Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt
Vom Schwarzen Meer ins Donaudelta
Samstag, 17. Mai – Jurilovca, Camping & Parking
Die Nacht am Strand von Corbu war sehr ruhig, aber es regnete tatsächlich mit wenigen Unterbrechungen durch. Zum Glück musste ich während der Nacht nur noch einmal raus und dann erst wieder nach Tagesanbruch. Bei dieser Gelegenheit kam auch gleich „unser“ Hund angestürmt und wollte mich zum Spielen und Schmusen animieren, legte sich erst ganz flach auf den Boden und klopfte mit den Schwanz auf denselben und drehte sich dann sogar auf den Rücken und präsentierte seinen Bauch. – Das arme Tier! Da hatte es sich nun leider die komplett falsche Person ausgesucht … Im Lauf des Morgens versuchte er es noch bei Günter, als der jedoch auch nicht mitspielen wollte, gab er schließlich enttäuscht auf.
Grau in Grau war es morgens nach wie vor, doch immerhin hatte der Regen fürs erste aufgehört. So konnten wir unseren morgendlichen Verrichtungen und Geschäften wenigstens nachgehen, ohne von oben nass zu werden … Stattdessen hatte der Wind kräftig aufgefrischt und sorgte mit dafür, dass unser einziger Strandspaziergang am Schwarzen Meer, eher kurz ausfiel. Außerdem stießen wir im Norden bald auf ein militärisches Sperrgebiet und Richtung Süden kreuzten irgendwann ein paar eher unfreundlich wirkende Hunde auf. Zu unserer Überraschung fand sich am Strand keinerlei Müll, stattdessen war er übersät mit Muschelschalen und Meeresschneckenhäusern.
Am grauen Schwarzen Meer |
Strandgut |
Wenig Farbe auch mit Farbe ... |
Nachdem wir den „Max“ vom Strand wieder eine Stufe höher gequält hatten – die ersten Meter waren vom Regen ziemlich aufgeweicht und dann folgte ein Steilstück mit zum Glück festem Untergrund – ging es über die Betonpiste (padunk – padunk – padunk …) zurück nach Corbu, wo Günter am einzigen Bancomat des endlos langen Dorfes noch einmal Bargeld abheben wollte. Doch nachdem bei einer Kundin vor ihm vom Automat die Karte gefressen wurde und auch der nachfolgende Kunde keinen Erfolg hatte, kurvten wir lieber noch einmal ein paar Minuten zurück Richtung Constanƫa, wo es dann an einem Parkplatz auf dem Raffinerie-Gelände von Rompetrol tatsächlich einen funktionierenden Bancomat gab, der 900 Lei (ca. 175 €) für uns ausspuckte.
Anschließend ging es zum dritten Mal durch Corbu und dann weiter Richtung Istria. Bei den Brackwasserseen Lacul Nuntaşi und Lacul Histria hielten wir nach einer Möglichkeit zu wandern und Vögel zu beobachten Ausschau, doch konnten wir hier keinerlei offensichtliche Wege, Parkplätze oder Beobachtungstürme entdecken. So rollten wir weiter zum Museum und den Trümmern des antiken Ortes Histria und besichtigten stattdessen diese.
Am Eingang begrüßte uns eine Museumsbedienstete, doch Eintritt verlangte sie erstaunlicherweise keinen. Dankbar nutzte ich gleich mal das Museums-WC, das – wie nahezu alle öffentlichen WCs in Rumänien – sowohl mit Toilettenpapier ausgestattet war, als auch warmes Wasser und Seife zum Händewaschen bereithielt. Doch, wie ich es nun leider bereits öfters erlebt hatte, gab es auch hier keine Möglichkeit, die Tür zu verriegeln, ja man konnte diese noch nicht mal wirklich schließen?!
Bei einer kleinen Runde durchs Museum besahen wir uns die Ausstellungsstücke (Fragmente von Tongefäßen, Amphoren, Teile von Statuen und Grabsteinen), die zu unserem Glück auch auf Englisch beschriftet waren, was für die großen Tafeln, auf denen mutmaßlich die Geschichte der antiken Siedlung nachgezeichnet wurde, dagegen leider nicht galt. Gut, dass es Wikipedia gibt, so konnten wir uns im Nachhinein informieren, was es mit Histria auf sich hatte:
Gegründet wurde der Ort, eine Kolonie der ionischen Stadt Milet, vermutlich 657 v. Chr. als Hafenstadt am Schwarzen Meer. Leider verlandete der Hafen im Laufe der Jahrhunderte zunehmend, was die Bedeutung der Siedlung nach und nach schmälerte. Nach wechselvoller Geschichte wurde Histria in den Jahren 72-71 v. Chr. von den Römern erobert. Abgesehen vom schrumpfenden Hafen bzw. dem Verlust der Schiffbarkeit für größere Schiffe wurde die Stadt in ihrer späteren Geschichte immer wieder bei Kämpfen zu größeren Teilen zerstört und schließlich im 7. Jh. n. Chr. aufgegeben.
Mit Ausgrabungen wurde hier zwar bereits 1914 begonnen, dennoch umfassen die heute sicht- und begehbaren Ruinen nur einen Bruchteil der gesamten Stadt. Tafeln wiesen bei unserem Rundgang manche Grundmauern als Überreste von Tempeln aus griechischer Zeit, andere als römisch (z.B. Domus = Wohnhaus; Therme) oder als christliche (?) Basilica aus.
Nächster Programmpunkt sollte das längst überfällige Mittagessen sein. Viel Hoffnung machten wir uns nicht, im nahegelegenen Ort Lunca in der „Casa Pescarilor“ etwas zu essen zu bekommen, zumal es bereits auf 14 Uhr zuging. Zu unserer Freude stellte sich jedoch heraus, dass das Restaurant tatsächlich geöffnet hatte und man auch selbstverständlich bereit war, uns um diese Zeit zu verköstigen. Und am Ende blieben wir auch bei weitem nicht die einzigen Gäste, die hier zu später Nachmittagsstunde noch zum Essen erschienen.
Am Schwarzen Meer bzw. nahe dem Donaudelta erschien es uns nur natürlich, Fisch zu essen. Die Karte war hier ausschließlich auf Rumänisch, so musste wieder mal das Handy weiterhelfen. Zweimal Zanderfilet orderten wir, einmal paniert und mit Polenta, einmal mit Sauerrahmsauce und Pilzen plus einem kleinen Salat, der aus Tomaten, Gurken, Paprikas und Zwiebeln bestand. Der Fisch war dann ganz hervorragend und sehr, sehr reichlich bemessen (2-3 Filets pro Nase …). Und auch alles andere schmeckte prima, nur muss irgendwo auf Günters Teller massenhaft Knoblauch versteckt gewesen sein …
Unsere nächste kurze Fahrt brachte uns nach Jurilovca, wo wir uns schnell vergewisserten, dass es den anvisierten Campingplatz wirklich gab und er auch offen hatte. Zwar war das Tor nur einen Spalt geöffnet und niemand „Offizielles“ auffindbar, aber ein Wohnmobil mit Tölzer Kennzeichen stand auf dem Platz, so gingen wir davon aus, dass wir hier würden unterkommen können.
In dieser Hinsicht beruhigt fuhren wir dann noch ein Stück weiter bis zu einem Parkplatz, von wo ein teils ziemlich verschlammter Feldweg zu einer Landspitze zwischen den Lagunen Lacul Razim und Lacul Goloviƫa führte, dem „Capul Doloşman“. Etwas oberhalb davon befinden sich an einem kurzen Stück Steilufer die Überreste der antiken Siedlung Argamum, von der allerdings noch deutlich weniger ausgegraben ist, als in Histria. Ein netter Spaziergang wars trotzdem, zumal mit der Zeit nun sogar immer mal wieder die Sonne hervorspitzte und die Lagunen gelbgrün leuchten ließ, sowie die in dieser Gegend gerade allgegenwärtigen riesigen Disteln mit ihren grün-lila Blütenkugeln noch besser zur Geltung brachte.
Am Capul Doloșman |
Disteln |
An dieser Steilküste lag das antike Argamum |
Sonne! |
Lacul Razim |
Schließlich rollten wir zum Campingplatz in Jurilovca, schoben das Tor auf, suchten uns einen möglichst windschattigen Platz und machten uns dann gleich noch einmal auf den Weg. An den Seen und Tümpeln ganz in der Nähe des Platzes sollte es angeblich irgendwo Pelikane geben und diese wollten wir uns nicht entgehen lassen.
