Sonntag, 16. Dezember 2018

Ladakh 2018 - Teil III: Spangnak Ri und Mentok Pyramide

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Spangnak Ri


Nach dem Shara Peak hatten wir bereits Halbzeit und der geplante Standortwechsel stand an. Daher stiegen wir am Morgen des 13.9. bei schönstem Sonnenschein fast 1000 Hm zum Dorf Phugtse ab, wo uns am Ortsrand ein ziemlich geräumiger Kleinbus erwartete. 

Abstieg nach Phugtse vor tollem Panorama
 (unter anderen der Kang Yatse II, ein häufig bestiegener 6000er).

Mit Steinschleuder und Strickzeug -
eine Schäferin kommt vom Tal herauf.

Am Ortsrand von Phugtse.

Hier verabschiedeten wir uns von unserem ersten Pferdemann, der plante, nach Leh weiterzuziehen. Allerdings erfuhr er wohl im Dorf, dass sein entlaufenes Pferd in Shashukul, also am Ausgangspunkt des Trekkings aufgetaucht war. So wird er wahrscheinlich dorthin zurückgekehrt sein.

Die Pferde kommen - zum letzten Mal in dieser Besetzung.

Mit dem Rest der Mannschaft ging es dann, nachdem alles im Bus verstaut war, zuerst hinab ins Industal. Hier wandten wir uns nach links und folgten dem eindrucksvollen Strom, der an mehreren Stellen durch Geröllmassen aus Seitentälern aufgestaut war. – Und was für Geröll! Teilweise waren es hausgroße Brocken, die sich von den Bergen herabgewälzt hatten. 

Busfahren

Die Landschaft war einerseits sehr eintönig, da es von wenigen grünen Oasen am Fluss abgesehen ausschließlich durch kahles Felsgebirge ging, andererseits aber auch wieder sehr abwechslungsreich durch die Vielzahl an unterschiedlich strukturierten und gefärbten Gesteinen.

Am Indus.

Während die Straße anfangs noch frisch ausgebaut war, stießen wir schon bald auf die ersten Baustellen und schließlich ging sie wieder ganz in Schotterpiste über. Alle paar Kilometer saßen ein paar Menschen am Wegesrand, die auf recht vorsintflutliche Weise mit Vorarbeiten für den eigentlichen Straßenbau beschäftigt waren. Den armseligen Zeltunterkünften nach zu urteilen hausten zumindest manche von ihnen auch unmittelbar neben der Baustelle.

Gegen 12 Uhr waren wir in Phugtse losgefahren und schon anderthalb Stunden später legten wir in einer kleinen Ortschaft eine Pause ein, wo praktisch jedes Haus an der Straße eine Kombination aus Restaurant und Kiosk zu sein schien. Offenbar war das Essensangebot aber so beschränkt, dass uns schließlich von Stanzin, dem Mädchen für alles, Dawas vorsorglich gekochter Lunch kredenzt wurde. Zu Nudeln mit Möhren- und Grüne-Paprika-Gemüse gönnten wir uns nach einer Woche bei Wasser und Tee mal wieder eine Cola. Dass wir unser Mitgebrachtes im Garten eines der Restaurants verzehrten, schien niemanden zu stören.

Danach ging’s weiter endlos am Indus entlang und hatten wir anfangs noch die von Jimmy prognostizierten 5 Stunden Fahrzeit für etwas übertrieben gehalten, wurde uns allmählich klar, dass er damit höchstens untertrieben hatte. Am späteren Nachmittag stoppten wir noch einmal in einem Dorf für „Milktea“, außerdem wollte Dawa wohl noch irgendwas besorgen. Nach einem schnellen Besuch der „Local Toilet“, einem recht unerfreulichen Erlebnis, brachen wir dann zur letzten Etappe der Fahrt auf.

Schon bald kamen wir bei einer Brücke an einen Kontrollposten der Militärpolizei, wo Jimmy und der Fahrer mal wieder die üblichen Papiere und unsere Pässe vorlegen mussten. Anschließend überquerten wir die Brücke und verließen damit das Industal in Richtung Tsomoriri.

Nach dem Abzweig schlängelte sich die schmale, nur teilweise asphaltierte Straße durch eine Schlucht mit Bach und dann über kahle Hügel bis schließlich wieder schneebedeckte Berge in Sicht kamen und wir an dem kleinen Salzsee Kiagar Tso vorbei fast bis zum Tsomoriri rollten. 

Kiagar Tso

Inzwischen war es so spät, dass in dem tief eingeschnittenen Tal, wo sich eigentlich der Platz für unser Camp befand, schon Schatten herrschte. Zudem blies ein heftiger Wind – nicht so kalt wie ich ihn aus Chile in Erinnerung hatte, aber unangenehm genug. Und noch aus einem anderen Grund votierten wir dafür, lieber an einem Platz zu campen, den wir einige Minuten zuvor passiert hatten: Unsere Trekkingroute zweigte genau dort von der Straße ab, hätten wir unsere Zelte dagegen an der zunächst geplanten Stelle aufgeschlagen, hätten wir anderntags ein ganzes Stück an der Straße zurücklaufen müssen. Am Ende war unsere Crew einverstanden und tatsächlich beschien die Sonne unseren Alternativstandort noch gerade so lange, bis alle Zelte standen.

