Fotos: Günter Schmidt
Nevado San Francisco
Nach einem guten, reichhaltigen Frühstück kosteten wir noch die letzten
Stunden im Hotel aus, ehe wir uns zum Einkaufen in den „Lider“ im Zentrum von
Copiapó begaben. Den „Einkehrschwung“ zum Mittagessen verpassten wir
anschließend aus diversen Gründen und so waren wir früher als gedacht unterwegs
zu neuen Abenteuern.
Zunächst führte unser Weg durch ein landschaftlich sehr beeindruckendes Tal, in dem allerdings an vielen Stellen eifrig gebaggert wurde, um Rohre quer
unter der Fahrbahn zu verlegen. Vermutlich sollte damit die Straße künftig vor größeren
Überschwemmungen bewahrt werden. Und obwohl dies eine recht unbedeutende
Nebenstrecke Richtung Paso San Francisco und Argentinien war, fanden wir den
Verkehr anfangs noch erstaunlich stark, was vermutlich den Minen im Einzugsgebiet
geschuldet war.
Mit der Zeit wurde mir durch das Holpern über die vielen
„Desvios“ (= Umleitungen) immer flauer im Magen, aber irgendwann bekam ich den
Verdacht, dass auch Hunger eine Rolle spielen könnte. So fuhren wir schließlich
ein Stück in die Wüste zu ein paar größeren Felsen und verspeisten dort unser
Spätnachmittagsvesper. Richtig gemütlich war es aber nicht, denn hier ging
schon wieder ein recht frischer Wind, der uns nach kurzer Zeit gern wieder ins
Auto steigen ließ.
Unterwegs in die Einsamkeit. |
Bald darauf ging die Straße erstens in Schotter über und
zweitens zog die Steigung kräftig an bis zu einem namenlosen Pass auf etwa 4500
m. Oben angekommen konnten wir einen ersten Blick auf schneebedeckte Gipfel
erhaschen – vermutlich die „Tres Cruces“.
Nach kurzer Abfahrt erreichten wir die Hochebene mit dem Salar de Maricunga (ca. 3800 m) und den Grenzkontrollposten, der schon hier, knapp 100 km vor dem eigentlichen Grenzübergang zu passieren war.
Nach kurzer Abfahrt erreichten wir die Hochebene mit dem Salar de Maricunga (ca. 3800 m) und den Grenzkontrollposten, der schon hier, knapp 100 km vor dem eigentlichen Grenzübergang zu passieren war.
Wir wagten es nicht, einfach durchzufahren, obwohl der
Posten offensichtlich unbesetzt war und wir ja auch gar nicht nach Argentinien
ausreisen wollten. Nach längerem Suchen traf Günter die Grenzer in einem
Nebengebäude an, wo sie wohl schon den vorzeitigen Feierabend vor dem Fernseher
eingeläutet hatten. Einer der Polizisten notierte sich dann unsere Namen,
Passnummern, das Autokennzeichen und das Datum, an dem wir wieder zurück sein
wollten. Ansonsten gab er uns hauptsächlich gute Ratschläge und Mahnungen mit
auf den Weg. Weder interessierte er sich sonderlich für unser Difrol-Permit,
noch wollte er unsere Pässe einbehalten, wie wir es in einigen Reiseberichten
gelesen hatten.
Weitere fünf Minuten Fahrt brachten uns ans Ufer einer
Lagune, wo wir im relativen Windschatten des Pickups und eines Hügels unser
Zelt aufbauten. Abends gab es noch einmal Vesper, diesmal ergänzt um
eine frisch gekaufte und ganz hervorragende Avocado. Und dann ging‘s ins Zelt
für eine wirklich paradiesisch ruhige Nacht.
Am Salar de Maricunga - gelegentlich kommt sogar nachts ein Auto vorbei ... |
Da wir anderntags (5.4.) viel Zeit hatten – wir wollten ja
lediglich bis zum Ausgangspunkt für die Besteigung des Cerro San Francisco
fahren, gerade mal 90 km entfernt – ließen wir uns mit dem Aufstehen Zeit bis halb
neun, als die Sonne schon längst unser Zelt wärmte. Draußen war es aber doch
noch recht frisch, so dass Günter zwar den Kaffee auf der Ladefläche des
Pickups kochte, wir uns aber fürs Frühstück wieder ins Zelt zurückzogen.
Gegen 10.30 Uhr waren wir dann auf zunächst erstaunlich
guter, frisch asphaltierter Straße Richtung Paso San Francisco unterwegs.
Vicunjas crossing! |
Blick über den Rio Lama Richtung Salar de Maricunga. |
Etwa 50 km vor dem Pass holte uns aber das dicke Ende ein: Hier wurde die Straße gerade grundlegend saniert und es ging mit mehreren Umleitungen auf grobem Schotter weiter – eigentlich bis auf den Staub nicht weiter schlimm, nur hatte es die Nebenwirkung, dass alle offensichtlichen Zugänge zur Laguna Verde durch einen tiefen Graben versperrt waren. In den Reiseberichten, die wir im Vorfeld gelesen hatten, war öfter von einer Hütte die Rede gewesen, in oder bei der manche Bergsteiger hier genächtigt hatten, von dieser fehlte jede Spur. Und auch der Zugang zu der Badebucht mit den heißen Quellen, wo wir uns eigentlich unsere Mittagsrast gedacht hatten, war durch die Erdarbeiten verschüttet.
Vom richtigen Platz und im richtigen Moment - die scheinbar unberührte Idylle der Laguna Verde. |
Erst am jenseitigen Ende und ziemlich weit von der
eigentlichen Lagune entfernt fanden wir eine Einfahrt und kochten dort bei ein
paar flachen, angenehm warmen Steinen das geplante Mittagessen.
