrt werden: Der Maréchal Louis Nicolas Davout war nach der für Frankreich siegreichen Schlacht bei Eggmühl (einem Dorf in der heutigen Oberpfalz) von Napoleon 1809 zum Fürst von Eckmühl erhoben worden. Ein Leuchtturm an der bretonischen Küste sollte zu seinen Ehren errichtet werden, um das Leben möglichst vieler Seeleute zu retten und eine Art Ausgleich für die nach Ansicht seiner Tochter sinnlos im Krieg gestorbenen Soldaten zu schaffen.


Die folgenden Kilometer bis zum Restaurant „Les Rochers“ in Saint-Guénolé gestalteten sich mit den Rollern dann schon deutlich mühsamer, denn nun schien es laufend bergauf zu gehen, obwohl es doch auch hier meist topfeben war … Mit einem kleinen Zwischenstopp bei der Kapelle „Notre-Dame-de-la-Joie“ schafften wir es aber trotz allem, überpünktlich zum Restaurant, das eben erst geöffnet hatte und wo wir folglich die ersten Gäste waren. 


Notre-Dame-de-la-Joie


Notre-Dame-de-la-Joie und Phare d'Eckmühl -
Im Watt scheinen sich allerhand "Schätze" zu verbergen ...


Die drei Gänge des Menüs kamen denn auch flott auf den Tisch: Zwiebel-Emmentaler-Kuchen, Filet Mignon bzw. Fisch (Lieu jaune = Pollack) jeweils mit Kartoffelpüree, was sich nach und nach als eine überraschend beliebte Beilage in diesem Teil Frankreichs herauskristallisierte. Zum Nachtisch gabs „Arlettes aux fraises“: dünnes, knuspriges Gebäck gefüllt mit Erdbeeren und Vanillecreme. Alles wirklich sehr gut und von der Menge fast genau richtig. 

Die anschließende "Verdauungsspazierfahrt" geriet dann aber doch einigermaßen mühsam: Erst ging es noch eine Weile an den für das Restaurant namengebenden, wellenumtosten Granitfelsen entlang und hier blieben auch die Fuß- und Radwege weiter ordentlich befahrbar. 


Les Rochers de Saint-Guénolé


Kurze Verschnaufpause


Doch dann kam der erste Strandabschnitt und ab hier wurde es ziemlich schwierig: Fußgänger hatten nun die Wahl, entweder gleich direkt am Strand weiterzugehen oder sich durch die Dünen einen Weg zu suchen. Die Radler dagegen wurden über Asphaltstraßen im Hinterland weitergeleitet, teils auf einem Radweg neben der Straße, teils einfach auf der Fahrbahn. 

Das erste Stück Strand umfuhren wir so, doch der Autoverkehr war hier nicht unbeträchtlich, so versuchten wir es doch in den Dünen, und spätestens jetzt hatte ich den ersten echten Durchhänger an diesem Tag: Nicht nur blieb man hier laufend in Sandlöchern stecken, wo der Dünenbewuchs von unzähligen Füßen schon zertrampelt war, sondern es ging auch noch dauernd bergauf und bergab. Dazu noch der Gegenwind, die Müdigkeit nach dem Essen und der Umstand, dass Günter sowieso immer einen halben Kilometer voraus war, kurz: Ich brauchte einfach eine Pause! – Günter meinte, wir könnten vielleicht bei den Felsen an der Pointe de la Torche rasten, doch war ausgerechnet hier aus Naturschutz- und Sicherheitsgründen („Gefährliche Wellen“ – „Todesgefahr“) alles abgesperrt. So warfen wir denn nur einen kurzen Blick auf die Megalithen dort und rollten dann zum Strand hinab, wo es am Rand zum Glück auch noch ein paar Felsen gab, auf denen wir uns niederlassen konnten. 

Am liebsten hätte ich hier ja auf der Stelle umgedreht, statt mich noch einmal gegen den Wind und durch den Sand zu mühen, doch den berühmten Calvaire, der wohl einer der ältesten in Frankreich ist (um 1450), wollten wir dann doch trotz allem nicht auslassen.
 
Also weiter, jetzt erst mal am Strand, teils rollernd, wo man nicht zu tief einsank, teils schiebend, wenn es zu mühsam wurde. Machte auf jeden Fall mehr Spaß, als sich durch die Dünen zu quälen, denn hier hatten wir wenigstens das Meer direkt vor der Nase und konnten dem Treiben der Windsurfer und Wellenreiter zusehen. 


An der Plage la Torche-Tronoën ...


... tummeln sich "Sportler" aller Art: Surfer, ...


... Windsurfer ...


... und sogar der eine oder die andere RollerfahrerIn ...