Ein Stück vom Tsomoriri und unser Lagerplatz an der Haarnadelkurve.

Kurz nach Sonnenuntergang traf dann auch der neue Horseman mit seinen Tieren hier ein. Offenbar war er am selben Tag erst mit einer Trekkinggruppe am Tsomoriri angekommen und würde jetzt direkt wieder mit uns in die nächste Runde starten.

Mars, der große Wagen und Milliarden andere Sterne.

Anderntags stand dann die erste Trekkingetappe in neuer Umgebung und Besetzung an. Von unserem Camp auf 4700 m folgten wir dabei die ganze Zeit demselben Bachlauf aufwärts. 

Der Schneegipfel des Spangnak Ri lugt
etwas rechts oberhalb des Küchenzelts hervor.

Schon gleich am Anfang verengte sich das Tal an einer Stelle zur Schlucht und Jimmy meinte, wir sollten hier durch den eisigen Bach waten oder über die in unseren Augen entsetzlich weit auseinander liegenden Steine springen. Den Bach müssten wir früher oder später sowieso überqueren und das jenseitige Ufer sei nicht ganz so steil. Letztlich entschieden wir uns aber doch, lieber über den steilen, brüchigen Hang auf unserer Bachseite zu kraxeln, was wie befürchtet auch nicht ganz ohne war. 

Lieber kraxeln als waten ...

Den Bach querten wir dann später trockenen Fußes und ohne größere Probleme, wenn ich auch dankbar Jimmys Angebot annahm, mir dabei den Rucksack abzunehmen. Anschließend ging es immer links des Bachs hügelauf und hügelab, wobei uns wieder mal permanent ein lästiger Wind um die Ohren pfiff.

Nach unzähligen Hügeln fast am Tagesziel -
der tanzende Staub lässt ahnen, dass es eher zugig ist.

An diesem Tag gab es tatsächlich einmal den Lunch in etwa in der Form, wie es sich unsere Crew wohl immer so vorstellte: Wir lagerten in einer einigermaßen windgeschützten Senke an einem Bächlein, und verspeisten gemeinsam mit Jimmy das von Dawa morgens vorbereitete Essen schon fast stilvoll mit Tischtuch und Besteck.

Die Pferdekarawane hatte uns bereits nach höchstens dem ersten Drittel der Strecke überholt, so war schon fast alles aufgebaut bis wir das Ziel erreichten, eine bilderbuchschöne, weite Ebene, die auf 5100 m inmitten von Bergen lag.

Unser stürmisches Base Camp.

Auch dies war wieder nicht das „echte“ Base Camp für den Spangnak Ri, eigentlich hätten wir noch ein Stück am Berg aufsteigen sollen. Da der Horseman aber behauptete, neulich hätte es dort oben kein Wasser gegeben, wollte Jimmy erst alleine auskundschaften, ob das so stimmte. Sollte es sich tatsächlich bewahrheiten, wäre dies für unsere Gipfelpläne ziemlich vernichtend, da wir beide nicht glaubten, dass wir 1300 Hm Aufstieg in dieser Höhe schaffen konnten.

Den restlichen Nachmittag verbrachten wir noch überwiegend im Zelt, denn so idyllisch unser Lagerplatz bei Sonnenschein auch wirkte mit dem lauschigen Bach und den sechs Pferden, die rund um unsere Zelte grasten, gab es doch einen gewaltigen Schönheitsfehler: auf der Ebene waren wir ungeschützt dem heftigen, garstig kalten Wind ausgesetzt.

Den Pferden wurden nach getaner Arbeit je zwei Beine
zusammengebunden, was sie nicht daran hinderte,
überraschend schnell am Horizont zu entschwinden.

Im Lauf des Nachmittags kristallisierte sich auch heraus, dass wir voraussichtlich wirklich für zwei weitere Nächte an diesem Platz bleiben würden. Nachdem ein Schäfer mit seiner Herde vorbeigezogen war und die Aussage unseres Pferdemanns bestätigt hatte, schenkte sich Jimmy sogar die Erkundungstour zum eigentlichen Basislager. – Abgesehen davon war es aber auch nur allzu offensichtlich, dass niemand große Lust hatte, das Lager anderntags schon wieder zu verlegen und noch dazu in recht ungemütliche Höhen. So blieb uns nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass uns wider Erwarten doch von hier unten der Gipfel gelingen würde.

Nachts war es dann erst klar und sehr kalt, obwohl sich der Wind mit der Zeit legte. Zum ersten Mal bildete sich Eis in einer unserer Wasserflaschen und auch der Bach fror teilweise zu.

Der Morgen begann wolkig und windstill, doch später schien zunehmend die Sonne und zugleich frischte der Wind wieder auf. 

Am späteren Vormittag starteten wir zu einer Akklimatisierungstour, auch um schon mal den Weg für den nächtlichen Gipfelaufstieg am folgenden Tag auszukundschaften.

Unser Camp von der ersten Geländestufe am Spangnak Ri.

