Nach einer angenehm ruhigen Nacht im wohl temperierten Zimmer auf einer Matratze mit genau der richtigen Härte riss uns der Wecker leider viel zu früh aus dem Schlaf, denn Günter hatte ihn gnadenlos auf kurz nach 7 gestellt. Immerhin schafften wir es auf diese Art aber fast pünktlich um 8 zum Frühstück, wo die vermutlich einzigen anderen Hotelgäste, eine Gruppe von 4 oder 5 spanischen Skifahrer*innen, sich ebenfalls schon vollzählig versammelt hatten.
Frühstücksmäßig musste ich mich erst mal wieder daran gewöhnen, dass es in Spanien noch viel weniger „gescheites“ Brot gab wie in Frankreich. Riesige, labberige Toastscheiben waren im Angebot, sowie ein gelb eingefärbtes Brot das außen mit Körnern verziert war, das wohl als „Vollkorn“ durchgehen sollte. Andererseits gab es Kuchen, jede Menge süßes Kleingebäck, Ananas, Bananen und anderes Obst, sowie Müsli in verschiedenen Varianten. Und natürlich Schinken, Speck, Käse und auch ein Omelette oder Rührei hätte man bestellen können, worauf ich im Gegensatz zu Günter noch keine Lust hatte.
Überhaupt hatte ich an diesem Morgen keine Lust zu gar nichts und besonders nicht auf die Skitour, die wir uns gestern vorgenommen hatten …
Doch draußen schien die Sonne und der Berg rief (manche von uns) entsprechend laut. Kurz nach 9 reihten wir uns daher in die Kolonne ein, die dem Skigebiet Plan de Beret entgegenstrebte. In Salardú, das auf ca. 1200 m liegt, war der letzte Fetzen Schnee wie gesagt längst weggetaut und nun schraubten wir uns Kehre um Kehre den Berg hinauf und es blieb und blieb grün neben der Straße, so dass uns so langsam schwante, dass es mit der Skitour auf den Tuc de Parros eng werden könnte.
Am Parkplatz auf 1844 m angekommen bot sich uns dann folgendes Bild: Rechterhand auf den beschneiten und nach Westen ausgerichteten Pisten lag genügend Schnee, linkerhand, dort wo unsere Tour hätte starten sollen, lag weit und breit gar nichts und die Loipe, auf der die ersten paar hundert Meter verlaufen wären, existierte längst nicht mehr. Lediglich im Bereich der zwei, drei Lifte, die es auch auf dieser Seite des Tals gab, war es weiß und weiter oben, so ab 2000 m wurde es überall allmählich besser.
Etwas abseits der Piste, wo, wie wir inzwischen wissen, im „richtigen“ Winter ein paar weitere Abfahrtsmöglichkeiten bestehen, schien es allerdings möglich, mit Skiern aufzusteigen. Und so machten wir uns auf den Weg, mit dem Plan einfach mal zu schauen, wie weit wir kämen. Innerhalb von zwei Stunden erreichten wir dann in etwa die Höhe der obersten Bergstation und wider Erwarten war es bis dort ein recht angenehmes Steigen auf mehr oder weniger weichem Schnee.
Hier oben kam nun jedoch langsam der Tuc de Parros ins Blickfeld und es wurde klar, dass es bis zu diesem noch seeehr weit war. Und natürlich würde es nicht flach dahin gehen oder gar permanent ansteigen, sondern wären unterwegs diverse Täler zu queren. Während wir noch diese Aussichten kontemplierten, holten zwei jüngere Spanier zu uns auf, die, wie sich herausstellte, ebenfalls den Tuc de Parros zum Ziel hatten. Die beiden zogen dann ziemlich flott davon und wir folgten mehr oder weniger ihrer Spur hügelab und hügelauf bis wir auf einem überwechteten Kamm anlangten und die beiden beim Abfellen antrafen. Denn hier wartete nun das tiefste Tal von allen und zugleich dasjenige, in dem wir normalerweise aufgestiegen wären. Jenseits der Senke würde also erst der eigentliche Gipfelaufstieg zum Tuc de Parros beginnen, nachdem man zuvor noch gut 150 Hm abgefahren wäre …
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Jenseits des Skigebiets folgen wir zwei Skitourengehern, die ebenfalls den Tuc de Parros anstreben. |
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Hier lassen wir die beiden schließlich alleine weiterziehen. |
Unser Entschluss, es hier, am Cap de Clòsos, immerhin auch einem kleinen Gipfel mit 2418 m Höhe, gut sein zu lassen, stand dann angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit (Mittag war längst vorbei) und des zunehmend matschigen Schnees schnell fest. So packten wir unser Vesper aus und genossen an diesem (fast) perfekt sonnigen Tag die Aussicht auf die Pyrenäengipfel rundum.
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Am Cap de Clòsos - im Hintergrund etwas rechts der Bildmitte und noch immer viel zu weit entfernt der Tuc de Parros |
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Herrlicher Ausblick nach Süden auf unzählige Pyrenäengipfel |
Auf dem Rückweg war die Schneebeschaffenheit dann überwiegend ok, teils perfekter Firn, teils etwas weicher und schwieriger zu befahren, aber immer auch mit meinen mäßigen Fahrkünsten machbar. Für den letzten längeren und steileren Aufstieg zurück zur Bergstation des Lifts fellten wir dann noch einmal an und dann gings auf der hier einzig verbliebenen blauen Piste flott zurück zum Parkplatz.
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Abfahrt im schönsten Frühjahrsfirn |
Letzten Endes machte diese Skitour mir, als die morgendlichen Anlaufschwierigkeiten einmal überwunden waren, großen Spaß, was nicht zuletzt daran lag, dass ich diesmal erstaunlicherweise mit meinen Füßen keinerlei Probleme hatte …
Nach einer gebührenden Siesta im Hotel drehten wir dann noch zu Fuß eine Runde durch Salardú und das etwas oberhalb gelegene Dörfchen Unha, die beide eine sehr alte romanische Kirche vorzuweisen haben. Die in Salardú war sogar geöffnet und so besichtigten wir den finsteren Kirchenraum mit seinem offenbar sehr alten und sehr schutzbedürftigen Holzkreuz: es steckte in einer Glasvitrine und wurde vermutlich bei kontrollierter Temperatur/Luftfeuchtigkeit konserviert. Auch die direkt auf den Putz gemalten Heiligenbilder und die geschnitzte Madonna beim Tabernakel wirkten sehr urtümlich.
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Iglesia de Sant Andreu de Salardú |
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Malereien am Deckengewölbe der Kirche von Salardú |
Ein kleiner Spaziergang entlang eines Wanderwegs – zum Bach hinab, über eine Drahtbrücke und auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinauf – brachte uns nach Unha, wo wir die Kirche allerdings verschlossen vorfanden. Zurück ging es etwas bequemer an der Fahrstraße entlang, wobei wir feststellten, dass es in Unha überraschend viele Restaurants gab – mindestens so viele wie im deutlich größeren Salardú. Geschlossen hatten um diese Zeit aber auch hier alle und würden frühestens um 20 Uhr wieder öffnen – Spanien halt …
Letztlich landeten wir an diesem Abend in einer Pizzeria in Salardú (La Estrellita), die bereits um 19.30 Uhr öffnete und überraschend gute Pizzen servierte. 😊
Donnerstag, 4. April – Salardú, Hotel Mauberme
Auch an diesem Tag sollte es noch einmal in den Schnee gehen, allerdings war die geplante Skitour zum Cap del Muntanyó d’Àrreu (2626 m) recht übersichtlich, da der Ausgangspunkt, ein Parkplatz in der Nähe des Passes Port de la Bonaigua, bereits auf 2000m Höhe lag. Aus diesem Grund rechneten wir uns auch gute Chancen aus, diesmal von Beginn an genügend Schnee vorzufinden. Doch leider mussten wir dann feststellen, dass offenbar weder die Höhenlage noch die Himmelsrichtung, zu der ein Hang mehrheitlich ausgerichtet ist, die einzig entscheidenden Faktoren sind, wenn es um die Frage Schnee oder kein Schnee geht. Im Skigebiet Bonaigua lag zwar massig davon, doch direkt daneben in der Rinne, durch die wir hätten aufsteigen wollen, verblieben bis weit hinauf nur einige wenige Reste.
Angeblich sollte man den Berg aber auch über das Skigebiet erreichen können und so stellten wir den Max dort auf dem Parkplatz ab, pappten die Steigfelle auf unsere Skier und trotteten hinter zwei oder drei anderen Tourengehern die Piste hinauf. Allzu dicht war der Gegenverkehr zum Glück nicht, trotzdem zweigten wir bei erster sich bietender Gelegenheit ab, wo wohl im Hochwinter eine weitere Piste von rechts einmündete. Mittlerweile war diese offenbar gesperrt oder aber es traute sich niemand in den schattigen Steilhang, der morgens noch steinhart gefroren und vereist war. Zum Aufsteigen eignete sich dieser von daher schon gar nicht, so hielten wir uns links, wo es flacher und der Schnee von der Sonne schon etwas weicher war.