Anschließend machten wir einen kurzen Spaziergang auf einen Hügel in der Nähe, der Aussicht auf die Lagune und die umliegenden Berge wegen.
Anschließend machten wir einen kurzen Spaziergang auf einen Hügel in der Nähe, der Aussicht auf die Lagune und die umliegenden Berge wegen.
Die Passhöhe (4726 m) und Grenze
zu Argentinien war nach der Mittagspause schnell erreicht. Wir warfen dort einen Blick in die wenig
einladende Schutzhütte und stellten fest, dass sich zuletzt am 1.4. jemand ins
Hüttenbuch eingetragen hatte. Auch einige Liege- und andere Radler hatten sich
vor noch nicht allzu langer Zeit an den Wänden verewigt.
Direkt vom Pass zweigte die beschilderte (!) Schotterpiste Richtung Nevado San Francisco (manchmal auch Cerro S.F. genannt) ab, der wir nun folgten. Nach dem ersten noch relativ ebenen, aber auch schon sehr steinigen Stück, steilte die Piste bald merklich auf und Auto und Fahrer mussten mächtig kämpfen, um nicht stecken zu bleiben. Ausgerechnet an den steilsten Stellen war die Piste auch noch ziemlich sandig, aber alles ging gut und wir schafften es auf 5160 m, wo die Fahrspur endete.
Am Paso San Francisco, im Hintergrund unser nächstes Ziel. |
Direkt vom Pass zweigte die beschilderte (!) Schotterpiste Richtung Nevado San Francisco (manchmal auch Cerro S.F. genannt) ab, der wir nun folgten. Nach dem ersten noch relativ ebenen, aber auch schon sehr steinigen Stück, steilte die Piste bald merklich auf und Auto und Fahrer mussten mächtig kämpfen, um nicht stecken zu bleiben. Ausgerechnet an den steilsten Stellen war die Piste auch noch ziemlich sandig, aber alles ging gut und wir schafften es auf 5160 m, wo die Fahrspur endete.
Auch hier waren im ansonsten recht grob-schottrigen Gelände,
wie am San Pedro, Plattformen für mehrere Zelte hergerichtet. Nur ein wenig
mussten wir unsere noch einebnen, damit das Zelt, mit leichtem Gefälle zu den
Füßen hin, genau darauf passte. Nach dem Aufbau ruhten wir uns erst mal im
Zelt aus, da draußen zwar die Sonne schien, aber wie üblich der Wind blies, und
sich die Höhe diesmal doch sehr in Form von Kreislaufschwäche und Kurzatmigkeit
bemerkbar machte – kaum verwunderlich, hatten wir uns doch in nur wenig mehr
als 24 h von 440 m auf über 5000 m bewegt. Ohne die vorherige Akklimatisierung
wäre dies völlig undenkbar gewesen.
Später am Nachmittag packten wir dann unsere kleinen
Rucksäcke, denn wir hatten uns darauf geeinigt, diesmal statt der dicken
Bergstiefel nur die normalen Wanderschuhe anzuziehen und so konnten auch die
Steigeisen im Auto bleiben. Schon zweimal hatten wir jetzt die schweren Schalenbergstiefel
getragen, ohne sie wirklich zu brauchen, und so kurz vor dem Ojos wollte ich auch nicht riskieren, mir noch einmal Blasen an den Zehen zu holen.
Abends saßen wir noch im Auto, erst zum Vesper, dann
bewunderten wir den Sonnenuntergang, und anschließend war es immer noch sehr
früh zum Schlafengehen, so las ich noch eine Weile mit Stirnlampe und Günter
schaute die Fotos des Tages an.
Bald kroch aber die Kälte auch ins Auto und so verkrochen
wir uns in die Schlafsäcke. Der Wecker wurde auf 6.15 Uhr gestellt, was
trotzdem über 10h „Schlaf“ bedeutete. Wie üblich in solchen Höhen, war es damit
aber nicht sonderlich weit her. In dieser Nacht hatte ich unter anderem wieder einmal
eine Phase, in der ich ständig wegdöste und nach wenigen Sekunden hellwach
aufschreckte, da ich keine Luft mehr bekam.
Trotz allem fühlte ich mich am 6.4. morgens beim
Weckerklingeln einigermaßen fit und so konnten wir uns gegen 7.15 Uhr noch in der Dämmerung auf den Weg machen. Die ersten paar
Höhenmeter über den Schotterhang hinter dem Zelt waren dann aber gleich wieder
Grauen pur: kalte Füße und Hände, wegloses Gestolper, die Daunenjacke am Anfang
bei Windstille noch zu heiß und ständig musste ich husten und bekam keine Luft.
Als wir diesen ersten Hang erklommen hatten, es zunächst
kurz in eine Senke hinabging und wir zudem auf einen richtigen Pfad stießen,
wurde es allmählich besser. Nur die Füße wollten und wollten nicht auftauen –
kein Wunder, denn die Wanderstiefel waren über Nacht im Auto geblieben und
deshalb ziemlich steif gefroren. - Mit in den Schlafsack wollten wir die denn
doch nicht nehmen und im Vorzelt wären sie vermutlich mindestens genauso kalt geworden.
Der Weg zog sich dann mal mehr, mal weniger steil einen Hang
hinan und irgendwann erreichte uns auch die Sonne (ca. 9.30 Uhr).