Jimmy und Günter gingen den Aufstieg in ziemlich flottem Tempo an, und da es anfangs praktisch in der Direttissima den Hang hinter dem Camp hoch ging, hatten sie mich ziemlich schnell komplett abgehängt. Irgendwann war es mir dann zu blöd, keuchend hinter den beiden her zu hetzen, und ich blieb erst mal stehen zum Atemholen und Nerven beruhigen. Daraufhin wartete Günter ein Stück weiter oben am Hang auf mich und wir gingen etwas langsamer hinter Jimmy her, der bald auch auf uns wartete. Nachdem ich klar gemacht hatte, dass mir dieses Tempo einfach zu schnell war und ich, wenn wir am nächsten Morgen auch so flott loslaufen sollten, gleich im Zelt bleiben würde, ging es in etwas gemäßigterem Tempo weiter.

Schließlich erreichten wir eine Hochebene, wo Günter mittels GPS unsere Höhe auf 5440 m bestimmte, und wir beschlossen, dass es für heute genug war.

Für den Rückweg zum Camp schlugen wir einen weiten Bogen über die Ebene und dabei ergab sich eine überraschende Erkenntnis: Es hätte weiter oben doch Wasser gegeben! Wir kamen erst an ein paar oberflächlich zugefrorenen Rinnsalen vorbei, unter denen Wasser sprudelte, und schließlich stießen wir sogar auf einen richtigen Bach, der jede Menge davon führte. Wir legten dort eine längere Rast ein, während Jimmy am Bach entlang aufstieg, um nachzusehen, ob man weiter oben unser Camp hätte aufschlagen können. – Man hätte! Wäre er mal tags zuvor nicht zu bequem und/oder gutgläubig gewesen … Letzten Endes ärgerte er selbst sich aber wohl am meisten über seinen Fehler. Wir hatten mit dem Thema bereits mehr oder weniger abgeschlossen und zu ändern war es nun auch nicht mehr.

Karge Flora: Thylacospermum caespitosum - ähnelt optisch sehr der
in Chile heimischen Yareta (Azorella compacta) und wird genau wie
diese gerne als Brennholz verwendet.

Zum Mittagessen waren wir wieder zurück bei den Zelten und dann gab es den restlichen Tag – abgesehen von Rucksack packen – nicht mehr viel zu tun. Eigentlich hatte ich so halb geplant, mir mal die Haare zu waschen (Dawa hätte mir bestimmt warmes Wasser dafür zur Verfügung gestellt), aber bei dem Wind hielt sich die Lust in Grenzen, wenn es auch schon längst bitter nötig gewesen wäre …

Eine der wenigen Wildtierarten, die wir in Ladakh zu Gesicht bekamen:
die Pikas (Pfeifhasen) waren dafür umso zahlreicher vertreten.


Und dann war der erste 6000er in Ladakh tatsächlich geschafft! Den Gipfel des Spangnak Ri auf 6350 m zieren jetzt unsere Gebetsfahnen, die Günter im Museumsladen des Klosters Hemis extra zu diesem Zweck erstanden hatte.

Um 3.30 Uhr war am Morgen des 16.9. schon der Weckruf und etwa zwanzig nach vier marschierten wir los. In der absolut sternklaren Nacht hatte unser Außenzelt zum ersten Mal so richtig Eis angesetzt und entsprechend warm packten wir uns ein. Allerdings verzichteten wir auch diesmal wieder auf die extra dicken Daunensachen, was sich als richtige Entscheidung erwies.

So trotteten wir gemächlich unter dem funkelnden Sternenhimmel dahin, der sich nach etwa einer Stunde im Osten allmählich zu lichten begann. Zwar war ich wieder stets die Letzte im Glied, aber unser Tempo war sehr angenehm und anfangs kam ich noch kein bisschen außer Atem. Bei Sonnenaufgang hatten wir schon längst die Hochebene hinter uns gelassen, die tags zuvor unser Umkehrpunkt gewesen war, und spätestens jetzt war auch die erste Pause fällig. Trinken, Essen, Eincremen und schon bald ging’s weiter, da es nach wie vor recht frisch war. Mit der Sonne kam pünktlich auch wieder der Wind auf, zunächst zwar noch sehr mäßig, doch Sonnenwärme und „Windchill“  hielten sich nahezu die Waage.

Erstes Morgenlicht auf den Gipfeln der Mentok Range.

Weiter und weiter stolperten wir bergauf über scharfkantige Schiefergesteinsbrocken unterschiedlichster Größe und irgendwann, nachdem wir schon ungezählte Stufen überwunden hatten, erreichten wir den Fuß des himmelhohen Gipfelhangs. Hier gab es mal wieder eine ausführlichere Rast, bei der Jimmy verkündete, dass wir schon auf 5900 m waren, also in den 4 Stunden seit unserem Aufbruch schon 800 Hm geschafft hatten, was für diese Ausgangshöhe ganz schön gut war!

Natürlich baute uns das gewaltig auf und so nahmen wir mit neuer Kraft den steilen Gipfelhang in Angriff. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte ich das Gefühl, dass wir es wirklich schaffen könnten. Was auch noch zu diesem Optimismus beitrug, war das unerwartet schon nahezu perfekte Wetter: über uns wölbte sich ein strahlend blauer Himmel, den nur vereinzelte weiße Wölkchen zierten.

Schotterwanderung vor genialer Kulisse.