Unser Orientierungspunkt war ein Bunker, auf dessen Höhe die Straße zu Notre-Dame-de-Tronoën abzweigen sollte. Doch diese Straße entpuppte sich dann noch einmal als ganz besonders harte Nummer mit Gegenwind, leichter Steigung und rauem Belag und gegen Ende kamen zu allem Überfluss auch noch jede Menge Autos. Während Günter flott voranpreschte wie immer (wie, oh wie macht er das bloß?), wurde ich immer langsamer und kroch dann wohl so dahin, dass mich kurz vor dem Ziel ein jüngeres Paar, das mich mit dem Auto überholte, besorgt fragte, ob alles in Ordnung sei … 

Dann war aber auch diese Durststrecke geschafft, wurde der Calvaire ausführlich besichtigt und abgelichtet, während die zugehörige Kapelle leider wegen Renovierungsarbeiten weder zugänglich war noch ein ansprechendes Motiv bot. 

Wie bei jedem Calvaire (Kalvarienberg) steht auch hier eine Kreuzigungsgruppe auf dem Sockelquader, sowie einige andere Figuren, z.B. eine Statue der Hl. Veronkia mit dem Schweißtuch. Den Sockel selbst zieren zwei umlaufende Figurenreihen, die Teile der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu darstellen.


Der Calvaire von Notre-Dame de Tronoën


Anschließend machten wir uns wirklich und endgültig auf den Rückweg durchs Hinterland, von jetzt an ausschließlich auf Asphalt, teils leider auch wieder auf stärker befahrenen Straßen, doch vor allem hatten wir von nun an quasi ausschließlich Rückenwind!

Noch ein Abstecher zur „Chapelle de Beuzec“, ein kleiner Einkauf im „Carrefour Contact“ von Penmarc’h und zuletzt ging es an der Église St Nonna vorbei, die wie alle Kirchen an diesem Tag leider fest verschlossen war und von wo es zum Campingplatz dann nur noch ein Katzensprung war. 


Chapelle de Beuzec


Église St Nonna in Penmarc'h


Insgesamt hatten wir rund 28 km Strecke bewältigt, was als reine Rollertour für unsere Verhältnisse ganz ordentlich war.


Eine verdiente Brotzeit


Nach einer Dusche und der abendlichen Brotzeit lockte uns noch der Strand direkt am Campingplatz zu einem kurzen Spaziergang, bei dem wir ungewollt einen Schwarm kleiner Watvögel vor uns hertrieben.


Eifrige Sanderlinge am Strand beim Campingplatz



 
Während Günter nach Einbruch der Dunkelheit für ein paar Nachtaufnahmen noch einmal zum Strand ging, richtete ich schon mal unser Bett – der Rost war noch zusammengeschoben, weil wir morgens drinnen gefrühstückt hatten – und dann folgte eine weitere angenehme Nacht ganz ohne äußere Störungen.





Dienstag, 23. Mai – Camping Pors Péron


Bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen bekam ich schon nach wenigen hundert Metern einen Riesenschreck, denn ich fand mein Handy nirgends und konnte mich auch nicht mehr erinnern, was ich zuletzt damit gemacht hatte. Das letzte, was mir einfiel, war, dass ich es zusammen mit meiner kurzen Hose und den Wandersocken auf den Beifahrersitz gelegt hatte, ehe ich zum Zähneputzen ging. Die kurze Hose hatte ich dann anschließend angezogen, doch was mit den Handy passiert war ... ?

Da wir sowieso noch im Carrefour ein paar Sachen besorgen wollten, nutzte ich die Zeit, die Günter im Laden verbrachte, und suchte alles gründlich ab, doch ohne Erfolg. Sollte das Teil unbemerkt aus dem Auto gefallen sein? Also auf Verdacht noch einmal zurück zum Campingplatz fahren? Doch dann, beim ersten, von Günter sehr schwungvoll genommenen Kreisel, rutschte das Handy plötzlich vom einen Ende des Armaturenbretts zum anderen … Uff, nochmal Glück gehabt! - Dort hatte ich es nun wirklich nicht vermutet und folglich auch nicht gesucht … 

Nachdem dieser Schreck also ausgestanden war, konnte es endlich ernsthaft in Richtung der heutigen Wanderung gehen. Das Cap Sizun mit der Pointe du Raz war unser Ziel, und da wir weder scharf darauf waren, 8 € Parkgebühr zu zahlen, noch uns mit den Besuchermassen auf dem kürzesten und einfachsten Weg dorthin zu wälzen, steuerten wir als alternativen Ausgangspunkt die Baie des Trépassés an. Auch hier waren wir beileibe nicht allein, die Parkplätze schon gut gefüllt, teils von Wanderern, teils von Surfern. Immerhin gab es eine erstaunlich saubere Toilettenanlage direkt am Parkplatz, ein Service, den ich bei dieser kostenfreien Abstellmöglichkeit kaum erwartet hätte, der aber sehr willkommen war.