Leider frischte praktisch zeitgleich auch der Wind wieder auf, wobei er wenigstens zunächst meist von hinten kam. Bei ein paar Felsen gab es eine erste Rast mit Tee und Eincremen, und als wir das Ende des langen Hangs erreicht hatten und auf den Sattel zwischen den beiden Gipfeln des San Francisco zusteuerten, legten wir in einem einigermaßen windgeschützten Bachbett eine weitere Pause ein, bei der wir uns zum Tee noch einen Schokoriegel gönnten.
Noch sind wir im Schatten, aber nicht mehr lange! |
Leider frischte praktisch zeitgleich auch der Wind wieder auf, wobei er wenigstens zunächst meist von hinten kam. Bei ein paar Felsen gab es eine erste Rast mit Tee und Eincremen, und als wir das Ende des langen Hangs erreicht hatten und auf den Sattel zwischen den beiden Gipfeln des San Francisco zusteuerten, legten wir in einem einigermaßen windgeschützten Bachbett eine weitere Pause ein, bei der wir uns zum Tee noch einen Schokoriegel gönnten.
Danach wurde es aber so unwirtlich, dass wir bis zum Gipfel
nur noch gelegentlich verschnauften oder über den weiteren Weg beratschlagten.
Hier oben lag nun tatsächlich relativ viel Schnee, auf dem zumindest
stellenweise doch Steigeisen hätten ratsam sein können. Wir fanden aber immer
wieder Möglichkeiten, entweder die Schneefelder an flachen Stellen zu queren
oder auf Felsen auszuweichen.
So kämpften wir uns durch, bis wir um ca. 13 Uhr das weite
Gipfelplateau des San Francisco erreichten.
Der Expeditionsbergsteiger am Gipfel des San Francisco ;) |
Der höchste Punkt (6018 m) war mit einer Metallfigur an
einer Stange markiert und außerdem gab es auch den in vielen
Bergsteigerberichten erwähnten ominösen Metallkoffer mit dem Gipfelbuch, in dem
Günter uns verewigte.
Insgesamt lud der Gipfel nicht sehr zum Verweilen ein, da
der Wind sich mittlerweile um Sturmstärke bemühte und von allen Seiten zugleich
zu kommen schien. Trotzdem wollten natürlich ein paar Fotos gemacht werden und
auch Tee und ein Müsliriegel konnten nicht schaden, wenn wir auch kein wirklich
gemütliches Fleckchen für eine Rast fanden.
Bei all dem Gejammer über Wind und Kälte soll aber nicht
unerwähnt bleiben, wie beeindruckend die Aussicht von hier oben war: Zur einen
Seite präsentierte sich die Laguna Verde in tiefstem Türkis, auf der anderen
Seite in Argentinien eine weitere bizarr geformte Lagune in
milchigem Grün, rundum ungezählte Berge und Hügel, teils mit intensiven
Farbtönen von Orange über Rostrot bis Schwarz, und darüber die schneebedeckten
6000er – unter ihnen unser letztes und höchstes Ziel, der Ojos del Salado.
Gipfelpanorama mit dem Ojos in der Ferne. |
Beim Abstieg trauten wir uns immer öfter über die
Schneefelder abzufahren, da die Sonne sie inzwischen meist leicht angetaut
hatte. Wir mussten aber doch aufpassen, nicht auf den vereinzelten vereisten
Stellen auszurutschen. Eigentlich kamen wir recht flott voran, im untern Teil
waren die Wege ja häufig sandig, was das Absteigen sehr erleichterte. Nur der
Wind machte uns zu schaffen, der uns unablässig kalt und garstig ins Gesicht
blies.
Im oberen Teil des Abstiegs |
Nach insgesamt acht Stunden waren wir dann zurück am Zelt,
das ebenfalls schwer vom Sturm gebeutelt wurde und in und auf dem sich
massenweise Sand abgelagert hatte. Während wir dabei waren, unsere Sachen zusammenzupacken,
tauchte überraschend ein Besucher auf: ein junger Franzose, der anderntags den
San Francisco besteigen wollte, fragte nach den Bedingungen am Berg. Die
Nacht würde er in der Schutzhütte am Pass verbringen und den Berg direkt von
dort angehen. Später, nachdem wir unsere Siebensachen gebändigt hatten, das
Auto glücklicherweise wieder angesprungen war und Günter uns sicher ins Tal
manövriert hatte, hatte er auch zu Fuß die Hütte schon fast erreicht.
Wirkt auf dem Foto weniger dramatisch als es sich anfühlte: Rückfahrt zur Passstraße. |
Für uns stand nun die Suche nach einem Übernachtungsplatz an
der Laguna Verde an, was wegen der Bauarbeiten nicht einfach zu werden
versprach. Letzten Endes entdeckten wir einen Jeep-Track, der zu ein paar
vielversprechenden Felsen am Ufer der Lagune zu führen schien, und tatsächlich
gab es auch eine Möglichkeit, von der Straße dorthin zu gelangen.
Das Plätzchen, das wir für unser Zelt wählten, in einer Art
Canyon an dem Ende der Lagune, an dem ein Fluss in dieselbe mündete, sah sehr
lauschig aus: feiner Sand als Untergrund, die Lagune nicht weit, rosa Felsen vor
der Tür – eigentlich ein Idyll, wenn nicht auch hier ständig dieser ekelhafte
Wind durchgepfiffen hätte…
Und auch die Sonne verschwand an diesem Abend viel zu früh (schon vor 19 Uhr) hinter den Bergen. So blieb uns nach dem Abendessen nichts anderes übrig, als uns bald ins Zelt zurückzuziehen.
Und auch die Sonne verschwand an diesem Abend viel zu früh (schon vor 19 Uhr) hinter den Bergen. So blieb uns nach dem Abendessen nichts anderes übrig, als uns bald ins Zelt zurückzuziehen.