So kämpften wir uns über den steilen, grobschottrigen Hang empor, an dem manche Steinplatte noch mit Reif überzogen und entsprechend rutschig war. Hier gelang es mir immer seltener, einen angenehmen Gehrhythmus zu finden, dafür war es einfach zu steil und die Wegführung zu unklar. Jimmy stieg weit vor uns gefühlt in der Direttissima auf, Günter suchte nach Möglichkeit einen Zickzackkurs über irgendwelche Bänder, war aber ebenfalls meist so weit über mir, dass ich mich nur bedingt an ihm orientieren konnte. - Immerhin warteten die beiden aber in halbwegs regelmäßigen Abständen, so dass ich wieder aufschließen konnte.

Doch irgendwann hatte auch diese Quälerei wieder ein Ende, der Hang legte sich zurück und der Vorgipfel erhob sich unmittelbar vor uns. Nach einer letzten Rast machten wir uns an diesem vorbei auf den Weg zum wenige Meter höheren Hauptgipfel. Dabei galt es einen kleinen Gletscher zu queren, den Jimmy, ohne sich noch einmal mit uns zu besprechen, einfach so, ohne Steigeisen in Angriff nahm. Anfangs war das auch für uns noch kein Problem, da es eine weiche Schneeauflage gab und es halbwegs eben dahin ging. Irgendwann wurde der Schnee dann aber härter und der Hang steiler, so dass Günter sich entschloss, seine Steigeisen doch noch anzulegen. – Da stand ich nun ganz schön blöd auf dem Gletscher, da ich die meinen am Beginn des Gipfelhangs Jimmy gegeben hatte, der angeboten hatte, uns Gepäck abzunehmen. Aber gerade als ich anfangen wollte, mich über diese saudumme Situation zu ärgern, kam er auch schon angelaufen – selbst immer noch „ohne“, was er auch bis zum Schluss beibehielt …

Auf dem "Gletscher" - noch ist es flach ...

Mit den Steigeisen waren es dann nur noch ein paar Minuten bis zum Gipfel, vorbei an einem weiteren Vorgipfel, auf dessen Höhe wir schlagartig aus dem Windschatten kamen und in einen so heftigen und eiskalten Sturm, dass ich kurzfristig befürchtete, mir die Nase zu erfrieren. Dank Buff und bis oben zugezogenem Reißverschluss der Goretexjacke ließ sich dies aber gerade nochmal verhindern ;)

Und dann, genau um 11 Uhr, nach knapp 7 Stunden, standen wir endlich am Gipfel – oder besser: wir versuchten, uns dort auf den Beinen zu halten. 

Spangnak Ri - 6350 m

Auch das Anbringen der Gebetsfahnen wurde zu einem echten Kampf. Jimmy suchte erst ein paar passende Steine, die er auf zwei Felsblöcken in der richtigen Entfernung zueinander aufschichtete. Auf der einen Seite schaffte er es tatsächlich, die Fähnchen mit einem Doppelknoten (mit bloßen Händen natürlich …) anzubinden. Auf der anderen Seite musste Günter dasselbe mit seinem Ende bewerkstelligen – Hut ab, das wäre mir zu kalt gewesen!

Bei der letzten Rast hatte Jimmy versucht, uns einen Spruch beizubringen, den man beim Anbringen von Gebetsfahnen an einem Gipfel üblicherweise in Ladakh sagt (zugleich ein Gebet und ein „Wir haben’s geschafft!“), aber so richtig klappte das dann nicht, da ich ihn bei dem Getöse, das der Wind veranstaltete, von Anfang an nicht recht verstanden und Günter das Ende nicht behalten hatte. (Später fand ich doch noch heraus, wie es heißen sollte: Ki ki so so lha gyal lo – Laut der „Chinese Buddhist Encyclopedia“ ein tibetisches Gebet, das an einer Passhöhe gesprochen wird und „Sieg den Göttern“ bedeutet. Gute und böse Götter kämpfen am Pass gegeneinander, die Gebetsfahnen sind Gaben an die guten Götter.)

Kiki soso lhagyalo!

So beglückwünschten wir uns eben auf „westliche“ Art (High Five) für das erreichte Ziel. Günter schoss natürlich noch jede Menge Fotos und ich versuchte trotz Sturm wenigstens ein bisschen die überwältigende Aussicht zu genießen. Außer unzähligen Schneegipfeln – unter ihnen die Mentok-Pyramide, unser finales Gipfelziel – war auch ein Teil des Tsomoriri zu sehen, sowie der Kiagar Tso, der kleine Salzsee, an dem wir auf der Anfahrt vorbeigekommen waren.

Am besten genießt sich's im Sitzen,
so bietet man dem Wind nicht zu viel Angriffsfläche ;)

Nur allzu bald trieb uns der hässliche Wind aber wieder vom Gipfel gen Tal. Auch diesmal erforderte der Abstieg viel Konzentration und entwickelte sich zu einem zunehmend angestrengten Gestolper und Geschlitter, unterbrochen von lediglich zwei kurzen Pausen. Gegen Ende nervten dabei meine Stiefel wieder gewaltig bzw. die in die Schuhspitzen gerutschten Socken, die an den Zehen rieben, aber zum Glück keine echten Blasen verursachten.

Noch hoch oben am Beginn des Abstiegs ...

... das nächste Ziel fest im Blick: die Mentok Pyramide I
ist die mittlere der 3 Bergspitzen rechts am oberen Bildrand.

Um 14.30 Uhr, also ziemlich genau 10 Stunden nach dem Aufbruch, waren wir dann wieder im Camp und wurden gleich mit Tee mit Zitrone und Gemüsereis mit Paneer begrüßt.

