Sonntag, 28. Oktober 2012

Ecuador 2012 - Straße der Vulkane III

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt



Die Akklimatisationstouren - immer höher hinaus


Mittwoch 24.10.  Fuya Fuya


Mit Cesar hatten wir uns schon um 7.30 Uhr zum Frühstück verabredet, da wir auf gutes Wetter am Morgen hofften. Leider schien diese Rechnung zunächst einmal nicht aufzugehen, denn schon vor dem Aufstehen prasselte Regen auf unser Dachfenster.

Davon ließen wir uns aber nicht abschrecken und starteten gleich nach dem Frühstück zum Ausgangspunkt unserer Route auf den 4263 m hohen Fuya Fuya bei den Mojanda-Seen. Auch heute ging es im Nieselregen los, der uns diesmal fast die ganze Zeit treu blieb, dank halbwegs angenehmer Temperaturen aber nicht weiter störte. Bedauerlich nur, dass so auch die Aussicht sehr zu wünschen übrig ließ.

Getrübter Blick zu den Mojanda-Seen beim Aufstieg zum Fuya Fuya.

Wieder stiegen wir schön langsam auf und hatten doch die 500 Höhenmeter – inklusive ganz kurzer einfacher Kletterei – bereits nach 2 Stunden geschafft. Zur Freude über unseren ersten Gipfel in Ecuador gesellte sich bei mir große Erleichterung darüber, dass wir schon nach so kurzer Akklimatisationszeit ohne Probleme auf über 4000 m  Höhe gekommen waren.

Am Gipfel

Der Abstieg ging dann ziemlich flott vonstatten. Vor allem Cesar konnte gar nicht schnell genug wieder unten sein, was sich im Lauf der kommenden Tage als Muster etablieren sollte. Für ihn waren unsere ersten zwei bis drei Gipfel sicher nur langweiliges Pflichtprogramm und außerdem zog es ihn nach Hause zu seiner Frau und der 3 Monate alten Tochter.

Und schon geht's wieder runter.

So holten wir schon um die Mittagszeit unser Gepäck bei der Lodge ab und machten uns auf den Rückweg nach Quito. Unterwegs legte Cesar noch einen kurzen Stopp im Dorf  Cayambe ein, damit wir eine ecuadorianische Spezialität probieren konnten, für die dieser Ort besonders berühmt ist: Bizcochos, ein Gebäck, das hier meist mit einer Art Karamell (dulce de leche) oder Käse (queso de hoya) gegessen wird – sehr zu empfehlen!

In Quito lieferte uns Cesar wieder im Hotel Vieja Cuba ab. Vor der Fahrt nach Otavalo hatten wir darum gebeten, in ein Zimmer im zweiten Stock umquartiert zu werden, in der Hoffnung, dass es dort ruhiger wäre. Von den anderen Hausbewohnern hörten wir so tatsächlich nicht mehr viel, dafür hatten wir jetzt ein Eckzimmer, das den Lärm von zwei Straßen abbekam – na ja, für den Notfall gab’s immer noch Ohropax.

Da es zum Mittagessen mittlerweile schon etwas spät, aber zum Abendessen noch zu früh war, kauften wir im Supermarkt um die Ecke Früchte und Gebäck für den kleinen Hunger zwischendurch.

Gegen Abend schlenderten wir zur Plaza Foch, wo wir zunächst die Happy Hour nutzten und vor dem Restaurant Q Cocktails schlürften. Später zogen wir zum Abendessen ins Innere des Restaurants um. Das Essen war hier zwar nicht ganz billig, aber die Tagliatelle mit Rindfleisch dafür auch ganz hervorragend. – So ließ es sich leben, das fühlte sich schon fast wie Urlaub an ;)


Donnerstag 25. 10.  Rucu Pichincha



Doch schon am folgenden Morgen wurde es wieder ernst und der nächste Gipfel stand auf dem Programm.

Um 8.15 Uhr holte uns Cesar beim Hotel ab und um 9.00 Uhr stiegen wir an der Bergstation auf knapp 4000 m aus der Gondelbahn TelefériQo.

