Freitag, 19. Juli 2024

Schweiz - Frankreich - Spanien - März/April 2024 I

Oder auch: Skitouren, Wandern und andere Abenteuer




Text: Eva Irmler






Fünf Wochen Zeit - doch wohin soll es gehen?




Der umständliche Titel deutet es schon an: diese Reise ist nicht so einfach einzuordnen. Zwar gab es auch schon früher ähnliche Unternehmungen, wie etwa unsere Balkanreise vor knapp zwei Jahren, bei der wir sogar noch mehr Länder besuchten, doch diesmal war zusätzlich die Kombination der Aktivitäten, die wir planten, definitiv ungewöhnlich.
 
Wann die Reise starten sollte und der Zeitrahmen standen wieder deutlich vor dem Reiseziel fest. Rund um Günters runden Geburtstag wurde geplant und da er sich aus diesem Anlass etwas „Besonderes“ wünschte, gingen die Überlegungen bereits letzten Herbst und Winter in die verschiedensten Richtungen. Manches kam für mich von vornherein nicht in Frage, so fühlte ich mich etwa für eine Durchquerung der USA mit dem Rad weder von der Ausstattung her, noch konditionell gerüstet. Und auch für eine anspruchsvolle Trekkingtour im Ruwenzori-Gebirge (Uganda) hätte ich mir deutlich mehr Vorlauf gewünscht.
 
Am Ende blieben von der anfänglich langen Liste Marokko mit "Max" und Fähre oder ein entsprechend ausgedehnter Roadtrip Richtung Südspanien als wahrscheinlichste Kandidaten stehen. – Kaum hatte ich mich jedoch mit der Marokko-Option angefreundet, wurden wir jäh von ganz unerwarteter Seite ausgebremst: meine Mutter, die bislang trotz ihres hohen Alters erfreulich fit und unabhängig gewesen war, brauchte plötzlich deutlich mehr Unterstützung und Zuwendung.

So zögerten wir recht lang, uns in Form eines Fährtickets festzulegen. Und als sich dann glücklicherweise herauskristallisierte, dass ein paar Wochen Abwesenheit doch einigermaßen vertretbar sein würden (wobei ich meinem Bruder und meiner Schwägerin hier sehr zu Dank verpflichtet bin), gab es für den geplanten Zeitraum längst keine vernünftigen Tickets mehr. 

So lief es am Ende auf Südspanien als Ziel hinaus und, weil die Alpen in diesem Frühjahr noch mit viel Schnee lockten und wir im vergangenen Winter nicht ein einziges Mal auf Skiern gestanden hatten, planten wir zu Beginn der Reise ein paar Tage in der Schweiz zum Skifahren bzw. -tourengehen ein. – Und wenn die Ski und alles Zubehör dann sowieso an Bord wären, war klar, dass es dabei nicht bleiben würde …

Für alle, die sich für unsere konkrete Reiseroute interessieren, hier der Link zu einer von Günter erstellten Google-Maps-Karte.



Schweiz



Dienstag, 26. März – Bivio



Nachdem das Zusammenpacken am Samstag trotz diverser Aprilregengraupelschauer-Zwangspausen und der ungewohnten Ausrüstungsgegenstände (Ski + Zubehör) gegen Abend praktisch komplett bewerkstelligt war, hätten wir am Sonntag eigentlich schon morgens nach dem Frühstück Richtung Schweiz starten können. Doch auch der Sonntag blieb wettermäßig schauerlich, so ließen wir es diesmal ganz gemütlich angehen. Erst nachdem zu Mittag die letzten Reste vom Samstag vertilgt und sogar die Spülmaschine ausgeräumt war, ging es endlich los. Positiver Nebeneffekt: die erste Osterferienreisewelle war praktisch komplett durch, bis wir uns auf den Autobahnen einreihten, und wir kamen ohne jede Verzögerung in 3 ½ Stunden bis Bivio durch. 


Abends in Bivio, wo Ende März noch tiefster Winter ist.