Nach dem Shara Peak hatten wir Jimmy und Dawa erklärt, dass wir es für wenig sinnvoll hielten, wenn Jimmy ein warmes Mittagessen (im Henkelmann) für uns auf den Berg trug, da es eher unwahrscheinlich war, dass wir dort oben irgendwo längere Zeit gemütlich sitzen und essen konnten oder wollten. Lieber sollte er Kekse, Schokoriegel oder Ähnliches (so vorhanden) für uns mitnehmen, zumal unsere eigenen Vorräte diesmal wirklich knapp bemessen waren.

Der Rest des Tages verging wohltuend ereignislos. Da draußen weiterhin der Sturmwind blies, hielten wir uns hauptsächlich im Zelt auf und ruhten, lasen oder schrieben Tagebuch. Zum Abendessen, das zur Feier des Tages besonders reichhaltig ausfiel, gab es neben Suppe, Spaghetti mit Tomatensoße und Blumenkohl in sehr wohlschmeckender Käsesoße ein traditionell ladakhisches Gericht: eine sämige Gemüsebrühe, die als Einlage Gemüse, Kartoffeln sowie kleine Mehlklößchen enthielt – einfach, bodenständig, aber ok.

Anschließend lasen wir wie üblich noch ein bisschen und dann war ich zumindest sofort weg, obwohl wie üblich im Küchenzelt noch „Party“ war.

Da ich es fast jeden Tag erwähnt habe, sollte ich wohl die Sache mit den „Partys“ im Küchenzelt noch etwas erläutern: Trotz aller Versuche unsererseits, sie dazu einzuladen, weigerte sich unsere Crew während des gesamten Trekkings standhaft, mit uns gemeinsam zu essen. So saßen während unserer Mahlzeiten bis zu vier Personen um uns herum und warteten bis wir endlich fertig waren, damit sie selbst essen und zum gemütlichen Teil des Abends übergehen konnten. Auch die Unterhaltungen, sowohl untereinander als auch – sowieso – mit uns, fielen in unserer Anwesenheit eher verhalten und schleppend aus. Sobald wir weg waren, drehten die vier dann umso mehr auf. Das Problem dabei war in meinen Augen weniger der Lärmpegel, zumal das ganze nie länger als eine oder allerhöchstens zwei Stunden dauerte und die Nachtruhe in der Regel auch dann noch lange genug war, sondern viel mehr dass wir kein Wort davon verstanden, worüber sie sich amüsierten. Durch die fehlende gemeinsame Sprache konnten wir, vielleicht mit Ausnahme von Jimmy, auch nicht recht einschätzen, wie die Männer tickten, die uns hier begleiteten, was bei mir unwillkürlich zu allerhand Spekulationen führte.

Mehr und mehr kamen wir zu dem Schluss, dass wir künftig lieber wieder in einer größeren Gruppe unterwegs sein wollten, so es denn die Art der Reise erforderte, auf eine Begleitmannschaft zurückzugreifen. So nett es einerseits war, im warmen Küchenzelt zu sitzen und dem Koch bei seiner Arbeit zuzusehen, so sehr fehlten uns andererseits ungezwungene Tischgespräche und beim Essen ganz einfach unbeobachtet zu sein.

Und abgesehen davon erschrak ich auch immer mal wieder darüber, dass diese Leute alle nur deshalb Kälte, Wind und sonstigen Widrigkeiten ausgesetzt waren, weil wir beide uns in den Kopf gesetzt hatten, hier Bergsteigen zu gehen. Natürlich konnte man es auch von der anderen Seite betrachten: ohne uns hätten sie vielleicht gerade keinen Job. Insbesondere auf der einzigen wirklich schwierigen Trekkingetappe über den Shara La, kam aber doch gelegentlich der Gedanke hoch, dass wir einen Großteil der Verantwortung dafür trugen, falls Mensch oder Tier dort etwas zustoßen sollte.


Mentok Pyramide


Am Tag nach unserem Gipfelerfolg stand dann wieder eine Trekkingetappe an, allerdings stellte sich mit der Zeit heraus, dass sie uns in gemütlichen 1,5 Stunden gerade mal bis zum anderen Ende der Ebene bringen sollte, auf der wir schon die letzten drei Nächte verbracht hatten. So gesehen lohnte sich der Aufwand, das ganze Lager abzureißen und anschließend neu aufzubauen nur bedingt. Natürlich verkürzte sich auf diese Art aber die nächste Tagesetappe und wir blieben in Bewegung und hatten was zu tun.

Morgens hatten wir zum ersten Mal auch an der Zeltinnenwand etwas Raureif gehabt und draußen waren sämtliche Altarme des Bachs und sonstigen Wasserlöcher zugefroren. Da wir relativ spät geweckt wurden (8 Uhr) und die Sonne schien, dachte sich das Küchenteam wohl, wir würden gerne draußen frühstücken, was dann aber doch eine recht frostige Angelegenheit wurde. Außerdem war zu dem Zeitpunkt das komplette restliche Lager schon in Auflösung begriffen, so hielten wir uns nicht lange auf und machten uns ebenfalls bald ans Packen.


Die weite Ebene, unsere Packpferde und der Spangnak Ri.