Zunächst führte der Weg dorthin aber an ein paar Gehöften vorbei, wo die Hunde zum Glück teils von ihren Besitzern abgelenkt, teils gut eingesperrt waren. An den Seen angelangt versperrte dann ein Tor den Weiterweg, doch stand es einen Spalt offen und ließ sich bewegen, auch ein Verbotsschild war nicht zu entdecken, so ließen wir uns nicht aufhalten. Dahinter begann ein ziemlich von Gänsen und anderen Vögeln verunreinigter Damm, auf dessen linker Seite wahre Bevölkerungsexplosionen von Schwänen und Blässhühnern zu bewundern waren – die Graugänse nicht zu vergessen! – rechts davon machte besonders eine Lachmöwenkolonie auf sich aufmerksam. Weiter draußen dünnten die Vogelscharen rasch aus, jedoch konnten wir tatsächlich am anderen Ende eines der Teiche einige Pelikane ausmachen – leider so gar nicht in fotogener Entfernung …
Ferne Pelikane |
Etwas enttäuscht machten wir uns daher bald auf den Rückweg, ließen uns noch einmal von den Hunden verbellen und dann folgte für mich erst mal eine ausführliche und angenehm heiße Dusche.
Später kam die Campingplatzbetreiberin vorbei, die Günter nach unserer Ankunft brav informiert hatte, und wollte nur 90 Lei für die Übernachtung verlangen, da unser Auto in ihren Augen eher in die Kategorie „Zelt“ fiel. Doch Günter gab ihr trotzdem die 100 Lei, die für einen Camper fällig waren. Außer uns nächtigte auf dem recht geräumigen Platz an diesem Abend nur noch der Tölzer, sowie ein rumänisches Paar.
Sonntag, 18. Mai – Murighiol, Camping Delta
Die Nacht in Jurilovca war vom Lärmpegel her eher so lala, weil es hier offenbar besonders viele schlaflose Hunde gab. Ein oder zweimal erhob sich zusätzlich zum Gebell ein solches Geheul, dass wir schon fast an Wölfe glauben wollten. Und gelegentlich war auch das Wummern von Partymusik zu hören, was mich ehrlich gesagt am meisten störte, aber immerhin auf kurze Phasen beschränkt blieb.
Auch diesmal wurde es nachts recht frisch, doch morgens heizte uns, anders als an den beiden vorigen Tagen, bald die Sonne ein. Weil zudem ein durchgehend sonniger Tag vorhergesagt war, hofften wir anfangs, dass es endlich mal wieder so richtig warm werden würde, was sich im Lauf des Tages allerdings als arge Fehleinschätzung herausstellte. Noch immer wehte ein ziemlich kalter Wind und von Zeit zu Zeit schoben sich auch dicke Quellwolken vor die Sonne, woraufhin es jedes Mal gefühlt gleich ein paar Grad kälter wurde. So empfahl es sich immer, Pulli oder Jacke zumindest mitzunehmen, wenn wir zu einer unserer Kurztouren an diesem Tag starteten.
Erster Stopp war in der Nähe des Ortes Enisala, wo ein ziemlich zerfahrener Feldweg zu einem Wäldchen mit wild wachsenden Pfingstrosen führen sollte (Rezervație de bujori). An dessen Rand parkten wir den „Max“ allein auf weiter Flur, wenn man von der völlig friedlichen Hundefamilie absah, die dort lagerte, und spazierten dann in den locker bestandenen Eichen-Hainbuchenwald hinein. Da die jüngsten Pfingstrosenfotos bei Google bereits zwei Wochen alt waren, hatten wir allerdings so unsere Zweifel, ob es jetzt noch Blüten zu bewundern geben würde. Zum Glück drehten wir trotzdem nicht frühzeitig um und fanden am Ende die blühenden Stauden, die als Wildlinge natürlich sehr einfache, eher an Tulpen erinnernde, tiefrote Blüten hatten.
Wilde Pfingstrose |
Verblüht. |
Als wir uns gerade auf den Rückweg zum Auto machten, kamen urplötzlich von allen Seiten Leute, die offenbar ebenfalls zu den Pfingstrosen wollten. Viele fuhren mit ihren Autos deutlich weiter in den Wald hinein als wir und bald war jede Ecke zugeparkt …
Nächstes Ziel war die mittelalterliche Burgruine (Cetatea Enisala), die jenseits der Straße auf einem dem Pfingstrosenwäldchen gegenüberliegenden felsigen Hügel oberhalb der Ortschaft Enisala thront.
Vom zugehörigen Parkplatz aus war auch die Zufahrt zu den Pfingstrosen noch gut einsehbar, auf der sich immer mal wieder eine Fahrzeugkolonne zu der „Sehenswürdigkeit“ wälzte … Na ja, auch wir waren ja hingefahren, schlicht weil es hier in der Gegend sonst nicht so viel zu sehen gab und wir uns den Tag irgendwie vertreiben mussten.
Bei der Burg genügte uns dann die Außenansicht auf die Reste des Gemäuers völlig. Für Günter als Fotograf war dabei, wie so oft, die größte Herausforderung, den Moment abzuwarten oder nicht zu verpassen, zu dem sein jeweiliges Motiv gerade in der Sonne lag …
Von der Burg rollten wir zum Alten Hafen der Ortschaft Sarichioi – ein Hafen, nicht etwa am Schwarzen Meer, sondern am riesigen Brackwassersee Lacul Razim – wo wir im Restaurant „Lake View“ zum Mittagessen einkehrten. Einen Innenraum im engeren Sinn gab es hier zwar nicht, doch bekamen wir immerhin einen Tisch im windgeschütztesten Bereich nahe der Küche. Wie schon bei den Pfingstrosen war es an diesem Sonntag auch hier ein Glück, dass wir früh genug dran waren. Man bemühte sich zwar nach Kräften, sogar größeren Gruppen noch spontan Platz anzubieten, doch der eine oder andere musste letztlich mit der zugigen Außenterrasse Vorlieb nehmen.
Das Menü wurde uns mündlich und auf Englisch vorgetragen. Der Einfachheit halber entschieden wir uns beide für in Backteig frittierten Hecht (Pike) mit Polenta und Gemüse. Letzteres stellte sich eher als Dekoration heraus und war ein kalter Mix aus Pilzen und stark zerkleinertem anderem Gemüse in rötlicher Sauce. Zusätzlich gabs noch eine ziemlich heftige weiße Knoblauchsauce, vor der sogar Günter, der Knoblauch in rauen Mengen grundsätzlich nicht abgeneigt ist, bald kapitulierte. Mit dem Hecht, den wir beide bis dahin noch nie gegessen hatten, konnten wir uns dagegen durchaus anfreunden.
Am Hafen von Sarichioi |
Hafenkatze |
Nach dem Essen legten wir die restliche, recht übersichtliche Strecke zu unserem Tagesziel Murighiol zurück, fuhren zunächst aber noch durch die Ortschaft hindurch und an den Sfântu-Gheorghe-Arm (= Sankt-Georgs-Arm) der Donau. Selbst dieser südlichste Arm des Flusses allein wirkte auf uns schon mächtig breit, obwohl es sich dabei nur um einen von drei Mündungsarmen handelte: Im Norden an der rumänisch-ukrainischen Staatsgrenze verläuft der Chilia-Arm und mündet in der Ukraine ins Schwarze Meer, und in der Mitte dazwischen fließt der etwas schmalere Sulina-Arm. An diesem Nachmittag entdeckten wir in der üppig frühlingsgrünen Flussaue nichts weiter Spektakuläres. Die meisten Vögel schienen sich gerade anderswo aufzuhalten, stattdessen umschwirrten uns umso mehr Mücken …
Am nächsten Morgen würden wir jedoch voraussichtlich noch genügend Vögel zu Gesicht bekommen, da wir uns gleich nach unserer Ankunft beim Chef des „Camping Delta“ zu einer vierstündigen Bootstour angemeldet hatten. In unchristlicher Frühe, um 5.10 Uhr (pünktlich!) sollte es losgehen, da gab es keine Diskussion … Na gut, das eine Mal würde schon verschmerzbar sein und Vögel sind nun mal früh morgens deutlich aktiver und zahlreicher anzutreffen, die Zahl der Vogelbeobachtungsboote dagegen noch viel geringer als später am Tag. Zudem hatten unsere unmittelbaren Nachbarn auf dem Platz so geschwärmt von dieser Tour, dass wir uns das Erlebnis auf keinen Fall entgehen lassen wollten.
Der winzig kleine Campingplatz war im Übrigen überraschend gut besucht: Insgesamt waren wir vier Parteien, von denen ein weiteres Paar unüberhörbar aus Schwaben kam. Der männliche Teil des Duos würde anderntags ebenfalls mit auf die Bootstour gehen und schien im Gegensatz zu uns ein echter Vogelfreak zu sein. Davon zeugte nicht zuletzt seine Kamera, die selbstverständlich mit dem entsprechenden Mega-Objektiv ausgestattet war.
Auch sonst war es auf dem derzeit ausschließlich von deutschsprachigen Campern belegten Platz außergewöhnlich leicht, ins Gespräch zu kommen. Besonders mit unseren direkten Nachbarn tauschten wir uns länger aus und erfuhren, dass diese bereits seit Ende März durch Osteuropa reisten und insgesamt ein dreiviertel Jahr unterwegs sein wollten. Da sie beide für den Ruhestand noch deutlich zu jung schienen, wunderten wir uns erst etwas, doch offenbar konnten sie großzügige Sabbatical-Regeln ihrer Arbeitgeber nutzen. Vom Donaudelta sollte es für sie am Schwarzen Meer entlang letztlich noch bis nach Georgien gehen, ganz ohne Zeitdruck und auch mal mit längeren Pausen an einem Ort. – Tja, schon eine ganz andere Art zu reisen als die unsere - bislang ...