In loser Kolonne ging es von hier erst entlang des Strandes, dann über die Felsen der Steilküste hinauf auf einem stellenweise schon fast alpinen Pfad.


Baie des Trépassés mit Blick Richtung Pointe du Raz


Surfer an der Baie des Trépassés


In lockerer Kolonne geht es Richtung Pointe du Raz.


Tiefblick an der Steilküste


Blick zurück Richtung Baie des Trépassés


Strand-Grasnelken (Armeria maritima)


Für die Mehrzahl der Wanderer war dann beim Leuchtturm (Sémaphore de la Pointe du Raz) Schluss, wo auch der bequeme Fußweg vom gebührenpflichtigen Parkplatz mündete. Doch da der Weiterweg zur äußersten Spitze der Pointe du Raz nicht etwa abgesperrt war (wie Günter schon befürchtet hatte), sondern nur mit dem Hinweis versehen, dass man ab hier auf eigene Gefahr weitergehe, peilten wir diese als Ziel an. Mit der Zeit wurde der Weg dann doch zunehmend anspruchsvoll und ausgesetzt, an einer Stelle musste man sogar unter ein paar verkeilten Felsblöcken hindurchkriechen. Bis direkt an die Abbruchkante, wo es wirklich nicht mehr weiter ging, wagten sich daher nur wenige Wanderer. Als Lohn für alle Mutigen wartete hier ein breiter, leicht abschüssiger Felsbalkon mit freier Sicht auf das Meer und die Leuchttürme vor der Pointe und auf der Île de Sein, der zudem einen hervorragenden Vesperplatz abgab.


Leuchttürme an der Pointe du Raz
und in der Ferne die Île de Sein


Brotzeit mit Aussicht in der ersten Reihe

 
Anschließend gings zurück zum Massenansturm (man mochte sich gar nicht vorstellen, wie voll es hier erst am vergangenen Wochenende gewesen sein musste …) und dann bald wieder einsamer an der Küste entlang über mehrere Höhenrücken und mehr oder weniger tief eingeschnittene Tälchen bis zur „Pointe de Feunteun Aod“. Hier wandten wir uns landeinwärts und gerieten bei der allerersten Gelegenheit („Abkürzung“) gleich mal auf den Holzweg bzw. ins Stachelgestrüpp … War aber nur ein kurzes Stück, dann konnten wir einem Teersträßchen steil bergauf zu einem ersten Gehöft folgen. Von da ging es auf verschlungenen, teils verwachsenen Wiesenwegen über die Halbinsel, wobei wir noch diverse andere Siedlungen streiften, einmal die stark befahrene D 784 überwinden mussten und am Ende etwas landeinwärts vom Strand wieder die Baie des Trépassés erreichten.


Fast wieder zurück von der "echten" Pointe.


Wo viele Leute Brotzeit machen, sind auch die Bettel-Möwen
(hier eine Silbermöwe) nie weit ...


Die Aussicht ist auch am offiziellen Ausguck nicht übel.


Löchrige Steilküste auf dem Weg zur Pointe de Feunteun Aod



Gänsemarsch entlang der Küste


Gelber Mohn auf einer Mauer in Lescoff


Gleich wieder zurück am Ausgangspunkt


Neugierige Pferde oberhalb der Baie des Trépassés


Bis zum Camping Porz Péron waren es dann gerade mal 21 km Fahrt und so reichte es noch locker für eine Dusche, ehe wir zum Abendessen aufbrachen. Im nahegelegenen Pub Mac Laughlin’s in Beuzec-Cap-Sizun blitzten wir zwar ab, weil ausgerechnet an diesem Abend dort die Küche kalt blieb.


Die Église Notre-Dame de la Clarté et Saint-Budoc -
direkt gegenüber vom Pub


Doch in weiteren 8 Minuten erreichten wir das Hafenstädtchen Audierne und fanden flott sowohl eine Parkmöglichkeit direkt am Hafen, als auch wenige Schritte weiter das Restaurant „Chez Tonton“ (Tonton = Onkel), das als klaren Schwerpunkt Fleischgerichte hatte. So teilten wir uns ein fettes Entrecôte (550 g) mit Pommes und Salat und tranken Cidre dazu. Anschließend spazierten wir noch kurz an der Hafenpromenade entlang, doch da die Sonne schon hinter den Häusern verschwand und der Wind nach wie vor frisch blies, drehten wir bald um und kehrten zum Campingplatz zurück.