Auf dem eher eintönigen Marsch über die Ebene, bei dem wir als einzige Abwechslung noch einmal an einem Hirtenlager vorbei kamen, löcherte ich Jimmy ein wenig in Bezug auf seine Familienverhältnisse. Auf diese Art erfuhr ich, dass es außer dem jüngeren Bruder, den er bereits mehrfach erwähnt hatte, noch eine ältere Schwester gab, die schon verheiratet war. Dies gab mir den Anlass, mich danach zu erkundigen, wie Ehen heutzutage in Ladakh zustande kommen, ob sie in der Regel arrangiert werden oder sich die Paare auf anderem Weg finden. Jimmy meinte dann, dass das wie vieles andere gerade im Umbruch sei. Früher sei die von den Eltern arrangierte Ehe der Normalfall gewesen, doch inzwischen gebe es auch immer öfter „Love Marriages“.

Jimmy erzählt von seiner Familie und dem Leben in Ladakh.

Nachmittags kündigte vielstimmiges Gebimmel eine größere, schwer bepackte Pferdekarawane an, in deren Gefolge mindestens 10 Trekker über die Ebene marschiert kamen. Die Gruppe, die deutlich vernehmbar aus Franzosen bestand, ließ sich dann unmittelbar neben uns nieder, was Günter und mich schon zu den übelsten Befürchtungen veranlasste. Im Lauf des Abends und der Nacht stellten sich diese dann aber zum Glück als völlig unbegründet heraus. Sowohl die Anordnung der Zelte war auf größtmögliche Distanz zu unserem Camp ausgelegt, als auch die Wahl des Standorts für die Pferde, die sich alle um das Zelt ihres Chefs scharten. Ganz abgesehen davon waren die Wanderer auch offenkundig müde genug von ihrem Trekkingtag und verschwanden recht früh in ihren Zelten.

Noch steht unser Zelt einsam in der Landschaft.

Ein Yak trabt vorbei.

Von oben.

Dawa genießt den geruhsamen Nachmittag in der Sonne.

So stand einer halbwegs ruhigen, wenn auch recht frischen Nacht nichts mehr im Weg. Trotzdem lag ich diesmal eine ganze Zeit wach und quälte mich mit meiner wie üblich verstopften Nase und sonstigen Zipperlein herum.

Anderntags würde es dann in weit ungemütlichere Gefilde gehen, denn das Basislager für die Mentok Pyramide bedeutete mit 5480 m für uns die höchste Übernachtungshöhe auf dem gesamten Trek – wie wir das wohl vertragen würden? Bis dahin hatten wir beide in Ladakh recht wenig Höhenanpassungsprobleme gehabt, Kopfweh eigentlich nur am allerersten Trekkingtag abends und in der Nacht und später gelegentlich bei größeren Anstrengungen einen Anflug davon. Letzteres ließ sich aber durch Trinken, langsamer Gehen und Ruhen jedes Mal schnell wieder kurieren.

Am nächsten Morgen lachte dann die Sonne wieder von einem nahezu wolkenlosen, blauen Himmel. Gegen 7.30 Uhr kam sie über die Berge, um 8 Uhr wurden wir wie vereinbart geweckt. Bis dahin war dann auch wenigstens auf der Sonnenseite das Zelt abgetaut und schon fast getrocknet. 

Die französische Trekkinggruppe, die vermutlich zum Tsomoriri wollte, war schon deutlich vor uns aufgestanden und nun schon auf und davon. Bis ihre Pferde allerdings so weit waren, dass sie aufbrechen konnten, waren sowohl wir als auch unser Tross schon unterwegs. Während des Packens beobachteten wir zwei große Hunde, die um das Gepäck der Franzosen herumstrichen und entweder dazu ansetzten oder tatsächlich das eine oder andere Gepäckstück „markierten“, ehe sie mit Steinwürfen vertrieben wurden …

Es folgte eine recht angenehme Trekkingetappe, die fast die ganze Zeit an einem Bach entlang und nie sonderlich steil bergauf führte. Die Landschaft war überwältigend schön mit all den Schneebergen um uns herum – und erinnerte mal wieder extrem an Chile. Allerdings waren hier überall viel mehr Weidetiere (Yaks, Schafe, Pashmina-Ziegen) unterwegs und hinterließen ihre Spuren, so war das Gras überall ganz kurz gefressen oder gar komplett abgeweidet.


Anfangs fühlte ich mich beim Gehen ziemlich kurzatmig und hatte schon Sorge, dass etwas Ernsthafteres nicht mit mir stimmte. Vermutlich war ich aber nur mal wieder zu schnell losgegangen, und nachdem wir eine erst Trinkpause eingelegt hatten, ging’s dann auch gleich besser. Schon recht bald überholten uns unsere Pferde und einige Zeit später die der Franzosen. Deren Pferdetreiber machten es sich leichter als die unseren: sie ritten hinter den Packpferden her.


Zunächst folgten auch wir der Route zum Tsomoriri, kurz vor einem Pass zweigten wir dann aber rechts ab und folgten weiter dem Bachlauf. Bald darauf erreichten wir unser Base Camp, das unsere Mannschaft quasi direkt im Bachbett auf ziemlich steinigem Untergrund errichtete. Die Zeltleinen und –heringe wurden beim Aufbau gleich mit dicken Felsbrocken beschwert – man konnte ja nie wissen, ob nicht wieder Sturm aufkommen würde.