Schon um zwanzig nach acht krochen wir in die Schlafsäcke, allerdings
las ich noch eine Zeitlang auf dem Kindle („Tief in Südamerika…“ – auch ein
Reisebericht J)
und Günter lauschte einem Hörbuch.
Ojos del Salado
Gegen Morgen, als der Wind noch vor Sonnenaufgang wieder
einsetzte, wurde es bitterkalt, weshalb wir am 7.4. das Aufstehen so lange wie
möglich hinauszögerten. Sogar im Zelt – und im Auto sowieso – war diesmal das
Wasser eingefroren. So hatten wir morgens geradezu Mühe, den knappen Liter
Wasser für den Kaffee zusammenzubringen, und zum Spülen musste Günter gleich
mal Eis schmelzen. Auch das Einweichwasser für die am Vorabend angebrannten
Nudeln war jetzt ein Eisklotz, mit dem sich aber wenigstens der Großteil
des Angebrannten aus dem Topf löste. Doch das gebrauchte Spülwasser fror nach
dem Ausgießen sofort wieder am Boden fest …
Die nächste Herausforderung nach dem Zusammenpacken war, aus
dem Tal, in dem wir gezeltet hatten, wieder heraus zu kommen, da die Anfahrt
ziemlich sandig und steil gewesen war. Bergab ging es immer irgendwie, aber
bergauf?
Doch die Rückfahrt zur Straße glückte und nun ging es auf
selbiger ein paar Kilometer zurück bis zur Abzweigung Richtung Ojos del Salado.
Unmittelbar danach erreichten wir das Refugio Murray (4530 m), das erste von
dreien auf dem Weg zum Ojos. Ein Pickup mit jeder Menge Wasser und Benzin auf
der Ladefläche parkte daneben, aber die ziemlich kühle und auch sonst wenig heimelige Hütte schien leer.
Auf der Terrasse davor konnten wir dann schon fast luxuriös
mit Tisch und Bank, in der Sonne und mit ausreichendem Windschatten unser
mittägliches Vesper genießen. Dabei schweifte der Blick immer wieder Richtung
Berge – einer von denen musste unser großes Ziel sein, aber welcher?
Bei der Anfahrt waren wir noch unsicher, doch bald war klar: der Ojos del Salado ist der Gipfel rechts im Bild. |
Kurz bevor wir uns auf den Weg zum Refugio Atacama machen wollten,
preschte plötzlich ein weiterer Pickup heran und ihm entstieg erst eine Frau in
Jogging-Leggins, dann ein Mann in Stadtklamotten mit Brille im Ausschnitt des
Pullis und einem Hündchen, das ebenfalls in einen Pulli gesteckt war. So weit
ich es verstanden habe – denn, mal wieder, er nur Spanisch, wir eher nicht –
handelte es sich um einen Journalisten und seine Fotografin, die für ein Fotoshooting
zum Fuß des Ojos del Salado wollten. Während die beiden noch erste Fotos beim Refugio
Murray vorbereiteten, machten wir uns auf den Weg, aber schon nach wenigen
Kilometern wurden wir überholt. Der Typ fuhr die Strecke wirklich ziemlich
tollkühn und schnell.
Wir dagegen ließen uns Zeit. Die immerhin 22 km lange Anfahrtsstrecke war anfangs recht einfach zu befahren, später mussten immer mehr sandige Bachbetten gequert werden. An einer Stelle ging es auf der alten markierten Piste nicht mehr weiter und mehrere Gräben mussten in großem Bogen umschifft werden. Bei uns ging aber wieder alles gut, dagegen stand etwa zwei Kilometer vor dem Refugio ein Suzuki Jimny verlassen am Straßenrand. Später erfuhren wir, dass dieser der Mietwagen zweier deutscher Bergsteiger war, der es an der extrem sandigen Stelle einfach nicht mehr gepackt hatte.
Im „Refugio“, das aus einem ziemlich schief aufgestellten
hölzernen Wohncontainer und einer mindestens 50 m davon entfernt platzierten,
zeltartigen Schutzhütte bestand, waren vor uns zwei Gruppen eingetroffen, die
beide schon eine Nacht hier geschlafen und an diesem Tag einen Ausflug zum
höher gelegenen Refugio Tejos unternommen hatten, – eine vierköpfige
chilenische Gruppe und die beiden Deutschen, die wie wir, den Ojos auf eigene
Faust besteigen wollten.
Somit waren also beide Hütten voll belegt;
selbstverständlich wurde uns angeboten, uns noch irgendwo mit dazu zu
quetschen, aber wir bauten lieber unser Zelt auf. Auf der Ebene zwischen den
beiden Hütten gab es einige recht geräumige Zeltplätze, die zur vorherrschenden
Windrichtung (West) hin mit ziemlich hohen Steinwällen versehen waren. Wie
immer nützte das nur bedingt was, aber zusammen mit dem dahinter geparkten Auto
würde es schon reichen, hofften wir.
Nachmittags saß ich zum Reisetagebuch-Schreiben lange im
Auto auf der Sonnenseite, die zugleich leider auch die Windseite war, und hielt
es vor Wärme kaum aus, während jeder Schritt nach draußen einem Kälteschock
gleichkam.
Refugio Atacama (5200 m) |
Günter hatte die Chilenen nach der Wetter- und insbesondere
Windprognose gefragt und zu diesem Zeitpunkt sah es anscheinend noch für alle
kommenden Tage gleich schlecht aus. Man könnte also Glück oder Pech haben, es würde
sich aber in jedem Fall empfehlen, sehr früh morgens (ca. 3 Uhr) zum Gipfel
aufzubrechen, da der Wind im Lauf des
Tages tendenziell heftiger zu werden pflegte.