Am Port de plaisance d'Audierne


Das Städtchen liegt an der Mündung des Flusses Goyen



Mittwoch, 24. Mai – Auf dem Campingplatz von Locronan


Die Nacht verlief angenehm ruhig bis morgens um 6 ein paar Tauben erwachten und sich die Zeit mit penetrantem Gurren vertrieben (und außerdem mal wieder unsere fahrbare Hütte „verzierten“) … 

Ausgangspunkt für die Wanderung des Tages war diesmal der Strand direkt unterhalb des Campingplatzes, wo wir morgens um 10 den großen Parkplatz noch fast für uns allein hatten und uns einen der raren Schattenplätze sichern konnten. Anfangs einsam, später locker bevölkert ging es an der Küste bis zum Leuchtturmhaus an der Pointe du Millier (das Leuchttürmchen ist ins Haus integriert) und dann noch ein oder zwei Buchten weiter.


Oberhalb der Plage de Pors Péron -
die Morgensonne macht unsere Schatten noch lang.


Am Wegesrand blüht es teils üppig.




Phare du Millier -
der Leuchtturm verbirgt sich auf der Rückseite des Häuschens.


Das Meer ist heute sehr bewegt - an der Plage du Phare du Millier

 
Hier verspeisten wir dann unser Vesper auf einem felsigen Rücken mit schöner Aussicht auf das stürmische Meer und die gegenüberliegende Küste der Crozon-Halbinsel. 


In der Ferne die Crozon-Halbinsel


Auf dem anschließenden Rückweg bot sich ein kleiner Schlenker landeinwärts durch ein Wäldchen mit lauschigen Bächlein und einer Mühle (Moulin de Keriolet) an, deren Wasserrad sich tatsächlich drehte und wo offenbar auch noch gemahlen wurde. Jedenfalls gab es dort laut einem Anschlag am Eingang Brot aus eigenem Mehl zu kaufen, doch bei unserem Besuch dort war leider geschlossen. 


Schon wieder ein "Dschungel"


Moulin de Keriolet


Bei der Pointe du Millier trafen wir schließlich wieder auf den Küstenwanderweg und kehrten auf der bekannten Strecke zum Auto zurück. Alles in allem hatten wir am Ende knapp 4 h auf der nur knapp 9 km langen und nicht sonderlich bergigen Wanderung verbracht, was ein deutlicher Hinweis auf viele, viele Fotostopps ist. 


Pointe du Millier mit dem Leuchtturmhaus


Und an der Küste zurück zur Plage de Pors Péron


Den Rest des Tages waren wir auf den Spuren eines Romans unterwegs, den Günter mir zum Geburtstag geschenkt hatte: „Zwei am Meer“ von Fanny André. Die Geschichte ist zwar eher seicht, aber so wurden wir sowohl auf Douarnenez, als auch auf Locronan aufmerksam, sowie auf die bretonischen Spezialitäten Buchweizen-Crêpes und "Kouign Aman", ein ziemlich heftiger und sehr süßer Butterkuchen. – Na ja, vielleicht wurde die Autorin ja auch vom Tourismusverband gesponsert, denn mitunter wirbt sie schon sehr auffällig und penetrant für die Vorzüge gerade dieser Gegend und was es dort alles zu konsumieren gäbe …

Bei der Weiterfahrt steuerten wir also zunächst das Hafenstädtchen Douarnenez an, spazierten erst am Port Rhu entlang, in dem auch die alten Museumsschiffe des Hafenmuseums liegen, dann in die Altstadt hinauf, vorbei an der Kirche St Michel zur Ende des 19. Jahrhunderts/ Anfang 20. Jahrhundert neu gebauten Église du Sacre Coeur und durch die Gassen zur anderen Seite, zum Port du Rosmeur hinab. Auf dem Rückweg genehmigten wir uns am Port Rhu noch ein Eis, das wir mit Blick zum hübschen Stadtteil Treboul auf der anderen Seite der Mündung des Pouldavid-Flusses genossen.


Ebbe am Port Rhu, Douarnenez


Port du Rosmeur, Douarnenez


In den Gassen ...


... von Douarnenez


Église du Sacre Coeur - man beachte auch das Straßenschild: wie
überall in der Bretagne lotst es zweisprachig in "alle Richtungen".


Locronan erreichten wir am späten Nachmittag und umrundeten es erstmal auf der Umgehungsstraße, um zum Campingplatz zu gelangen. Abends marschierten wir dann zu Fuß ins Städtchen, das im Gegensatz zur Mehrheit der uralt wirkenden Steinkirchen in Frankreich, die meist doch erst irgendwann zwischen 1600 und 1900 errichtet wurden, eine tatsächlich alte Kirche besitzt: St. Ronan, in deren Seitenkapelle die Gebeine des Heiligen aufbewahrt werden. 