Dass die Schneeauflage hier eher schütter war, hatten wir von unten schon gesehen, doch gehofft, dass wir uns schon irgendwie durchmogeln könnten. Doch schließlich ging mit Skiern definitiv nichts mehr und es half nur noch, abzuschnallen und das letzte Steilstück beschwerlich zu Fuß zu erklimmen.
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Mehr Schotter als Schnee, da ist Tragen angesagt. |
Immerhin lag nach dieser kurzen Wandereinlage dann endlich überall genügend Schnee, der teils noch einen Harschdeckel hatte, teils aber auch schon ziemlich weich wurde.
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Hier siehts schon besser aus. |
Im Sattel „Collada del Muntanyó d’Àrreu“, jenseits von dem es in das Hochtal hinab ging, durch das die eigentliche Skiroute zum Cap del Muntanyó d’Àrreu verlief, pausierten wir. Kurz zuvor hatten wir einen Tourengeher beobachtet, der den Hügel links des Einschnitts erklomm, und da wir auch heute keine große Lust hatten, in das Tal abzufahren und dann wieder aufzusteigen, hofften wir einfach, dass sich hier eine Möglichkeit ergäbe, über den Grat oder etwas unterhalb desselben zum Gipfel zu gelangen. So stiegen wir den zunehmend steilen, schon recht weichen Hang hinauf, gegen oben in immer engeren Spitzkehren, und schließlich konnte man die letzten Meter nur noch seitlich „hochtreppeln“, was mit der für den Aufstieg geöffneten Bindung natürlich eher schwierig war.
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Kurz vor der Collada del Muntanyó d'Àrreu |
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Etwas oberhalb des Sattels - die Aussicht wird immer besser! |
Am Ende hatten wir aber auch dies geschafft, nur um dann festzustellen, dass es von hier ganz sicher nirgendwohin weiter ging … Zu Fuß wagten wir uns noch bis zur nächsthöheren Stufe des Grats, doch danach wäre es erst wieder über Felsen ein Stück hinab, dann über eine Wechte und weitere Felsen gegangen, was wir mit den Skistiefeln (+ Skiern an den Rucksäcken) nicht riskieren wollten.
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Hier ist leider Schluss für uns - auch heute wieder, ohne den geplanten Gipfel erreicht zu haben. |
So verspeisten wir hier, an unserem persönlichen höchsten Punkt auf gut 2500 m, unser eher karges Vesper (wir hatten nur etwas Brot, Salami und Käse vom Frühstücksbuffet gemopst) und beratschlagten, was wir anschließend tun sollten. Doch noch in das Hochtal abfahren und zu „unserem“ Gipfel oder einem anderen aufsteigen? Da hielt sich bei uns beiden die Motivation in argen Grenzen. Dann lieber über die Pisten abfahren und den Nachmittag in tieferen Lagen mit einer Wanderung verbringen. Um schon wieder ins Hotel zurückzukehren, war es uns noch zu früh (unseren Umkehrpunkt hatten wir schon um 10 vor 12 erreicht) und das Wetter viel zu schön.
Also ging es auf überraschend angenehmem Firn von unserem Hügel wieder in den Sattel und von da schafften wir es, mit Schwung bis zur Skipiste zu queren. Ganz so einfach, wie wir uns das gedacht hatten, war es mit der Abfahrt dann leider nicht, denn unsere Piste endete in einem Talkessel, von wo ein Tellerlift die Alpinskifahrer wieder aufs richtige Niveau für die Talabfahrt hievte. Uns jedoch blieb nichts anderes übrig, als noch einmal die zeitraubende Prozedur des Anfellens und, nach einem recht kurzen Aufstieg, wieder Abfellens auf uns zu nehmen. Bei den letzten flotten Metern auf der Piste fielen unsere Blicke genau auf den bei unserem Aufstieg noch so eisigen Steilhang, der nun längst in der Sonne lag und völlig zerfahren war. Hätten wir das gewusst, dann wäre diese Abfahrt, obwohl fahrtechnisch sicher eher anspruchsvoll, vermutlich die schnellste und unkomplizierteste Alternative für uns gewesen …
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Skigebiet am Tuc de la Llança |
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Die Abfahrt über den morgens noch völlig vereisten Steilhang scheint sich zwischenzeitlich größter Beliebtheit erfreut zu haben. |
Am Parkplatz wechselten wir sogleich von den Ski- in die Wanderklamotten und machten uns auf die Suche nach einer passenden Wanderroute. Letztlich fiel die Wahl auf eine Tour von Unha zur Kapelle Sant Martí de Corilha, die über den Sonnenhang direkt gegenüber von unserem Hotel führte, der, wie wir wussten, absolut schneefrei war. Unser Aufstiegsweg entsprach dabei anfangs der Abstiegsroute eines Klettersteigs, mit dem Günter kurz geliebäugelt hatte, der mir aber deutlich zu schwierig erschien: Schwierigkeitsstufe D und eine freihängende Strickleiter? - Ohne mich! - Tatsächlich kamen uns auf diesem Wegabschnitt dann ein paar Klettersteigheld*innen entgegen.
War es oben am Bonaigua-Pass noch zugig und trotz Sonne sehr frisch gewesen, floss der Schweiß hier unten nun in Strömen. Besser wurde es erst, als wir aus dem Wald kamen und die Almhochflächen erreichten, auf denen wieder ein frisches Lüftchen ging. Dafür blühte es unten überall sehr schön, während weiter oben erst gerade so die ersten Huflattiche und Winterlinge ihre Blüten in den Wind streckten.
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Salardú |
Nach einer kurzen Pause auf ein paar Felsen, bei der wir uns noch einmal für den Weiterweg stärkten, ging es in einer langen Querung auf schmalem Pfad und anfangs hoch über einem Bachlauf entlang. Dieser Abschnitt der Wanderung erinnerte uns beide etwas an die karge Landschaft, wie wir sie auf Trekkingrouten im Himalaya kennengelernt hatten, ebenso wie das um diese Jahreszeit noch völlig einsame Tal, in das die Wanderung mündete.
Hier ging es nun zunächst am Bach entlang ein gutes Stück wieder steiler bergan und schließlich musste der Bach, der gar nicht mal so wenig Wasser führte, noch gequert werden, was an geeigneter Stelle zum Glück unfallfrei gelang. Und dann hätte das Ziel eigentlich erreicht sein sollen, doch von der Kapelle, die wir erwartet hatten, keine Spur! Lediglich ein paar Mauerreste und eine Betonplatte konnten wir nach einigem Suchen entdecken … Schon etwas enttäuschend, wenn das Ziel einer Wanderung, das auf verschiedensten Schildern und Karten verzeichnet ist, sich als quasi nicht existent erweist. Im Nachhinein bin ich mir jedoch gar nicht mehr so sicher, ob wir überhaupt an der richtigen Stelle waren. Jedenfalls scheint auch im Juni 2024, wie offenbar in jedem Jahr, an der Kapelle ein Gottesdienst stattgefunden zu haben ...
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Bei den Ruinen der Kapelle Sant Martí de Corilha - oder was wir dafür gehalten haben. |
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Bäche queren im Abstieg |
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Hoch über dem Val d'Aran |
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Salardú und eines der Skigebiete oberhalb |
Aber gut, gelohnt hat sich der Weg auch ganz unabhängig davon: von hier konnten wir die umliegenden Berge noch einmal aus ganz anderer Perspektive betrachten und eine absolut einsame Gegend kennenlernen – zumindest im Winter, im Sommer muss es, den Hinterlassenschaften nach zu urteilen, dort oben vor Kühen nur so wimmeln …
Für diesen Abend hatte Günter noch von unterwegs einen Tisch im Restaurant „La Tertulia de Unha“ (= Der Stammtisch von Unha) reserviert und so spazierten wir nach dem Duschen und Umziehen und einer kleinen Pause im Hotel noch einmal dort hinüber. Obwohl auf praktisch allen Tischen „Reservado“-Schildchen standen, waren und blieben wir diesmal die einzigen Gäste. Der Chef des Hauses war sehr speziell, das fing bei der exotischen Haartracht an und endete beim Schmuck (jede Menge Ketten mit und ohne Kreuz und mindestens ebenso viele Armbänder) noch lange nicht. Zur Daunenjacke trug er Schürze und offensichtlich war er Heavy-Metal-Fan, denn bei unserer Ankunft lief gerade Metallica und diesem Stil blieb der Soundtrack mehr oder minder treu.
Das Essen kam hier obligatorisch zum Teilen in die Mitte des Tischs. Wir wählten einen Salat aus Tunfisch, Tomaten, Zwiebeln und Kapern, eine „No-Tortilla“, die sich als Kartoffelstampf mit rohem Eigelb entpuppte, das erst am Tisch unter die heißen Kartoffeln gerührt wurde, und ein 400-g-Rindersteak, das sehr blutig und mit Pommes kam. Alles schmeckte prima, auch der Nachtisch – Torrija, die spanische Version von „Arme Ritter“.