So vertagten wir die Entscheidung, ob wir anderntags mit
allen und allem zum Refugio Tejos aufsteigen und am Montag den Gipfel versuchen
wollten, oder ob wir beim ursprünglichen Plan bleiben und erst mal nur eine Akklimatisierungstour machen würden.
Abends setzten wir uns mit unserem Kocher und dem
Eintopf-Stampf aus Kartoffelpüree, Spargelcremesuppe, grünem Spargel aus der
Dose und Serrano-Schinken in die Hütte zu den Chilenen. Doch mangels
gemeinsamer Sprache kam kein Gespräch zustande und unser optisch nicht sehr
ansprechendes Eintopfgericht schien zumindest bei der einzigen Frau im Team eher Ekel
hervorzurufen … Uns hat’s aber geschmeckt und sättigend war’s allemal.
Danach verkrochen wir uns bei der Eiseskälte, die spätestens
nach Sonnenuntergang Einzug hielt, bald im Zelt. Übrigens war unseres am Abend
nicht mehr das einzige, zwei der Chilenen zogen offenbar auch etwas mehr Privatsphäre vor und hatten ein sehr
expeditionsmäßiges Zelt in unserer Nachbarschaft aufgebaut.
Die folgende Nacht verlief den Umständen (Höhe, Kälte)
entsprechend erstaunlich angenehm. So langsam schienen wir uns an Höhen um 5000
m recht gut angepasst zu haben. Am Sonntagmorgen (8.4.) ließen wir uns sehr
viel Zeit und frühstückten erst, als die Sonne schon längst auf unser Zelt
brannte. Dabei fassten wir den Entschluss, heute nur mit ein paar wenigen Sachen
(Wasser, Steigeisen) zum Refugio Tejos aufzusteigen und anschließend noch
einmal hier „unten“ zu schlafen.
Also waren wir ganz auf einen eher geruhsamen Tag
eingestellt. Doch unser Plan war noch kaum beschlossen, da wurde er auch schon
wieder durchkreuzt: Einer der beiden Deutschen kam vorbei, um bei uns
Toilettenpapier zu borgen, dabei fragte er uns auch nach unseren weiteren
Plänen. Als wir meinten, wir hätten uns für Dienstag als Gipfeltag entschieden,
erzählte er uns, dass die Chilenen auf dem Tisch in der Hütte den Ausdruck
zweier halbwegs aktueller Wettervorhersagen hinterlassen hätten. Offenbar gehe
aus beiden hervor, dass der Dienstag der mit Abstand schlechtere Tag für eine
Besteigung des Ojos sei, da dann mit Windgeschwindigkeiten von 80 bis 100 km/h zu
rechnen sei.
Wir vergewisserten uns noch, ob das alles so seine
Richtigkeit hatte, und anschließend warfen wir unseren frisch gefassten Plan
auch schon wieder über den Haufen: Dann würden wir eben doch schon heute das
Refugio Tejos als Übernachtungsplatz anstreben – und zwar vorzugsweise mit dem Auto.
Günter hatte zwar gewisse Zweifel, dass es der Nissan schaffen würde, nachdem
er tags zuvor bei einem Fotoausflug schon die erste extrem feinsandige, relativ steile Stelle ausgemacht hatte, aber noch überwog die Zuversicht.
Also packten wir alles so zusammen, dass in den Tagesrucksäcken
schon mal die Sachen waren, die wir für die Gipfelbesteigung brauchten. Beim
Refugio Tejos zu zelten wäre damit ja kein Problem, da alles dabei …
Gegen elf machten wir uns auf den Weg – und kamen leider nicht sehr weit: Schon bei besagter erster Problemstelle war schlicht kein Durchkommen für uns. Der Nissan wühlte sich fest, egal was Günter auch probierte. Mit Untersetzungsgetriebe fuhr er sowieso, im ersten Gang ging nix, im zweiten genauso wenig, auch die (bescheidene ;)) Gewichtsreduktion um die Beifahrerin half nicht und im Rückwärtsgang blieb das Auto noch früher hängen …
Wir hatten uns noch gewundert, dass die Chilenen schon in aller Herrgottsfrühe mit ihrem Pickup zum Refugio Tejos gestartet waren, aber nun wurde uns klar, weshalb: Morgens war sicher der Sand noch fester, weil gefroren, und man blieb nicht so leicht stecken.
Gegen elf machten wir uns auf den Weg – und kamen leider nicht sehr weit: Schon bei besagter erster Problemstelle war schlicht kein Durchkommen für uns. Der Nissan wühlte sich fest, egal was Günter auch probierte. Mit Untersetzungsgetriebe fuhr er sowieso, im ersten Gang ging nix, im zweiten genauso wenig, auch die (bescheidene ;)) Gewichtsreduktion um die Beifahrerin half nicht und im Rückwärtsgang blieb das Auto noch früher hängen …
Wir hatten uns noch gewundert, dass die Chilenen schon in aller Herrgottsfrühe mit ihrem Pickup zum Refugio Tejos gestartet waren, aber nun wurde uns klar, weshalb: Morgens war sicher der Sand noch fester, weil gefroren, und man blieb nicht so leicht stecken.
Da half nun nichts, als die zweite und besonders bittere
Planänderung des Tages: Noch einmal alles umpacken, diesmal in die großen
Rucksäcke und anschließend zu Fuß die 600 Höhenmeter zum Refugio Tejos
hochschleppen. Günter meinte zwar zunächst, in dem Fall sollten wir besser auf
das Zelt verzichten, aber mir war die Vorstellung, mich mit sechs anderen in
der Hütte zu drängeln, so zuwider, dass er bald ein Einsehen hatte.