Base Camp im Bachbett.

Nun stand also mit der 6250 m hohen Mentok Pyramide I das Finale unseres 6000er-„Projekts“ unmittelbar bevor. Diesmal würden wir wohl nicht nur die Steigeisen sondern auch Klettergurt und Karabiner einpacken müssen, da die Route längere Zeit über einen Gletscher führen und teils doch recht steil sein sollte. Jimmy meinte trotzdem, dass es ein einfacher Berg sei – das blieb abzuwarten … Für Hin- und Rückweg rechnete er mit 8-9 Stunden, also mindestens eine Stunde weniger als beim letzten Berg, wohl weil hier „nur“ 800 Hm überwunden werden mussten. Allerdings erwartete uns dieses Mal wieder ein länglicher Anmarsch bis wir überhaupt den Fuß des Bergs erreichen würden. Beim Mittagessen verabredeten wir schon mal, dass morgens „erst“ um 4.30 Uhr geweckt werden sollte, Abmarsch würde folglich gegen 5.30 Uhr sein.

Den Nachmittag verbrachten wir praktisch vollständig im Zelt, da das Wetter durchwachsen blieb und es draußen doch immer gleich recht frisch wurde, wenn mal wieder eine Wolke kam. Die Rucksäcke für den folgenden Tag mussten natürlich noch gepackt werden, aber auch das war ja inzwischen schon fast Routine.

Kampf der Weberknechte -
von diesen Krabbeltieren wimmelte es hier nur so.

Die Nacht war ruhig und kalt, höhentechnische Probleme hatten wir zum Glück keine. Viel zu schnell begann es dann schon wieder im Küchenzelt zu rumoren und bald darauf stand auch der Weckdienst auf der Matte. Anziehen, Frühstücken, Toilette – und schon waren wir unterwegs. Zunächst ging es noch ein Stück am Bach entlang, ehe der sich in der Ebene verlor - irgendwo da musste seine Quelle sein. Wir waren zwar noch mit Stirnlampen losgegangen, aber lange brauchten wir sie diesmal nicht, denn schon bald dämmerte der Morgen.

Mir fiel das Gehen am Anfang wieder extrem schwer, obwohl weder Steigung noch Geländebeschaffenheit zunächst eine Herausforderung waren, im Gegenteil: es ging meist mit wenig Steigung über einen Untergrund, den man auf den ersten Blick kaum als natürlich betrachten würde. Viele kleinere und größere Schieferplättchen in teils schon nahezu geometrischer Anordnung bedeckten hier weite Flächen. Abgesehen von der Höhe, die sich auch heute wieder durch Kurzatmigkeit bemerkbar machte, dem dicken Hals vom Schnarchen in der Nacht und dem Umstand, dass es anfangs deutlich wärmer war, als ich gedacht hatte, war das Problem wohl hauptsächlich, dass die anderen beiden mal wieder mit einem ganz anderen Tempo antraten und mich im Nu abgehängt hatten. So hechelte ich also hinterher und fühlte mich dabei unsagbar langsam …

Langer Marsch über die Schieferebene.

Nach knapp 2 Stunden hatten wir eine Anhöhe erreicht, von der aus man zum ersten Mal „unseren“ Berg und den Gletscher an seinem Fuß sah. Erst jetzt wurde uns klar, dass wir gar nicht auf den Berg rechts vom Gletscher gehen würden, der auch schon vom Basislager aus zu sehen war, sondern dass der links vom Gletscher die Mentok Pyramide I war. Im ersten Moment erschien mir der Berg viel zu schwierig, bei genauerer Betrachtung musste ich Günter allerdings recht geben, dass er deutlich machbarer aussah als sein Nachbar.

"Unsere" Mentok Pyramide I in ganzer Pracht,
links die kleinere Schwester Mentok Pyramide II (6200 m)

Nach einem ganz kurzen Abstieg erreichten wir den Gletscherrand, wo wir die Steigeisen anlegten und uns anseilten. Die Klettergurte hatten wir vorsorglich schon bei der kurzen Rast oben auf der Anhöhe angezogen, damit wir uns dort unten, wo um diese Zeit noch Schatten und Kälte herrschten, nicht allzu lange aufhalten mussten.

So ging es denn über den Gletscher dahin, zunächst recht eben, wenn es auch immer wieder bucklige Bereiche gab, wo man gelegentlich ein paar Zentimeter einbrach. Einmal war eine breite Spalte zu queren, was aber kein größeres Problem war, da auf der einen Seite eine bequeme Rampe hinabführte und Jimmy auf der anderen vorsorglich ein paar Stufen ins Eis hackte. Beim Anseilen hatte er uns empfohlen, mit den Stöcken zu gehen und nicht mit dem Pickel – er selbst benutzte diesen aber, da er gar keine Stöcke mitgenommen hatte – und dies war die einzige Stelle, an der ich mir ebenfalls meinen Pickel gewünscht hätte. Später hatte der Gletscher dann eine leichte Schneeauflage und auch kleinere Spalten waren mit Schnee verfüllt, aber alles hielt bestens.



Kurz bevor die Route steil zu einem Grat hinaufzog, bat ich um eine Trink- und Ausziehpause, denn mittlerweile waren wir wieder in die Sonne gekommen und meine (leichte) Daunenjacke war definitiv ein paar Nummern zu warm.