Auf Südkurs – (k)ein Klettersteig, Geisterdörfer und Tozales
Freitag, 5. April – Camping Bungalowpark Isábena, La Puebla de Roda
Nach geruhsamem Aufstehen, Zusammenpacken und dem letzten Frühstück im Hotel in Salardú verstauten wir unsere deutlich mehr als sieben Sachen wieder im Auto, legten in Vielha noch einen Tank- und Einkaufsstopp ein und dann ging es durch einen langen Tunnel schnurgerade nach Süden auf die andere Seite der Pyrenäen.
Hier bogen wir wenig später von der N-230, der Hauptroute Richtung Lleida, ab und erreichten über Bonansa das Monasterio de Santa Maria de Obarra. Das alte Kloster, das sich leider als geschlossen und verwaist herausstellte, war hier allerdings nicht die Hauptattraktion für uns, sondern der wilde Klettersteig direkt darüber. Dieser sollte zwar „nur“ C/D- bewertet sein (also „viel“ harmloser als der D-Klettersteig bei Unha), doch dass er trotzdem noch recht knackig wäre, war uns beiden klar.
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Das Monasterio de Santa Maria de Obarra am Fuß der markanten Felsformation mit dem Klettersteig |
So vesperten wir zuerst auf dem Parkplatz beim Kloster, verstauten Ski und Zubehör noch besser in den Tiefen des Aufbaus und ich rang derweil mit mir, ob ich mich auf das Abenteuer Klettersteig einlassen sollte oder nicht. Schließlich entschloss ich mich doch dazu, einen Versuch zu wagen, obwohl in unserer Tourenbeschreibung (bergsteigen.com) schon darauf hingewiesen wurde, dass es in dieser Route keinen echten Notausstieg gab. War man also erst mal eingestiegen in den Steig, gab es kein einfaches Zurück mehr.
Zunächst ging es dann recht harmlos los. Anfangs waren die Stahlseile, die wie auch alle Klammern brandneu wirkten, eher Staffage als wirklich notwendig. Doch schon die ersten Steilaufschwünge, die im Topo (wie bei Kletterrouten gibt es auch für Klettersteige Skizzen, in denen neben dem Verlauf der Route die Schwierigkeitsbewertungen der einzelnen Abschnitte vermerkt sind) lediglich mit B bewertet waren, erwiesen sich als etwas kitzliger als gedacht. Und dann kam eine kurze, ganz leicht überhängende Stelle, mit der ich in diesem Abschnitt noch gar nicht gerechnet hatte. Zwar ist diese im Topo tatsächlich mit C bewertet, doch irgendwie hatte ich dies im Vorfeld wohl übersehen.
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Noch ist es vergleichsweise harmlos ... |
Hier dachte ich zum ersten Mal ernsthaft ans Aufgeben, weil ich mir schlicht nicht zutraute, mich über den kleinen „Überhang“ zu wuchten. Dabei gab es hier immerhin jede Menge Klammern zum Draufstehen und Festhalten und, nachdem ich allen meinen Schneid zusammengenommen hatte, schaffte ich es letztlich dann auch. Wenige eher leichte Kletterstellen später erreichten wir das Ende dieses ersten Steilabschnitts und eine längere Gehpassage folgte. Hier gab es zwar Hinweise auf einen „Notausstieg“, doch der wirkte in der Tat nicht sehr vertrauenerweckend. Letztlich hätte man sich wohl am ehesten noch über die erste Wand abseilen können, so man denn ein Seil gehabt hätte. Wir aber waren lediglich mit der üblichen Klettersteigausrüstung unterwegs und daher spätestens, seit wir den „Überhang“ bewältigt hatten, gefangen und im Prinzip dazu verdammt, den Klettersteig durchzuziehen …
Am oberen Ende der Gehpassage wartete dann für mich das pure Grauen: eine himmelhohe senkrechte Wand, die zwar üppigst mit Klammern bestückt war, mir aber allein schon durch ihre Ausgesetztheit den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Hier kreisten denn auch passenderweise ein paar Geier direkt über uns … Auch die Schlüsselstelle des ganzen Steigs war von hier unten schon gut zu erkennen, jener mit C/D bewertete Überhang, bei dem ich von Anfang an die meisten Zweifel hatte, ob ich diesen bewältigen könnte. Keine zehn Pferde würden mich dort hinauf bringen, soviel war klar!
Günter ließ sich dann überreden, den roten Punkten zu folgen, die wir am Fuß der Wand entdeckten und die, so meine Hoffnung, vielleicht doch eine Escape-Route markieren könnten. Allerdings würde man ja eher annehmen, dass eine solche Route nach unten führen würde und nicht immer weiter bergauf … An Ende folgten wir den Punkten wohl einfach in umgekehrter Richtung und kamen kurz vor der zweiten Seilbrücke (von dreien) wieder an den Klettersteig. Gut, dachten wir, dann haben wir jetzt also die Schlüsselstelle umgangen und der Rest sollte dann doch wenigstens machbar sein …
Doch als ich sah, wie vorsichtig schon Günter über die, durch Metallplatten für die Füße sogar noch entschärfte, Seilbrücke balancierte, und dass dahinter wieder ein senkrechter Felspfeiler wartete, bekam ich sofort wieder Panik. Der Pfeiler war freilich wieder bestens mit Klammern ausgestattet und folglich überwiegend nur mit B bewertet. Von daher hätten wir den wohl schon schaffen können, aber meine Nerven spielten an diesem Tag einfach nicht mit. Außerdem hatte ich auch im Hinterkopf, dass weiter oben noch einen weitere C-Stelle und mindestens eine weitere Seilbrücke warteten.
So kam es, dass wir genau das machten, was man eigentlich nie, niemals tun sollte: wir folgten einer unmarkierten Pfadspur unterhalb der Felsen, die sich mit der Zeit immer mehr im Ginstergestrüpp verlor und in immer steileres, mit total brüchigem Fels durchsetztes Gelände führte. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem Günter meinte, dass es nun definitiv nicht mehr weitergehe, ohne einen Absturz zu riskieren und wir waren drauf und dran, alles wieder zurück- und hinabzusteigen und zu -schlittern, um dann am Ende doch über den Klettersteig auszusteigen - oder was auch immer.
Auch keine tolle Vorstellung und so unternahmen wir noch einen letzten Versuch, über ein schräges Felsband vielleicht in sicheres Terrain zu gelangen - und das war unsere Rettung: Von hier waren es tatsächlich nur noch wenige Schritte bis zum Wanderweg, den die erfolgreichen Klettersteigler für den Abstieg nutzten.
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Nix wars mit dem Klettersteig ... Wir ziehen sehr ernüchtert von dannen.
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Uff, das war knapp! Abgesehen von einer Menge Kratzern an Armen und Beinen sind wir mit deutlich mehr Glück als Verstand unbeschadet aus dem Schlammassel herausgekommen, das wir (v.a. ich) uns komplett selbst eingebrockt hatten. Auch mir war bei rationalem Nachdenken völlig klar, dass diese Aktion auf alle Fälle weit gefährlicher gewesen war, als der Klettersteig, an dem man sich immerhin hätte sichern können und der durch festen, griffigen Fels führte … Nur, wie schaffe ich es, die weniger rationalen Anteile meines Hirns davon zu überzeugen, dass dies wirklich so ist? Dass ich mich auf das Material, also Stahlseil, Klettergurt, Karabiner usw. in aller Regel verlassen darf? Und woher kommen immer wieder diese irrationalen Ängste?
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Noch ein letzter Blick zurück - über das schräge, grüne Band in der Wandmitte verlief unser heikler, inoffizieller Notausstieg. |
Noch voller Frust angesichts dieser so gewaltig schief gelaufenen Aktion fuhren wir weiter und landeten wenig später durch Zufall auf dem von Deutschen betriebenen Campingplatz „Camping Bungalowpark Isábena“. Ursprünglich wollten wir an diesem Tag noch bis nach Graus weiterfahren, doch weil uns die Gegend am Südrand der Pyrenäen sowohl landschaftlich ausnehmend gefiel, als auch mit ihren mittelalterlichen Städtchen (z.B. Roda) und Dörfern interessant erschien, bogen wir spontan auf den an der Straße ausgeschilderten Platz ab.
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Serraduy |
Die junge Frau an der Rezeption, die uns nach wenigen Sätzen radebrechendem Spanisch durchschaut hatte und ins Deutsche wechselte, betonte, dass es gerade noch sehr ruhig sei bei ihnen. Und in der Tat verloren sich an diesem Abend die wenigen Camper völlig auf dem riesigen Gelände. Getreu dem Namen des Platzes gab es hier auch jede Menge Ferienbungalows zu mieten, doch immerhin blieb trotzdem noch sehr viel Platz für Zelte/Wohnmobile und es gab zwei Sanitäranlagen, die auch beide trotz des mäßigen Andrangs geöffnet waren.