Abends am Murighiol-See |
Vom Donaudelta in die Ostkarpaten
Montag, 19. Mai – Camping Cazare, bei den Vulcanii Noroioşi Pâdele Mari
An diesem Morgen klingelte der Wecker also um 4.30 Uhr, draußen war es da gerade mal leicht dämmrig. Trotzdem wurstelten schon dreiviertel des Platzes um diese Zeit herum, weil offenbar nicht nur unser Mitschwabe, sondern auch ein Schweizer Paar mit von der Partie sein würde. Bis wir uns schlaftrunken und nicht allzu ausgeruht (weil mal wieder viele Hunde …) in unsere Klamotten (inklusive langer Unterwäsche) gequält hatten, noch ein oder zweimal zum WC-Gebäude gewankt waren und mit den Rucksäcken vor dem Tor eintrafen, waren alle anderen auch schon da und es konnte losgehen.
Weil wir zu fünft plus Ovidiu (der Campingplatzbetreiber und Bootstour-Guide) nicht in einen PKW passten, hatten wir beide das zweifelhafte Vergnügen, von Ovidius Vater chauffiert zu werden, der ein etwas sonderbares Fahrverhalten an den Tag legte: mal latschte er aufs Gas, dann bremste er wieder abrupt. Auf dem Hinweg ging es noch so einigermaßen, aber später beim Zurück sah ich uns schon ein paarmal auf dem Heck von Ovidius Auto kleben, ehe wir dann wieder in den Sicherheitsgurten hingen …
Am kleinen Hafen von Murighiol staunten wir nicht schlecht über die Masse an Exkursions-Booten, die hier warteten. Ovidius Boot war eines der einfacheren, ohne Dach oder sonstigen Schnickschnack, nur ein offenes Boot mit Außenbordmotor, in das 5-6 Personen plus Bootsmann passten. Gegen 5.30 Uhr, als wir zu unserer Tour starteten, kroch die Sonne gerade mal so langsam über den Horizont.
Vor Sonnenaufgang im Donaudelta |
Dementsprechend frisch war es, obwohl wir anfangs eher gemächlich dahintuckerten. Die lange Unterwäsche war also durchaus angemessen, während die Kombi aus Fleecepulli und Regenjacke sich leider als doch etwas zu dünn erwies, so dass ich in den vier Stunden, die wir unterwegs waren, praktisch permanent leicht fröstelte. War aber zum Glück noch im aushaltbaren Rahmen und immerhin blieben meine Füße in den warmen Wandersocken und Halbschuhen warm, während Günters wohl ziemlich kalt wurden. Nach der Tour meinte er, dass er sich wünschte, er hätte sich morgens für seine Winterwanderschuhe entschieden. Wärmere Jacken hätten wir zwar im Rucksack gehabt, aber mit der Schwimmweste, die wir alle tragen mussten, war es uns beiden zu umständlich, diese anzuziehen. Auch vom mitgebrachten Proviant und Wasser brauchten wir null und nichts, aber immerhin musste so auch keiner von uns unterwegs ins Gebüsch …
Die Bootstour führte dann auf recht verschlungenen Pfaden über diverse Seen und Kanäle, auch öfter durchs Röhrichtdickicht und schließlich über einen künstlichen Kanal und einen Teil des Sankt-Georg-Arms der Donau zum Ausgangspunkt zurück. Unterwegs konnten wir an Vögeln alles mehr oder weniger aus der Nähe beobachten, was man sich nur vorstellen kann – oder wenigstens wir Banausen …:
Beide Pelikanarten, die hier vorkommen (Krauskopf- und Rosapelikan, letztere in Massen), Grau-, Nacht-, Rallen-, Purpur-, Seiden-, Silberreiher, sogar einen Kuckuck, der auf der abgestorbenen Spitze eines Baums saß und rief, Schwarzspecht, Drosselrohrsänger, Unmassen von Kormoranen, unter deren Brutbäumen wir unmittelbar vorbeiglitten (und hofften, dass uns kein übelriechendes Geschoss träfe), Trauer- und andere Seeschwalben, Ibisse bzw. Sichler und Seeadler, sogar mit Nest. Und als krönenden Abschluss gab es sogar noch Schlangen (Würfelnattern) zu bewundern, die sich zum Sonnen oberhalb des Ufers durch Baustahlgitter geflochten hatten, die vermutlich die weitere Erosion des Ufers verhindern sollten.
Nachtreiher |
Silberreiher |
Trauerseeschwalben im Tiefflug über Teichrosen |
Brutbäume der Kormorane |
Rosapelikane |
Schwanen-Take-Off |
Pelikan-Gerangel um die besten Fischgründe? |
Drosselrohrsänger |
Würfelnattern beim Sonnen auf der Baustelle |
Und natürlich gab es auch noch jede Menge Krähen (grau-schwarze), Möwen verschiedener Arten, Blässhühner, Schwäne, Haubentaucher und massenhaft Frösche, die zwischen den Teich- und Seerosenfeldern ein ständiges Hintergrundkonzert gaben. An vielen Stellen schauten ihre Augen und Nasen aus dem Wasser, bis kurz bevor wir sie passierten. Dann machte es plitsch und weg waren sie …
Interessant war, dass sich alle Mitfahrer (inklusive uns selbst) zwar brennend für Pelikane, Kormorane, Seeadler und die diversen Reiherarten interessierten, aber z.B. keiner wegen einer Möwe großartig zuckte. Und natürlich hätten wir ohne Ovidiu, der hier offenbar fast täglich unterwegs ist und von daher genau weiß, wo was zu finden ist, nur einen Bruchteil der Vögel überhaupt entdeckt, vom Bestimmen ganz zu schweigen.
Frühmorgens fesselte auch noch der Blick zur aufgehenden Sonne, wobei diese heute erst noch ein Wolkenband durchbrechen musste, ehe es so richtig schön wurde. Wegen des kühlen Winds empfahl es sich allerdings durchgehend, Stirnband oder Mütze aufzubehalten, zumal Ovidiu gegen Ende der Tour auch öfter mal richtig Gas gab, um größere Wasserflächen zügig zu überqueren.
Hier noch ein paar (Handy-)Eindrücke von der Bootstour:
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Sonnenaufgang |
Zurück beim Campingplatz und nachdem Tour und Übernachtung bar auf die Hand beglichen waren (620 Leu = ca.120 €), gabs erst mal das wohlverdiente Frühstück und eine Dusche, ehe es ans Zusammenpacken ging. Letzteres zog sich etwas länger hin, da die Nachbarn wissen wollten, wie es uns gefallen hatte, und ich mich mit meiner Mitschwäbin beim Spülen noch eine Weile über Hunde, Reisen und dies und das unterhielt. Schließlich verabschiedeten sich alle in verschiedene Richtungen, nur die Schweizer wollten noch ein oder zwei Tage bleiben und dann ebenfalls peu à peu wieder Richtung Heimat fahren.
Bei der Weiterfahrt versuchten wir zunächst, möglichst lang dem Verlauf der Donau zu folgen, weil wir unbedingt noch in die Gegend wollten, wo diese die Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine bildet. So ging es erst nach Tulcea, einer ordentlich großen und recht modernen Stadt, bei der sich der Sankt-Georg-Arm von der restlichen Donau abspaltet. Knapp 40 km stromaufwärts gab es bei Isaccea wohl früher eine Fährverbindung hinüber in die Ukraine, ob diese aber noch Bestand hatte, konnten wir von unserem Ausguck etwas außerhalb der Ortschaft nicht erkennen. Das gegenüberliegende Ufer sah – wenig überraschend – auch nicht anders aus, als das, an dem wir standen, nur weil es zur Ukraine gehörte, dem Land, das von Russland noch immer Tag für Tag angegriffen wurde (und wird) … Doch auch wenn die Kämpfe hauptsächlich im Osten des Landes stattfanden und der Südwesten, den wir hier vor Augen hatten, bislang glimpflich davongekommen war, war das Leben auch in dieser Gegend seit dem Krieg sicher ein anderes geworden.