Etwa eine halbe Stunde später hatten wir dann den Grat erreicht und konnten Seil und Steigeisen zunächst mal ablegen. Von hier aus ging es über die grobschottrige Variante des allgegenwärtigen Schiefergesteins immer am Grat entlang Richtung Gipfel. Allerdings kamen wir schon bald an ein erstes Hindernis in Form eines Felskopfs, den wir dann doch lieber wieder auf Schnee rechts umgingen. Anfangs ging es auch noch recht eben über weichen Schnee, doch als es zunehmend steiler und eisiger zu werden begann, wollten wir Jimmy doch nicht mehr einfach so folgen, der beherzt mit seinen (ziemlich abgelaufenen) Bergstiefeln voranstieg. Wir dagegen zogen lieber noch einmal unsere Steigeisen an, auch wenn es etwas Zeit kostete, als unnötig etwas zu riskieren. Zum Glück hatten wir sie nicht schon gleich zu Anfang am Grat zurückgelassen, was kurz in der Diskussion gewesen war!

Ein ganzes Stück konnten wir so noch einmal auf Schnee oder Eis aufsteigen bis wir schließlich den felsigen, steilen Gipfelaufbau erreichten. Und damit fingen für mich die schlimmsten Mühen des Tages an: Grober, wacklig geschichteter Schotter und Felsblöcke waren noch nie mein Lieblingsgelände und schon gar nicht in 6000 m Höhe und mit den schweren Bergstiefeln.

Bei solchen Felstrümmern kann man nur hoffen, dass sie sich
nicht genau jetzt entschließen, der Schwerkraft nachzugeben.

Zu der bloßen Anstrengung kam noch erschwerend dazu, dass ich in meinen Stiefeln diesmal schon beim Aufstieg herumrutschte. Außerdem hing ich wie üblich so weit hinter den anderen beiden zurück, dass ich mich kaum daran orientieren konnte, wo sie aufgestiegen waren, und mir selbst einen Weg suchen musste. Oft erwischte ich nicht gerade die Ideallinie (so es die denn gegeben hätte) und sah mich gezwungen, über hohe Blöcke zu steigen, was unnötig Kraft brauchte und Schwindel und Atemnot verursachte.

Willkommene Verschnaufpause vor der nächsten Stufe.

Mehrere kurze Pausen und einmal Schuhe neu binden später war aber auch hier das Schlimmste überstanden. Der Hang wurde flacher und der Gipfel mit seinen Steinpyramiden kam ins Bild. Jimmy war schon oben und nutzte den offenbar guten Handyempfang für ein erstes Telefonat bis wir beide an ihm vorbei zum höchsten Punkt der Mentok Pyramide geschnauft kamen.

Gegen 12 Uhr hatten wir es geschafft, was eine runde Stunde später war, als wir ursprünglich kalkuliert hatten. Aber das spielte jetzt alles keine Rolle mehr: Wir waren oben, am Gipfel unseres zweiten 6000ers in Ladakh und dem vierten in diesem Jahr!


Am Ziel!

Die Aussicht war phänomenal, zwar nicht wolkenlos, aber doch so klar, dass rundherum eine Unmenge an Himalaya-Gipfeln deutlich zu erkennen waren. Und – hier auf dieser Reise noch nie da gewesener Luxus – es war nahezu windstill, so dass wir das Panorama und unser kärgliches Gipfel-Vesper in aller Ruhe genießen konnten.



Gemütliche Gipfelrast auf 6250 m.

Keine Ahnung wie lange wir da oben blieben, aber sicher deutlich über ½ Stunde. Als wir uns schließlich an den Abstieg machten, war als erstes wieder das hässliche Steilstück mit den wackligen Felsen und dem rutschigen Schotter zu überwinden, was bergab auch nicht wesentlich angenehmer, aber deutlich flotter zu bewältigen war.


Anschließend zogen wir dann aber die hier am Fuß des Steilhangs zurückgelassenen Steigeisen an und ließen die Felsen bis hinab zum Gletscher rechts liegen. Zwar gab es auch hier ein paar eisige und eher steilere Stellen zu überwinden, was mich aber deutlich weniger stresste, als das Gestolper über die Steine. Dann ging’s über den Gletscher zurück, angeseilt wie gehabt und auch diesmal wieder ohne Zwischenfälle.

Die einzige nennenswerte Spalte.

Am anderen Ende wurden wir endgültig Steigeisen und Klettergurte los, Jimmy gab noch eine Runde Kekse aus und dann wartete der lange Rückmarsch zum Camp auf uns, der zwar nie sonderlich anstrengend, aber furchtbar zäh war.

Nicht alle haben überlebt ...

Langer Marsch zurück.

Doch auch dieser Weg musste irgendwann mal ein Ende nehmen und so erreichten wir ziemlich exakt 10 Stunden nach dem Aufbruch um 15.30 Uhr wieder unser Base Camp im Bachbett. Und kaum hatten wir uns dort unserer Bergstiefel entledigt, brachte auch schon Stanzin Tee ans Zelt, sowie die höchst willkommene Meldung, dass der „Lunch ready“ sei.

Nach dem Essen sollst du ruh’n – das beherzigten wir diesmal gerne und zogen uns für den Rest des Tages ins Zelt zurück.