Und ebenfalls sehr außergewöhnlich: Im Restaurant des Platzes bekamen wir ein prima Abendessen serviert, obwohl wir die einzigen Gäste dort waren. Für Salat mit Ziegenkäse, Nüssen und Rosinen, Schweinelendchen mit Pommes, mit Gemüse gefüllte und mit Käse überbackene Zucchini, sowie ein großes und ein kleines Bier waren am Ende gerade mal 38€ fällig.
Auch sonst war hier alles ok, aus den Mischbatterien (!) der Duschen kam jede Menge extrem heißes Wasser, es gab Klopapier in den WCs, sowie Seife zum Händewaschen und sogar Papierhandtücher - alles noch immer keine Selbstverständlichkeit auf Campingplätzen. Einzig die Stufe, die aus den WC- und Duschkabinen zum Vorraum mit den Waschbecken hinabführt, brachte mich anfangs noch jedes Mal zum Stolpern …
Samstag, 6. April – La Puebla de Roda, Camping Isábena
Morgens kurz nach dem Aufwachen dachte ich schon, dass wir diesen Tag komplett in den Wind schreiben könnten. Am Wetter lag es ausnahmsweise mal nicht, in der Früh war der Himmel noch weitestgehend klar, nur Richtung Norden färbte die aufgehende Sonne bereits erste Schleierwolken rot.
Doch Günter erzählte was von tierischen Bauchschmerzen und dass ihn ständig friere, was erst mal gar nicht gut klang … Vor allem war völlig unklar, woher seine Beschwerden kommen sollten. Gegessen hatten wir ja beide dasselbe, höchstens dass Günter mehr von den rohen Zwiebeln im Salat abbekommen hatte; aber konnte sich dies so auswirken? Gegen 8.30 Uhr rafften wir uns trotzdem zum Aufstehen auf und Günter zwang sich mehr oder minder zum Frühstücken.
Zum Glück begann es ihm daraufhin allmählich besser zu gehen und spätestens nach einer langen, heißen Dusche war er dann wieder voller Tatendrang. Auch das Kältegefühl schien wie weggeblasen, jedenfalls kam er gleich in kurzer Hose und T-Shirt an, was mir zur gleichen Zeit noch definitiv zu leicht gewesen wäre.
Wenig später machten wir uns also doch auf den Weg zu unserer für heute geplanten Wanderung, die vom Gehöft Riguala de Serraduya oberhalb des Dörfchens Serraduy starten sollte. In dem Dorf, das nur wenige Kilometer vom Campingplatz entfernt war, hatten wir bereits tags zuvor kurz für ein paar Fotos gestoppt (s.o.) und hier war auch die Idee entstanden, nach Möglichkeit noch in der Gegend zu bleiben. Insbesondere die geschichteten Tafelberge, an deren Fuß das Dorf liegt, hatten es uns angetan und einen davon wollten wir nun besteigen.
Am Ausgangspunkt der Wanderung warteten dann allerdings gleich vier mehr oder weniger hünenhafte Hunde, die offenbar bereit waren, den riesigen Stall, der dem Geruch (Gestank) nach zu urteilen Schweine beherbergte, mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Kaum, dass sie rechtzeitig auswichen, um nicht von unseren Rädern überrollt zu werden. An Aussteigen war hier jedenfalls nicht zu denken und so rollten wir noch ein Stück den Fahrweg entlang bis zu einer schattigen Senke mit ausgetrocknetem Bach, die als hundefreier Parkplatz gerade recht kam.
Von hier ging es zu Fuß erst noch eine ganze Weile in großen Schleifen auf dem Fahrweg bergan, bis ein mit Steinmännern (-frauen? -personen?) markierter Pfad nach rechts abzweigte. Offenbar waren hier vor nicht allzu langer Zeit Schafe entlanggetrottet, denn im glücklicherweise inzwischen trockenen Lehm zeigten sich jede Menge Hufabdrücke und an den Stachelbüschen hing büschelweise Schafwolle. Das Gestein bestand hier überwiegend aus Konglomerat und, wo es schon zerbröselt war, bildeten sich sandige bis lehmige, mit Kieseln durchsetzte Flächen. Stellenweise wirkte der Weg aber auch, als hätte jemand alte Waschbetonplatten bzw. Bauschutt abgeladen. War aber alles natürlichen Ursprungs.
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Auf dem Weg zum Tozal de los Morros |
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Blick Richtung Serraduy, zwischen die grünen Felder in der Bildmitte duckt sich das Gehöft mit den aggressiven Hunden. |
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Unser eigentliches Ziel ist der flache Rücken links vom Tozal. |
Bei einem Wegweiser erreichten wir schließlich die windige Hochfläche, auf der wir gleich mal im Windschatten einer kleinen Felsstufe eine Rast einlegten und vesperten. 12 Uhr war gerade vorbei, insofern passte es. Was weniger passte, war, dass aus der Felsstufe unter Günters Arm, beim Versuch aufzustehen, ein großer Wackerstein ausbrach und ihm dabei eine hässliche Schürfung beibrachte …
Anschließend ging es eine ganze Zeit auf dieser Hochebene entlang bis zu einer Hütte (Refugio Forestal), wo wir auf eine Weitwanderroute (GR 18) stießen. Dieser folgten wir nun zunächst ein Stück bergauf bis an den Fuß der großen Felswand, die wir am Ende besteigen wollten. Und dann führte der Weg eine ganze Weile unterhalb der senkrechten bis überhängenden, teils intensiv orange gefärbten Felswände entlang, während Geier, Dohlen und Schwalben über uns kreisten oder herumschwirrten. Vermutlich nisteten die Vögel in den Felsen, denn an der einen oder anderen Stelle zeigten sich verräterische, weiße Guano-Spuren.
Schließlich führte unser Weg in einem breiten Einschnitt zu einem weiteren Pass. Unterwegs stolperten wir dabei fast über die kläglichen Überreste einer Gams oder Ziege, bei der die Geier offensichtlich gut aufgeräumt hatten. Jedenfalls schien die Sonne durch den leeren Brustkorb, der ansonsten nur noch spärlich von Fell bedeckt war. Keine Ahnung, wie lange der Kadaver dort schon lag; da er kaum mehr unangenehm roch, vermutete ich, dass er mindestens seit letztem Herbst dort vor sich hin gammelte.
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Der Weg führt über Leichen. |
Vom Pass ging es dann linkerhand fast weglos vollends zum „Tozal de los Morros“ unserem Ziel hinauf. Der vorgelagerte Felspfeiler und eigentliche Tozal, den wir zwischenzeitlich für ersteigbar gehalten hatten, erwies sich nun doch als nicht ohne weiteres erreichbar, da man noch einmal ein ganzes, recht ausgesetztes Stück über losen Schotter hätte absteigen müssen und dann nicht klar war, ob wir auf der anderen Seite überhaupt weitergekommen wären. So ließen wir diesen Abstecher lieber bleiben und begnügten uns damit, uns durchs Stachelgestrüpp zum höchsten Punkt des benachbarten Höhenrückens, des Mallo Brocoló (1624 m), durchzuschlagen. Unser Ausgangspunkt lag uns hier runde 700 m tiefer zu Füßen und auch sonst war der Ausblick nach allen Seiten spektakulär, obwohl im Lauf des Tages wieder leichter Saharastaub-Dunst aufgekommen war.
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Roda de Isábena etwas verschleiert von Sahara-Staub |
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Windig ist's! |
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Auf dem Mallo Brocoló |
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Geier |
Satte 7 km Strecke hatten wir nun bereits in den Beinen, so war von vornherein klar, dass der Abstieg, nach einer weiteren kleinen Rast und vielen Fotos, ein recht länglicher werden würde. Zunächst ging es dabei auf derselben Strecke bis zum Refugio Forestal hinab, noch einmal am Gamskadaver vorbei und diesmal entdeckte Günter mitten auf dem schattigen Weg eine stattliche, aber recht träge Blindschleiche. Nachdem er sie zur Genüge auf Kamera und Handy gebannt hatte, trug er sie daher lieber auf einen Platz neben dem Wanderweg, damit sie nicht unter die Füße von Wanderern geriete, die vielleicht nach uns noch hier durchkommen würden.
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Für den Abstieg nehmen wir ab dem Coll del Vent den schnörkeligen Forstweg. |
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Blindschleiche |
Nach dem Refugio zweigten wir diesmal früher Richtung Tal ab und folgten gleich der Fahrstraße, die sich in vielen Schleifen den Berg hinabwand. Schon bald ging der Schotter für ein paar steile Kehren in Betonbelag über und genau hier kam uns ein Paar auf normalen, muskelkraftgetriebenen MTBs entgegen. Zwar kämpften sie durchaus mit der Steigung, waren aber doch erstaunlich flott unterwegs. Wir an ihrer Stelle wären hier sicher schon längst abgestiegen und hätten geschoben …
Bis zum Auto zog es sich dann noch und am Ende hatten wir etwa 13,5 km Strecke zurückgelegt und zu den 750 Hm, die meine Uhr am Gipfel angezeigt hatte, waren erstaunlicherweise noch einmal gut 100 dazugekommen ... Alles in allem waren wir 6 ½ h unterwegs – und das an einem Tag, den wir schon morgens um 8 fast abgeschrieben hätten.