Zusammen mit den vier Litern Wasser hatten wir diesmal dann
wieder mindestens ebenso schwere Packen wie am San Pedro, vielleicht sogar noch
etwas schwerere, da wir noch mehr warme Sachen (z.B. Daunenhosen) einpackten.
Nach dem Mittagsvesper machten wir uns schließlich so gegen 13 Uhr auf die
Socken, natürlich auch wieder mit den schweren Bergstiefeln, was schon bald für
im eigenen Saft schwimmende Füße sorgte.
Ansonsten war die Schlepperei zwar mühsam, aber zunächst
halbwegs erträglich – die Sonne schien, wir gingen langsam – einzig der Wind
wurde im Lauf des Nachmittags wieder zu einem Problem: war es morgens noch ganz
angenehm gewesen, nicht gerade windstill, aber doch gemäßigt, frischte es nun
zunehmend auf und wurde so garstig kalt wie gehabt.
Als wir uns dem Refugio näherten, machten wir uns zunehmend Gedanken, wo wir ein geschütztes Fleckchen für unser Zelt finden sollten. Es gab zwar überall genügend riesige Felsbrocken, aber es war wieder mal wie verhext: hinter keinem war es wirklich windgeschützt.
Als wir uns dem Refugio näherten, machten wir uns zunehmend Gedanken, wo wir ein geschütztes Fleckchen für unser Zelt finden sollten. Es gab zwar überall genügend riesige Felsbrocken, aber es war wieder mal wie verhext: hinter keinem war es wirklich windgeschützt.
Schließlich hatten wir das Hochtal erreicht, in dem das
Refugio Tejos am Fuß des Ojos liegt, ohne einen geeigneten Zeltplatz gefunden
zu haben (im Nachhinein betrachtet ein Glück, da ansonsten morgens der Anmarsch
bis zum eigentlichen Einstieg am Berg zu einer unnötigen zusätzlichen Belastung
geworden wäre). Hier oben gab es ebenfalls verstreute Felsen und nach einigem
Suchen einigten wir uns auf einen, der aber auch nur wieder bedingt Windschutz
bot.
Unser Hochlager beim Refugio Tejos. |
Schon der Zeltaufbau geriet so zum Kampf, aber schließlich,
als die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden war, hatten wir uns so weit
eingerichtet, dass wir ans Kochen gehen konnten: 2x Tee für den nächsten Tag,
sowie mal wieder „unsere“ „leckere“ Teriyaki-Nudelsuppe aus dem „Lider“.
Zähneputzen entfiel angesichts der Eiseskälte draußen. Im Schlafsack wurde es
aber wenigstens schnell angenehm warm – trotz oder wegen des vielen Gerümpels,
das mit hinein musste (Innenschuhe, praktisch sämtliche Kleidung, die wir am
nächsten Tag tragen wollten, Handschuhe, Mützen, Balaclava und je noch eine
Flasche Wasser, damit sie nicht über Nacht gefror). Der Wecker wurde auf
unchristliche 3.33 Uhr gestellt, was uns aber trotzdem noch satte 7 ½ h
Nachtruhe versprach.
Die typischen höhenbedingten Probleme blieben dann zum Glück
trotz der beträchtlichen und bislang unerreichten Schlafhöhe von 5800 m
praktisch ganz aus. Überhaupt hielten sich diese Probleme diesmal bei uns
beiden sehr in Grenzen im Vergleich zum Himalaya. Viel mehr kämpften wir
mit Sand, Staub und Wind, Wind, Wind…
Viel zu schnell war die Nacht dann für uns beendet, aber als
Günter einen ersten Blick aus dem Zelt warf, konnte er tatsächlich schon
relativ weit oben am Berg Lichter erkennen – da waren andere wohl noch
wesentlich früher aufgestanden!
Blick zum Ojos beim Aufstehen - unterhalb des großen Schneefelds rechts ein Lichtpunkt von den Stirnlampen anderer Bergsteiger. |
So mühten wir uns also in unsere wärmsten Klamotten, leerten
zum Frühstück eine der Thermoskannen, die dann gleich wieder mit frischem Tee
befüllt wurde, und zwangen uns trotz kaum vorhandenem Appetit, je einen
Müsliriegel zu essen. Inzwischen wussten wir aus Erfahrung, dass bei Touren mit
extrem eisigen Temperaturen die Esspausen rar auszufallen pflegten und wir uns
eher nur mal die Zeit nahmen, einen Schluck Tee (mit Zucker, eben deshalb ganz
wichtig!) zu trinken, als einen der meist ziemlich harten Müsli- oder Schokoriegel zu essen.
Gegen 4.30 Uhr machten wir uns schließlich auf den Weg und durchquerten zunächst das kleine Hochtal bis zum Refugio.
Schon als wir dieses erreicht hatten, war mir wieder unerträglich warm und ich
beschloss, den Fleecepulli lieber in den Rucksack zu packen. Letzterer war
eigentlich zu Anfang nahezu leer, enthielt er doch lediglich eine 1l-Thermosflasche
mit Tee, Steigeisen, Ersatzhandschuhe, Mütze(n) und den Pickel, weshalb ich
vermute, dass sein Eigengewicht fast höher war, als das des Inhalts.