Um das Leben des keltischen Heiligen (einer von mehreren Ronans, zur Unterscheidung auf englisch "Ronan the Silent" genannt) ranken sich diverse, teils recht schräge Legenden. So wurde die Kirche um 1420 angeblich an der Stelle errichtet, an der Ronan zunächst bestattet worden war, nachdem ein Ochsengespann mit seinem Leichnam dort zum Stehen gekommen war. Da der Heilige zu Lebzeiten offenbar sehr eigensinnig gewesen war, hatte sich niemand getraut, einen Begräbnisort für ihn zu bestimmen, und so mussten die Ochsen dafür herhalten ...


Abends sind die Gassen von Locronan
tatsächlich ziemlich ausgestorben.


In der Kirche St. Ronan


An der Kanzel sind Szenen aus dem Leben des Heiligen Ronan
 dargestellt (bzw. aus den Legenden darüber).

 
Direkt gegenüber der Kirche lockte die „Crêperie Ty Coz“ uns zum Abendessen und mit Glück erwischten wir dort gerade noch ein Plätzchen. Jeder von uns bestellte zwei salzige Buchweizencrêpes mit üppiger Füllung, anschließend ließen wir noch einen gemeinsamen süßen Weizencrêpe zum Nachtisch folgen. Die Crêpes waren allesamt sehr lecker und allein schon durch die Unmengen an Butter, mit denen sie gebacken wurden, – wir saßen in Sichtweite der offenen Küche und konnten das Prozedere beobachten – sehr gehaltvoll. Dazu gabs auch diesmal Cidre, zusammen einen ¾ Liter, wir waren ja zu Fuß da … 

Insgesamt ist das Städtchen tatsächlich sehr hübsch mit seinem fast perfekt erhaltenen mittelalterlichen Kern, der offenbar in entsprechenden Filmen schon öfter als Kulisse diente, doch leider auch sehr touristisch. Die meisten Läden hatten abends schon geschlossen und die Gassen waren nahezu ausgestorben, doch die Großparkplätze an den Ortsrändern sprachen Bände.


Fast original Mittelalter - Locronan


Für den Rückweg wählten wir eine alternative Route über den Hügel oberhalb des Städtchens, die durch schönen Wald führte, aber leider keine Aussicht bot. Praktischerweise endete der Wanderweg direkt oberhalb vom Campingplatz.




Dieser war wie der letzte ebenfalls mit einem überdachten Pool ausgestattet, eine Annehmlichkeit, die aus unserer Sicht auf Campingplätzen grundsätzlich eher überflüssiger Luxus ist. Leider war hier jedoch nur ein Sanitärgebäude von zwei eigentlich vorhandenen geöffnet und darin gab es für alle Gäste genau 3 Toiletten, 2 Duschen mit integrierten Waschbecken, 1 Behinderten-WC-Dusch-Toilettenkombination, sowie ein winziges Handwaschbecken direkt vor dem Schlund für die Chemietoiletten. Ebenfalls im selben beengten Raum befanden sich 2 Spülbecken, 1 Becken zum Wäsche waschen und die Waschmaschinen. Da half es auch wenig, dass das Gebäude offensichtlich noch recht neu oder erst kürzlich grundlegend renoviert war.

Sehr schade das alles, denn sonst war es wirklich ein schöner Platz und wären wir vielleicht sogar eine weitere Nacht geblieben.



Abstecher ins Landesinnere: der Wald von Huelgoat



Donnerstag, 25. Mai – Camping Rivière d’Argent bei Huelgoat



Frühstück auf dem Campingplatz von Locronan


Wie letzten Endes erstaunlicherweise doch meist, klappte am folgenden Morgen trotz der völlig unzureichenden sanitären Einrichtungen alles nahezu reibungslos. Wir jedenfalls mussten beide nicht ein einziges Mal warten, weder vor den Toiletten, noch Günter beim Duschen oder ich beim Spülen. Günter hatte im ersten Ärger gleich eine schlechte Bewertung für den Platz abgegeben und wurde prompt bei unserer Abreise von der Chefin „aufgeklärt“, dass das zweite Sanitärgebäude nur deshalb geschlossen sei, weil es von behördlicher Seite für nicht hygienisch genug befunden worden war … Wird schon stimmen, aber ist es hygienischer, wenn dann so viele Personen mit ein paar wenigen Toiletten auskommen müssen? Im Grunde müsste man dann eben die Konsequenz ziehen und bis das andere Sanitaire umgebaut ist (oder was auch immer nötig wäre, damit es wieder in Betrieb gehen darf), nur noch entsprechend weniger Gäste aufnehmen.
 