Abendessen gab es wieder auf dem Campingplatz, der jetzt am Wochenende deutlich besser besucht war als tags zuvor. Auch im Restaurant brummte das Geschäft, an den Tischen draußen, wo es sich an diesem Abend gut aushalten ließ, füllten sich nach und nach fast alle Plätze mit Gästen. Eine große Fraktion bildeten hier die Motorradfahrer, die sich über mehrere Tische hinweg über ihre Erfahrungen in Spanien und weltweit, ihre verschiedenen Fahrzeuge und das Leben überhaupt austauschten. Witzigerweise dominierte sprachlich eindeutig das Schwäbische, dicht gefolgt von radebrechendem Englisch … Aber auch eine Menge Spanier waren nun eingetroffen, die mehrheitlich in den Bungalow-Häuschen wohnten, die auch viele Motorradler dem Zelt vorzuziehen schienen.
Sonntag, 7. April – Auf einer Wiese am „Geisterdorf“ Lapenilla
Auch an diesem Sonntag sind wir wieder nicht sonderlich früh aufgestanden. Um 7 Uhr Sommerzeit war es noch immer erst gerade knapp dämmrig, so wurde es flugs 8.30 Uhr ehe wir recht wach wurden. Und bis dann alles erledigt und zusammengepackt war, ging es bereits stramm auf 11 Uhr zu.
Zunächst wollten wir das Städtchen Roda besichtigen, das nur 5 Minuten Fahrt vom Campingplatz entfernt auf einem Hügel thronte. Laut Wikipedia hat der Ort lediglich 40 Einwohner und ist damit Spaniens kleinste Ortschaft mit einer veritablen Kathedrale. Weil es für deren Besichtigung tatsächlich noch eine viertel Stunde zu früh war, wandelten wir eine Runde durch die mittelalterlichen Gassen, die hauptsächlich von Restaurants und Hotels gesäumt waren. Alles in allem wirkte die Ortschaft aber sehr hübsch und stimmig und auch die Aussicht wäre bestimmt noch spektakulärer gewesen, wenn nicht wieder eine gelbliche Dunstglocke über der Landschaft gehangen hätte – sicherlich noch immer Saharastaub.
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Catedral de Roda de Isábena |
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Noch immer hängt viel Sahara-Staub in der Luft. |
Pünktlich um 11 fanden wir uns vor dem Portal der ehemaligen Kathedrale ein, die einst dem Hl. Vinzenz geweiht war und die Gebeine des Hl. Raimund und des Hl. Valerius von Saragossa beherbergt. Inzwischen ist sie ein Museum ihrer selbst und eine Frau knöpfte uns denn auch am Eingang 4€ Eintritt pro Nase ab. Zu sehen gab es einige sehr alte Priestergewänder (11./12. Jh.) und die kläglichen Überreste vom Klappstuhl (kein Witz!) des Hl. Raimund, der bei einem Kirchenraub im Jahr 1979 allerdings weitgehend zerstört wurde. Und natürlich den Sarkophag mit den Gebeinen des Heiligen in der Krypta unter dem Altar und den Reliquienschrein des Hl. Valerius in der anderen Krypta unter einem Seitenschiff.
Zum Schluss durften wir noch einen Blick in den benachbarten Kreuzgang werfen, während die Ticketverkäuferin eine Gruppe spanischsprachiger Besucher durch die Kirche führte. Leider gab es, abgesehen von ein paar englischen Erläuterungen an verschiedenen Museumsobjekten, keinerlei fremdsprachiges Informationsmaterial. Vom Kreuzgang aus ging es dann wieder direkt nach draußen und das kurze Stück zum Parkplatz vor der Stadt hinab, der sich in der Zwischenzeit deutlich gefüllt hatte.
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Die ehemalige Kathedrale ist nun ein Museum. |
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Reliquienschrein des Hl. Valerius von Saragossa |
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Im Kreuzgang des an die Kathedrale angeschlossenen Klosters |
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Der Fluss Isábena und im Hintergrund der Tozal de los Morros |
Für uns ging es dann weiter nach
Graus (auch kein Witz, die Ortschaft heißt wirklich so) und von da wieder ein Stück weit in die Hügel hinauf, vorbei an dem Dörfchen
Panillo, wo Günter für 13.30 Uhr einen Tisch zum Mittagessen im „El Molino de Panillo“, einem Bio-Restaurant, reserviert hatte. Zunächst wollten wir uns aber noch die
buddhistische Tempelanlage ansehen, die es wenige Kilometer weiter dort oben gibt.
Warum ausgerechnet an dieser Stelle ein solcher Tempel gebaut wurde, ist via Internet nicht ohne weiteres herauszufinden, aber bei Kirchen oder christlichen Klöstern, die sich irgendwo an hübschen Plätzen in der Landschaft befinden, stellt man sich diese Frage ja normalerweise auch nicht. Vermutlich ist die Lage genau der Grund, und – ganz banal – dass ein Grundstück dafür zur Verfügung stand.
Die Tempelanlage ist recht ausgedehnt, wobei nur ein Teil für alle Besucher zugänglich ist. An diesem Morgen war auch eines der gewöhnlich zu besichtigenden Gebäude geschlossen, weil dort gerade eine Veranstaltung stattfand. Dementsprechend voll war auch der Parkplatz und Günter demolierte beim Einparken an einer der wenigen noch freien Ecken gleich mal einen jungen Baum …
Ansonsten hatte die Anlage alles, was man bei so einem buddhistischen Tempel erwartet: große und kleine Gebetsmühlen, jede Menge Stupas in allen Größen, Buddha-Statuen und -Gemälde und etwas oberhalb an einem Berghang einen stattlichen liegenden Buddha, Mani-Steine und überall natürlich Gebetsfahnen in allen Stadien der Auflösung.
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Templo Budista de Panillo |
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Nepal lässt grüßen ... |
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Gemütlich hat's der Buddha. |
Bis wir alles gebührend besichtigt und gewürdigt hatten, war 13 Uhr schon vorbei und zumindest bei einem von uns knurrte so langsam der Magen. So gesehen war es einfach Pech, dass es im Restaurant El Molino, das wirklich sehr alternativ daherkam und überwiegend auch das entsprechende Publikum anzog, an diesem Tag Probleme mit der Stromversorgung gab. Tatsächlich gab es nur in einem Teil des Gebäudes Strom und ausgerechnet in der Küche nicht … Anfangs tat sich daher eine ganze Weile wenig, was darauf hätte schließen lassen, dass bald etwas zu essen auf den Tisch käme. Doch endlich kam Bewegung in die Sache und die Chefin des Hauses verkündete auf Spanisch und für uns und eine niederländische Familie in englischem Kauderwelsch, dass es nur eine eingeschränkte Auswahl an Gerichten gebe, nämlich gebratenes Fleisch oder gebratenen Fisch vom Grill draußen im Hof, jeweils mit Salat und Kartoffeln.
Bis die große, aus mehreren spanischen Familien bestehende Gruppe und die Niederländer bestellt hatten, dauerte es dann doch noch ein Weilchen. Bei uns ging es dagegen ganz schnell: wir orderten einfach eine große Portion Lamm für zwei. Von da an ging dann alles überraschend flott, schon nach kurzer Zeit stand eine riesige Schüssel Salat vor uns, zu dem es ein paar Stückchen Brot gab und der schon mal das große Loch in unseren Mägen deutlich verkleinerte. Die kurze Pause bis das Fleisch und die Kartoffeln auf den Tisch kamen, war dann schon kaum mehr der Rede wert und insofern hätte es auch das Schüsselchen mit gemischten, gesalzenen Nüssen und Rosinen nicht mehr gebraucht, die man uns vorsorglich zur Überbrückung brachte. Mittlerweile war man wohl darauf aufmerksam geworden, dass hier an unserem Tisch besonders hungrige/ungeduldige Gäste saßen, und tatsächlich bekamen wir den Hauptgang sogar als erste serviert …
Qualitativ war alles super und die riesigen Kartoffelhälften, die üppig mit Pesto beträufelt waren, schmeckten so gut, dass wir die beiden Hälften, die wir nicht mehr schafften, sogar noch zum Mitnehmen einpacken ließen und später zum Vesper verspeisten. Noch zwei Espressi und schon waren wir wieder dahin, während alle anderen Gäste noch in aller Ruhe am Dinieren waren …
Noch einmal ging es am buddhistischen Tempel vorbei, dann aber weiter bis zu einem verlassenen Dorf namens Lapenilla, in dem wir die Ruinen einiger Häuser, sowie die ehemalige Kirche des Ortes, die schon weitgehend zerfallen und von Efeu und Gestrüpp überwuchert war, inspizierten.
