Mittwoch, 31. Oktober 2012

Ecuador 2012 - Straße der Vulkane IV

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt



Cotopaxi


Sonntag, 28.10.  Hacienda La Estacion – Refugio José Ribas (4800m)


Nach dem üppigen Frühstück in der Hacienda machten wir uns zunächst ans Packen für den Cotopaxi. In unseren beiden mittelgroßen Rucksäcke (meiner 30+2 l, Günters ca. 45l) brachten wir dabei nur mit Mühe unter, was wir mitnehmen wollten: Steigeisen, Klettergurt, je 2 Trinkflaschen und vor allem die zusätzlichen warmen Sachen, die wir bis zur Hütte noch nicht brauchten, waren alle sehr voluminös. So musste Günter schließlich die Schlafsäcke in unserem schwarzen, wasserdichten Sack außen am Rucksack festbinden.

Danach war erst mal „Chillen“ angesagt. Cesar, der so gegen 10 Uhr aus Quito zurückkam, wo er den 50. Geburtstag seines Vaters gefeiert hatte, meinte, dass es reicht, wenn wir um 13 Uhr zu Mittag essen und anschließend losfahren.

Wir setzten uns dann auf der etwas ramponierten Hollywoodschaukel im wirklich sehr hübschen Garten der Hacienda bei angenehmen 20°C in die Sonne. Und während Günter via Facebook den Kontakt zur Heimat pflegte, vertiefte ich mich auf meinem Kindle in das Buch „Wolfspirit“ von Gudrun Pflüger. So verging die Zeit recht entspannt und nach dem hervorragenden Mittagsmenü mit musikalischer Untermalung von Seiten des Hausherrn starteten wir endlich Richtung Cotopaxi.


Der Hausherr unterhält seine Gäste mit Gitarre und Gesang.

Die Fahrt zum Parkplatz auf 4500 m dauerte ca. 1 Stunde und ebenso der Aufstieg zum Refugio, der zwar steil und sandig, aber ansonsten unproblematisch war.

Am Parkplatz und bereit zum Abmarsch.

Beim kurzen Hüttenaufstieg zeigt sich der Cotopaxi in ganzer Pracht.

Im Refugio waren wir diesmal erwartungsgemäß nicht die einzigen, sondern teilten uns das Matratzenlager mit einer 7-köpfigen irisch-englischen Gruppe, einem weiteren Paar, das schon bei unserem Eintreffen in den Schlafsäcken lag, und einem ecuadorianischen Pärchen, das wohl einfach eine „romantische“ Nacht auf der Berghütte verbringen wollte.

Wir bezogen unsere abwaschbaren Pritschen und tranken dann erst mal Tee. Bald hatte Günter sowohl mich als auch Cesar davon überzeugt, dass wir wegen der guten Wetteraussichten schon in der kommenden Nacht einen Gipfelversuch starten sollten. Cesar vertraute zwar nicht allzu sehr auf den Wetterbericht, der angeblich in Ecuador chronisch unzuverlässig sein soll, aber offenbar hatte er mit einigen Kollegen auf der Hütte gesprochen, die für den nächsten Tag ebenfalls gute Bedingungen erwarteten. Er machte uns nur noch einmal klar, dass es keinen zweiten Versuch geben würde, falls wir beim ersten Mal scheitern sollten. Das hatten wir (oder zumindest ich) aber auch gar nicht gedacht.

Kurz nach unserer Ankunft auf der Hütte hatte es einen ziemlichen Aufruhr gegeben, als eine Gruppe von mehreren Bergführern eintraf, die einen Bergsteiger vom Gipfel gerettet hatten, der offenbar höhenkrank und völlig orientierungslos geworden war. Nachdem sie ihn mehr oder weniger ins Refugio getragen hatten, erholte er sich zum Glück bald so weit, dass er den Abstieg zum Parkplatz aus eigener Kraft bewältigen konnte.

Natürlich gab uns dieses Erlebnis zu denken. Waren wir wirklich schon gut genug akklimatisiert, um den Cotopaxi zu wagen?

Abends vor dem Refugio José Ribas - auch von hier ist Quito nicht fern.

Nach dem Abendessen, bei dem wir uns mit Suppe und einem Schokoriegel zum Nachtisch begnügten, ging’s gleich ins Bett, denn schon um 23 Uhr würden wir wieder geweckt werden. Während der gerade mal 4 Stunden Nachtruhe musste ich zu allem Überfluss noch zweimal aufstehen, um zur Toilette zu gehen. Diese befand sich außerhalb der Hütte, so dass man jedes Mal die fetten Bergstiefel anziehen musste, und war außerdem in ziemlich üblem Zustand. Und natürlich musste nicht nur ich mal raus, so dass eigentlich fast die ganze „Nacht“ ein Kommen und Gehen herrschte und an Schlaf trotz Ohrstöpseln kaum zu denken war. Erst als schon die ersten anfingen sich anzuziehen und bereit zu machen, fiel ich in einen Dämmerschlaf, aus dem mich aber bald Cesar riss, weil es auch für uns Zeit zum Aufstehen war.

Mühsam zog ich die vielen Schichten Kleidung übereinander, stopfte noch meinen Kindle, den ich überflüssigerweise mitgeschleppt hatte, in den Schlafsack und wankte mit meinem fast leeren Rucksack zum „Frühstück“. Etwas Joghurt und Müsli, sowie je ein halber Frucht-und Schokoriegel mussten reichen, dann noch einmal schnell zur Toilette und schon marschierten wir pünktlich um 0 Uhr los.

Aufi geht's!


Montag, 29.10.  Auf den Cotopaxi und nach Baños


Tatsächlich hatten wir riesiges Glück mit dem Wetter. Als wir aus der Hütte kamen, stellten wir fest, dass der Wind, der noch bis vor zwei Stunden getobt hatte, sich fast vollständig gelegt hatte und dass es außerdem nicht allzu kalt war, höchstens ein oder zwei Grad unter null. Der (Fast-)Vollmond leuchtete uns den Weg, als wir die ersten 1 ½ Stunden über Schotter, Sand und ein paar kleine Schneefelder zum Gletscherrand aufstiegen.

Außer uns hatte sich nur noch die große englisch-irische Gruppe aufgemacht, die zunächst unmittelbar hinter uns ging, bei einer Pause aber an uns vorbeizog, so dass wir uns wohl oder übel ihrem lästigen Stop-and-Go-Tempo anpassen mussten. Außerdem beanspruchten sie am Gletscher den eigentlichen Anseilplatz für sich und wir drei durften uns kurz unterhalb desselben in eher ungeeignetem, da relativ steilem Gelände die Steigeisen anschnallen.