Der TelefériQo brachte uns direkt aus der Stadt auf  4000 m Höhe.

Von dort wanderten wir gemächlich Richtung Rucu Pichincha. Sobald es etwas steiler wurde, spürten wir diesmal durchaus die ungewohnte Höhe, aber indem wir konsequent langsamer gingen, sowie sich leichtes Kopfweh bemerkbar machte, konnten wir das Problem ganz gut in Schach halten.


Kleine Pause am Fuß des Rucu Pichincha - unser Bergführer Cesar Espinel

Technisch war der Aufstieg unwesentlich schwieriger als am Fuya Fuya, lediglich im oberen Drittel mussten wir ein paarmal die Hände benutzen und kurz unterhalb des Gipfels wurde der Pfad recht schottrig.

Der Gipfel des Rucu Pichincha hüllte sich den ganzen Tag in Wolken.

Gegen 11.30 Uhr hatten wir den 4696m hohen Gipfel erreicht, von wo wir aber leider keinerlei Sicht hatten, weder auf den etwas höheren Nachbargipfel Guagua Pichincha noch ins Tal.

Zum Glück gibt's ein Schild, das den Gipfel markiert.

So machten wir uns schon nach einer kurzen Rast an den Abstieg. Auch heute legte Cesar wieder ein irres Tempo vor, bei dem wir kaum mithalten konnten (außer ganz oben, wo wir im Schotter abfahren konnten), und so waren wir schon nach einer guten Stunde zurück am TelefériQo, der uns hinab nach Quito brachte.

Noch hat Cesar mich nicht ganz abgehängt...

Wir waren dann so früh wieder am Hotel, dass wir uns nach der obligatorischen Dusche in einem kleinen Restaurant an der Calle La Nina zum Mittagessen noch eine „Hamburguesa Urbana“ genehmigten, die sich als ziemlich großer, leckerer Hamburger entpuppte. Was das speziell urbane daran sein sollte – abgesehen vielleicht vom großstädtischen Preis – entging uns allerdings irgendwie …

Nach einer ausgiebigen Siesta machten wir uns ans Packen, denn am Tag darauf sollte es schon Richtung Illiniza Norte gehen. Vor unseren „richtig großen“ Bergen würden wir nicht noch einmal nach Quito zurückkommen, daher mussten wir unser Gepäck jetzt so auf unsere diversen Koffer und Taschen aufteilen, dass wir den ausschließlich für Galapagos benötigten Teil im Hotel deponieren konnten.

Abends steuerten wir dann noch einmal das „Spaghetti“ an, was aber eher ein Reinfall war. Entweder hatten wir einfach nur Pech oder es lag daran, dass wir diesmal ohne Ramiro unterwegs waren, jedenfalls war alles, was wir bestellten, eher bescheiden – und teuer! Na ja, satt sind wir auch wieder geworden und so stand einem Ohropax-behüteten Schlaf eigentlich nichts mehr im Weg. Meine Nacht wurde trotzdem eher unruhig – da die anspruchsvolleren Touren nun unmittelbar bevorstanden, wurde ich wohl langsam etwas nervös.


Freitag 26.10.  Zum Refugio am Illiniza Norte




An diesem Tag hatten wir keine Eile, da lediglich die 70 km Fahrt zum Fuß der Illinizas und am späten Nachmittag der Aufstieg zur Hütte auf dem Programm standen. Wir frühstückten daher erst nach acht, packten dann noch vollends zusammen und deponierten das Galapagos-Gepäck im Hotel. Mit unseren vollgepackten Rucksäcken – wie sollte da für Cotopaxi und Chimborazo noch mehr reinpassen? – und dem übrigen Gepäck standen wir ab 10.30 Uhr bereit, aber Cesar ließ diesmal auf sich warten.