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In der Kirchenruine ... |
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... des "Geisterdorfs" Lapenilla |
Von dort wollten wir zunächst in einem Barranco zum Stausee unterhalb des „Geisterdorfs“ absteigen (Embalse del Grado I), doch kamen wir nicht allzu weit, ehe der Pfad jäh an einem steilen Abbruch und einer Engstelle zwischen zwei Felswänden endete. Hier wäre höchstens noch für Canyoning-Freunde mit der entsprechenden Ausrüstung ein Weiterkommen möglich gewesen, jedenfalls entdeckten wir ein paar Haken zum Abseilen …
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Hier müssen wir passen. |
Uns aber blieb nur übrig, den „normalen“ Pfad zum Stausee einzuschlagen, der in knapp 200 Hm und ca. 2,5 km meist durch Wald bis fast zum Ufer hinabführte. Auf der Suche nach einem Rastplatz mit Blick auf den tief dunkelgrünblauen und gut gefüllten See marschierten wir immer weiter einen Schotterweg entlang, bis es an einer überraschend tiefen Furt, wo ein weiterer Bach in den See mündete, für uns nicht mehr weiterging, ohne nasse Füße zu riskieren. So setzten wir uns an ein etwas sumpfiges Eckchen direkt am Wasser und brachten damit leider sämtliche Frösche zum Schweigen. Oder fürchteten sie sich doch eher vor den Monstern, die immer wieder mit lautem Platschen Jagd auf sie machten? Wir dachten zuerst, dass es sich wohl um Fischotter oder Bisamratten oder etwas in diese Richtung handeln müsste. Letztlich waren es aber doch wohl eher große Raubfische, Hechte vielleicht.
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Embalse del Grado I |
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Viel Wasser im Speichersee |
Nach dem schweißtreibenden Wiederaufstieg nach Lapenilla, suchten wir uns auf der gut gedüngten (Kühe vor längerer Zeit, Pferde erst kürzlich) Wiese nahe der Kirche, auf der wir neben anderen Blumen auch Orchideen (Ragwurz) sichteten, einen Stellplatz. Von der Fahrstraße sollte dieser möglichst nicht einsehbar sein und auch nicht neben den größten Pferdeapfelhaufen liegen, was am Ende doch einiges Rumrangieren und mehrfaches Umparken erforderte …
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Spinnenragwurz auf unserer Campingwiese |
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Dunstige Abendstimmung bei Lapenilla |
Zweimal kamen am Abend noch Lost-Place-Bewunderer angefahren und spazierten an uns vorbei Richtung Geisterdorf, interessierten sich jedoch nicht im geringsten dafür, was wir hier trieben.
Montag, 8. April – Almunia de San Juan – Camping Almunia
Die Nacht wäre eigentlich herrlich ruhig gewesen und zumindest ich schlief auch halbwegs ordentlich, nachdem diverse Hunde sich beruhigt hatten, ein Käuzchen weitergezogen und die letzten Lost-Place-Besucher, die just eingetroffen waren, als wir uns schlafenlegten, ausgegeistert hatten. Nicht einmal das nächtliche Gewitter mit Blitz und Donner und ein wenig Regen, der jede Menge Saharastaub auf unserem Auto ablud, konnte mich ernsthaft wachhalten. Günter schien es da ganz anders ergangen zu sein und leider wird wohl mein friedliches Schnarchen mal wieder der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass er viel zu wenig Schlaf bekam …
Morgens war es dann noch immer leicht diesig, hie und da zeigten sich aber auch blaue Lücken zwischen den Wolken, durch die zunehmend häufiger die Sonne spitzte. Richtig kalt war es auch in der Nacht und beim Aufstehen morgens nicht gewesen, aber doch immerhin so, dass wir lieber im Aufbau frühstückten. Im Lauf des Tages wurde es dann ordentlich warm, das Thermometer im Auto zeigte auch schon mal 32°C an, allerdings direkt nachdem es eine Weile geparkt hatte. Realistisch wurden es wohl um die 27°C.
Dies war für uns der Tag der Geisterdörfer und aufgelassenen Salinen. Nicht allein, dass wir beim verlassenen Ruinendorf Lapenilla übernachtet hatten, morgens besuchten wir noch ein zweites, das „erst“ seit 1980 komplett verlassen und dem Verfall anheimgegeben war. Im Gegensatz zu Lapenilla, das bereits seit den 1960er-Jahren vor sich hin bröselte, war Castarlenas denn auch deutlich besser erhalten. Insbesondere die Kirche stand noch weitgehend, sodass man mit etwas Vorsicht sogar das Kirchenschiff von innen besichtigen konnte. Auch einige Wohnhäuser schienen zumindest äußerlich noch halbwegs intakt, wenn auch bei den meisten die Dächer fehlten. Wenn ich die (etwas lädierte) Informationstafel am Parkplatz richtig verstanden habe, waren diese aktiv entfernt worden, nachdem die letzten Einwohner weggezogen waren. Ob, um den Zerfall zu beschleunigen oder um die Ziegel weiterzuverwenden, konnte ich allerdings nicht in Erfahrung bringen.
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Hübsch gelegen und trotzdem aufgegeben: Castarlenas |
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Auch mit einem weniger geländegängigen Fahrzeug wäre das verlassene Dorf problemlos zu erreichen. |
Als Gründe für die Aufgabe des Dorfes wurden Probleme mit der Wasserversorgung und der fehlende Anschluss ans Stromnetz angeführt. – Klang für mich nicht nach unlösbaren Problemen, zumal das Dorf von der nächsten größeren Ortschaft (Graus) gerade mal 13 km entfernt und der Fahrweg ab dem Nachbardorf Torres del Obispo zwar ruppig, aber auch jetzt noch für normale Autos machbar schien. Zudem lag das Dorf sehr hübsch auf einem Hügel inmitten von Feldern und Olivenhainen und beim Anblick mancher Häuser, die auch als Ruinen noch erahnen ließen, dass sie einmal sehr schön gewesen sein müssen, und vermutlich, als die letzten Bewohner auszogen, noch gut in Schuss waren, fragte man sich schon, was hier schief gelaufen sein mochte.
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Hier wird nicht mehr gekocht. |
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Das Kirchenschiff ist noch recht gut erhalten. |
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Blumen auf der Fensterbank ... |
Nach der Besichtigung von Castarlenas war es bereits Zeit fürs Mittagessen. In Benabarre sollte es was geben, also rollten wir auf der bestens ausgebauten N-123 dorthin, parkten am Stadtrand und stiegen zu Fuß hinauf ins Zentrum des komplett auf einem Hügel erbauten Städtchens. Im Restaurant „Mars“ begann jetzt um 13 Uhr erst so langsam die Mittagessenszeit. Wir waren denn auch die ersten, die im „Comedor“, dem Speisesaal, Platz nahmen, doch schon wenig später kamen Schlag auf Schlag noch einige andere Gäste. Der Salat mit Tomaten und Tunfisch, das Fleischgericht, das wir auf gut Glück bestellt hatten und sich – mal wieder – als Lamm herausstellte (obwohl definitiv nicht „Cordero“ auf der Karte stand), mit Kartoffeln und grünem Spargel, und auch die Cannelloni mit Pilzfüllung, die mit viel Béchamelsauce überbacken waren: alles war gut und so reichlich, dass wir am Ende auf ein Dessert verzichteten und nur noch Kaffee nahmen.
So gestärkt wollten wir dann noch einen Blick auf das Castillo de Benabarre werfen, das natürlich am höchsten Punkt der Stadt liegt und in seinen Mauern die Überreste einer gotischen Kirche mit markantem quaderförmigem Glockenturm beherbergt. Doch leider waren die Tore hier um diese Zeit verriegelt und verrammelt und das höchste der Gefühle war, dass wir einmal um die Mauern lustwandeln und an einer Stelle über dieselbe ins Innere linsen konnten.
Natürlich war auch die Aussicht von dort oben nicht zu verachten, nur leider noch immer leicht durch Saharastaub getrübt. Durch die engen Gassen der Stadt schlängelten wir uns dann wieder zum Auto hinab, wobei es hier auffallend häufig durch Torbögen und fast schon Tunnel ging bzw. viele Häuser quasi über die Gassen hinweg gebaut waren.
