Mittwoch, 25. Juli 2018

Chile 2018 - Teil V: Wind, Sand und Sterne

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt


Letzte Tage in Chile


Am Tag nach unserem Gipfelversuch am Ojos del Salado ließen wir es morgens gemütlich angehen und blieben liegen bis die Sonne den nächtlichen Raureif an der Innenseite des Dachs aufgetaut und weitgehend getrocknet hatte. Überhaupt war es in der Nacht erstaunlich kalt geworden in der Hütte, sogar unser Wasser war wieder partiell eingefroren.

Nach dem aus Kuchenrest und Müsliriegeln bestehenden Frühstück packten wir ohne Eile unsere Sachen. Die ab jetzt nicht mehr benötigte Bergausrüstung wurde schon mal weggepackt und dafür anderes wieder hervorgeholt.

Währenddessen zogen am Himmel immer mehr Wolken auf und oben um den Gipfel des Ojos jagten sie tatsächlich mit beachtlicher Geschwindigkeit. Hier im Lager dagegen wehte zwar durchaus auch ein kräftiger Wind, aber beileibe kein Sturm.

"Unsere" kleine Schutzhütte am Fuß des Ojos.

Trotzdem war ich froh, dass wir nun bald wieder in tiefere und wärmere Gefilde kommen würden, allein schon damit ich nie wieder statt einer Toilette an diesen absolut dem Wind ausgesetzten, buchstäblich beschissenen Abhang hinter Hütten und Zeltplatz gehen musste … Man kann sich schon fragen, ob es bei einem fest installierten und stark frequentierten Lagerplatz wie dem Refugio Atacama nicht möglich und nötig wäre, eine andere Lösung (z.B. Plumpsklo) zu finden. Natürlich müsste sich dann aber auch regelmäßig jemand darum kümmern und daran wird es wohl haken.

Um die Mittagszeit machten wir uns schließlich auf den Weg zurück zur Straße und Richtung Copiapó. Die sowieso schon eindrucksvolle Landschaft erhielt durch die Wolken an diesem Tag noch einmal einen ganz neuen Charakter und wir stoppten folglich unzählige Male zum Fotografieren oder einfach nur Schauen.

Zum Abschied zeigt sich der Ojos del Salado noch einmal.

Ufos.

Der Weg zur Lagune führte zunächst bis 15 km vor dem Kontrollposten auf der altbekannten und nach der Baustelle bestens ausgebauten Straße zurück. Dabei legten wir auch noch einmal einen ausführlichen Halt beim Rio Lama (manchmal auch R. Lamas) ein, diesmal wollten wir die auf multiplen Schildern angekündigte „Cascada“ mit eigenen Augen sehen. Für einen Bach, der mitten durch die Wüste fließt, war dieser kleine Wasserfall dann auch durchaus beachtlich. Mehr beeindruckte mich aber, wie viel Leben gleich sprießt, kaum dass irgendwo ein bisschen Wasser vorhanden ist.

Die Kaskade des Rio Lama.

Da wir für die Rückfahrt die Alternativstrecke über die Laguna Santa Rosa (C-601) wählten, kamen wir nicht mehr am Grenzposten vorbei, konnten uns also auch nicht bei den Grenzern zurückmelden. Unser Eindruck war aber sowieso gewesen, dass die Registrierung bei unserer Ankunft einige Tage zuvor nur sehr pro forma stattgefunden hatte, und wir machten uns daher keine Sorgen, dass wegen dieses Versäumnisses nach uns gesucht werden würde. (Im Umkehrschluss hätten wir uns auch nicht auf Hilfe von dieser Seite verlassen, wenn wir am Ojos irgendwelche Probleme bekommen hätten.)

Auf einer ziemlich ausgefahrenen Schotter- und Sandpiste ging es Richtung Lagune, was uns doch etwas wunderte, da dies eine durchgängige und üppig beschilderte Nebenstrecke nach Copiapó war. War hier das Geld für die Straßenerhaltung überwiegend in Schilder geflossen, während die Piste als solche lediglich alle Jubeljahre mal grob eingeebnet wurde? - Es schien fast so.