Weiter ging’s, etwas erleichtert, aber dennoch hatte ich
noch mindestens eine halbe Stunde mit zu viel Wärme zu kämpfen. Und schon die
letzten paar hundert Meter leicht ansteigender Fahrweg bis zum (mit grünem
Pfeil auf rotem Schild markierten) Beginn des eigentlichen Anstiegs zum Ojos
del Salado erschienen mir unendlich lang. Dabei wartete die wirkliche Mühsal ja
erst noch auf uns …
Der unterste Teil des Anstiegs folgte zwar einem klaren Pfad,
ging aber durch extrem sandiges, felsdurchsetztes Gelände, so dass ich das
Gefühl hatte, eine Sanddüne ersteigen zu müssen. Schließlich erreichten
wir aber die ersten Schneeflecken und
damit erstens festeren, da gefrorenen, Boden und zweitens etwas freieres Gelände, wo auch
wieder der Wind seinen Auftritt hatte. Im ersten Moment begrüßte ich dies sehr,
da ich von nun an zumindest kein „Hitze“-Problem mehr hatte, im Lauf des langen
Tages begann ich den Wind, der sich nach und nach zum Sturm steigerte, jedoch
mehr und mehr zu verfluchen …
Schon hier bei den ersten Schneeflecken, lange vor
Tagesanbruch kamen uns plötzlich zwei Lichtpunkte entgegen: die beiden
Deutschen waren bereits wieder im Abstieg, nachdem sie nach etwa der Hälfte (!)
der 1000 m zum Gipfel umgekehrt waren, weil sie befürchteten, in ihren
einfachen Bergstiefeln sonst Erfrierungen an den Füßen zu riskieren. Auf unsere
Frage, ob die Chilenen auch schon vor uns aufgestiegen seien, erfuhren wir nun,
dass es sich bei diesen gar nicht um Bergsteiger handelte, sondern um eine
Gruppe von Geographen, die eine bessere Karte der Region erstellen wollten.
So waren wir denn doch allein am Berg unterwegs, was wir
eigentlich hatten vermeiden wollen. Doch zumindest die Wegfindung war weder vor
Sonnenaufgang noch danach ein echtes Problem. Apropos Sonne: gemeinerweise hing
genau im Osten schon morgens eine fette Sturmwolke, so dass wir uns nur kurz über
den Sonnenaufgang freuen konnten, ehe diese sich erst mal wieder für eine Weile
verzog … Den Rest des Tages allerdings schien sie unentwegt, obwohl nach und
nach immer mehr der für Höhenstürme typischen linsen- oder ufo-förmigen Wolken
erschienen.
Die Sonne kommt! |
Der Weg oder die Spuren führten zunächst sehr lange links vom größten Schneefeld im Zickzack bergan, was auch vom Refugio Tejos aus schon deutlich zu erkennen gewesen war, ebenso wie eine rechts vom Schneefeld ansteigende Hangquerung. Nur die Verbindung war uns nicht klar gewesen, und auch als wir den Punkt erreicht hatten, an dem uns der Hang endgültig zu steil wurde, war der Weiterweg alles andere als offensichtlich. Letztlich sahen wir keinen anderen Ausweg, als das Schneefeld hier zu queren. So mühten wir uns schon zum zweiten Mal in die Steigeisen (weiter unten hatten wir uns an einem kleineren und noch nicht sehr steilen Schneefeld auch schon entschieden, lieber auf Nummer sicher zu gehen), packten den Pickel aus und die Stöcke ein – und konnten mehr oder weniger problemlos queren.
Der Blick schweift weit über die komplette Anfahrts- und Anmarschstrecke bis zur Laguna Verde in der Ferne. |
Doch so langsam ging uns beiden die Kraft und auch die Zeit
aus: auf 12 Uhr hatten wir den Umkehrzeitpunkt festgelegt, auch und vor allem
wegen des für abends vorhergesagten Sturms. So quälten wir uns zwar noch eine
ganze Zeit die Steigung jenseits des Schneefelds hoch, immer in der Hoffnung,
doch wenigstens noch den Kraterrand zu erreichen.
Aber bei einem großen Felsen kurz vor einem weiteren Schneefeld war dann endgültig Schluss: es war kurz nach zwölf, wir waren fix und fertig und mit 6685 m hatten wir beide einen neuen persönlichen Höhenrekord aufgestellt!
Nicht wirklich am Ziel, aber fast am Ende ... |
Aber bei einem großen Felsen kurz vor einem weiteren Schneefeld war dann endgültig Schluss: es war kurz nach zwölf, wir waren fix und fertig und mit 6685 m hatten wir beide einen neuen persönlichen Höhenrekord aufgestellt!
Unsere bisher höchste Aussicht. |
Statt eines Gipfelfotos. |
Hier legten wir eine verhältnismäßig ausführliche Rast ein
und stärkten uns für den Abstieg mit Wasser (Günter hatte eine 1l-Flasche
in seiner Daunenjacke hochgeschleppt und darauf hatten wir nun mehr Lust als
auf den ewigen Tee) und Müsliriegeln – tatsächlich erst
die zweite Mahlzeit nach einem Schokoriegel vor der Querung des Schneefelds,
und das nach 7 ½ h und fast 900 Hm Aufstieg.
Beim Abstieg ließen wir – oder eigentlich hauptsächlich ich,
Günter war gleich skeptisch – uns schon ziemlich am Anfang dazu verleiten einer
anderen Spur als beim Aufstieg zu folgen, die länger in Abstiegsrichtung links
des großen Schneefelds über Schotter bergab führte. Irgendwann wurde uns die
Sache dann doch zu unheimlich, da wir befürchteten, weiter unten in einem der
Büßereisfelder zu enden. So stand also wieder die berühmte Schneefeldquerung
an, nur diesmal an einer noch eher unangenehmeren Stelle.