Günter hatte am vorigen Abend doch noch herausgefunden, wo hier in der Gegend der „Zauberwald“ sein könnte, von dem die „5 Reicherts“ auf ihrem Bretagne-zentrierten Blog schwärmten, der für uns im Vorfeld der Reise (und auch schon 2020, während unserer ersten Planungsrunde) vielfach als Inspirationsquelle gedient hatte. So fuhren wir nun erst nur ein winziges Stück (ca. 2 Minuten), parkten etwas oberhalb von Locronan am Waldrand und begaben uns auf eine kleine Rundtour, die anfangs durch eher lichten Lärchenwald mit entsprechend dichtem Brombeer- und Ginsterunterwuchs führte, der mir mal wieder komplett die Beine zerkratzte ...


Noch ist der Wald bei Locronan relativ hoch und licht.


Mit der Zeit wurde der Wald immer dichter und bestand nun überwiegend aus Buchen und Esskastanien, die meist keinen einzelnen Stamm hatten, sondern sich in mehrere Stämme verzweigt hatten, die überdies mehrheitlich von dichtem Moos und Flechten überzogen und von Efeu umrankt waren. Bei dem sonnigen Wetter kam zwar keine echte Zauberwaldstimmung auf, doch konnten wir uns gut vorstellen, wie es bei Nebel im Herbst sein könnte. 


Doch wenig später geraten wir in ein wahres Dickicht ...


... aus mehrfach verzweigten Stämmen ...


... mit viel Moos und Efeu.


Bei der kleinen „Chapelle ar Sonj“ kamen wir wieder aus dem Wald, da wir aber keine Lust hatten, von hier auf Teer zurück zum Auto zu gehen, hängten wir noch einen Schlenker durch das Wäldchen auf der anderen Straßenseite an, wo es sogar ganz offiziell markierte Wanderwege gab. 


Die Chapelle ar Sonj auf einer Lichtung am "Zauberwald"


Noch einmal geht es durch ein verwunschenes Waldstück.


Blick ins weite Land von der Anhöhe oberhalb von Locronan.


Nach einer guten Stunde und irren 3,5 km Waldwanderung ging es dann weiter bis nach Châteaulin, einem hübschen Städtchen am Fluss Aulne, wo wir auf Anhieb einen schattigen Parkplatz und in Nullkommanichts einen Platz in einem kleinen Restaurant, der „Friterie Breizh“ (= „Bretonische Frittenbude“), bekamen. Günters „Pièce du Boucher“ (welches Stück sich der Metzger wohl reserviert hatte – Entrecôte?) und mein Burger mit Ziegenkäse und Walnüssen, jeweils mit Pommes und kleinem Salat (absolut frisch und super angemacht!), waren beide prima. Günter meinte sogar, das Fleisch sei bis jetzt das mit Abstand zarteste auf dieser Reise gewesen, und auch der Burger war weit über Durchschnitt! 

Wir warfen dann noch einen Blick in die Église St-Idumet, die, entgegen unseren bisherigen Erfahrungen mit französischen Kirchen, tatsächlich geöffnet war. Eine gotische Kirche mit einer schönen, holzeingefassten Orgel und goldenen Deckenornamenten, die vermutlich von einer Komplettrenovierung im 19. Jahrhundert stammen. 


Église St-Idumet in Châteaulin


Dann noch eine etwas größere Einkaufsrunde durch den Intermarché am Ortsrand und schon konnte es weiter nach Huelgoat gehen. Die Fahrstrecke belief sich an diesem Tag insgesamt nur auf 80 km und Châteaulin lag etwa auf der Hälfte, so waren wir schon nach einer knappen halben Stunde wieder am Ziel. 

Auch an der Rivière d’Argent fand sich ein Schattenparkplatz, von wo wir mit vielen anderen, überwiegend älteren Herrschaften das „Chaos du Moulin“ abschreiten konnten. Überall im Wald und am Bach liegen dort riesige Granitfelsen, oft moosüberwachsen oder von ganzen Pflanzengemeinschaften besiedelt. 

Einige Formationen tragen phantasievolle Namen („Haushalt der Jungfrau“, „Teufelsgrotte“ – in die man über eine Metallleiter hinabsteigen kann) und es gab auch einen „Roche tremblante“, einen Wackelstein also, in diesem Fall ein riesiger Granitbrocken, der nur eine relativ kleine Auflagefläche hat und tatsächlich in leichte Bewegung versetzt werden kann, wenn man sich an der richtigen Stelle dagegen stemmt.


Am "Silberfluss"


Chaotisch gestapelte Felsen ...


... im "Chaos du Moulin".


Abstieg in die "Teufelsgrotte"


Er hat sich tatsächlich bewegt! - "La Roche tremblante"


Eine Crêperie lud noch zu einem Getränk plus "Crêpe avec beurre et sucre" ein, dann wanderten wir etwas weiter oberhalb des Flusses im Wald und nun völlig einsam zurück, bis wir nach rund 3 km Fußmarsch wieder am Auto waren. Weitere 2 Minuten Fahrt brachten uns zum großen Campingplatz, auf dem wir einen geräumigen Stellplatz direkt am Bach fanden. 