Gegen 11 Uhr waren wir dann endlich unterwegs nach Süden auf der Panamericana, zunächst mit dem Ziel Machachi. Wenn man Quito in dieser Richtung verlässt, gibt es, anders als im Norden, die Möglichkeit, weite Teile der Stadt auf einer Umgehungsstraße zu umfahren. Daher hatten wir schon nach einer Stunde die Hacienda La Estacion in Aloasí, einem Teilort von Machachi, erreicht. Dort ließen wir den Großteil unseres Gepäcks zurück, alles was wir nicht für die Illiniza-Tour benötigten. Nach einem Rundgang durch den Ort und Markt von Machachi, fuhren wir mit Cesar ins „Café de la Vaca“, wo wir uns ein ganz hervorragendes Mittagessen gönnten, insbesondere das Fleisch war hier wirklich super.

Anschließend holperten wir auf einer unbeschreiblich schlechten Schotterpiste die letzten Kilometer zum Parkplatz „La Virgen“ auf 3900m. Von da ging’s zu Fuß, mit vollem Gepäck, sprich allem, was wir für die Hüttenübernachtung und die Bergtour brauchten, zum Refugio Nuevos Horizontes (4740m). Günter benutzte hier schon die schweren Spantiks, da er ansonsten nur seine Lowa-Halbschuhe dabei hatte, mit denen er ohne Probleme die ersten beiden Gipfel bewältigt hatte. Dagegen hatte ich mich noch einmal für meine normalen Wanderstiefel entschieden, die auch vollkommen ausreichten.


Hüttenzustieg mit Blick zum Illiniza Norte - von links geht es über den Grat, dann unter dem Vorgipfel durch die Wand und schließlich auf den Hauptgipfel rechts.

Obwohl vor allem Günter ziemlich bremste, um keine Kopfschmerzen zu bekommen, erreichten wir die Hütte schon nach 2 ½ Stunden. Beim Aufstieg pfiff uns ein heftiger, kalter Wind um die Ohren, weshalb ich schon bald Stirnband und Goretex-Jacke auspackte.

Im Refugio waren wir zum Glück die einzigen Gäste und sogar der Hüttenwirt verließ uns noch kurz vor Einbruch der Dunkelheit, um im Tal neue Vorräte für den bevorstehenden Wochenendansturm zu besorgen. Die Hütte war relativ klein und hatte lediglich Schlafplätze für vielleicht 20 Personen. Strom gab es hier keinen, also auch kein Licht, aber immerhin eine Toilette mit zunächst funktionierender Wasserspülung, die dann allerdings über Nacht einfror.

Abends beobachteten wir direkt vor der Hüttentür einen Andenfuchs, der hier offenbar nach Küchenabfällen suchte.

Abendlicher Überraschungsgast an der Hütte

Nach einem eher mageren Abendessen – Brot mit Schinken und Käse, dazu Tee, aber wir hatten es ja so gewollt, Cesar hätte uns auch bekocht – legten wir uns schon um 19 Uhr in unseren Schlafsäcken auf die alten Matratzen. Anfangs fand ich es noch recht kalt in der Hütte, aber nachdem sich draußen der Wind gelegt hatte und nicht mehr durch die Ritzen pfiff, wurde es angenehmer. Beide hatten wir leichte Kopfschmerzen, aber während für mich die Nacht relativ ruhig verlief und ich zumindest zeitweilig schlafen konnte, meinte Günter morgens, dass er praktisch durchgehend wach gelegen habe.


Samstag, 27.10.  Illiniza Norte


Morgens um 6 Uhr fing Cesar an zu rumoren und bald darauf krochen auch wir aus den Schlafsäcken und machten uns bereit für unseren ersten 5000er hier in Ecuador. Das Frühstück fiel mangels Appetit eher kurz aus und so machten wir uns bald auf den Weg.

Bestes Wetter am Morgen -
kurz nach dem Aufbruch von der Hütte

Bei herrlichem Sonnenschein, relativer Windstille und bester Aussicht auf die Vulkane Antisana, Cayambe, Cotopaxi und später auch Chimborazo war der Aufstieg – wieder extrem langsam, wofür ich diesmal wirklich dankbar war – kein Problem.