Am Anseil- und Steigeisen-Anlegeplatz.

Trotzdem waren wir schneller fertig angeseilt, da wir ja nur zu dritt waren, und so brachten wir die – für mich – als Einstieg recht hässliche, vereiste Querung bis zum eigentlichen Gletscher als erste hinter uns. Dabei führte Cesar unsere Dreier-Seilschaft an, ich ging in der Mitte, was mir sehr entgegenkam, und Günter bildete die Nachhut.

Von nun an trotteten wir Stunde um Stunde im Mondlicht bergan. Auf die Stirnlampen konnten wir wieder, wie schon im Jahr zuvor am Kilimanjaro, fast völlig verzichten. Zuerst kamen wir durch einen Gletscherbruch mit riesigen, beeindruckenden Eistürmen (=Seracs), wo wir auch einige Spalten über teils recht zweifelhafte Schneebrücken querten. Jetzt in der Nacht und bei zunehmender Kälte war das zwar noch kein Problem, aber wir dachten schon mit Bangen an den Abstieg, bei dem es deshalb nicht allzu spät werden sollte.

Später ging es dann mal steiler, mal flacher über Rampen und Rücken hinauf.  Unser Weg führte direkt an der markanten, weithin sichtbaren dunklen Felsformation „Yanasacha“ vorbei – ein Hinweis, dass es im Inneren des Vulkans durchaus noch brodelte, denn hier war alles Eis abgeschmolzen. Tatsächlich brach der Cotopaxi knapp 3 Jahre später im August 2015 nach fast 40 Jahren Ruhe wieder aus.

Je höher wir kamen, desto häufiger legten wir eine Pause ein, die dünne Höhenluft machte sich nun doch zunehmend bemerkbar, insbesondere an den steileren Aufschwüngen. An Essen war zwar kaum zu denken, da wir keinen Appetit mehr hatten und außerdem unsere Schoko- und Fruchtriegel im Rucksack total hartgefroren waren – sinnvoller wäre wohl gewesen, sie in eine innere Jackentasche nah am Körper zu stecken. Wir tranken aber regelmäßig vom in der Hütte abgefüllten warmen Tee mit Zucker, was uns vermutlich vor schlimmeren Höhenbeschwerden bewahrte.

Günter machte von Pause zu Pause einen erschöpfteren Eindruck - und so wie er aussah, fühlte ich mich. Vor allem an den Steilstufen legte Cesar ein zu hohes Tempo vor, doch jetzt, wo der Gipfel allmählich greifbar wurde, schien er es immer eiliger zu haben. Dauernd zog ich am Seil, aber es gelang mir nicht wirklich, ihn auszubremsen.

Irgendwann meinte er dann, dass es „nur“ noch 40 Minuten bis zum Gipfel wären. Und irgendwie brachten wir auch die noch hinter uns, so dass wir tatsächlich um 5.30 Uhr im ersten Morgenlicht, noch ehe die Sonne es über die tief hängende Wolkendecke geschafft hatte, auf dem 5897 m hohen Gipfel des Cotopaxi standen!

Geschafft!

Sonnenaufgang auf 5897m

Nach den ersten Gipfelfotos, die Günter leider nur mit seiner Handykamera aufnehmen konnte, da die Nikon schon seit der Hälfte des Aufstiegs streikte, warfen wir einen Blick in den beeindruckend großen (800m Durchmesser!), qualmenden und nach Schwefel stinkenden Krater und genossen die herrliche Aussicht. Es war zwar ziemlich kalt dort oben (-10°/-15°C), aber weil es immer noch völlig windstill war, konnte man es gut eine Weile aushalten.

Der Krater des aktiven Vulkans Cotopaxi.

Aussicht auf unser nächstes Ziel, den Chimborazo.

Schließlich entdeckte Günter doch noch, warum seine Kamera nicht funktionierte: sie hatte nicht etwa wegen der Kälte versagt, sondern weil er irgendwann das Objektiv minimal verdreht hatte, was zu einer unverständlichen Fehlermeldung geführt hatte. So gab es noch eine Runde Gipfelfotos, diesmal mit der „richtigen“ Kamera; und nachdem die Sonne endlich aufgegangen war, für eine neue Lichtstimmung sorgte und den Schatten des Berges auf die Wolken projizierte, musste natürlich auch das festgehalten werden.


Cesar war währenddessen schon zunehmend ungeduldig geworden und drängte uns nun, nach etwa einer halben Stunde dazu, schleunigst mit dem Abstieg zu beginnen. Wir seilten uns also wieder an, diesmal in umgekehrter Reihenfolge, d.h. Günter sollte als erster gehen. Uns beiden war zwar nicht ganz wohl dabei, trotzdem beugten wir uns dieser Anweisung. Die Idee dahinter ist, dass der Bergführer im abschüssigen Gelände, wenn er als letzter geht, eher eine Chance hat, uns andere bei einem (Spalten-)Sturz zu halten. Wir hatten allerdings nicht das Gefühl, dass Cesar beim Abstieg besonders aufmerksam war: Je mehr wir Richtung Hütte kamen, desto häufiger schaute er auf sein Handy und immer wieder passierte es auch, dass er nahezu mit mir kollidierte, da er gar nicht bemerkt hatte, dass Günter und ich stehengeblieben waren.


Kurz oberhalb des Gletscherbruchs - werden die Schneebrücken noch halten?

Weil wir beide inzwischen doch ziemlich erschöpft waren und das Gelände spätestens ab dem Gletscherbruch auch nicht immer ganz einfach war, hatten wir das Gefühl, eher langsam voranzukommen. Dennoch erreichten wir nach 2 ½  Stunden, also um 8.30 Uhr, bereits wieder die Hütte. Während des Abstiegs im strahlenden Sonnenschein war es natürlich immer wärmer geworden, aber sowohl die Seracs und gigantischen Eiszapfen, unter denen der Weg manchmal hindurchführte, als auch die Schneebrücken über die Gletscherspalten hielten zu unserem Glück noch.

An diesem Serac...

... führte kein Weg vorbei.

Bald haben wir den Gletscher hinter uns und die Hütte ist nicht mehr fern.