Erst gegen 16 Uhr erreichten wir schließlich unser Tagesziel und steuerten einen Aussichtspunkt über der Laguna Santa Rosa an, der dann aber wieder mal viel zu sehr dem Wind ausgesetzt war und daher als Vesperplatz völlig ungeeignet. Also rollten wir gleich auf die andere Seite der Lagune, wo es eine Hütte der Naturschutzbehörde (Corporación Nacional Forestal = CONAF) und eine private Lodge mit Campingmöglichkeit geben sollte.

Laguna Santa Rosa
.
Die CONAF-Hütte war bei unserem Eintreffen unbesetzt. Günter stieg sogar aus und ging einmal um das Häuschen herum, aber offenbar war niemand da. So entfiel die ansonsten fällige Eintrittsgebühr für das Naturschutzgebiet fürs Erste.

Bei der ziemlich heruntergekommen wirkenden Lodge ein paar hundert Meter weiter schien es dann zunächst genauso zu sein. Erst als wir einen Blick in den mit „Cocina“ (Küche) überschriebenen Raum warfen, regte sich dort in einem Hinterzimmer jemand. Es erschien ein zwar noch relativ junger, aber doch schon reichlich kauziger Typ, der hier wohl für Lodge und Campingplatz zuständig war. Leider sprach er mal wieder quasi nur Spanisch und so fiel die Kommunikation schwierig und rudimentär aus. Und wir kapierten auch erst, als er schon dabei war, die Rechnung zu schreiben, dass er nicht 15000 Pesos insgesamt, sondern pro Person berechnete – ein ziemlich happiger Preis für einen Zeltplatz mit nicht fließendem, sondern aus Regentonnen zu schöpfendem kaltem Wasser und der Möglichkeit, abends im „Aufenthaltsraum“ der Lodge (= Schlafraum für Nicht-Camper) zu sitzen.

Da es zunächst noch recht sonnig und zudem vor der Lodge endlich einmal windgeschützt war, verzehrten wir dort an einem großen runden Tisch unser arg verspätetes Mittagsvesper. Danach spazierten wir an die Lagune, wo die Flamingos, Enten und Gänse allerdings ziemlich scheu waren und sich praktisch nur in dem Bereich aufhielten, der für Besucher gesperrt war, da hier eine sensible Vogelart brütete – allerdings nicht zu dieser Jahreszeit. Außerhalb der Brutsaison mussten wir uns meiner Ansicht nach nicht daran halten, aber geholfen hat uns das dann auch nicht viel, da die Vögel, sowie wir uns näherten, die Flucht ergriffen.

Flamingos auf der Flucht.

Die Guanakoherde, eine der Besonderheiten des Gebiets um die Laguna Santa Rosa, da diese Wildkamelart sonst eher im südlichen Chile anzutreffen ist, war zwar etwas weniger scheu, blieb aber ebenfalls auf Distanz.

Auch die Guanakos dürfen wir nur von fern bewundern.

So schlenderten wir bald zurück, suchten einen der mit Mauern und Matten vor dem Wind geschützten Zeltplätze aus und bauten unser Zelt auf.

Zu unserer Überraschung waren wir abends nicht mehr die einzigen Gäste: Ein Suzuki Jimny mit Dachzelt gesellte sich zu unserem Pickup, dem eine Deutsche und ein Italiener, beide geschätzt um die 30 entstiegen. Die Reisegefährten waren bereits seit 3 Monaten in Chile unterwegs, doch nun würden sich ihre Wege bald trennen, da sie für die verbleibende Zeit in Südamerika unterschiedliche Ziele hatten.

Abends beim Essen - bei uns gab es noch einmal Eintopf aus Nudeln, Tomatensoße und grünem Dosenspargel, Claudio, der Neapolitaner, bereitete dagegen ein ziemlich lecker wirkendes Risotto mit ebenfalls grünem Spargel, aber eben frischem, zu - ergab sich ein sehr nettes Gespräch. So erfuhren wir noch etwas mehr über unsere Zufallsbekannten, die lustigerweise von Beruf Ökologin und Astrophysiker waren … Am folgenden Tag wollten die beiden eigentlich zur Laguna Verde fahren, waren aber unsicher, ob der kleine Benzintank des Jimny plus 10 l-Kanister für die komplette Strecke ausreichen würden. Und als sie dann noch hörten, dass die Straßenbauarbeiten den Zugang zu Lagune und heißen Quellen praktisch unmöglich machten, kamen ihnen erst recht Bedenken.