Die Donau als Grenzfluss zur Ukraine |
Nachdem wir einige Minuten am Donauufer gestanden und Richtung Ukraine geschaut hatten, kam tatsächlich ein weißes Zivilauto angefahren, dem zwei junge Polizeibeamte entstiegen und uns (bzw. Günter) nach dem Grund unseres Hierseins befragten. Die Antwort „Urlaub“, prompte Auskunft über Woher und Wohin und ein generell wohl wenig auffälliges Benehmen überzeugte sie dann aber schnell von unserer Harmlosigkeit. Interessant: die beiden begrüßten und verabschiedeten Günter mit Handschlag, machten aber keinerlei Anstalten, auch mir die Hand zu geben, und redeten praktisch ausschließlich mit dem Mann … Na ja, andere Länder, andere Sitten …
Unser Mittagsvesper nahmen wir dann noch ganz in der Nähe am Donauufer ein, ehe es auf die längliche Fahrt zu den Schlammvulkanen ging, die mal wieder überwiegend, abgesehen von vielleicht 30 km Autobahn, auf Landstraßen zu bewältigen war. Bei Brăila überquerten wir die Donau auf einer brandneuen Brücke, die entgegen anderslautenden Behauptungen im Internet noch immer mautfrei zu befahren war (vielleicht weil noch nicht komplett fertiggestellt), hier wieder von Rumänien nach Rumänien. Während es im Donaudelta um die Mittagszeit angenehm warm (bis 23°C) und sonnig gewesen war, zog gerade, als wir die Brücke erreicht hatten, ein erster Gewitterschauer durch und es kühlte deutlich ab.
Auf dem etwas skurrilen Campingplatz bei den Schlammvulkanen, waren Wege und Wiesen – passend zum Namen des platzeigenen Restaurants „Muddy Land“ – schon bei unserer Ankunft völlig durchweicht. Mehrere noch folgende heftige Schauer machten es anschließend auch nicht besser.
Beim Abendessen gesellte sich ein Sachse aus dem Vogtland zu uns an den Tisch, nachdem wir drei die einzigen Gäste waren – Teil zwei unseres kommunikativen Tages :D. Er war schon seit Ostern unterwegs und hatte in den 4 Wochen seither deutlich mehr als 4 Länder besucht: Tschechien, Ungarn, Slowakei, Bulgarien, Serbien und jetzt eben Rumänien, von wo es noch nach Moldawien gehen sollte. Auch sonst war es ganz unterhaltsam mit ihm, und genauso hat das Essen gepasst: Günter war mit seinen Kohlrouladen und Polenta mit sehr scharfen Peperoni völlig einverstanden und bei mir war die Hühnerbrust zwar etwas trocken, die Pommes leider schnell kalt, doch der prima Kraut- und Rüben-Salat und das rumänische Bier dazu stimmten wieder versöhnlich.
Dienstag, 20. Mai – Pensiune-Camping 4, bei Gheorgheni/Niklasmarkt
Nachts regnete es zum Glück nicht mehr und Wiesen und Wege waren morgens immerhin so weit abgetrocknet, dass man zum WC-Häuschen kam, ohne sofort nasse Füße zu bekommen. Sonne und Wind taten dann ihr Möglichstes, um den Schlamm des Vortags rasch zu trocknen.
Die Nacht hier war im Übrigen absolut ruhig gewesen, keinerlei Hundegebell oder anderer Lärm drangen auf den doch recht abgelegenen Platz. Und die wenigen anderen Camper wollten ganz offensichtlich auch ihre Ruhe.
Nachdem wir abends beim Zähneputzen das Sanitärgebäude inspiziert hatten, das in höchstens halbfertigem Zustand verharrte – 2 WCs, die durch eine Rigipsplatte abgetrennt waren, ein Waschbecken mit kaltem Wasser, aber immerhin mit Seife und einem Heißlufttrockner, sowie skurrilerweise einem beheizbaren Spiegel, in den außerdem Beleuchtung, Uhr und Temperaturanzeige (morgens 10°C) integriert waren, dann viele unfertige Räume, ein Boilerraum und ganz hinten eine vielleicht funktionsfähige Dusche, sowie der Rohbau einer zweiten – wagte ich zu bezweifeln, dass hier eine warme Dusche zu erwarten war, und wollte schon darauf verzichten. Günter gab aber zu bedenken, dass genauso unklar sei, wo wir abends landen würden und wie dort die Duschsituation wäre, so probierte ich es am Ende doch aus. Und tatsächlich konnte ich dem Duschkopf dann nach kurzer Vorlaufzeit sogar ziemlich heißes Wasser entlocken :)
Frühstück, Wurschteln, dann ließen wir den "Max" noch mit geöffnetem Dach stehen und machten uns erst mal auf den Weg zu den Schlammvulkanen (Vulcanii Noroioşi Pâclele Mari), zu denen ein Pfad, der teils wie eine antike Römerstraße gepflastert war, direkt vom Campingplatz hinaufführte. Stellenweise gab es schon noch größere Sumpfabschnitte, die sich aber meist umgehen ließen, kein Vergleich zum vorigen Nachmittag, als unser sächsischer Bekannter wohl gleich nach seiner Ankunft hinaufspaziert war, sich total verschlammte Schuhe holte und am Eingang zu den „Vulkanen“ dann sowieso wegen des Wetters abgewiesen wurde.
Jetzt am Morgen durften wir jedoch 4 Leu pro Nase über den Ticketschalter schieben und die Attraktion betreten. Schnell wurde dann klar, warum man hier bei Regen Besuchern den Zutritt verwehrte. Der Untergrund war an manchen Stellen bereits von tief eingesunkenen Fußspuren verunstaltet, was den Gesamteindruck so zwar noch nicht störte, wenn aber alles von unzähligen Leuten zertrampelt würde, vermutlich irgendwann schon – ganz davon abgesehen, dass es eher wenig Spaß machen dürfte, sich mit Schuhen, die vom Schlamm mit jedem Schritt schwerer werden, zwischen den „Vulkanen“ über das Gelände zu schleppen.
Die Schlammvulkane, die mit Vulkanismus im engeren Sinn nichts zu tun haben, aber durchaus ähnliche Formationen bilden, weshalb man auch von kaltem Vulkanismus spricht, entstehen dadurch, dass hier Gase aus bis zu 3000 m Tiefe austreten, die beim Aufsteigen Grundwasser und Lehm mit an die Erdoberfläche befördern. Stellenweise gab es an der bereits getrockneten Lehmoberfläche Salzausblühungen, da das Wasser, das hier an die Oberfläche dringt, extrem mineral- und salzhaltig ist. An und auf manchen der Schlammtümpel, die sich neben schlotartigen Gebilden an verschiedenen Stellen des Areals fanden, konnten wir Salzfliegen entdecken und, wo der Schlamm nicht jegliche Vegetation verhinderte, gediehen spezielle salzliebende Pflanzen.
Schlammvulkankegel |
Es blubbert ... |
... an allen Ecken und Enden! |
Surreale Landschaft in Schwarz-Weiß |
Aug in Aug mit dem "Vulkan" |
Fließmuster und Trockenrisse |
Surreale Landschaft in Farbe |
Nach etwa einer Stunde hatten wir genug gesehen und kehrten zum Campingplatz zurück, wo wir gerade recht kamen, um „unseren“ Sachsen zu verabschieden und uns gegenseitig gute Weiterreise zu wünschen. Auch wir packten es dann wenig später, nachdem wir beschlossen hatten, das zweite etwas kleinere Schlammvulkangebiet (Paclele Mici) sausen zu lassen.
Diesel, Lebensmittel, Bargeld, Mittagessen ließ sich alles nach und nach entlang der Route besorgen. Für letzteres kehrten wir im bei Google hoch gepriesenen „Luana Land Resort“ ein, das am Ortsausgang von Cislău liegt. Leider stellte sich der Gastraum im Untergeschoss des Hotelkomplexes als finsteres und kaltes Verlies heraus. Doch die freundliche Servicefrau, die uns gleich in perfektem Englisch ansprach und Hilfe beim Entziffern der rumänischen Karte anbot, machte den ersten eher ungünstigen Eindruck dann wieder wett.
Vielleicht hätten wir uns tatsächlich beraten lassen sollen, anstatt auf die Übersetzungskünste unserer Handys zu vertrauen, denn ich landete letztlich bei einem Gericht, das lediglich aus Hühnerfleischstückchen, Zwiebeln und Paprikas in einer rötlichen, süß-sauren Sauce bestand und jegliche „Sättigungsbeilage“ vermissen ließ. Günter hatte dagegen Gulasch bestellt, das mit einer schicken Hefeteighaube über der Suppenschüssel kam und zum Ausgleich so viele Kartoffeln enthielt, dass sie locker auch noch für mich ausreichten.
Außer uns waren nur übersichtlich viele Gäste da, unter denen allerdings auch ein Polizist war. Vielleicht war seine Anwesenheit der Grund, weshalb uns die Kellnerin nur alkoholfreies Bier verkaufen wollte (die Promillegrenze für Autofahrer liegt in Rumänien bei 0,0‰) …
Eigentlich hatten wir ja gedacht, wir könnten an diesem Tag sogar noch eine kurze Runde um die Seen „Lacul Sfântu Ana“ und „Tinovul Mohoş“ drehen. Doch die Anfahrt zog sich immer mehr in die Länge, auch, aber nicht nur, weil wir einmal umkehren und ein Stück zurückfahren mussten, nachdem die Straße vor uns für eine Rally gesperrt war und wir nicht fast eine Stunde warten wollten. Unsere Alternativroute stellte sich allerdings auch als recht zeitraubend heraus, da sie auf einer nicht asphaltierten Straße mit vielen Serpentinen über einen bewaldeten Pass führte.