Eigentlich hätten wir jetzt ja noch einen zweiten Hüttentag vor uns gehabt, da ich aber absolut keine Lust hatte, einen weiteren ganzen Tag untätig, ungewaschen und frierend in diesem leider sehr schlecht geführten Refugio herumzuhängen, plädierte ich heftig für eine Planänderung. Zudem hatte sich die Einführung ins Gehen mit Steigeisen und die Spaltenbergung, die zunächst für den ersten Tag auf der Hütte vorgesehen gewesen wäre und die wir jetzt hätten nachholen können, eigentlich auch schon erledigt. Dass wir ersteres so einigermaßen beherrschten, hatten wir gerade 8 Stunden lang unter Beweis gestellt. Und ein richtiger Spaltenbergungskurs hätte uns zwar auf keinen Fall geschadet, aber wir bezweifelten, dass wir den bei Cesar bekommen würden, zumal die Motivation dafür jetzt auch schon weg war: am Chimborazo würden wir es kaum mit Gletscherspalten zu tun haben.

Wir einigten uns dann mit Cesar darauf, gleich unsere Sachen zu packen, zum Auto abzusteigen und in den berühmten Badeort Baños zu fahren. Dieser liegt drei Autostunden weiter südlich am Abbruch der Andenkette zum Amazonasbecken hin. Cesar meinte, dort spontan eine Unterkunft zu finden, sollte kein Problem sein. Natürlich mussten wir diese, sowie die Kosten für die Anfahrt und Cesars Unterkunft  zusätzlich aus eigener Tasche bezahlen, aber das nahmen wir gerne in Kauf, um der ungemütlichen Berghütte zu entfliehen.

Gesagt getan – der restliche Abstieg dauerte höchstens 10 Minuten, da man im Sand gut abrutschen konnte. Die Autofahrt nach Baños zog sich, aber ich habe sowieso das meiste davon verschlafen. In Salcedo hielten wir kurz, um das anscheinend berühmte Eis zu probieren, dann ging’s immer weiter bergab durch immer grünere Landschaften bis ins nur noch 1800 m hoch gelegene Baños. Damit waren wir mehr als 4000 m tiefer, als noch am frühen Morgen!


Banos de Agua Santa - ein Bade- und Wallfahrtsort

Im Hotel „La Foresta“ bekamen wir für 50$ ein nur leicht muffeliges Zimmer. Cesar kam nebenan im „Isla de Baños“ zum Freundschaftspreis von 15$ unter.

Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, hängten wir unsere feuchten Sachen zum Trocknen auf, duschten und legten uns dann zur Erholung von der anstrengenden Tour und um den versäumten Schlaf nachzuholen erst mal für ein paar Stunden hin.

Danach noch eine Riesenpizza plus Cerveza grande im Ristorante Papardelle und eine ruhige, ungestörte, durchschlafene Nacht – was will man mehr?


Dienstag, 30.10.  Baños und Fahrt zur Hacienda La Ciénega


Bei unserem kurzen Stadtrundgang am Vorabend, der uns im übrigen genügte, um ganz Baños gesehen zu haben, hatten wir festgestellt, dass offenbar gerade alle Bäder der Stadt geschlossen und ihre Becken abgelassen hatten. So fiel also der Programmpunkt „Baden in Baños“ gleich mal flach.

Nach dem guten, überreichlichen Frühstück im Hotel, machten wir uns daher zu einer „kleinen“ Wanderung zu verschiedenen Aussichtspunkten über der Stadt auf: Bis zum „Mirador del Volcan“, wo man den in den letzten Jahren sehr aktiven Vulkan Tungurahua hätte sehen können, wäre da nicht diese absolut stationäre Wolke gewesen, überwanden wir letztlich ohne groß darüber nachzudenken rund 800 Höhenmeter.

Die Hügel rund um Banos werden intensiv landwirtschaftlich genutzt.

Vorsicht - Ameisen queren! Der Amazonas-Urwald ist nicht fern.

Baños schien bei Backpackern aus aller Welt ein beliebtes Ziel zu sein, weshalb es hier ein großes Angebot an günstigen Restaurants gab. So nutzten wir zurück in der Stadt die schon recht knappe verbleibende Zeit für ein gutes, billiges Mittagessen im Café Hood. Dann noch schnell in einem Supermarkt Trinkwasser für die kommenden Tage besorgt und schon mussten wir schleunigst zum Hotel zurück, vor dem Cesar bereits im Auto auf uns wartete.

Auf der Fahrt zu unserer nächsten Station, der Hacienda La Ciénega, begann es auf halber Strecke zu regnen, so dass sich die Aussicht sehr in Grenzen hielt. Auch der Cotopaxi war völlig in den Wolken verschwunden. Wenn wir daran dachten, dass wir nach dem ursprünglichen Plan erst heute unseren Gipfelversuch gestartet hätten ...

Die Hacienda La Ciénega sollte in puncto Unterkunft das Highlight dieser Reise werden, ein imposantes altes Gemäuer mit einer nicht weniger eindrucksvollen Eukalyptus-Allee als Zufahrt – angeblich die ältesten Eukalyptusbäume in Ecuador. Alexander von Humboldt konnte zwar seinerzeit nicht direkt hier übernachten, weil die Gebäude gerade von einem Erdbeben zerstört waren, trotzdem wurde kräftig mit ihm geworben.

Die altehrwürdige Hacienda La Ciénega.

Dank einer noch nicht allzu lang zurückliegenden Renovierung waren die Zimmer bestens in Schuss und kein bisschen muffig.


Ganz links das Fenster unseres Zimmers für die kommenden beiden Nächte.

Abends dinierten wir mit Cesar und nur noch zwei anderen Paaren im hochherrschaftlichen Speisesaal, wobei sich die Kellner fast vor Zuvorkommenheit überschlugen – was für ein Kontrastprogramm: gestern noch im Refugio José Ribas, wo die „Hüttenwirte“ sich null um ihre Gäste kümmerten und noch nicht mal für ein Mindestmaß an Sauberkeit sorgten, und heute dieser Luxus!

Nach dem hervorragenden, aber selbstverständlich auch recht teuren Abendessen, fielen wir gleich ins Bett und ich schlief wie ein Stein und bekam gar nichts mit von den Geräuschen aus dem Nachbarzimmer, über die sich Günter morgens beschwerte …


Mittwoch, 31.10.  Laguna Quilotoa


An diesem Tag stand zur Erholung ein Ausflug mit dem Auto zur Laguna Quilotoa auf dem Programm.

Nach dem guten, reichhaltigen Frühstück in der Hacienda (Semmeln, Toastbrot, Marmelade, Obst, Pancakes mit Honig, Saft, Kaffee aus Kaffeekonzentrat, das auf Wunsch mit heißer Milch oder Wasser aufgegossen wurde) starteten wir um 9 Uhr bei leichtem Regen. Schon bald erreichten wir Pujilí, wo wir vielleicht eine halbe Stunde über den im Vergleich mit Otavalo sehr wenig touristischen Markt schlenderten und Cesar an mehreren Ständen unzählige unterschiedliche Früchte erwarb, die wir später probieren wollten.