Relativ früh verzogen wir uns in unser Zelt, aber an Schlaf war zunächst nicht zu denken, da direkt hinter den Zeltplätzen der Stromgenerator ratterte. So vertrieben wir uns die Zeit mit lesen oder einem Hörbuch, in der Hoffnung, dass bald auch der Verwalter der Lodge zu Bett gehen und dem Lärm ein Ende bereiten würde. Nach etwa einer Stunde geschah dies zum Glück auch und fortan herrschte paradiesische Ruhe.

Die Nacht war für die Höhe – wir befanden uns immerhin noch auf ca. 3500 m – erstaunlich mild, da zum ersten Mal überhaupt hier in Chile der Himmel komplett bedeckt war.

Als wir anderntags aus dem Zelt krochen, stellten wir fest, dass wir in einer ganz anderen Welt aufgewacht waren: Die Wolken hingen so tief, dass die höheren Berggipfel alle nicht sichtbar waren, und die Lagune lag absolut unbewegt da, weshalb sich die umliegenden Hügel eins zu eins darin spiegelten. Insgesamt wirkte die Landschaft auf uns so schon fast isländisch!


Über Nacht von Chile nach Island versetzt ;)

Nach dem Frühstück, bei dem auch schon bald die anderen beiden auftauchten, packten wir zügig zusammen und verabschiedeten uns. Dabei erzählten wir, dass wir vorhatten, am übernächsten Tag in den Nationalpark „Pan de Azúcar“ zu fahren, und erfuhren, dass die beiden dies ebenfalls planten. Also ein Wiedersehen? Man würde sehen…

Wir zuckelten dann im Lauf des Tages nach Copiapó, wobei es zunächst noch einmal über einen ganz ordentlichen Pass ging (ca. 4100 m hoch), später durch ein nahezu endloses, teils sehr tief eingeschnittenes Tal, in dem zwar nur ein dünnes Rinnsal floss, das aber offenbar ausreichte, üppiges Grün, ja mitunter sogar Bäume sprießen zu lassen.

Richtung Küste lichten sich die Wolken.

Bunte Hügel und große Gräser (Fuchsschwanz- oder Pampasgras)

Gegen Ende, als wir fast schon wieder das Tal erreicht hatten, in dem die Hauptroute Richtung Paso San Francisco (31-CH) verlief, machten wir in der beeindruckenden Schwemmebene des Bächleins auf ein paar Felsen Mittagsrast.

Leben sprießt aus der kleinsten Ritze -
 wenn sich darunter noch ein Schluck Wasser verbirgt.

Copiapó bzw. das Hotel Wara erreichten wir gegen 15.30 Uhr, nachdem wir gleich am Stadtrand bei erster Gelegenheit den Tank aufgefüllt hatten. Erstaunlicherweise hatten wir die Grenzen unseres Dieselvorrats längst noch nicht ausgereizt, obwohl die Warnleuchte auf den letzten 30 km geleuchtet hatte: mindestens 20 l waren noch im Tank und den Reservekanister hatten wir nicht angerührt.

Im Hotel fand offenbar eine Konferenz statt, jedenfalls war der Parkplatz mit lauter roten Toyota-Pickups zugestellt und es war diesmal deutlich mehr Betrieb. Da konnte man nur hoffen, dass es abends nicht allzu laut werden würde.

Zunächst bezogen wir aber unsere diesmal sogar noch einen Tick größeren Hütten und natürlich stellte wir uns nach einer Woche "Entzug" gleich mal ausgiebig unter die Dusche.

Es folgten ein sehr gemütlicher Nachmittag, ein üppiges Abendessen mit extrem bemühtem Jungkellner und eine erstaunlich ruhige Nacht. Offenbar war ich so müde (und der Rotwein zum Abendessen wird auch das seine dazu beigetragen haben), dass mich selbst die deutlich vernehmbare Geräuschkulisse der Konferenz nicht vom Einschlafen abhielt.

Morgens schliefen wir richtig lange aus, denn das Frühstück hatten wir erst auf 9.30 Uhr bestellt. Allem Anschein nach waren wir die einzigen verbliebenen Gäste, die Konferenzteilnehmer waren wohl noch in der Nacht abgereist.