Nachdem dieser überwunden war, erreichten wir eine weite Ebene mit Raps- und anderen Feldern, die im Norden von einer Hügelkette begrenzt war und, abgesehen von der einen oder anderen exotisch anmutenden Kirche mit silbernem Metalldach, ebenso gut hätte am schwäbischen Albtrauf sein können. Mit der Zeit fiel uns auf, dass in dieser Gegend die Ortschaften sowohl rumänische, als auch ungarische Namen hatten, obwohl die ungarische Grenze von hier recht weit entfernt war. Außerdem schien es noch mehr Storchennester als in anderen Gegenden Rumäniens zu geben und begegneten wir auffallend vielen Pferdefuhrwerken.
Doch auch der Autoverkehr verdichtete sich dann immer mehr, wobei vor allem die viel zu vielen Laster auf den viel zu schmalen Straßen zum Problem wurden.
Als allmählich klar wurde, dass die Zeit für den Abstecher zu den Seen nicht mehr reichen würde, strebten wir direkt den Campingplatz in Băile Tuşnad an, einem schon auf den ersten Blick sehr touristischen Kurort, der auch recht gut besucht zu sein schien. Nur der Campingplatz unten am Fluss „Alt“ war völlig verwaist, das Tor zwar offen, aber sonst alles verschlossen und keinerlei Hinweis zu finden, an wen man sich für eine Übernachtung wenden sollte. So blieb uns letztlich nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.
Also noch einmal weiter, dabei war es mittlerweile schon reichlich spät. Zum Glück waren die Tage in der zweiten Maihälfte recht lang, denn bis wir die zusätzlichen gut 90 km bis nach Gheorgheni /Niklasmarkt bewältigt und etwas außerhalb der Ortschaft auf dem riesigen, aber beinahe menschenleeren „Camping 4“ (ein Radler mit Zelt, ein Paar mit Camper und wir) endlich einen Übernachtungsplatz gefunden hatten, wurde es fast 20 Uhr.
Mittwoch, 21. Mai – Durău, Camping Ursuleƫ
Die Nacht auf dem Campingplatz bei Gheorgheni war halbwegs ruhig, aber mit erfrischenden 5°C wieder deutlich kühler als zuletzt. Die Dusche in der, an ein sozialistisches Jugendferienheim (oder zumindest unsere Vorstellung davon) erinnernden, riesigen und sowohl optisch, als auch ganz real frostigen Sanitärhalle, funktionierte so einigermaßen. Jedenfalls kam nach einigem Warten in der Kälte heißes Wasser aus dem Duschkopf, wenn auch eher spärlich, da dieser ziemlich verkalkt war. Was hier mal wieder extrem nervte, war, dass die Putzfrau ausgerechnet zu der Zeit aufkreuzte, als die einzige andere Frau auf dem Platz und ich gerade WC und Dusche nutzen wollten, und ungerührt ihr Morgenprogramm abspulte ...
Solange ich mit dem Spülen des Frühstücksgeschirrs beschäftigt war, machte Günter den "Max" startklar und kam dabei mit dem Radler ins Gespräch, der hier in seinem Zelt übernachtet hatte. So erfuhren wir, dass er bereits 77(!) war, aus Mecklenburg-Vorpommern stammte und, teils mit dem Rad, teils auf andere Art, überall auf der Welt herumgekommen war. Für seine aktuelle Tour war er mit dem Flixbus von München nach Budapest gereist und hatte sich von dort mit dem Rad nach Rumänien aufgemacht. - Alle Achtung! Ob wir in dem Alter auch noch (oder wieder ...) sowas machen?
Günter beglich an der Rezeption noch unsere Rechnung (107 Leu) für die eine Übernachtung plus Stromverbrauch, der sogar an einem Stromzähler am Platz abgelesen wurde. Auch sonst nahm man es hier so genau wie auf kaum einem anderen Platz in Rumänien und verlangte beispielsweise bei der Ankunft beide Ausweise.
An der Passstraße Richtung Lacul Roşu, die wir nun unter die Räder nahmen, fiel mir zu meinem Bedauern auf, dass viele Bäume einen eher ungesunden Eindruck machten. Bisher war Rumänien für mich das Land der riesigen noch intakten Wälder gewesen, doch anscheinend galt dies leider auch hier nicht überall. Am Pass kurz vor dem See entsetzten uns dann die monströsen Bauaktivitäten, die dort im Gange waren, und sowieso wirkte rund um den See alles extrem touristisch.
Im kleinen „Supermarkt“ der Ortschaft Lacu Roşu besorgten wir noch Tomaten für unsere Brotzeit und Wein für den Feierabend, dann rollten wir mit dem Auto durch die eindrucksvolle Bicaz-Schlucht hinab. Diese erwies sich als absolut ungeeignet für Fußgänger, da viel zu schmal und stark befahren – auch gar nicht so wenige Laster donnerten hier durch! Von daher waren wir froh, dass wir erst gar nicht auf die Idee verfallen waren, das Auto bereits in Lacu Roşu stehen zu lassen, obwohl diese Strecke im Rother-Wanderführer „Rumänien-Ostkarpaten“ als Teil der Wanderroute (Nr.38) ausgewiesen war, an der wir uns anschließend orientierten.
Piatra Altarului, das "Matterhorn Rumäniens" von einem Aussichtspunkt an der Passstraße aus gesehen |
So aber parkten wir erst ganz am Ende der Schlucht bei der Einmündung des Bicăjel in den Bicaz und machten uns von dort zu Fuß auf den Weg. Gleich zu Beginn überquerten wir auf einer Hängebrücke den Bicăjel, die seit der Verfasser des Wanderführers zuletzt vor Ort gewesen war, offensichtlich repariert wurde – zum Glück, denn über den reißenden Gebirgsbach hätten wir es an dieser Stelle beim aktuellen Wasserstand sonst sicher nicht geschafft!
Schon bald wichen wir von der Rother-Runde ab und steuerten die Aussichtspunkte „Turnul Negru“ und „Piatra Poienii“ an, wo der angeblich beste Blick auf das „Matterhorn Rumäniens“ (Piatra Altarului) und in die Schlucht hinab lockte.
Während unseres gesamten Aufstiegs, der überwiegend im Wald verlief, stellten sich die Wege als ziemlich steil und schlammig-rutschig heraus – kein Wunder nach dem regnerischen Wetter in der letzten Zeit. Zudem ging es auch häufig über glattpolierte und gleichfalls extrem rutschige Kalkfelsen.
Bäche mussten dabei noch öfter gequert werden, auch eine weitere Hängebrücke über den Bicăjel wartete auf uns, diesmal ziemlich hoch und luftig über der Schlucht. Das mahnende Schild, das darauf hinwies, dass nur je eine Person gleichzeitig über die Brücke gehen solle, sowie die knarzenden Geräusche, die hier jeder Schritt verursachte, förderten dabei nicht gerade unser Vertrauen in die Konstruktion …
Bei einem ersten atemberaubenden Tiefblick in die Bicaz-Schlucht am Turnul Negru, trafen wir einen anderen Wanderer, der an seinem Rucksack griffbereit eine riesige Dose „Bärenspray“ befestigt hatte. Dies gab uns doch etwas zu denken, zumal wir kurze Zeit zuvor seltsame Laute aus dem Wald vernommen hatten, die wir nicht zuordnen konnten … Andererseits nahmen wir an, dass in dieser sicher nicht nur an diesem Tag stark frequentierten Wandergegend – sogar eine Schulklasse begegnete uns – jeder Bär wohl längst Reißaus genommen hatte. Wenig später kam uns im Wald eine Gruppe Hunde entgegen, die sich uns gegenüber zum Glück sehr vorsichtig, fast ängstlich verhielt. Wenig später hörten wir jedoch, wie die Meute plötzlich wie wild zu bellen begann. Welche Begegnung mit welchem Lebewesen diese Reaktion hervorgerufen hatte, vielleicht ein Reh oder womöglich doch ein Bär? – Wer weiß!
An der Piatra Poienii angekommen fanden wir die waghalsig über den Abgrund gebaute Aussichts-Kabine leider geschlossen vor. Offenbar hätte man, um den Schlüssel zu bekommen, irgendwo anrufen müssen. Doch auch von den Felsen aus war die Aussicht auf das „Matterhorn“ und in die Schlucht nicht zu verachten, so dass sich der Aufstieg allemal gelohnt hatte.
Nach einer gemütlichen Mittagsrast verlief unser Rückweg dann mehrheitlich über deutlich flacheres Gelände, gelegentlich sogar über schöne Wiesenhänge. Hier mündete unser Weg auch bald wieder in die Rother-Runde ein, wobei wir bereits ziemlich zu Anfang einmal den rechten Weg verfehlten, weil die Markierungen undeutlich und uneindeutig waren. Doch an einem der Gehöfte, die wir hier gerade passierten, hatte ein freundlicher Mann unseren Irrtum beobachtet und zeigte uns, wo´s langging.