Irgendwie lag an diesem Tag ein besonderes Interesse an unserem Campingmobil in der Luft, denn weder davor noch danach sprachen uns so viele Leute darauf an: Ein Nicht-Schwabe mit schwäbischem Kennzeichen, der selber mit einem Pickup (Toyota Hilux) plus Wohnkabine unterwegs war, interessierte sich auf dem Campingplatz bei Huelgoat für die Details unseres Eigenbaus. Und auch ein französisches Paar hätte wohl gerne mehr darüber erfahren, doch leider klappte hier die Verständigung mal wieder nicht so recht. Schon morgens in Locronan hatte ich außerdem Günter, als ich vom Spülen und Zähneputzen zurück kam, im Gespräch mit einer vielreisenden Rentnerin aus England angetroffen, die ihn nicht nur über unseren Camper ausgefragt, sondern anscheinend auch gleich noch ihre komplette Lebensgeschichte erzählt hatte … 


Freitag, 26. Mai – Camping de Porsévigné


Nach dem kurzen Intermezzo in den Wäldern von Huelgoat kehrten wir schleunigst wieder an die Küste zurück. Und während es morgens im Landesinneren tatsächlich mal bedeckt war und das Thermometer bei 15°C festhing, wurde es mit jedem Kilometer Richtung Meer zunehmend heiterer und später herrschte wieder eitel Sonnenschein, wenn auch noch immer mit strammem Nordwind.
 
An diesem Tag wollten wir erst noch eine weitere Runde durch den Wald bei Huelgoat drehen, wo es morgens zwar kühl, aber wenigstens windgeschützt war. Auch diesmal ging es wieder an einem Bachlauf entlang, einem Zufluss des „Silberflusses“ (Rivière d’Argent), und waren ein paar Felsformationen zu bestaunen, z.B. die „Artus-Grotte“. 


Blick aus der Artus-Grotte


Beim Menhir de la mare aux sangliers


Immer am Bach lang


Im großen "Zauberwald" von Huelgoat.
Das Wäldchen bei Locronan war nur der Vorgeschmack.


Ein rarer Aussichtspunkt im Wald.


Schließlich erklommen wir einen Hügel, auf dem offenbar schon in römischer Zeit ein „Oppidum“ (befestigte Siedlung, vielleicht zum Schutz der Silbermine im Tal) angelegt worden war. Der Begrenzungswall war noch gut zu erkennen und auch sonst hätte es wohl noch ein paar römische Spuren zu entdecken gegeben, ebenso von späteren Siedlungen im Mittelalter. Warum das Areal „Camp d’Artus“ getauft wurde, erschloss sich mir allerdings nicht.
 
Zunächst hatten wir vorgehabt, mittags zu vespern und auf eine Einkehrmöglichkeit am Abend zu spekulieren. Kurz nach Mittag erreichten wir gerade das Städtchen Sizun, fanden einen Parkplatz bei einer Schule und wo wir schon mal da waren und gleich neben dem kleinen Laden, in dem wir unser Baguette erstanden hatten, die gotische Kirche lag, warfen wir auch noch einen Blick in diese. (Fotos gibt es davon leider keine, denn Günter hatte seine Kamera nicht mit – wir wollten doch nur schnell Brot kaufen …). 

Und da die Witterung noch immer recht kühl und unwirtlich war und wir zudem nicht wussten, wie die Lage in Sachen Restaurant an unserem heutigen Übernachtungsplatz wäre, kamen wir auf dem Rückweg zum Auto schnell überein, doch gleich hier essen zu gehen. So fackelten wir nicht lange und betraten kurz entschlossen das Restaurant „L’Orée des Monts“, vor dem wir zufällig gerade standen. Eigentlich sollte dies eine Pizzeria sein, doch um diese Zeit wurde ausschließlich das Mittagsmenü (für günstige 12 €) angeboten, bestehend aus Buchweizenpfannkuchen mit Räucherforelle, Boeuf in säuerlicher Sauce (erinnerte etwas an Sauerbraten, das Fleisch war hier allerdings geschnetzelt) mit Pommes und minimaler Salatbeilage und zum Abschluss einem sehr gehaltvollen Erdnuss-Cheesecake mit Oreo-Keksbrösel-Boden … 

Schon als wir aus dem Restaurant kamen, begann der Himmel aufzureißen und von da an wurde es von Minute zu Minute sonniger.


Sonne!