Die Zeit bis wir das Zimmer verlassen mussten nutzten wir auch diesmal bis zum Anschlag aus. Das Reisetagebuch war noch längst nicht wieder auf dem neuesten Stand, außerdem sollten die verbleibenden Tage grob durchgeplant werden und bot sich hier die letzte Gelegenheit, für unsere finale Nacht in Antofagasta ein Hotel zu buchen.

Doch schließlich waren wir wieder auf dem Weg in den Nationalpark Pan de Azúcar, diesmal jedoch über eine alternative Strecke, die angeblich durch richtige Sandwüste führen sollte. Zunächst war davon allerdings nicht viel zu sehen, denn überall waren die Sandhügel mit grauen verdorrten Gewächsen überzogen. Vor ein paar Wochen oder Monaten, als dies frisches Grün und vielleicht sogar Blüten waren, sah das sicher toll aus…

Zurück in der Zivilisation nahe Copiapo.

Irgendwann entdeckten wir doch noch eine „unbefleckte“ Sanddüne, etwas abseits von der Straße zwar, aber es führte eine Piste dorthin. Zunächst schafften wir es problemlos, in die Nähe der Düne bis zu einer Art Aussichtshügel zu kommen. Das genügte Günter aber noch nicht, er wollte das Auto als Größenmaßstab direkt vor der Düne ablichten – und dabei wäre es fast passiert: um ein Haar hätten wir festgesessen … Letztlich ging es aber gerade noch einmal gut, und nachdem die Fotos im Kasten waren, konnte es weiter gehen Richtung Küste.

Pickup vor beinahe verhängnisvoller Düne.

In Caldera, einem kleinen, deutlich touristischen Küstenstädtchen, suchten und fanden wir ein Restaurant zum Mittagessen. Danach rollten wir frisch gestärkt weiter an der Küste entlang. Leider war es dabei mit dem Sonnenschein bald vorbei und wir fuhren in eine Zone mit zunehmend dichterem Küstennebel, der uns bis zu unserem Ziel, dem Campingplatz im Nationalpark Pan de Azúcar, treu blieb.

Pan de Azucar im Küstennebel (Camanchaca).

Copiapoa cinerascens

Eigentlich hatten wir vorgehabt, uns dort eventuell eine Hütte zu mieten, doch da die Frau an der Rezeption des Platzes von einem Sonderpreis nichts wissen wollte, den Günter morgens im Internet entdeckt hatte, und auf dem Normaltarif bestand (65000 Pesos statt 37000), nahmen wir schnell davon Abstand. Fürs Zelten waren zwar auch noch stolze 14000 Pesos fällig, und das bei fließend kaltem Wasser und zwei Stunden (kalter) Duschmöglichkeit pro Tag, aber geschenkt.

So suchten wir uns auf dem weitläufigen Gelände (nahezu der gesamte Strand wurde von unzähligen kleinen Strohdächern gesäumt, die Richtung Meer durch niedrige Mauern geschützt waren und außerdem je einen Picknicktisch und eine Grillmöglichkeit bereithielten) den in unseren Augen „besten“ Platz aus. In einiger Entfernung zum Eingang und möglichst dicht am Meer sollte es sein und natürlich nicht allzu vermüllt. Bei ein paar Felsen, die zum Land hin Sichtschutz boten und vielleicht den Wind noch zusätzlich bremsen würden, wurden wir schließlich fündig.

Spätnachmittags machten wir einen Spaziergang am Strand, wobei sich die Vögel hier mal wieder ziemlich kamerascheu zeigten. Abgesehen von einer Menge grau gefärbter Möwen gab es hauptsächlich verschiedene Watvögel: zweierlei Austernfischer, mal mit dem typischen schwarz-weißen, mal mit ganz schwarzem Gefieder, und dann mehrere Schwärme winziger Watvögelchen (vermutlich Sanderlinge), die ständig in hektischer Bewegung waren, hin und her gescheucht von den Wellen – und nun auch noch von uns …

Austernfischer-Paar

Sanderlinge?

Nach dem Abendessen wurde es uns bald zu kühl und feucht auf der Bank am Zelt und wir zogen uns ins Auto zurück zum Lesen, Wein trinken, Tagebuch schreiben.

In der Nacht war es im Zelt dann sehr warm und abgesehen vom Meeresrauschen, das teils schon ein richtiges Donnern war, absolut ruhig.