Also wieder die Steigeisen montiert, den Pickel gepackt und los ging’s. Der Schnee bzw. das Eis war
hier aber sehr unterschiedlich, mal brach man knietief ein und musste sehen,
dass man wieder aus dem Loch kam, ohne sich die Steigeisen in die gegenseitige
Wade zu rammen (letzteres passierte uns zwar nicht, aber die Goretex-Überhosen
haben bei uns beiden mal wieder gelitten), dann wieder folgten büßereisartig-bröselige
Stellen oder, was natürlich am angenehmsten war, festes, tragfähiges Eis.
Von der Oberfläche her war es nicht immer klar erkennbar, um
was für eine Art Eis oder Schnee es sich handelte, und so kam es, dass ich an
einer Stelle unvermutet nicht nur einbrach, sondern auch mit den Füßen nach
unten wegrutschte und mich plötzlich am Pickel hängend wiederfand… Ein
Schreckmoment, aber nicht weiter schlimm – schnell hatte ich mich wieder
aufgerappelt. Als mir praktisch dasselbe wenig später noch einmal passierte,
zerrte dies doch schon deutlich mehr an meinen Nerven. Günter meinte, dass es
in diesem Bereich wohl schon fast so etwas wie Gletscherspalten gab, und wich
daraufhin den entsprechenden verdächtigen Stellen tunlichst aus. Von da an ging
auch alles gut, dennoch war ich heilfroh, als ich wieder „festen“ Schotter
unter den Füßen hatte und die Steigeisen ein letztes Mal loswerden konnte.
Schön anzusehen, aber besser zu umgehen - Büßereis. |
Ab jetzt suchten wir uns wieder möglichst direkte
Abstiegsspuren und rutschten, sofern immer der Untergrund weich genug war, in
bewährter Manier den Hang hinab. Auf diese Weise hatten wir bald die untersten
Schneefelder erreicht und konnten über Fels und Sand wieder zur Fahrspur knapp
oberhalb der Hütte zurückstolpern.
Endlich erreichten wir unser Zelt, das im erbarmungslosen
Wind knatterte und außerdem schon fast eine kleine Sanddüne im Innern
angesammelt hatte. Und es war einfach haarsträubend, wie sandig mittlerweile
alle unsere Sachen waren. Besonders übel fand ich dies bei den Schlafsäcken, die
nicht nur außen, sondern auch innen mit dem feinen Gesteinsmehl paniert waren. Das
hatten wir davon, dass wir mit einem eigentlich für so raues Klima eher
ungeeigneten Zelt unterwegs waren: weder das Außenzelt, das unten immer
mindestens 5 cm Luft zum Boden hatte, noch das Innenzelt mit seinen großen
Belüftungsnetzen schützten effektiv vor dem feinen Sand. Für
den Moment war dies aber nicht zu ändern und so packten wir alles ein wie es war. - Und immerhin hatte
das Zelt bis jetzt noch jedem Sturm getrotzt, ohne ernsthaft Schaden zu nehmen.
Mit den nun wieder deutlich schwereren Rucksäcken, die zudem
bei uns beiden nicht optimal gepackt waren, schwankten wir dann noch einmal mindestens eine Stunde ins Tal. Sogar jede Menge Wasser hatten
wir wieder mitgenommen, da wir, wie schon am San Pedro, viel zu großzügig
kalkuliert hatten: letztlich hatten wir nur insgesamt 3 l Tee und maximal 1-2 l
Wasser getrunken, d.h. etwa die Hälfte hatten wir umsonst geschleppt.
Die bedrohlichen Sturmwolken ... |
... vermehren sich abends zusehends. Zum Glück sind wir rechtzeitig umgekehrt! |
Bis wir das völlig verlassene Refugio Atacama wieder
erreicht hatten, neigte sich die Sonne schon stark dem Horizont zu. Dies und
der für die Nacht angekündigte Sturm bewogen uns, diesmal nicht wieder das Zelt
aufzubauen, sondern die kleinere und neuere Schutzhütte zu beziehen, die im
übrigen laut einer Inschrift erst 2017 in Zusammenarbeit mit der Münchner
Bauinnung und mehrheitlich von Deutschen, sowie einigen Chilenen und
Österreichern errichtet worden war. Die am Boden liegenden ziemlich schmuddeligen Matratzen
verschmähten wir und quetschten unsere beiden Isomatten lieber in den
Dachspitz, wo sie gerade so eben Platz fanden.
Dann wurde erst mal gekocht und danach wälzten wir uns bald in unser Nachtlager, was eher kompliziert war, da an einem Balken eine extreme Engstelle jede Bewegung erschwerte. Irgendwann lagen wir aber beide und hatten es zwar beengt aber halbwegs bequem. Allerdings meinte Günter nach einer Weile, dass er lieber mit dem Kopf Richtung Tür liegen würde, da es ihm sonst zu klaustrophobisch werde. Und als wir nach erfolgreichem Wendemanöver wieder zur Ruhe gekommen waren, musste ich ihm recht geben: So atmete man doch sehr viel freier.
Dann wurde erst mal gekocht und danach wälzten wir uns bald in unser Nachtlager, was eher kompliziert war, da an einem Balken eine extreme Engstelle jede Bewegung erschwerte. Irgendwann lagen wir aber beide und hatten es zwar beengt aber halbwegs bequem. Allerdings meinte Günter nach einer Weile, dass er lieber mit dem Kopf Richtung Tür liegen würde, da es ihm sonst zu klaustrophobisch werde. Und als wir nach erfolgreichem Wendemanöver wieder zur Ruhe gekommen waren, musste ich ihm recht geben: So atmete man doch sehr viel freier.
Der zurückliegende Tag war lang und anstrengend genug
gewesen und nun stand endlich einer erholsamen Nacht nichts mehr im Weg.