Marktgetümmel in Pujilí

Auch die Kundschaft...

... ist überwiegend einheimisch.


Weiter ging’s und immer höher hinaus über einen 4000m hohen Pass. Cesar machte uns auf die Felder (Kartoffeln, Bohnen, Zwiebeln) am Straßenrand aufmerksam, auch in dieser beträchtlichen Höhe wird hier noch Landwirtschaft betrieben.


Am Pass oberhalb von Tigua.


Zwischen Tigua und Zumbahua war die Straße eine einzige Baustelle, so dass sich die Fahrt immer mehr in die Länge zog. In einer Schlucht kurz vor Zumbahua war dann erst mal für mindestens eine halbe Stunde ganz Schluss, weil hier gerade eine Sprengung stattgefunden hatte und nun der Schutt von der Straße gebaggert werden musste.

Irgendwann konnten wir aber doch unsere Fahrt fortsetzen und erreichten wenig später unser Ziel, den Kratersee Laguna Quilotoa.

Bei trübem, aber noch trockenem Wetter warfen wir erst von oben einen Blick in den Krater und wanderten danach die 350 Höhenmeter bis zum See hinab. Cesar blieb währenddessen oben in einem im Um- oder Aufbau befindlichen „Restaurant“ (im Moment im wesentlichen Baustelle), wo er das Obst vom Markt für die Verkostung vorbereitete.

Die Laguna Quilotoa fanden wir beide nicht weiter spektakulär, nicht von oben betrachtet und schon gar nicht von unten. Vielleicht hätte es ja bei besserem Wetter ganz anders ausgesehen, wenn sie, wie in allen Reiseführern beschrieben, türkis in der Sonne geleuchtet hätte. Das konnten wir aber nur einen Moment lang erahnen, als die Sonne einmal beinahe durch die Wolken gebrochen wäre.

Fast scheint die Sonne, aber eben nur fast...

Alpakas am Weg zum Kratersee.

Im „Restaurant“ wurde uns dann zunächst eine heiße Kartoffelsuppe kredenzt, die sehr willkommen war, weil es wie auf allen Baustellen gewaltig zog. Während wir noch beim Essen waren, begann es draußen wie aus Kübeln zu schütten, und dieser Regen begleitete uns leider auf dem ganzen Rückweg, so dass die tolle Aussicht und Landschaft, die diesen Ausflug eigentlich hätten ausmachen sollen, völlig ins Wasser fielen. Schade!

Die Früchteprobe dagegen war sehr interessant, unter anderem gab es fünf verschiedene Bananensorten (zwei davon eher zum Kochen oder Braten geeignet, dann ganz kleine, sehr süße Bananen, eine Sorte, die im wesentlich so aussieht wie unsere „normalen“, aber fester und nicht so süß ist, und eine rotschalige Sorte), Naranjilla, Babaco, Maracuja und vieles mehr, was ich mir leider nicht merken konnte.

Cesar beim Obstschneiden


Beim Genuss von so vielen verschiedenen und für uns exotischen Früchten lag natürlich die Befürchtung nahe, dass dies unerwünschte Folgen haben könnte, aber glücklicherweise blieben wir davon völlig verschont.

Für die Rückfahrt war eigentlich eine alternative Strecke geplant, aber Cesar meinte, diese wäre vermutlich durch den Regen unpassierbar, und so ging es recht eintönig auf derselben Route zurück.

In der Hacienda gönnten wir uns dann noch einmal ein gutes Abendessen und genossen die letzte Nacht im gemütlichen Bett, ehe es anderntags zum Chimborazo gehen sollte.


Abendessen mit "El condor pasa" - heute ist eine größere Reisegruppe hier abgestiegen.


Sonntag, 28. Oktober 2012

Ecuador 2012 - Straße der Vulkane III

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt



Die Akklimatisationstouren - immer höher hinaus


Mittwoch 24.10.  Fuya Fuya


Mit Cesar hatten wir uns schon um 7.30 Uhr zum Frühstück verabredet, da wir auf gutes Wetter am Morgen hofften. Leider schien diese Rechnung zunächst einmal nicht aufzugehen, denn schon vor dem Aufstehen prasselte Regen auf unser Dachfenster.

Davon ließen wir uns aber nicht abschrecken und starteten gleich nach dem Frühstück zum Ausgangspunkt unserer Route auf den 4263 m hohen Fuya Fuya bei den Mojanda-Seen. Auch heute ging es im Nieselregen los, der uns diesmal fast die ganze Zeit treu blieb, dank halbwegs angenehmer Temperaturen aber nicht weiter störte. Bedauerlich nur, dass so auch die Aussicht sehr zu wünschen übrig ließ.

Getrübter Blick zu den Mojanda-Seen beim Aufstieg zum Fuya Fuya.

Wieder stiegen wir schön langsam auf und hatten doch die 500 Höhenmeter – inklusive ganz kurzer einfacher Kletterei – bereits nach 2 Stunden geschafft. Zur Freude über unseren ersten Gipfel in Ecuador gesellte sich bei mir große Erleichterung darüber, dass wir schon nach so kurzer Akklimatisationszeit ohne Probleme auf über 4000 m  Höhe gekommen waren.

Am Gipfel

Der Abstieg ging dann ziemlich flott vonstatten. Vor allem Cesar konnte gar nicht schnell genug wieder unten sein, was sich im Lauf der kommenden Tage als Muster etablieren sollte. Für ihn waren unsere ersten zwei bis drei Gipfel sicher nur langweiliges Pflichtprogramm und außerdem zog es ihn nach Hause zu seiner Frau und der 3 Monate alten Tochter.

Und schon geht's wieder runter.

So holten wir schon um die Mittagszeit unser Gepäck bei der Lodge ab und machten uns auf den Rückweg nach Quito. Unterwegs legte Cesar noch einen kurzen Stopp im Dorf  Cayambe ein, damit wir eine ecuadorianische Spezialität probieren konnten, für die dieser Ort besonders berühmt ist: Bizcochos, ein Gebäck, das hier meist mit einer Art Karamell (dulce de leche) oder Käse (queso de hoya) gegessen wird – sehr zu empfehlen!

In Quito lieferte uns Cesar wieder im Hotel Vieja Cuba ab. Vor der Fahrt nach Otavalo hatten wir darum gebeten, in ein Zimmer im zweiten Stock umquartiert zu werden, in der Hoffnung, dass es dort ruhiger wäre. Von den anderen Hausbewohnern hörten wir so tatsächlich nicht mehr viel, dafür hatten wir jetzt ein Eckzimmer, das den Lärm von zwei Straßen abbekam – na ja, für den Notfall gab’s immer noch Ohropax.