Allerdings war dies auch mit die feuchteste Nacht der gesamten Reise: vom Meer her gischtete es, der Nebel nässte und im Lauf der Nacht mischte sich auch noch echter Nieselregen darunter, so dass unsere Kartons auf der Ladefläche morgens von unten und oben mit Wasser vollgesogen waren. Gut, dass dies erst jetzt zum Ende unserer Zeit in Chile passierte. Und auch gut, dass es hier auf dem Platz Unmengen von Mülltonnen gab, so konnten wir einen großen Teil unseres akkumulierten Mülls und die unbrauchbar gewordenen Pappschachteln loswerden.

Der Himmel war an diesem Morgen so grau wie gehabt, trotzdem wollten wir noch eine kleine Wanderung zum Mirador oberhalb der Bucht machen.

Erst beim Verlassen des Platzes fiel uns auf, dass unsere beiden Bekannten von der Laguna Santa Rosa tatsächlich ebenfalls hier genächtigt hatten. Den Plan, zur Laguna Verde zu fahren, hatten sie letztlich aufgegeben und lieber eine näher gelegene Lagune, die Laguna Negro Francisco, besucht. Und nun schwärmten sie regelrecht von der klaren, kalten Nacht mit herrlichem Sternenhimmel, die sie dort erlebt hatten.

Nach kurzem Gespräch trennten sich unsere Wege wieder und wir machten uns auf zum Ausgangspunkt unserer Mini-Wanderung. Doch schon in der Nachbarbucht legten wir einen weiteren Zwischenstopp ein.

Geier für Chile.

Hier hatten Fischer gerade ihren Fang ausgenommen und an einer Stange aufgehängt, was die hier an der Küste allgegenwärtigen Truthahngeier (so häufig wie bei uns die Krähen), jede Menge Möwen und ein weiße Katze mit zwei verschieden farbigen Augen angelockt hatte.

Catch of the Day.

Auch ein paar Pelikane hockten auf den Vogelfelsen, allerdings waren die wieder hauptsächlich mit Ruhen und Gefiederpflege beschäftigt.


Danach der Fußweg zum Mirador: eine flach ansteigende Rampe, bestens angelegt durch ein Spalier von Kandelaber-Kakteen (Eulychnia iquiquensis), die aber offensichtlich überwiegend am Absterben oder bereits abgestorben waren.

Suchbild mit Guanako.

Der Ausblick von oben auf die Küste und die namengebende zuckerhutförmige Insel war nett, aber nun ja … Auf letzterer soll es Humboldt-Pinguine und Seeotter geben, allerdings darf man das Eiland nicht betreten, nur mit dem Boot umschiffen, was wir in Anbetracht des trüben Wetters gar nicht erst erwogen hatten.

Letzter Blick auf die "Zuckerhut"-Insel.

Im Lauf dieses Tages machten wir dann noch sehr viel Strecke. Anfangs ging es weiter durch den Pan de Azúcar-Park, der nicht nur den Küstenstreifen umfasst, sondern ein Stück ins wüstenhafte Hinterland reicht und dort, wie wir schon auf dem Herweg gesehen hatten, tolle vielfarbige Gesteinsformationen aufweist. Da aber leider die Sonne auch hier nicht schien, waren diese nun viel weniger fotogen als erhofft.

Der Küstenort Taltal dagegen präsentierte sich als eine sonnige Insel im Nebelmeer, womit wir direkt an der Küste am wenigsten gerechnet hätten.

Taltal

Hier pausierten wir für eine Pizza, die es an der Strandpromenade bei einer Art Imbiss mit Sitzplätzen im Freien gab. In dem um die Mittagszeit recht verschlafenen Ort war die Zahl der streunenden Hunde mal wieder auffallend groß und unangenehmerweise hefteten einige davon sich nach dem Essen erst mal an unsere Fersen. Zum Glück verloren sie aber bald das Interesse, als sie merkten, dass es bei uns nichts zu holen gab.

Weiter ging’s erst auf der bekannten Strecke bis Paposo und dann gerade aus weiter, auf der zunächst mehr schlechten als rechten Ruta 1, die auf dem Weg nach Antofagasta eine interessante und etwas abenteuerliche Alternative zur Panamericana sein sollte.

Auf der Ruta 1.

Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir an diesem abgelegenen Küstenabschnitt bestimmt einen Übernachtungsplatz finden würden, aber wir fuhren und fuhren und es war hier fast noch schlimmer als beim letzten Mal zwischen Paposo und Taltal. Immer wenn wir eine Bucht näher in Augenschein nahmen, mussten wir feststellen, dass da schon jemand campierte oder wohnte und/oder es lag jede Menge Müll herum, oder aber das ganze scheiterte daran, dass uns die Zufahrt zu steil und zu sandig war.

Zeltplätze entdeckten wir an der Küste zwar nicht, ...

... aber dafür jede Menge ...

... unterschiedliche Lebensformen.

Als die Sonne, die jetzt am Abend über weite Strecken auch an der Küste wieder schien, sich schon stark dem Horizont zuneigte, erreichten wir den Punkt, an dem die Straße landeinwärts abdrehte. Das Meer blieb zurück und es ging steil hoch ins Küstengebirge bis auf knappe 1000 m Höhe.


Kurz nach Sonnenuntergang erreichten wir ein Plateau, auf dem eine deutliche Fahrspur  von der Straße wegführte. Der folgten wir ein Stück weit und beschlossen schließlich, hier unser Zelt aufzuschlagen. Das dafür auserkorene Areal musste zwar noch von ein paar größeren Steinbrocken befreit werden, aber dann war es ein ganz annehmbarer Zeltplatz. Wir schafften es gerade noch, in der Dämmerung alles aufzubauen, gevespert wurde aber schon im Schein der Stirnlampen hinten auf der Ladeklappe.

Entgegen meinen Befürchtungen war es überhaupt nicht kalt hier oben, da der Wind vom Meer her inzwischen eingeschlafen war, und so blieb es auch die ganze Nacht. Günter ergriff diese letzte und durch die angenehme Temperatur ungewöhnlich entspannte Möglichkeit, den phänomenalen Nachthimmel über der Atacama zu fotografieren. Der Himmel war hier zwar schon nicht mehr so absolut klar und dunkel wie in den abgelegensten Wüstengegenden, zumal Antofagasta nur noch 60 km Luftlinie entfernt war. Trotz dieser Einschränkung war aber immer noch die komplette Milchstraße zu erkennen und eine solche Unzahl von Sternen wie man es bei uns nicht mal unter allerbesten Bedingungen in den Alpen sehen kann.


Morgens schien bei uns bald die Sonne, während unten an der Küste sich ein Wolkenmeer ausbreitete – zum Glück saßen wir jetzt nicht da drunter!


So frühstückten wir letzte Müslireste mit den letzten Äpfeln, tranken ungesüßten Tee, da sowohl das Kaffeepulver als auch der Zucker schon ausgegangen waren, und machten uns dann ans große Packen.

Da wir nicht wussten wie der Hotelparkplatz in Antofagasta aussehen würde und wir hier sowieso ungestörter waren, wollten wir das allermeiste schon mal so zusammenpacken, wie wir es für den Heimflug brauchten. Die eine Reisetasche war dann schon bald mit der Bergausrüstung plus Schlafsäcken und Isomatten rappelvoll und gefühlt mindestens am, wenn nicht über dem Gewichtslimit. So musste alles andere (Zelt, Kocher, Topf, Becher und die Steigeisen) zu den Klamotten in die andere Reisetasche – vom Volumen her kein Problem, aber wie würde es mit dem Gewicht ausgehen, wenn zum Schluss auch noch zwei paar Halbschuhe dazu kämen?

Schließlich war alles verstaut, hatte Günter die 18 l-Reserve aus dem Kanister in den Tank gefüllt und auch alle anderen morgendlichen Verrichtungen waren erledigt, so dass wir uns auf den kurzen Weg nach Antofagasta machen konnten. 138 km sollten es noch sein und trotz Schotterpiste kamen wir gut voran. Wie auch schon tags zuvor staunten wir, wie gut diese kaum befahrene Nebenstrecke (während all der Stunden, die wir hier verbracht hatten, waren gerade mal 3 Autos vorbei gekommen) über viele Kilometer ausgebaut war.