Knabenkräuter |
Kurze Zeit später wären wir dann allerdings fast mit unserem Latein am Ende gewesen, denn wo im Rother-Wanderführer eine Furt, wieder einmal am Bicăjel, dem Autor kaum der Rede wert war, fanden wir uns vor einem ernstzunehmenden Hindernis wieder: Wo der Weg am Ufer endete und die Fortsetzung auf der anderen Seite erkennbar war, schien das Wasser mindestens einen halben Meter tief zu sein und strömte derart reißend vorbei, dass uns angst und bang wurde ... Was also tun? – Hier umzukehren hätte bedeutet, nahezu den kompletten bisherigen Weg zurückzugehen, eine Vorstellung, die uns noch viel weniger gefiel, als die, durch den Bach zu waten.
Zum Glück fanden sich in der Nähe des Bachs zwei stabile Stecken, die vielleicht dort von anderen Wanderern zurückgelassen wurden, die vom gegenüber liegenden Ufer herüberwaten mussten. Unsere Wanderstöcke hatten wir nämlich ausgerechnet an diesem Tag im Auto gelassen, in der irrigen Annahme, diese auf dieser „einfachen“ Wanderung nicht zu benötigen. Ehrlich gesagt hatte ich mir aber schon angesichts der rutschigen Aufstiegspfade mehrfach gewünscht, mich anders entschieden zu haben …
Günter machte sich dann als erster an die mühsame Bachdurchquerung, wobei es sich als gute Idee herausstellte, dass er nicht nur Wanderschuhe und Socken, sondern auch seine kurzen Hosen ausgezogen hatte, dann folgte ich. Der Wasserstand war wirklich gewaltig hoch, die Strömung nicht zu unterschätzen und eisig war das Wasser des Gebirgsbach noch obendrein. Auch der Untergrund im Bachbett war nicht der angenehmste, da wir uns einen Weg zwischen lauter unregelmäßige Felsblöcken suchen mussten.
Kurzum, die ganze Aktion war abenteuerlich, doch glücklicherweise ging am Ende alles gut. Immerhin war das Wetter an diesem Tag unser Freund und sorgte mit reichlich Sonne und bis zu 22°C dafür, dass unsere schockgefrosteten Beine anschließend flott wieder warm wurden.
Unser restlicher Rückweg war dann von völlig von Pferdefuhrwerken zerfahrenen bzw. von diversem Vieh zertrampelten Matschwegen geprägt.
Und zum Schluss führte die Route durch eine Alm, wo zwar weder Mensch noch Hund anzutreffen waren, die Markierungen des offiziellen Wanderwegs aber plötzlich fehlten. Stattdessen waren an diversen Gattern Verbotsschilder angebracht, auf denen auch mal mit bissigen Hunden gedroht wurde. – Da hatte ein Bauer wohl keine Lust auf Wanderer … äußerst unangenehm!
Trotz alledem war unser Fazit am Ende alles in allem positiv: eine lohnende Wanderung, die vielleicht noch schöner sein könnte, wenn die Wege alle so richtig trocken wären und etwas weniger Wasser im Bicăjel.
Mit dem Auto rollten wir anschließend weiter durchs Bicaz-Tal hinab. Nach dem Ende der Schlucht war es auch mit der Naturschönheit schlagartig vorbei, denn hier folgte nahtlos ein Zementwerk auf das andere (u.a. von „Heidelbergcement“). Die Dörfer mit den typischen Zementschleiern auf den älteren Dächern erinnerten mich stark an den Heimatort meiner Mutter, wo das ortsansässige Zementwerk noch in meiner Kindheit ebensolche Spuren hinterlassen hatte. Teils säumten auch Industrieruinen die Straße und viele alte Leute saßen vor den Häusern, die noch so aussahen und gekleidet waren, wie wir es von früher insbesondere von Vertriebenen aus dem Osten kannten.
Kurz vor dem Lacul Bicaz, einem riesigen Stausee, zu dem an dieser Stelle der Fluss Bistriƫa auf gestaut wurde, zweigten wir ab und sogleich begann die Straße wieder anzusteigen, denn wir steuerten schon das nächste Gebirge an, das Ceahlău-Massiv. Von einem Aussichtspunkt an der Straße konnten wir dann noch den See bewundern, ehe wir über einen kleinen Pass die Ortschaft Durău erreichten, wo wir etwas außerhalb auf dem Camping Ursuleƫ übernachten wollten.
Nach der doch recht langen und anstrengenden Wanderung hätten wir es an diesem Tag begrüßt, wenn wir uns zum Abendessen nicht mehr hätten wegbewegen müssen. Doch das im Internet versprochene Restaurant hatte angesichts der mauen Belegung – wir waren die einzigen – natürlich geschlossen. Ansonsten war der Campingplatz aber ok, der Empfang durch den gut Englisch sprechenden Betreiber sehr freundlich und die abgeschiedene Lage am Bach versprach eine ruhige Nacht.
Zum Essen gings, nach einer Dusche und nachdem wir die Avancen einer Katze abgewehrt hatten, die gerne gleich bei uns eingezogen wäre, noch einmal ins Ortszentrum von Durău, wo wir in der Pizzeria „La Fresca Pizza & Ristorante“ zwar auch die einzigen Gäste waren, aber trotzdem willkommen. Als das Essen auf den Tisch kam, sahen wir uns wieder einmal einer echten Herausforderung an die Dehnbarkeit unserer Mägen gegenüber, denn uns wurde eine wahre Riesenpizza serviert, die zudem mit irre viel Mozzarella überschmolzen war. Und die moldawische „Tochitura“, offenbar eine lokale Spezialität hier in den Moldawisch-Siebenbürgischen Karpaten bestehend aus Polenta, fettem Schweinefleisch, Würsteln und einem sehr heftigen Ziegen- oder Schafsfrischkäse plus Spiegelei, setzte dem dann noch die Krone auf.
Den Straßenhund, der zum Betteln vorbeikam, freuten das Fett vom Fleisch und die nicht bewältigten Pizzareste allerdings und sicher hätte er gerne noch mehr genommen …
Donnerstag, 22. Mai – Camping Dorna Eco, Dorna Candrenilor
Die Nacht auf dem Camping Ursuleƫ war dann wie erwartet ruhig und zudem nicht allzu kalt. Allerdings bildete sich so direkt am Bach recht viel Tau auf der Wiese und unserem Gefährt. Morgens war es erst sonnig, doch schon während des Frühstücks zogen Wolken auf und die ersten Regentropfen fielen noch vor unserem Aufbruch – keine idealen Bedingungen für eine Wanderung, dabei hatte der Wetterbericht doch erst für den Nachmittag Gewitter angedroht ...
Da der Camping-Betreiber nicht selbst vor Ort war, aber zwei Frauen in der Restaurantküche werkelten und ein Mann ums Haus zugange war, wandten wir uns wegen der Bezahlung an diese. Der daraufhin telefonisch kontaktierte Chef wies seine Angestellten offenbar an, nur 80 Leu von uns zu verlangen, obwohl laut Aushang 100 fällig gewesen wären, vielleicht ja wegen des eingeschränkten Service (kein Restaurant!).
Im kleinen „Market“ in Durău kauften wir Brot, Wasser und Birnen, ehe wir zur Nationalparks-Geschäftsstelle weiterfuhren. 10 Leu pro Person kostete auch hier der Eintritt in den Park und zu unserem Leidwesen erfuhren wir, dass die Fahrstraße, die Günter ins Auge gefasst hatte, um die Wanderung auf den Vârful Toaca abzukürzen, gesperrt sei und zwar diesmal sogar mit Schranke …
Also starteten wir direkt am Parkplatz der Geschäftsstelle und marschierten in den Wald hinein, erst flach entlang eines Bachs, dann, nach Überquerung eines Rinnsals zum ersten Mal steiler und anfangs extrem sumpfig zur Straße bzw. einem weiteren Parkplatz hinauf. Rund 100 Höhenmeter weniger wären es im Auf- und Abstieg gewesen, hätte man sein Auto erst hier abgestellt.
Jenseits der Straße führte der Wanderweg weiter steil über Wurzeln, Steine und meist trockene Erde bergan und noch hielt der Himmel dicht, wenn auch dunkle Wolken nichts Gutes verhießen.
Düstere Aussichten am Weg zum Vârful Toaca |
Auch als wir die „Berghütte Fântânele“, mittlerweile eher ein Berghotel, erreicht hatten, war es noch trocken, so legten wir hier eine kurze Trinkpause ein und genossen die Aussicht von der Terrasse.
Oberhalb der Hütte folgte eine lange Querung durch mehr oder weniger dichten Wald und hier begann es nun zu tröpfeln. Allmählich intensiviert sich der Niederschlag dann, so dass wir uns schließlich unter eine schief über den Weg hängende Fichte stellten, um unsere Regenjacken und Rucksackhüllen herauszuholen. Wer dabei allerdings vergebens nach seiner Regenjacke kramte, war Günter. Ausgerechnet an diesem Tag hatte er sie im Auto vergessen! Und seine Softshell war zwar besser als nichts, hielt dem Regen aber nicht allzu lange stand …
Während des weiteren Aufstiegs wechselten sich Schauer, Sonne und weitere Schauer ab und wir waren folglich fortwährend damit beschäftigt, die Jacken aus- und wieder anzuziehen.