Da es zum Mittagessen mittlerweile schon etwas spät, aber zum Abendessen noch zu früh war, kauften wir im Supermarkt um die Ecke Früchte und Gebäck für den kleinen Hunger zwischendurch.

Gegen Abend schlenderten wir zur Plaza Foch, wo wir zunächst die Happy Hour nutzten und vor dem Restaurant Q Cocktails schlürften. Später zogen wir zum Abendessen ins Innere des Restaurants um. Das Essen war hier zwar nicht ganz billig, aber die Tagliatelle mit Rindfleisch dafür auch ganz hervorragend. – So ließ es sich leben, das fühlte sich schon fast wie Urlaub an ;)


Donnerstag 25. 10.  Rucu Pichincha



Doch schon am folgenden Morgen wurde es wieder ernst und der nächste Gipfel stand auf dem Programm.

Um 8.15 Uhr holte uns Cesar beim Hotel ab und um 9.00 Uhr stiegen wir an der Bergstation auf knapp 4000 m aus der Gondelbahn TelefériQo.

Der TelefériQo brachte uns direkt aus der Stadt auf  4000 m Höhe.

Von dort wanderten wir gemächlich Richtung Rucu Pichincha. Sobald es etwas steiler wurde, spürten wir diesmal durchaus die ungewohnte Höhe, aber indem wir konsequent langsamer gingen, sowie sich leichtes Kopfweh bemerkbar machte, konnten wir das Problem ganz gut in Schach halten.


Kleine Pause am Fuß des Rucu Pichincha - unser Bergführer Cesar Espinel

Technisch war der Aufstieg unwesentlich schwieriger als am Fuya Fuya, lediglich im oberen Drittel mussten wir ein paarmal die Hände benutzen und kurz unterhalb des Gipfels wurde der Pfad recht schottrig.

Der Gipfel des Rucu Pichincha hüllte sich den ganzen Tag in Wolken.

Gegen 11.30 Uhr hatten wir den 4696m hohen Gipfel erreicht, von wo wir aber leider keinerlei Sicht hatten, weder auf den etwas höheren Nachbargipfel Guagua Pichincha noch ins Tal.

Zum Glück gibt's ein Schild, das den Gipfel markiert.

So machten wir uns schon nach einer kurzen Rast an den Abstieg. Auch heute legte Cesar wieder ein irres Tempo vor, bei dem wir kaum mithalten konnten (außer ganz oben, wo wir im Schotter abfahren konnten), und so waren wir schon nach einer guten Stunde zurück am TelefériQo, der uns hinab nach Quito brachte.

Noch hat Cesar mich nicht ganz abgehängt...

Wir waren dann so früh wieder am Hotel, dass wir uns nach der obligatorischen Dusche in einem kleinen Restaurant an der Calle La Nina zum Mittagessen noch eine „Hamburguesa Urbana“ genehmigten, die sich als ziemlich großer, leckerer Hamburger entpuppte. Was das speziell urbane daran sein sollte – abgesehen vielleicht vom großstädtischen Preis – entging uns allerdings irgendwie …

Nach einer ausgiebigen Siesta machten wir uns ans Packen, denn am Tag darauf sollte es schon Richtung Illiniza Norte gehen. Vor unseren „richtig großen“ Bergen würden wir nicht noch einmal nach Quito zurückkommen, daher mussten wir unser Gepäck jetzt so auf unsere diversen Koffer und Taschen aufteilen, dass wir den ausschließlich für Galapagos benötigten Teil im Hotel deponieren konnten.

Abends steuerten wir dann noch einmal das „Spaghetti“ an, was aber eher ein Reinfall war. Entweder hatten wir einfach nur Pech oder es lag daran, dass wir diesmal ohne Ramiro unterwegs waren, jedenfalls war alles, was wir bestellten, eher bescheiden – und teuer! Na ja, satt sind wir auch wieder geworden und so stand einem Ohropax-behüteten Schlaf eigentlich nichts mehr im Weg. Meine Nacht wurde trotzdem eher unruhig – da die anspruchsvolleren Touren nun unmittelbar bevorstanden, wurde ich wohl langsam etwas nervös.


Freitag 26.10.  Zum Refugio am Illiniza Norte




An diesem Tag hatten wir keine Eile, da lediglich die 70 km Fahrt zum Fuß der Illinizas und am späten Nachmittag der Aufstieg zur Hütte auf dem Programm standen. Wir frühstückten daher erst nach acht, packten dann noch vollends zusammen und deponierten das Galapagos-Gepäck im Hotel. Mit unseren vollgepackten Rucksäcken – wie sollte da für Cotopaxi und Chimborazo noch mehr reinpassen? – und dem übrigen Gepäck standen wir ab 10.30 Uhr bereit, aber Cesar ließ diesmal auf sich warten.

Gegen 11 Uhr waren wir dann endlich unterwegs nach Süden auf der Panamericana, zunächst mit dem Ziel Machachi. Wenn man Quito in dieser Richtung verlässt, gibt es, anders als im Norden, die Möglichkeit, weite Teile der Stadt auf einer Umgehungsstraße zu umfahren. Daher hatten wir schon nach einer Stunde die Hacienda La Estacion in Aloasí, einem Teilort von Machachi, erreicht. Dort ließen wir den Großteil unseres Gepäcks zurück, alles was wir nicht für die Illiniza-Tour benötigten. Nach einem Rundgang durch den Ort und Markt von Machachi, fuhren wir mit Cesar ins „Café de la Vaca“, wo wir uns ein ganz hervorragendes Mittagessen gönnten, insbesondere das Fleisch war hier wirklich super.

Anschließend holperten wir auf einer unbeschreiblich schlechten Schotterpiste die letzten Kilometer zum Parkplatz „La Virgen“ auf 3900m. Von da ging’s zu Fuß, mit vollem Gepäck, sprich allem, was wir für die Hüttenübernachtung und die Bergtour brauchten, zum Refugio Nuevos Horizontes (4740m). Günter benutzte hier schon die schweren Spantiks, da er ansonsten nur seine Lowa-Halbschuhe dabei hatte, mit denen er ohne Probleme die ersten beiden Gipfel bewältigt hatte. Dagegen hatte ich mich noch einmal für meine normalen Wanderstiefel entschieden, die auch vollkommen ausreichten.


Hüttenzustieg mit Blick zum Illiniza Norte - von links geht es über den Grat, dann unter dem Vorgipfel durch die Wand und schließlich auf den Hauptgipfel rechts.