So erreichten wir recht flott die Hauptroute, auf der wir vor Tagen Richtung Küste gerollt waren. Kurz vor deren Einmündung in die Panamericana und dem hässlichen Industriegebiet La Negra am Rand von Antofagasta bogen wir abermals auf eine Nebenstrecke ab, die uns durch ein arg vom Bergbau zerfressenes, kurviges Tal schließlich etwas südlich der Stadt ans Meer brachte.

Hier machten wir noch einmal Brotzeit an einem leider schon wieder sehr vermüllten Strandabschnitt, weshalb wir uns lieber wieder auf unsere Ladeklappe setzten. Aber immerhin gab’s Meerblick und die Möwen waren sehr unterhaltsam: unser trockenes Mais-Knäckebrot verschmähten sie zwar am Ende, aber zuerst führten sie sich eins zu eins so auf wie im Trickfilm „Findet Nemo“ ...(Meins! Meins! Meins!).

Die letzten Kilometer in die Stadt führten vorbei an deutlich aufgeräumteren Stränden. Noch ein letzter Tankstopp und dann waren wir schnell und eigentlich viel zu früh beim Hotel „Pan Americana Antofagasta“, einem Koloss direkt am Yachthafen. Nicht schön, nicht neu, aber tolle Lage und mit extrem pompöser Lobby.

Das Einchecken ging schnell, dass wir ca. 1,5 Stunden zu früh waren – kein Thema. So bezogen wir unser Zimmer mit Meerblick für eine Nacht, wie wir dachten, holten unser Gerümpel aus dem Auto und dann stellte ich mich erst mal unter die wohlverdiente Dusche.


Währenddessen wollte Günter uns schon mal für den Flug am nächsten Morgen nach Santiago de Chile einchecken – und das Unheil nahm seinen Lauf:

Erst jetzt fiel Günter auf, dass sich die Flugzeit geändert hatte und dass wir nun statt um 9 Uhr morgens erst nachmittags um 15.45 Uhr fliegen sollten. Als er daraufhin die Mails durchforstete, die wir im Vorfeld der Reise von Sky-Airlines bekommen hatten, musste er zu unserem Entsetzen feststellen, dass uns dies schon am 28.2. angekündigt worden war, was uns leider völlig durch die Lappen gegangen war ...

Da war nun guter Rat teuer, denn mit dem Nachmittagsflug würden wir unseren Anschluss nach Amsterdam komplett verpassen. Mehrere radebrechende Telefonate mit einer Sky-Service-Hotline und unzählige „Please Hold the Line“ später hatte Günter endlich eine halbwegs des Englischen mächtige Servicekraft am anderen Ende der Leitung, und es kristallisierte sich als einzig sinnvolle Option heraus, noch am selben Abend nach Santiago zu fliegen.

So blieb uns nichts anderes übrig, als gerade mal zwei Stunden nach unserer Ankunft alles vollends flugfertig einzupacken, unser schönes, teures Hotelzimmer wieder zu räumen (auf den Kosten dafür blieben wir letztlich sitzen) und im Samstagabendverkehr zum Flughafen zu kriechen.

Unseren Pickup stellten wir auf dem Parkplatz für die Mietwagen ab, den Benzinkanister, die unbenutzte Schaufel und ein paar Lebensmittel, sowie die letzte angebrochene Gaskartusche ließen wir einfach auf der Ladefläche zurück und den Schlüssel warfen wir in die Box am Schalter der Autovermietung, der jetzt (samstags nach 14 Uhr) genauso wenig besetzt war wie er es morgens früh um 7 gewesen wäre.

Beim Aufgeben der Reisetaschen hatten beide diesmal 1,5 kg Übergewicht (der Sand? ;)), so dass wir letztlich unsere Halbschuhe noch ins sowieso schon prallvolle Handgepäck stopften. Danach war vor dem Abflug (20.50 Uhr) noch locker Zeit für ein Abendessen.

Für Santiago hatte Günter vom Hotel in Antofagasta aus zum Glück noch ein Zimmer direkt am Flughafen buchen können. So blieb es uns wenigstens erspart, die ganze Nacht und den halben folgenden Tag bis zu unserem Weiterflug um 15.30 Uhr auf irgendwelchen unbequemen Sitzen auszuharren.