Unmittelbar vor einem ersten Aussichtspunkt bei ein paar markanten Konglomeratfelsen (Căciula Dorobanțului) erwischte uns dann ein heftiger Graupelschauer, der uns unter Bäumen Zuflucht suchen ließ. Leider war hier alles voller Müll und sonstigen menschlichen Hinterlassenschaften, da die Wanderung zum Vârful Toaca bei besserem Wetter extrem beliebt zu sein scheint und die Masse der Ausflügler sich ganz offensichtlich nicht darum schert, die Landschaft in halbwegs ordentlichem Zustand zu hinterlassen …
Kurz überlegten wir, die Wanderung hier abzubrechen, doch nachdem der Graupel in leichten Nieselregen übergangen war, setzten wir unseren Weg fort und trafen wenig später eine rumänische Familie (Mutter, Vater, Kind in der Kraxe), die bereits am Absteigen war. Der Vater sprach überraschend gut Deutsch, da er für BMW arbeitete, und fragte uns nach dem Zustand der Wege weiter unten. Zudem warnte er uns vor dem aufziehenden Gewitter und erwähnte einen Felsen etwas weiter oben, unter dem sie den vorigen Graupelschauer abgewartet hätten.
Dass die Gewitter nicht bis zum Nachmittag warten würden, hatte uns durchaus auch schon gedämmert. Tatsächlich blitzte und donnerte es von Zeit zu Zeit, aber zum Glück immer sehr weit entfernt.
In der Hoffnung, notfalls unter den erwähnten Felsunterstand flüchten zu können, stiegen wir trotz sich wieder intensivierendem Regen immer weiter auf, nebenbei mit einem Auge danach Ausschau haltend. Am Ende erreichten wir jedoch einen Vorgipfel des Toaca, ohne etwas dergleichen entdeckt zu haben.
Es bleibt wechselhaft und in der Ferne grollt der Donner ... |
Im Tal bei Durău scheint die Sonne. |
Etwas später gelangten wir zum Fuß des Felsturms „Turnul Panaghiei“, den wir ebenso wie den Toaca-Gipfelaufbau auf nahezu ebenem Pfad umrundeten. An einer besonders schattigen Ecke fanden sich hier noch Schneereste auf dem Weg. Und schließlich standen wir am Beginn der Leiter, die zum Gipfel des Toaca führte, beschlossen aber, erst noch zur Meteorologischen Station weiterzugehen, in der Hoffnung auf einen halbwegs trockenen und windgeschützten Platz für die Mittagsrast.
Stairway to Vârful Toaca |
Leider stellte sich dann heraus, dass die Station gerade Baustelle und komplett abgesperrt war. So verspeisten wir unsere Brotzeit im Windschatten einer Hütte in der Umgebung, vermutlich ein Umspannhäuschen für die Stromversorgung. Auch hier oben lag zu unserem Entsetzen überall Müll und Toilettenpapier, so dass wir lieber doppelt aufpassten, wo wir hintraten und uns setzten …
Während unserer Rast beobachteten wir das Wetter: Im Nordosten dräuten sehr dunkle, offensichtliche Gewitterwolken und auch im Westen, von wo der Wind blies, zeigten sich dichte Wolken, die allerdings weit weniger bedrohlich wirkten. Dagegen hatte bei uns der Regen komplett aufgehört, kurz kam sogar die Sonne hervor und spendete ein wenig sehr willkommene Wärme.
Am Ende beschlossen wir, den Gipfelaufstieg über die Leiter – eigentlich eher eine Treppe – trotz der unsicheren Wetterlage zu wagen. Die Treppenstufen bestanden tatsächlich nicht aus Metall, wie wir zunächst angenommen hatten, sondern aus Kunststoffgitter und manche davon knirschten unter unseren Sohlen, gaben leicht nach oder bröckelten sogar. Dagegen waren Unterbau und Rahmen der Stufen, sowie die Geländer, abgesehen von den hölzernen Handläufen, durchaus aus Metall, weshalb bei einem Gewitter in unmittelbarer Nähe der Aufstieg sicher nicht zu empfehlen wäre. - Ganz davon abgesehen, dass es in dem Fall sowieso keine gute Idee ist, sich ausgerechnet an den höchsten Punkt der Umgebung zu begeben ...
Beim erstaunlich mühsamen und teilweise echt steilen Aufstieg donnerte es dann zwar noch einmal in der Ferne, doch wir erreichten den Gipfel wohlbehalten. Unangenehm kalt und zugig war es dort oben, so umrundeten wir nach den obligatorischen Gipfelfotos nur einmal das Gipfelplateau, das leider arg verbaut war, um die Aussicht nach allen Himmelsrichtungen zu bewundern und fotografisch festzuhalten.
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Teils ist die Treppe überraschend steil. |
Und wieder hinab. |
Nach knapp 6 Stunden und gut 1100 Hm, sowie 13 km Strecke hatten wir schließlich wieder unser Auto erreicht, zogen uns um und begaben uns auf die Weiterfahrt, bei der es zunächst noch einmal am Campingplatz vorbei und dann ans obere Ende des Lacul Bicaz hinab ging. Regnerisch blieb es dabei nach wie vor, doch gelegentlich kam auch die Sonne heraus und gerade, als wir den Stausee passierten, bildete sich darüber ein hübscher Regenbogen.
Regenbogen über dem Lacul Bicaz |
Bis fast an unser Tagesziel folgten wir anschließend dem Verlauf des Flusses Bistritz (Bistriƫa). In Vatra Dornei kehrten wir dann zum Abendessen im Restaurant „Casa Muntelui“ ein, das noch ganz neu oder zumindest frisch renoviert zu sein schien und extrem auf Berghütte gestylt war. Man saß hier an langen Holztischen auf Bänken ohne Lehne und mit Fellüberzug, die Wände „zierten“ Felle von Wolf, Bär, Fuchs und Wildschwein ...
Unsere Speisenwahl stellte sich leider nicht wirklich als Glücksgriff heraus, da die „Tochitura“ hier extrem trockene Fleisch- und Wurststücke enthielt, die teilweise sogar zu hart zum Aufspießen waren. Auch die Chickenwings waren keine Offenbarung, so blieb als einziger Lichtblick das hervorragende Grillgemüse mit Balsamico. – Na ja, vermutlich wäre es vernünftig gewesen, hier Forellen zu bestellen, auch wenn uns der Sinn nicht wirklich nach (grätenreichem) Fisch stand, da diese direkt in einem Teich vor der Tür gezüchtet wurden …
Immerhin hatte nach dem Essen der Regen aufgehört und später schien sogar die Sonne. Bei der Ankunft auf dem „Camping Dorna Eco“ wunderten wir uns zunächst, dass es dort scheinbar nichts gab, außer einer partiell gemähten Wiese. Doch alles klärte sich auf, als nach wenigen Augenblicken der Campingplatzbetreiber herbeigeeilt kam, um uns zu begrüßen, herumzuführen - und auch gleich den Obolus für die Übernachtung einzukassieren.
Duschen, Toiletten und Küche befanden sich hier in einem größeren Gebäude neben dem Platz, um dorthin zu gelangen, galt es jedoch, einen schmalen Korridor zu überwinden, der zu einer Schafsweide gehörte und mit einem – immerhin nicht scharf gestellten – Elektrozaun umgeben war. Da konnten wir nur hoffen, dass wir nachts nicht stolperten, wenn wir mal zur Toilette mussten … Die Schafe, deren Aufgabe es unter anderem war, die Campingwiese kurz zu halten, kamen dann auch gleich neugierig angelaufen. Der Chef meinte bei ihrem Anblick, dass er sie nun wohl doch endlich mal scheren müsse, da ihr Pelz auch vor den Augen mittlerweile so lang war, dass sie kaum noch geradeaus schauen konnten …
Freitag, 23. Mai – Borşa, Camping Pietrosul-Rodnei
An diesem Morgen war es in Dorna Candrenilor noch lange neblig, erst kurz vor 10, als wir uns auf die Socken machten, hatte dieser sich fast komplett verflüchtigt und die Landschaft ringsum zeigte sich wieder.
Der Campingplatzbetreiber, der an diesem Morgen im Gegensatz zu seinen Schafen nicht noch einmal aufgetaucht war, hatte am Vorabend kräftig die Werbetrommel für die offenbar berühmten und angeblich sehr sehenswerten „Zwölf-Apostel“, eine vulkanische Felsformation im Călimani Nationalpark, gerührt. Man könne dorthin auch vom nahen Poiana Negrii aus gelangen, ja sogar relativ weit mit dem Auto fahren, was uns sehr entgegenkam, da wir uns so den Umweg auf die andere Bergseite nach Neagra Sarului sparen konnten.