Obwohl vor allem Günter ziemlich bremste, um keine Kopfschmerzen zu bekommen, erreichten wir die Hütte schon nach 2 ½ Stunden. Beim Aufstieg pfiff uns ein heftiger, kalter Wind um die Ohren, weshalb ich schon bald Stirnband und Goretex-Jacke auspackte.

Im Refugio waren wir zum Glück die einzigen Gäste und sogar der Hüttenwirt verließ uns noch kurz vor Einbruch der Dunkelheit, um im Tal neue Vorräte für den bevorstehenden Wochenendansturm zu besorgen. Die Hütte war relativ klein und hatte lediglich Schlafplätze für vielleicht 20 Personen. Strom gab es hier keinen, also auch kein Licht, aber immerhin eine Toilette mit zunächst funktionierender Wasserspülung, die dann allerdings über Nacht einfror.

Abends beobachteten wir direkt vor der Hüttentür einen Andenfuchs, der hier offenbar nach Küchenabfällen suchte.

Abendlicher Überraschungsgast an der Hütte

Nach einem eher mageren Abendessen – Brot mit Schinken und Käse, dazu Tee, aber wir hatten es ja so gewollt, Cesar hätte uns auch bekocht – legten wir uns schon um 19 Uhr in unseren Schlafsäcken auf die alten Matratzen. Anfangs fand ich es noch recht kalt in der Hütte, aber nachdem sich draußen der Wind gelegt hatte und nicht mehr durch die Ritzen pfiff, wurde es angenehmer. Beide hatten wir leichte Kopfschmerzen, aber während für mich die Nacht relativ ruhig verlief und ich zumindest zeitweilig schlafen konnte, meinte Günter morgens, dass er praktisch durchgehend wach gelegen habe.


Samstag, 27.10.  Illiniza Norte


Morgens um 6 Uhr fing Cesar an zu rumoren und bald darauf krochen auch wir aus den Schlafsäcken und machten uns bereit für unseren ersten 5000er hier in Ecuador. Das Frühstück fiel mangels Appetit eher kurz aus und so machten wir uns bald auf den Weg.

Bestes Wetter am Morgen -
kurz nach dem Aufbruch von der Hütte

Bei herrlichem Sonnenschein, relativer Windstille und bester Aussicht auf die Vulkane Antisana, Cayambe, Cotopaxi und später auch Chimborazo war der Aufstieg – wieder extrem langsam, wofür ich diesmal wirklich dankbar war – kein Problem.

Antisana und Cotopaxi (rechts).Über den Rücken in der Bildmitte verläuft der Hüttenzustieg.

Auch die berüchtigte Querung „Desfilladero de los Muertes“ und der anschließende Kamin waren für uns keine größeren Herausforderungen, zumal praktisch nirgends Schnee lag. Ich konnte mir jedoch gut vorstellen, dass diese Passage bei anderen Bedingungen problematisch sein könnte. So aber standen wir nach ca. 2 Stunden schon am Gipfel auf 5126 m Höhe und genossen die tolle Rundumsicht.


Nach flottem Abstieg (im unteren Teil der Südflanke konnten wir ein gutes Stück im losen Sand und Geröll abrutschen) waren wir um 9.30 Uhr schon wieder an der Hütte, wo wir noch alles so vorfanden wie bei unserem Aufbruch.

Beim Abstieg zur Hütte - Blick zum Illiniza Sur, dem sehr viel anspruchsvolleren Nachbargipfel

Wir packten schnell unsere restlichen Sachen zusammen, verspeisten noch ein Brot mit Schinken und Käse und Cesar briet sich eine trucha (= Forelle – wie hatte sich die auf 4700 m verirrt??). Und dann raste er auch schon wieder zu Tal und wir stolperten hinterher. Jetzt kam auch so langsam wieder ein mindestens ebenso garstiger Wind auf wie schon tags zuvor, so dass ich bis ins Tal gerne Stirnband und Jacke anbehielt, zumal ich auch, seit wir abstiegen, wieder ein bisschen Kopfweh hatte.

An diesem Samstag kamen uns irrsinnig viele Wanderer entgegen, wobei die meisten wohl nur einen Tagesausflug zum Refugio vorhatten. Auch den Hüttenwirt samt voll beladenem Maultier trafen wir schon kurz unterhalb der Hütte. Ein Bergführer-Kollege von Cesar war mit einem jüngeren Paar im Schlepptau zu einer Tagestour auf den Illiniza Norte unterwegs.

Kurz vor dem Parkplatz, im Hintergrund beide Illinizas

Beim Auto angelangt rumpelten wir ins Tal und Cesar lieferte uns in der „Hacienda La Estacion“ ab, um alsbald Richtung Quito zu verschwinden.

Innenhof der Hacienda La Estacion

Die Hacienda war im Wesentlichen ein gut gehendes Restaurant mit ein paar angeschlossenen Zimmern, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatten. Da in Ecuador offenbar Samstag der Tag ist, an dem man zum Essen ausgeht, tobte bei unserem Eintreffen gerade der Mittagessens-Wahnsinn und eigentlich hatte niemand Zeit und Lust, sich mit uns zu befassen.

Als wir monierten, dass das Wasser in der Dusche nicht heiß werde, hieß es, man werde sich „später“ darum kümmern. Meine Stimmung war daraufhin völlig am Boden, nicht funktionierende Duschen gehör(t)en auf Reisen für mich zu den schlimmsten Dingen überhaupt, zumal nach schweißtreibenden Touren. Und diesmal kam noch erschwerend hinzu, dass zwei weitere ungemütliche Hüttennächte am Cotopaxi unmittelbar vor uns lagen. Günter hakte dann noch einmal nach und erwischte zu unserem Glück den Besitzer der Hacienda, der dafür sorgte, dass bald doch ausreichend warmes Wasser aus der Leitung rieselte.

Und allerspätestens nach dem reichhaltigen Abendessen (Empanadas con Queso, Sopa de Pollo, gebratene Fleischstücke mit Avocado und Tomate, Reis, irgendein zu Talern geformtes und angebratenes Püree – vielleicht Kochbanane? – und Zitronenkuchen zum Nachtisch) war ich mit dem Schicksal wieder halbwegs versöhnt – und versuchte, lieber nicht allzu intensiv daran zu denken, was uns bevorstand.