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Blick vom Castillo auf die Ortschaft Benabarre |
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Hier wachsen die Häuser über die Straßen. |
An diesem Tag dauerten unsere Autofahrten immer nur maximal 20-30 Minuten und entsprechend wenig Strecke legten wir zurück: mit allem Umwegen ca. 100 km, auf direktem Weg wären es sogar nur 61 km gewesen. So ging es auch jetzt von Benabarre wieder nur einige Kilometer weiter bis
Peralta de la Sal, wo es eine ausgedehnte, seit dem Jahr 2000 aufgelassene
Salinenanlage zu besichtigen gab, die vermutlich schon seit der Römerzeit, sicher belegt aber seit dem 10. Jh. n.Chr. existierte. In 365 mit einer Art Kopfsteinpflaster ausgelegten und mit Tonfliesen umrandeten Becken wurde hier, fernab vom Meer, also Jahrhunderte lang Salz aus dem salzhaltigen Wasser, das in dieser Gegend aus verschiedenen Quellen sprudelt, gewonnen. Letztlich handelt es sich um das Salz eines uralten Ozeans von vor 60 Mio. Jahren, das hier im Gestein eingelagert ist.
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In den Salinas Romanas de Peralta de la Sal |
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Seit fast 25 Jahren wird hier kein Salz mehr gewonnen. |
Der Beginn unserer kleinen Rundwanderung fiel dann etwas mühsam aus, denn der Zugang zu den Salinen war abgesperrt und wir parkten daher außerhalb am Fuß einer Halde unter ein paar Bäumen. Auf die Halde hinauf zu kommen, war recht einfach und von hier hatten wir auch gleich einen schönen Überblick über die ehemalige Saline. Doch zu dieser hinabzusteigen war schon schwieriger und zwar nicht nur, weil es steil, sondern auch mal wieder alles mit Ginster und dergleichen überwuchert war.
Durch die Salinen selbst führte ein halbwegs ordentlicher Weg, obwohl sie wohl offiziell nicht (mehr?) besichtigt werden sollen. Doch anschließend schickte uns unser GPS-Track dann wieder häufig durch die Stacheln, so dass v.a. Günters nackte Beine wieder sehr leiden mussten … Das Ziel war ein kleiner Speichersee, der nahezu kreisrund und randvoll mit klarem Wasser war. In der Schilfzone an seinem Rand trauten sich die Frösche nach einer Weile, in der wir ruhig am Ufer saßen, tatsächlich wieder ihr Gequake anzustimmen. Gut getarnt, wie die Amphibien meist sind, müssten sie aber sowieso keinerlei Angst vor uns blinden Hühnern haben …
Der Rückweg auf breitem Fahrweg ging dann recht flott vonstatten und anschließend rollten wir vollends nach Almunia de San Juan, wo der Campingplatz mal wieder von Deutschen geführt wurde. Die gesprächige Platzwirtin erzählte, dass ihre Familie und sie zunächst häufig die Ferien in dieser Gegend verbracht hatten und so auf den Platz in Almunia aufmerksam geworden waren, der offenbar keinen Betreiber mehr hatte. – Toll war er nicht gerade, der Platz, aber im Prinzip hatte er alles, was es brauchte. Skurril: an jedem Stellplatz gab es ein eigenes Außenspülbecken …
Dienstag, 9. April – Manjus Place bei Alcañiz
Auf dem Campingplatz in Almunia de San Juan war es über Nacht ziemlich frisch geworden und ein lebhafter, kühler Wind aufgekommen. Unser Frühstück konnten wir an unserem glücklicherweise geschützten Platz dann trotzdem im Freien genießen, denn wir blieben einfach so lange liegen, bis die Sonne es über das Wolkenband im Osten geschafft hatte. Doch schon beim Einkaufen im „Orangutan“-Supermarkt in Monzón merkten wir dann, dass wir mit dem Wind heute noch viel Spaß haben würden …
Unser Tagesziel waren die Monegros, eine sehr spezielle Landschaft, die einerseits durch die „Tozal“ genannten, turmartigen Felsformationen und allerlei Vorstufen und Relikte davon geprägt ist, andererseits auch intensiv landwirtschaftlich genutzt wird.
Insbesondere wird viel Viehzucht betrieben, weshalb alle paar Kilometer ein paar riesige Stallanlangen und Futtersilos in der Landschaft stehen, um die herum es leider häufig ziemlich übel stank, weshalb wir auf Schweinehaltung tippten. Welche Tiere in den Ställen ihr trauriges Dasein fristeten, war ansonsten nicht festzustellen, da man von ihnen weder etwas sah, noch hörte. Und auch Menschen, die dort gearbeitet hätten, konnten wir nicht entdecken. – Ziemlich gespenstisch das alles! Überall, wo es auch nur annähernd möglich war, spross auf den Feldern zwischen den Ställen und den Felsen junges Getreide auf monotonen, bewässerten Flächen.
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Bewässerte Felder und Wiesen am Rand der Monegros - die Kühe hier dürfen wenigstens noch raus und grasen ... |
Was von der natürlichen Landschaft aber noch übrig war, bildete dazu einen krassen Kontrast: Felsen aus mehr oder weniger bunten, sehr weichen Gesteinsschichten, die in verschiedenen Stadien der Erosion zu besichtigen waren. Und wie in den Bardenas Reales etwas weiter im Westen, die wir bei unserer Nordspanienreise vor drei Jahren besucht hatten, blieb auch hier an manchen Stellen ein Fragment einer härteren Gesteinsschicht als Deckel erhalten, der die weichen Schichten darunter vor Erosion schützt, wodurch die Tozales herausgebildet wurden.
Zunächst stoppten wir an der – verschlossenen – Eremita de San Miguel. Praktischerweise gab es dort ein großes Nebengebäude, das abgesehen von einem riesigen Grill nahezu leergeräumt war. Da der Schuppen zur windabgewandten Seite komplett offen war, bot es sich geradezu an, mit dem Max hineinzufahren und gut geschützt auf der Ladeklappe zu vespern.
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An der Eremita de San Miguel |
Anschließend machten wir uns ans „Autowandern“ und klapperten bei einer Rundtour verschiedene Tozales ab. Beim ersten, dem Tozal de la Cobeta, stiegen wir zwar ein kleines Stück weit auf einen Nachbarhügel, um einen besseren Blick auf den Felsen zu bekommen, doch der äußerst heftige, böige und kalte Wind machte selbst diesen kurzen Ausflug mühsam und stressig, weil man ständig auf der Hut vor der nächsten Böe sein musste, um nicht kalt erwischt und womöglich umgeworfen zu werden. So flüchteten wir schnell wieder ins Auto und setzten die Runde fort.
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Sturm am Tozal de La Cobeta |
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Tozal Colasico |
Bei den Tozales de los Pedregales gab es dann doch noch die Möglichkeit, mehrere der eigentümlichen Formationen bei einer kleinen Rundwanderung zu erkunden. Mittlerweile hatte die Sonne, die im übrigen – von den paar Wolken am Morgen abgesehen – den ganzen Tag vom strahlendblauen Himmel lachte, es geschafft, die Luft immerhin auf 17/18°C zu erwärmen, und die Runde führte überdies teils durch eine Mini-Schlucht, in der man vor dem Wind etwas besser geschützt war. Etwas mehr als 2 km waren es am Ende und mindestens 4 Tozales. Unten in der Schlucht ging es dabei meist in einem Bachbett entlang, in dem an verschiedenen Stellen sogar noch Wasser stand oder vor kurzem noch gestanden hatte. Die lehmig-feuchten Stellen waren teils doch eher unauffällig, so dass es nicht weiter erstaunlich, wenn auch trotzdem ärgerlich war, dass ich am Ende mit 2 Kilo Lehm an den Schuhen zurück zum Auto kam …
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Wenn, wie bei diesem Tozal, der härtere Gesteinsdeckel verschwunden ist, ... |
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... löst sich der Lehm darunter in Wohlgefallen auf. |
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Spaziergang ... |
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bei den Tozales de los Pedregales |
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Blühender Rosmarin |
Auf dem Weiterweg Richtung Süden passierten wir noch den Tozal Solitario, der natürlich auch noch besichtigt werden musste, aber spätestens dann hatten wir genug gesehen.
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Tozal Solitario |
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Und weiter geht's. |
Bis zum für die kommende Nacht auserkorenen Campingplatz sollte es noch gut eine Stunde Fahrt sein und, obwohl es draußen nach wie vor höchstens 18°C hatte, wurde es im Auto mit der Zeit brütend heiß. Die Wärme zusammen mit der monotonen, anfangs brettelebenen und nun ausschließlich aus landwirtschaftlichen Gebäuden und Flächen bestehenden Landschaft machte mich wieder einmal unendlich müde. Später wurde die Gegend zwar wieder abwechslungsreicher, ging es durch Hügel zum Ebro hinab, der an dieser Stelle zu einem Stausee aufgeweitet war. Doch so richtig wach wurde ich erst wieder, als Günter auf das winzige Sträßchen abbog, das uns angeblich zum Campingplatz führen sollte, und es immer abenteuerlicher wurde.