Antisana und Cotopaxi (rechts).Über den Rücken in der Bildmitte verläuft der Hüttenzustieg.

Auch die berüchtigte Querung „Desfilladero de los Muertes“ und der anschließende Kamin waren für uns keine größeren Herausforderungen, zumal praktisch nirgends Schnee lag. Ich konnte mir jedoch gut vorstellen, dass diese Passage bei anderen Bedingungen problematisch sein könnte. So aber standen wir nach ca. 2 Stunden schon am Gipfel auf 5126 m Höhe und genossen die tolle Rundumsicht.


Nach flottem Abstieg (im unteren Teil der Südflanke konnten wir ein gutes Stück im losen Sand und Geröll abrutschen) waren wir um 9.30 Uhr schon wieder an der Hütte, wo wir noch alles so vorfanden wie bei unserem Aufbruch.

Beim Abstieg zur Hütte - Blick zum Illiniza Sur, dem sehr viel anspruchsvolleren Nachbargipfel

Wir packten schnell unsere restlichen Sachen zusammen, verspeisten noch ein Brot mit Schinken und Käse und Cesar briet sich eine trucha (= Forelle – wie hatte sich die auf 4700 m verirrt??). Und dann raste er auch schon wieder zu Tal und wir stolperten hinterher. Jetzt kam auch so langsam wieder ein mindestens ebenso garstiger Wind auf wie schon tags zuvor, so dass ich bis ins Tal gerne Stirnband und Jacke anbehielt, zumal ich auch, seit wir abstiegen, wieder ein bisschen Kopfweh hatte.

An diesem Samstag kamen uns irrsinnig viele Wanderer entgegen, wobei die meisten wohl nur einen Tagesausflug zum Refugio vorhatten. Auch den Hüttenwirt samt voll beladenem Maultier trafen wir schon kurz unterhalb der Hütte. Ein Bergführer-Kollege von Cesar war mit einem jüngeren Paar im Schlepptau zu einer Tagestour auf den Illiniza Norte unterwegs.

Kurz vor dem Parkplatz, im Hintergrund beide Illinizas

Beim Auto angelangt rumpelten wir ins Tal und Cesar lieferte uns in der „Hacienda La Estacion“ ab, um alsbald Richtung Quito zu verschwinden.

Innenhof der Hacienda La Estacion

Die Hacienda war im Wesentlichen ein gut gehendes Restaurant mit ein paar angeschlossenen Zimmern, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatten. Da in Ecuador offenbar Samstag der Tag ist, an dem man zum Essen ausgeht, tobte bei unserem Eintreffen gerade der Mittagessens-Wahnsinn und eigentlich hatte niemand Zeit und Lust, sich mit uns zu befassen.

Als wir monierten, dass das Wasser in der Dusche nicht heiß werde, hieß es, man werde sich „später“ darum kümmern. Meine Stimmung war daraufhin völlig am Boden, nicht funktionierende Duschen gehör(t)en auf Reisen für mich zu den schlimmsten Dingen überhaupt, zumal nach schweißtreibenden Touren. Und diesmal kam noch erschwerend hinzu, dass zwei weitere ungemütliche Hüttennächte am Cotopaxi unmittelbar vor uns lagen. Günter hakte dann noch einmal nach und erwischte zu unserem Glück den Besitzer der Hacienda, der dafür sorgte, dass bald doch ausreichend warmes Wasser aus der Leitung rieselte.

Und allerspätestens nach dem reichhaltigen Abendessen (Empanadas con Queso, Sopa de Pollo, gebratene Fleischstücke mit Avocado und Tomate, Reis, irgendein zu Talern geformtes und angebratenes Püree – vielleicht Kochbanane? – und Zitronenkuchen zum Nachtisch) war ich mit dem Schicksal wieder halbwegs versöhnt – und versuchte, lieber nicht allzu intensiv daran zu denken, was uns bevorstand.

Feuerwerk über Machachi