Feuerwerk über Machachi

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Ecuador 2012 - Straße der Vulkane II

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt



Nach Ecuador und erste Touren


Sonntag 21.10. 2012  München – Quito


Auch diesmal brachte uns unser Sohn Daniel wieder in aller Frühe zum Flughafen, damit wir unseren Amsterdam-Flug um zehn nach sieben erwischten. Allerdings waren wir heute wesentlich schwerer bepackt als bei unserer Kilimanjaro-Reise im Jahr zuvor. Zum einen wollten wir ja in Ecuador „ernsthafte“ Berge besteigen, so dass wir Pickel, Steigeisen, Klettergurte und -helme mitschleppen mussten, zum anderen ging es anschließend nach Galapagos, wofür wir unsere eigene Schnorchelausrüstung eingepackt hatten. So war es kein Wunder, dass wir mit zweien unserer insgesamt drei Gepäckstücke das 23-kg-Limit von KLM nur knapp unterschritten.

Den Flug nach Amsterdam hatten wir schnell hinter uns, doch die folgenden 11 Stunden im rappelvollen Flieger schienen dann kein Ende nehmen zu wollen.

Über den Wolken der Karibik

Als schließlich doch der Landeanflug auf Quito begann, erhaschten wir durchs Flugzeugfenster einen ersten Blick auf die Stadt, ein endloses Häusermeer in einem langgestreckten Hochtal auf 2800 m Höhe. Die umliegenden Berge, von denen wir den Rucu Pichincha mit seinen knapp 4700 m schon in wenigen Tagen besteigen wollten, waren bei unserer Ankunft leider in Wolken.

Nach eher zähen Einreiseformalitäten mussten wir noch sehr lange auf Günters große Reisetasche mit dem Großteil unserer Bergausrüstung warten, ehe wir uns endlich mit vollständigem Gepäck zum Ausgang begeben konnten. Hier stand Ramiro, der Chef des „Ecuadorian Alpine Institute“, das uns hier im Auftrag von „Henkalaya“ betreuen würde, schon persönlich bereit, um uns mit dem Auto zum Hotel zu bringen.

Unser Hotel, das Vieja Cuba, lag in der Neustadt von Quito und nicht weit von der Plaza Foch, die wegen der vielen Restaurants, Hotels und Reiseagenturen in der Umgebung ein beliebtes Touristenziel ist. Wir bezogen unser etwas verwinkeltes, aber ansonsten ganz hübsches Zimmer im ersten Stock, duschten erst mal ausgiebig und begaben uns anschließend auf die Suche nach Trinkwasser, was gar nicht so einfach war am späten Sonntagnachmittag. Fündig wurden wir skurrilerweise in einem Geschäft für Kinderbekleidung.

Gegen Abend und schon hundemüde schleppten wir uns dann noch in ein Restaurant – leider ins erstbeste, an dem wir vorbeikamen: Günter servierte man dort äußerst unappetitliche Nieren und Blutwurst (er wollte gleich eine Spezialität des Landes probieren…) und mein Rindfleisch war ziemlich zäh. Zum Glück bestätigte sich dieser erste schlechte Eindruck von der ecuadorianischen Küche im Lauf der Reise ganz und gar nicht. In der Regel schmeckte uns alles und es gab auch hier, wie in anderen südamerikanischen Ländern, allerbestes zartes Rindfleisch.

Unsere erste Nacht in Ecuador wurde leider nicht so erholsam, wie wir uns das nach der langen Anreise gewünscht hätten. Schon um drei Uhr früh waren wir wieder wach, was natürlich in erster Linie an den 7 Stunden Zeitverschiebung lag, aber zusätzlich stellte sich das Vieja Cuba auch als recht hellhörig heraus, so dass wir jede Bewegung der Gäste im Stockwerk über uns hautnah mitbekamen.


Montag 22.10.  Quito und Mitad del Mundo


Nach dem reichhaltigen Frühstück im Hotel (Granola = geröstetes Müsli mit Joghurt und Früchten, Rührei, Toast, Marmelade) fühlten wir uns trotz der unruhigen Nacht fit für unseren ersten Tag in Quito. Cesar, unser Guide für die nächsten zwei Wochen, holte uns vor dem Hotel ab. Wie sich herausstellte, sprach er ganz hervorragend deutsch und hatte sogar einige Zeit als Gaststudent in München verbracht.

An diesem Tag begleitete uns zusätzlich noch ein Fahrer, Andres. Bei der kurzen Stadtbesichtigung, die nun zunächst auf dem Programm stand, würden wir die Altstadt mit Cesar zu Fuß durchqueren und Andres uns am anderen Ende wieder aufsammeln.

Zuerst ging es zum Panecillo (=Brötchen, wegen der Form), einem Aussichtshügel mit gigantischer begehbarer Marienstatue aus Aluminium. Günters Vater war bei seinem Ecuador-Aufenthalt viele Jahre früher auf dem Fußweg von der Stadt dort hinauf überfallen und ausgeraubt worden. Als wir Cesar davon erzählten, meinte er, dass es dort immer noch genauso gefährlich sei. So waren wir ganz froh, dass wir mit dem Auto und ortskundigen Begleitern unterwegs waren.

Blick vom Panecillo auf die Altstadt von Quito

Anschließend brachte uns Andres in die Altstadt, wo wir zunächst einen riesigen, teilweise überdachten Markt besuchten, auf dem es Kleidung, Lebensmittel, Haushaltswaren und einfach alles gab.

Im Zentrum der Altstadt wollten wir mehrere Kirchen aus der Kolonialzeit besichtigen. Leider war die älteste Kirche Quitos, die Iglesia de San Francisco, an diesem Montag geschlossen.  Die Iglesia de la Compania de Jesús mit ihren prachtvollen Goldornamenten (aus dem Gold der Inkas) durften wir dagegen bestaunen.

Plaza San Francisco

In der Iglesia de la Compania de Jesús

Genau um 11 Uhr erreichten wir den Platz vor dem Präsidentenpalast, wo gerade die feierliche Wachablösung stattfand, bei der Präsident Rafael Correa persönlich vom Balkon winkte.



In der Kirche La Catedral besuchten wir das Mausoleum des Staatsgründers Sucre und entdeckten das Grab von Carlos Montufar, einem Weggefährten von Alexander von Humboldt. Zum Abschluss unserer Altstadtbesichtigung stiegen Günter und ich auf den Turm der Basilica del Voto Nacional, einer erst Mitte der 1980er-Jahre anlässlich eines Papstbesuchs errichteten und Notre Dame nachempfundenen Kirche, von wo wir einen schönen Blick über die Stadt genießen konnten.