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Bei der abenteuerlichen Anfahrt zum Camping Manjus Place |
Wie sich später herausstellte, war dies noch ein von einem Deutschen geführter Platz – wir fragten uns so langsam, ob es in Spanien auch noch andere gab 😉 Davon abgesehen war dieser aber mit den letzten beiden in keiner Weise vergleichbar. Das fing schon mit der besagten Anfahrt an, bei der wir mit der Zeit vermuteten, dass Google wieder einmal die abseitigere Variante für uns ausgesucht hatte: Deutlich vor der Stadt Alcañiz ging es erst auf einer winzigen Straße durch eine Art Schrebergartensiedlung, dann durch einen einspurigen, unbeleuchteten Tunnel, in dem die Straße zu allem Überfluss auch noch einen scharfe Kurve machte, und dann auf Schotterwegen erst hoch über einer Schlucht entlang und zuletzt in diese hinab. Allmählich kamen uns schon Zweifel, ob dort unten irgendwo im Ernst ein Campingplatz liegen konnte. Doch dann, ungefähr 500 m vor dem Ziel, gab es tatsächlich zum allerersten Mal eine kleine Hinweistafel.
Der Platz lag wirklich sehr idyllisch auf einer Wiese zwischen Felsen und, da diese teilweise kletterbar bzw. „boulderbar“ sind, war das Publikum entsprechend gepolt. Der Chef des Platzes, der eindeutig aus Berlin stammte, empfing uns extrem freundlich und erklärte uns, dass die Übernachtungspreise gestaffelt seien: normalerweise 11€ pro Person und Nacht, ab 1 Woche 9€ und ab einem Monat 7€ … So lange wollten/konnten wir natürlich nicht bleiben und so bezahlten wir erst mal nur für eine Nacht. Für den zugegebenermaßen recht übersichtlichen Platz gab es zwar nur zwei Duschen und zwei WCs, doch die waren dafür vom Feinsten: Lauter geräumige Einzelkabinen, jeweils noch mit Waschbecken und in den Duschen eine richtige Glasabtrennung, so dass ausnahmsweise mal keine Gefahr bestand, die Klamotten/Schuhe nass zu spritzen.
Ein junges Paar mit Baby interessierte sich hier für unseren Camper, da der Vater der Frau offenbar ebenfalls einen Pickup fährt. Die beiden waren unüberhörbar Sachsen und mit Auto und Zelt unterwegs. Und natürlich waren sie zum Bouldern hier.
Mittwoch, 10. April – L’Eucaliptus, Ebrodelta, Camping Eucaliptus
Morgens dauerte es im tiefen Tal des Rio Guadalope, dem Bach beim Campingplatz „Manju’s Place“, sehr lange, bis die Sonne über die Hügel kam, und so blieben wir bis nach 9 Uhr in unseren Schlafsäcken. Die Nacht war sternklar, entsprechend kühl und sehr ruhig gewesen. Morgens krähte zwar schon früh immer mal wieder das Töchterchen unserer sächsischen Nachbarn, aber ansonsten lockte es wohl auch alle anderen nicht so bald aus Zelten und Campern.
Ehe wir unsere Reise fortsetzten, wollten wir noch die Boulderfelsen besichtigen, deretwegen wohl ein Großteil der anderen Camper den Weg in diese abgelegene Ecke Spaniens gefunden hatte. Für mich war es komplett undenkbar, an den Felsen, die mit Magnesiaspuren übersät waren, auch nur einen Millimeter vom Boden abzuheben und auch Günter schaffte lediglich ein, zwei Zentimeter. Noch dazu beginnen Boulderrouten ja häufig ganz unten, so dass man sitzend oder gar liegend startet. – Schon sehr speziell das alles bzw. nur für Spezialist*innen.
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Aha - hier soll's also irgendwo hochgehen ...? |
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Immerhin fast zwei Zentimeter abgehoben ;) |
Der Wind zog auch an diesem Morgen trotz strahlendem Sonnenschein empfindlich kühl um die Felsbrocken. So beendeten wir unseren Rundgang bald und machten uns auf den Weiterweg. In der Hoffnung, so schneller wieder auf eine bessere Straße zu kommen, folgten wir diesmal einem anderen Feldweg, der bald den Bach querte und dann noch eine ganze Weile Richtung Norden führte. Der Straßenzustand besserte sich jedoch auch hier erst kurz bevor wir die N-211 wieder erreicht hatten, so schenkten sich die beiden Strecken letztlich eher wenig.
Zunächst hatten wir vor, in Alcañiz noch ein paar Sachen einzukaufen, doch waren wir dann viel zu schnell durchgefahren, ohne dass sich eine Gelegenheit geboten hätte. Günter hatte am Abend zuvor noch mit Mühe für heute eine Wanderung am Monte Caro im „Parc Natural dels Ports“ ausfindig gemacht (mühselig v.a. wegen des schlechten Internets am Campingplatz und insgesamt wenig verfügbarer Information für die Gegend, die wir auf der Fahrt zum Ebrodelta durchqueren würden) und diesen Berg gab er nun in die Google-Navigation als Ziel ein. Irgendwann begannen wir uns dann aber doch zu wundern, dass wir in der Gegend von Arnes, Horta de Sant Joan, Prat de Comte eigentlich schon die ganze Zeit an den schönsten und imposantesten Bergen vorbeifuhren, Google uns aber bis hinunter in die Ebene bei Tortosa und damit fast bis ans Meer schickte, nur um auf der anderen Seite wieder auf über 1000 m hochfahren zu müssen. Zum Monte Caro gab es jedoch leider keine andere Strecke, stellten wir fest, und auch hier war der Mobilempfang so mau, dass wir keine Informationen zu etwaigen näher gelegenen Wanderungen einholen konnten.
So folgten wir weiter der Google-Route, kauften in einem Spar im Dörfchen Xerta ein, der zum Glück bis 14 Uhr geöffnet hatte, und fanden schließlich in Tortosa nach einigen Irrungen und Wirrungen den Weg ins „Restaurante Sabor a Tango“, das praktischerweise direkt an einem Park mit zunächst noch schattigem Parkplatz lag. Trotz kühlem Wind setzten wir uns an einen der Tische draußen und bestellten beim überaus freundlichen und zuvorkommenden Kellner Empanadas mit Spinat und Ziegenkäse, sowie je einen „Hamburguesa“. Zum Abschluss noch ein Kaffee und dann gings endlich in die Berge.
Von Tortosa wand sich ein Sträßchen tapfer bis zum Gipfel des Monte Caro hoch, doch ganz so weit wollten wir nicht fahren, denn es sollte ja gewandert werden. So parkten wir in einem Sattel (Col del Vicari) etwas unterhalb des Gipfels mit seinen beiden riesigen Telekommunikationsmasten, wo laut LocusMap eine Rundwanderung zum Nachbargipfel La Barcina starten sollten. Doch schon nach den ersten Metern wurde klar, dass der sowohl bei Locus, als auch bei Outdooractive eingezeichnete Weg schlichtweg nicht oder nicht mehr existierte. Man hätte sich auf alle Fälle wieder einmal massiv durch Stachelgestrüpp kämpfen müssen und dazu hatten wir keinerlei Lust. Außerdem war das Wandern hier oben auf rund 1300 m und an einem ausgesetzten Kamm durch den Wind, der hier wieder heftigst aus Westen blies, schon stressig genug und trotz strahlend blauem Himmel und aprilkräftiger Sonne kam das Thermometer, das in Tortosa noch 23°C angezeigt hatte, nicht über 11°C hinaus.
Von der nächsten Kehre unterhalb des Sattels sollte ein markierter Wanderweg zum La Barcina abgehen und dieser Weg existierte dann nicht nur, sondern war beschildert, markiert und völlig ohne Stachelstrauchberührung machbar. Über weite Strecken führte er zudem durch Pinienwald, was sehr angenehm war, weil dieser den Wind fast komplett abhielt. In einer knappen Stunde erreichten wir so den Barcina-Gipfel, der mit 1353 m nur etwa 80 m höher war als der Ausgangspunkt der Wanderung. Mit etwas Auf und Ab dazwischen summierten sich Hin- und Rückweg vielleicht auf 150 Hm, aber so oder so war es eher ein Spaziergang – wenn, ja wenn der Wind nicht gewesen wäre.
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Unterwegs zum La Barcina - Blick über das Ebrodelta |
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Parc Natural dels Ports im Sturm |
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Monte Caro |
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Am Gipfel des La Barcina |
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Die Straße führt fast bis zum Gipfel des Monte Caro. |
In dem Fall hätten wir vielleicht auch intensiver nach einem alternativen Rückweg gesucht. Doch heute genügte es uns, wieder auf gleichem Weg zum Auto zurückzukehren, mit diesem noch vollends zum Caro-Gipfel hochzufahren und von dort oben die wirklich sehr beeindruckende Aussicht auf die umliegenden Gipfel und über das Ebrodelta bis zum Meer zu genießen.
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La Barcina vom Monte Caro aus gesehen |
In letzteres ging es anschließend hinab, fast eine Stunde dauerte die Fahrt noch einmal, so dass wir erst um 19 Uhr am Camping Eucaliptus einliefen und auf dem streng reglementierten und gut besuchten Platz einen passenden Stellplatz für unseren Max fanden.