Die orthodoxe Kirche von Poiana Negrii |
Beim Blick auf die Karte bzw. in den Rother schienen zwei verschiedene Routen möglich, doch als wir jetzt die erste davon ansteuerten, standen wir ziemlich schnell vor einem Verbotsschild. Also kehrten wir um und versuchten unser Glück bei der anderen, doch auch hier war die Strecke nach einigen Kilometern für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Da aber keine Schranke uns an der Durchfahrt hinderte, ignorierten wir das Verbot zunächst, bis ein quer über den Weg parkender Holzlaster dem ein Ende setzte. Überhaupt waren auf der gesamten Strecke der Wald und die Forststraße völlig zerwühlt und große Abholzungsflächen vermittelten ein trauriges Bild.
So machten wir noch einmal kehrt, um es nun doch mit der anderen Anfahrtsvariante zu versuchen. Leider stellte sich in der Folge heraus, dass der Wald dort nach wenigen hundert Metern genauso verhunzt war, und viel zu schnell erreichten wir außerdem eine Stelle, an der dem Fahrverbot mit dem Hinweis auf angebliche Videoüberwachung Nachdruck verliehen wurde. Obwohl wir uns nicht vorstellen konnten, wie diese tatsächlich umgesetzt werden sollte, ließen wir das Auto lieber stehen und machten uns zu Fuß auf den Weg.
Ein paar Kilometer ging es dann den Forstweg entlang, wobei wir den Nationalpark Călimani ein paarmal streiften, lange Zeit aber außerhalb im Nutzwald wanderten, was man deutlich sah. Schließlich erreichten wir die Stelle, wo laut Open Street Map der eigentliche Wanderweg beginnen sollte, bis wo wir also ursprünglich mit dem Auto hatten gelangen wollen. Ein paar hundert Meter folgten wir nun einem geringfügig schmaleren Forstweg, bis wir eine total vermüllte Lichtung erreichten ...
Auf dem Pfad, der jenseits davon die Fortsetzung unserer Route sein sollte, stießen wir dann nach wenigen Metern auf umgestürzte Bäume, die wir aber mit etwas Mühe noch überklettern oder umgehen konnten. Doch kurze Zeit später ging dann gar nichts mehr, war, was einst ein Weg gewesen sein musste, völlig überwuchert von jungen Fichten und anderem Gestrüpp …
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Wir schlagen uns durchs Gestrüpp. |
Tja, da half nun nichts, als frustriert aufzugeben. Etwas vor besagter Lichtung, an einer weniger zugemüllten Stelle, ließen wir uns erst mal in der Sonne zum Vespern nieder. Dabei fiel uns irgendwann ein anderer Pfad auf, der hier abzweigte. Vielleicht, so dachten wir, war der Track bzw. das GPS nicht so exakt, wie es schien, und wir demnach bislang auf dem Holzweg unterwegs gewesen. Also folgten wir nach der Rast auch dieser Spur noch einige hundert Meter, doch auch diese verlief sich bald im Gestrüpp.
Immerhin bot dieser Umkehrpunkt, da er etwas höher lag, uns einen Ausblick auf unser geplantes Ziel. Und zumindest ich war dabei ziemlich verblüfft, in welcher Richtung sich die „12 Apostel“ von unserer Position aus befanden und dass sie noch derart weit entfernt waren. Erst jetzt wurde mir so richtig klar, dass wir bislang im Tal unterhalb der Felsen vorbei gewandert waren und später, um dorthin zu gelangen, noch einen weiten Bogen über sieben Hügel hätten auslaufen müssen (und anschließend das ganze wieder retour …).
So gesehen war ich am Ende fast froh, dass dieser Plan nicht aufgegangen war. Selbst unsere verunglückte Kurzvariante einer Wanderung summierte sich letztlich bereits auf gut 8 km, allerdings bei nur knapp 300 Hm. Und außer einem Paar Rehe, das erschrocken vor uns über den Bach flüchtete und einem weiteren Reh, das auf dem Rückweg in den Wald sprang, sowie ein paar Bächen und Frühlingsblümchen, gabs die ganze Zeit wenig zu sehen.
Andererseits dräuten über den "Zwölf Aposteln" schon am frühen Nachmittag dunkle Gewitterwolken, während wir in unserem Tal noch fast durchgehend die Sonne genießen konnten.
Erst bei der Weiterfahrt, bei der wir ab Vatra Dornei der Bistritz weiter flussaufwärts folgten, erwischte der Regen auch uns. Dabei bewegten wir uns, was die Natur anging, deutlich erkennbar allmählich wieder in Richtung frühstes Frühjahr, wurde das Laub an den Bäumen immer schütterer oder schlugen manche Laubbäume gerade erst zaghaft aus. Nahezu am Ursprung des Flusses ging es dann über einen Pass, den Pasul Prislop, und von dort in Serpentinen nach Borşa hinab, wo das Klima, der Vegetation nach zu urteilen, trotz der nahen Schneeberge des Nationalparks „Munƫii Rodnei“ wieder milder sein musste.
Kloster Ștefan cel Mare și Sfânt und ein Haus mit "Bordüre" Ciocănești |
Muuuh! |
In Borşa, einer ziemlich langgestreckten Ortschaft, die im Winter ein Skizentrum ist, erwartete uns nach unserer Ankunft dann zunächst mal eine kleine Odyssee: Eigentlich hatten wir für unsere Übernachtung hier den „Camping Laura“ ins Auge gefasst, der sich in den Außenbezirken ganz am nördlichen Rand der Ortschaft befinden sollte. Als wir jedoch dort ankamen, konnten wir keinerlei Hinweisschild oder sonstige Anzeichen eines Campingplatzes entdecken. Ein Nachbar von schräg gegenüber gab uns denn auch zu verstehen, dass es diesen Platz nicht mehr gebe, ob nur gerade jetzt oder für immer, konnten wir allerdings nicht in Erfahrung bringen. – Schade, denn anderntags wollten wir – vorausgesetzt das Wetter spielte auch nur ein wenig mit, wonach es jetzt am Abend leider nicht aussah – eine Wanderung auf den Vârful Toroioaga“ unternehmen, zu der man unmittelbar bei diesem Campingplatz hätte starten können.
So aber mussten wir nun nach einer anderen Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten und landeten schließlich auf der genau entgegengesetzten Seite der Ortschaft ebenfalls relativ weit außerhalb des Zentrums an den Nordhängen der Munƫii Rodnei. Der ziemlich übersichtliche „Camping Pietrosul Rodnei“ befand sich auf einem etwas größeren Rasenstück hinter dem Haus der Betreiberfamilie und lag mitten in einer Wohnsiedlung rundum von anderen Häusern und Gärten umgeben. Offensichtlich waren hier hauptsächlich die Frauen – die Mutter und ihre etwa 13-jährige Tochter als Übersetzerin – für den Platz zuständig, wohingegen der Vater und sein fast erwachsener Sohn sich bei unserer Ankunft gerade in ein Wochenend-Heimwerker-Hausverschönerungsprojekt stürzten.
Im Keller des Hauses, der dank Hanglage fast ebenerdig zu erreichen war, gab es für die Campinggäste je zwei WC-Dusch-Kombinationen und separate WCs. Weil wir auch hier mal wieder allein auf dem Platz waren, sollten wir natürlich tunlichst nur je eines davon benutzen.
Wegen der beträchtlichen Entfernung zum Ortskern von Borşa, empfahlen uns unsere Gastgeberinnen, das Abendessen in einer Pizzeria zu bestellen, deren Takeaway-Karte sie denn auch gleich parat hatten … Zu Fuß wären es fast 40 Minuten gewesen und Günter hatte verständlicherweise wenig Lust, sich noch einmal hinters Steuer zu klemmen. Zwar hätten wir notfalls auch selbst kochen können, doch letztlich siegte die Bequemlichkeit und bald waren zwei Pizzen und ein gemischter Salat auf dem Weg zu uns. Schneller als gedacht stand der Lieferdienst dann vor der Einfahrt und konnten wir uns zum Essen an einem der Tische in der überdachten Außenküche niederlassen. Obwohl bei nass-kühlem Wetter nicht wirklich einladend, war diese hierfür auf alle Fälle besser geeignet als unser Campingaufbau, denn Pizza essen ohne Tisch? – Schwierig!
Trotz des wechselhaften Wetters, das uns an diesem Abend immer mal wieder noch mit Regenschauern auf Trab hielt, spitzten gelegentlich die Berge, an deren Fuß wir unser Lager aufgeschlagen hatten, zwischen den Wolken hervor. Der für den Platz namengebende Pietrosul Rodnei (2303 m), der sicher auch ein interessantes Tourenziel gewesen wäre, zeigte sich dabei wenig überraschend bis weit herab verschneit.
Dagegen hofften wir am Toroioaga auf weitgehend schneefreie Verhältnisse, da dieser mit 1930 m deutlich niedriger war und der Anstieg außerdem auf der Südseite verlief. Die Berge auf der anderen Talseite hüllten sich jedoch durchgehend in dichte Wolken, so dass wir über die tatsächliche Lage dort im Unklaren blieben ...
Zum dritten Teil des Reiseberichts geht es hier