An Brest vorbei erreichten wir den ersten der beiden Leuchttürme, die wir nun noch besichtigen wollten, parkten etwas oberhalb und spazierten zum Phare du Petit Minou hinab und über den breiten Damm zu diesem hinüber. In der Sonne und im Windschatten wurde es hier nun verglichen mit morgens schon fast unerträglich heiß, das Thermometer im Auto, das offensichtlich vom Wind nichts mitbekam, war auch längst auf 20°C geklettert. Doch so warm fand ich (Weichei) es nun auch wieder nicht, dass ich hätte baden wollen. Genau dies taten aber zwei Frauen oder Mädels in der Bucht unterhalb des Leuchtturms zwar ausgiebigst …


Phare du Petit Minou



Abgehärtete Atlantik-Badenixen


Noch ein paar Kilometer Fahrt und dann war auch der Phare St-Mathieu erreicht. Da direkt an der offenbar sehr beliebten Sehenswürdigkeit die Parkplätze schon recht voll aussahen, parkten wir ein Stück weit entfernt oberhalb der Küste und „wanderten“ ca. 1,5 km zum Leuchtturm zurück. Neben alten Befestigungsanlagen (ursprünglich von Ludwig XV. in Auftrag gegeben) und einem Denkmal für die gefallenen Marineangehörigen aller Kriege und sonstigen umgekommenen Seeleute, gab es hier auch noch einen Turm, von dem aus der Schiffsverkehr vor der Küste überwacht wird (Sémaphore de la Pointe Saint-Mathieu), und die Ruine der Abtei St-Mathieu zu besichtigen. 

Letztere wurde im 11. Jahrhundert gegründet und nach wechselvoller Geschichte im Zuge der Französischen Revolution endgültig aufgelöst und teilweise an einen Bauunternehmer verkauft. Dieser nutzte die Klostergebäude im wesentlichen als Steinbruch. Die Klosterkirche, die zunächst erhalten geblieben war, und deren Turm lange als Leuchtturm fungiert hatte, wurde dann während der Errichtung des Phare St-Mathieu 1835 teilweise abgerissen, ebenso die obere Hälfte des Kirchturms. Mittlerweile stehen die verbliebenen Reste der Klosteranlage unter Denkmalschutz.


Pointe Saint-Mathieu


Mémorial National des Marins morts pour la France


Ruine der Benediktinerabtei, Phare St-Mathieu
und der Sémaphore de la Pointe Saint-Mathieu


 Chapelle Notre-Dame-des-Grâces


In der Ruine der Klosterkirche der Abtei St-Mathieu de Fine-Terre


Ansicht von Norden




Kapelle und Leuchtturm


Eine weitere kurze Fahrt brachte uns schließlich zum Campingplatz bei Porsévigné, der auf einer weitgehend baumlosen Ebene unweit der Küste lag, weshalb sich der Wind hier recht unangenehm bemerkbar machte. Wir parkten daher den Max – leidlich ausgeglichen durch die Auffahrblöcke – ziemlich schräg zum Hang und mit der Nase im Wind, um diesem möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. 

Auf der Sonnenseite und mit leichtem Windschutz wurden wir hier nachmittags noch richtiggehend gebraten und grausten uns dabei vor der kommenden Nacht, weil wir festgestellt hatten, dass 2 km entfernt ein Festival stattfinden sollte, das Musik bis in die frühen Morgenstunden versprach: der Hauptact des Abends war auf 23 Uhr angesetzt … Zudem war zu erwarten, dass auch  auf dem Campingplatz im Lauf des Abends Festivalgäste einfallen würden, um hier zu„nächtigen“ … 

Abgesehen von all dem war der Platz sowieso nicht im allerbesten Zustand, die Sanitaires wieder eher übersichtlich und dazu noch steinalt – so alt sogar, dass für die Duschen noch Jetons gekauft werden mussten, was gottlob mittlerweile auch in Frankreich mehrheitlich Geschichte ist.

Bei einem abendlichen Küstenspaziergang konnten wir dann das Festivalgelände von fern mit eigenen Augen begutachten, und waren erstaunt, wie weit es tatsächlich vom Campingplatz entfernt lag, dafür dass es je nach Windstärke und -richtung teilweise so klang, als wäre die Bühne höchstens 100 m entfernt. 

Zudem waren mit der Zeit auch noch gar nicht so wenige eindeutige Festivalbesucher auf dem Platz eingetrudelt und glühten dort schon mal eifrig vor. Mir graute es besonders davor, wenn gegen Morgen die besoffenen Horden auf dem Campingplatz einfallen würden, und hoffte schwer, dass es der eine oder die andere gar nicht erst vom Festival zurück schaffte. - Gar nicht so unwahrscheinlich, denn zu Fuß war es wirklich eine ordentliche Strecke, vor allem wenn man die ganze Straße brauchte … 😉


Die Plage de Porsévigné unmittelbar beim Campingplatz


Frisch ist's!

Festival "Les Petites Folies", Lampaul-Plouarzel


Samtgras oder Hasenschwänzchen (Lagurus ovatus)




Hier gehts zum dritten Teil des Reiseberichts.