Nachdem wir in Santiago gelandet waren und unser Gepäck abgeholt hatten, lieferte uns der im Zimmerpreis inbegriffene Shuttle Service schnell und unkompliziert im Hotel La Quinta ab und dank der freundliche Rezeptionistin waren dort innerhalb weniger Minuten alle Formalitäten erledigt. Uff – dann noch ein Glas Wein für jeden (das Günter der Hotel-Bar abbettelte, obwohl diese eigentlich jetzt, kurz nach 23 Uhr, so eben geschlossen hatte) und dann endlich schlafen!

Wirklich ruhig war es zwar nicht, da vor dem Fenster eine Schnellstraße vorbeiführte, die Fassade (oder was auch immer) singende Geräusche machte und gelegentlich Flugzeuge über uns hinwegdonnerten, aber das spielte in dieser Nacht dann auch schon keine Rolle mehr.

An unserem letzten Morgen in Chile konnten wir uns nun immerhin viel Zeit lassen – der einzige Vorteil, den unsere Organisationspanne brachte. Also begaben wir uns erst nach neun gemütlich zum Frühstück und blieben dann umso länger sitzen. Unser Zimmer durften wir bis 12 Uhr behalten und direkt im Anschluss brachte uns ein Taxi wieder zum Flughafen.

Ab Santiago de Chile verlief unsere Heimreise ohne weitere ernsthafte Komplikationen. Nur die üblichen Mühseligkeiten, die lange Flüge mit mehrmaligem Umsteigen nun mal mit sich bringen, stellten unsere Geduld auf die Probe: das endlose Sitzen im Flieger, die praktisch nicht vorhandene Nachtruhe und bei jedem Zwischenstopp hieß es wieder aufs Neue Anstehen in den verschiedensten Warteschlangen und mussten unzähligen Kontrollen durchlaufen werden. Von letzteren die unverständlichste war die Passkontrolle bei der Zwischenlandung in Rio de Janeiro, wo wir ja weder ins Land einreisen wollten noch folglich wieder ausreisten.

Noch einmal der Flug über die Anden - einer der hohen
Schneegipfel in der Ferne könnte der Aconcagua sein.

Doch schließlich landeten wir am 16.4. fast pünktlich um 17 Uhr in München und waren dank Daniels „Shuttle“-Diensten bald darauf wieder zuhause.

Fazit und Ausblick


Gut 3 Monate nach unserer Rückkehr kann ich für unser Chile-Abenteuer eine durchweg positive Bilanz ziehen (die Härten und Anstrengungen sind inzwischen ja längst verdaut ;)).

Meine anfänglichen Bedenken waren unbegründet: alles hat sehr gut geklappt, sowohl organisatorisch (abgesehen von der übersehenen Flugzeit-Änderung), als auch was das Bergsteigen angeht. Unsere in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen im Höhenbergsteigen, insbesondere auch im Hinblick auf  die Akklimatisation, waren offenbar ausreichend, um unter bestimmten Voraussetzungen auch auf eigene Faust Berge jenseits der 6000er-Marke besteigen zu können.

Allerdings muss ich auch zugeben, dass wir trotzdem viel Glück hatten, vor allem was das Wetter betrifft, aber auch insofern wir beide die ganze Zeit weitgehend von Krankheiten und Verletzungen verschont blieben. Andernfalls hätte es schnell relativ brenzlig werden können, zumal wir an nahezu allen Bergen völlig allein waren.

Chile als Reiseland hat alle meine Erwartungen vollkommen erfüllt oder sogar übertroffen und das obwohl wir ja nur einen winzig kleinen, sehr speziellen Teil des Landes erleben konnten.

Die Atacama mit ihren scheinbar endlosen Weiten, die Kahlheit der Wüste im Kontrast zum üppigen Grün gelegentlicher Flusstäler, die Einsamkeit in Wüste und Gebirge (eine heilsame Erfahrung, wenn die Welt zuhause mal wieder zu eng und voll erscheint ...), aber auch der Kampf mit der dünnen Luft, dem permanenten Wind und dem Sand, und, last but not least, natürlich der überwältigende Sternenhimmel sind starke Eindrücke und Erfahrungen, die von dieser Reise bleiben werden.


Nachts am San Pedro.

PS:

Mittlerweile steht nun auch der zweite Teil des Projekts 6x6 schon beinahe: im September werden wir 3 ½ Wochen in Ladakh, im äußersten Nordwesten Indiens verbringen, und wieder soll es auf drei Sechstausender gehen …