Blick zurück zum Panecillo

Am frühen Nachmittag verließen wir Quito nach Norden, Richtung Mitad del Mundo (Mitte der Welt = Äquator) und statteten dem „Solarmuseum Inti Nan“ einen Besuch ab. Bei einer Führung wurde uns hier neben Schrumpfkopfherstellung und Indianerkultur auch allerhand Humbug rund um die Äquatorlinie (hier die mit GPS vermessene) geboten: z.B. das rohe Ei, das sich angeblich nur exakt auf dem Äquator auf der Spitze eines Nagels balancieren lässt, oder ein Wasserbecken, in dem sich das Wasser beim Abfließen durch die Corioliskraft nördlich und südlich des Äquators in entgegengesetzte Richtungen dreht – der Physiker an meiner Seite ließ sich davon freilich nicht beeindrucken. ;)

Die "Mitte der Welt" I ...

Beim einige hundert Meter entfernten Äquatormonument, das nach alten Berechnungen aus dem 18. Jahrhundert erbaut worden war, gönnten wir uns dann ein kleines Mittagessen (Empanadas!), spazierten einmal um den Obelisk, und anschließend ging es auch schon zurück zum Hotel.

... und II

Abends führte uns Ramiro ins Restaurant „Spaghetti“ aus, wo wir bei sehr gutem Essen noch ein paar organisatorische Fragen besprachen, z.B. zur Gepäckaufbewahrung während der Bergtouren und unseres Galapagos-Aufenthalts.

Danach waren wir beide völlig erledigt und legten uns gleich ins Bett, nur um uns doch wieder die halbe Nacht schlaflos herumzuwälzen – Jetlag eben.


Dienstag 23.10.  Otavalo und Cuicocha-Kratersee


Ab jetzt war Cesar für uns Guide und Fahrer in einer Person. Nach dem Frühstück starteten wir vom Hotel aus Richtung Otavalo, einem besonders für seine Märkte bekannten Indigena-Dorf (das Wort Indios hören die südamerikanischen Ureinwohner anscheinend nicht mehr gern) nördlich von Quito. Die Anfahrt zog sich ziemlich in die Länge, da es schon ewig dauerte, bis wir die Stadt hinter uns gelassen hatten. Und dann folgten endlose Baustellen, wo die Straße zum neuen Flughafen von Quito gebaut wurde.

Schließlich erreichten wir aber doch Otavalo, das sehr schön in einem fruchtbaren Tal liegt. Unser erster Weg führte uns zum Touristenmarkt, der an diesem Tag außer uns praktisch keine Besucher hatte. Zudem bot jeder Stand so ungefähr dieselben Waren an – bunte Taschen, Tücher, Hängematten, Hüte... 

Der Touristenmarkt von Otavalo

Händlerin auf dem Touristenmarkt

Von der netten etwa achtjährigen Tochter einer Händlerin ließ ich mich „überzeugen“, eine Tasche zu kaufen, dann zogen wir lieber weiter zu den Märkten für die einheimische Bevölkerung, die wir wesentlich interessanter fanden. Obst, Gemüse und Fleisch wurde hier in großer Vielfalt feilgeboten, aber die mit Cesar verabredeten drei Stunden Aufenthalt füllte auch der Besuch dort nicht aus.

Auch außerhalb der Marktplätze wird reger Handel getrieben.

Auf dem Fleischmarkt: Hendl en masse

Wir setzten uns schließlich auf die Dachterrasse eines Mexikanischen Restaurants, wo wir als einzige Gäste Burritos mit vielen roten Bohnen verspeisten und die Aussicht auf Otavalo und die Berge der Umgebung genossen. Kaum hatten wir aufgegessen, entlud sich ein Gewitter über dem Dorf, das sich schon seit längerem in den Bergen zusammengebraut hatte. Deshalb zogen wir vom Mexikaner nur in ein Café auf der gegenüberliegenden Seite des Touristenmarktes um, bis wir uns zur verabredeten Zeit wieder mit Cesar beim Auto trafen.

Der Regen ließ dann zum Glück bald wieder nach, obwohl wir zunächst bei der Anfahrt zum Cuicocha-Kratersee noch Bedenken hatten, ob die an diesem Nachmittag vorgesehene allererste Wanderung überhaupt möglich wäre. Gerade in dieser Gegend hatte es besonders heftig geschüttet und auf manchen Straßen schienen vor kurzem noch richtige Sturzbäche heruntergerauscht zu sein.

Doch wir blieben optimistisch und gingen im leichten Nieselregen los, der tatsächlich schon bald ganz aufhörte. Die Wanderung, wir umrundeten etwa die Hälfte des Sees bis zu einem Aussichtspunkt, war landschaftlich sehr schön und trotz der nicht unbeträchtlichen Höhe (bis fast 4000m) nicht weiter anstrengend, da wir von Anfang an von Cesar dazu angehalten wurden, sehr langsam zu gehen.

Am Aussichtspunkt über dem Cuicocha-Kratersee

Leider hatte ich unterwegs eine recht unerfreulich Begegnung mit dem Hund zweier Indigena-Frauen, die uns entgegen kamen. Nach dem Motto „den Letzten beißen die Hunde“ versuchte er mich im Vorbeigehen ins Bein zu zwicken, erwischte aber zum Glück nur meine Hose …

Im Anschluss an unsere Wanderung fuhren wir zurück nach Otavalo und von dort noch ein Stück weiter Richtung Fuya Fuya, unserem ersten Berg, den wir am nächsten Tag besteigen wollten.

Für unsere erste Übernachtung außerhalb von Quito waren wir in der Mojanda-Lodge in zwei riesigen Zimmern mit offenem Kamin untergebracht.

Beim mehrgängigen, vegetarischen (!) Abendessen zeigte sich, dass es sich um eine sehr spezielle Unterkunft handelte: die Chefin, eine Amerikanerin, die früher als Anwältin sehr erfolgreich gewesen war, hatte sich in einen Ecuadorianer verliebt und war ihm in seine Heimat gefolgt. Hier, etwas außerhalb von Otavalo, hatten sie gemeinsam diese Lodge eröffnet, in der es sehr familiär zuging: Alle, einschließlich der Chefin und einigen Mitarbeitern, versammelten sich zum Essen um einen Tisch und zu Anfang wurden alle einander vorgestellt.

Eigentlich eine gute Sache, da es so leichter fallen könnte, mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. In unserem Fall blieben die Tischgespräche aber doch eher mühsam, nicht zuletzt weil außer uns und einer Norwegerin nur noch ein französisches (und ausschließlich französisch sprechendes) Paar zu Gast war.

Nach dem Abendessen brannte ein Feuer in unserem offenen Kamin, was auch bitter nötig war, denn in der Unterkunft war es ziemlich frisch. Dafür war es herrlich ruhig und zum ersten Mal in Ecuador schliefen wir richtig gut.

Blick ins Reiseprogramm vor dem wärmenden Kaminfeuer - was steht uns morgen bevor?