Diese kleine Ortschaft an der Julierpass-Straße hatte sich uns (bzw. Günter) durch ihr kleines, feines Skigebiet und die unzähligen Tourenmöglichkeiten, sowie noch jede Menge Schnee im März empfohlen. Die Liftanlagen sind zwar nicht der Rede wert (drei endlos lange Schlepper, von denen lediglich zwei in Betrieb waren …), erschließen jedoch eine überraschend ausgedehnte Pistenlandschaft. Am Montagmorgen waren die Pisten zudem angenehm leer, bestens präpariert und es gab jede Menge Möglichkeiten, dazwischen schon mal ein paar Schwünge im nicht planierten Gelände zu probieren.


Blick aus dem Skigebiet Richtung Julierpass


Die sehr späten ersten Schwünge unserer Skisaison


Bivio am Fuß des Piz Neir
 

In diesem Winter waren dies für uns tatsächlich die allerersten überhaupt, bis dahin hatte es aus den verschiedensten Gründen einfach nie mit einer Skitour oder einem Skitag geklappt und so hatte ich eigentlich im Stillen mit dem Thema bereits abgeschlossen. Um die Skistiefelproblematik, die mich zu meiner Schande schon seit einigen Jahren begleitet, hatte ich mich folglich nicht mehr gekümmert und leider rächte sich das nun gewaltig. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Im Prinzip waren die Stiefel von Anfang an zu eng, doch zwischenzeitlich kam ich dann auch wieder ganz gut damit zurecht und so schob ich die Entscheidung, mich um neue, besser passende Exemplare zu kümmern, immer wieder auf … Diesmal nun litt ich von dem Moment an, als ich zum ersten Mal in die Stiefel stieg, mehr oder weniger durchgehend und konnte mir abends nicht vorstellen, mich noch mindestens zwei weitere Tage damit herumzuplagen. 

Abgesehen von diesem Ungemach war dies aber ein herrlich sonniger, wenn auch recht kühler und sehr windiger Tag und hätte von daher ein nahezu perfekter Skitag sein können. Mit der Halbtageskarte, die bis 13 Uhr galt, verunsicherten wir morgens die Pisten und nutzten dann die letzte Bergfahrt quasi als Sprungbrett für eine Skitour zum Piz Turba, einem veritablen 3000er, wenn auch mit seinen 3018 m nur knapp. 

Von den etwas über 1200 Hm Aufstieg ab Bivio könnten wir uns so fast zwei Drittel sparen, aber die komplette Abfahrt genießen, dachten wir. Ganz so einfach und unbeschwert war die Sache dann aber leider nicht und das hing nicht nur mit meinem Skischuh-Malheur zusammen. Das ewige Auf und Ab über die weite Ebene, die sich zwischen der obersten Liftstation und dem Forcellina-Pass ausdehnte, schlauchte uns nicht wenig und bescherte uns sicher auch noch den einen oder anderen zusätzlichen Höhenmeter. Und der letzte Steilaufschwung vor dem Gipfelgrat besorgte uns dann noch den Rest: Spätestens hier machte sich zweifellos die ungewohnte Höhe bemerkbar – immerhin waren wir hier fast 2500 m höher als in München, wo wir gerade mal 24 Stunden zuvor gestartet waren – und natürlich auch der halbe Skitag auf der Piste, der uns zusätzlich in den Knochen steckte. 


Nachmittags-Skitour aus dem Skigebiet zum Piz Turba


Auf einer Hochebene geht es vorbei am Piz Forcellina ...


... und dann gefühlt endlos weiter ...


... bis an den Fuß des Piz Turba.


Angesichts der Ausgesetztheit und einiger Wechten, sowie unserer Müdigkeit und des langen Rückwegs, der uns noch bevorstand, sparten wir uns den an sich kurzen Aufstieg vom Grat zum Gipfel, den man von hier aus hätte zu Fuß bewältigen müssen. - Ehrlich gesagt hätte ich sowieso schon viel früher das Handtuch geworfen und mir den übel vereisten Aufstieg zum Grat gespart, hatte mich aber schließlich doch auch noch vollends zu diesem hochgemüht. 


Beim vereisten Schlussanstieg ging es für mich irgendwann
nur noch zu Fuß weiter.


Blick ins Bergell vom Grat am Piz Turba


Die letzten steilen Meter zum Gipfel schenken wir uns.


Mühevolles Abfellen im heftigen Wind, ein halber Schokoriegel und ein Schluck Wasser für jeden und dann gings flott das erste Stück hinab Richtung Tal. Für eine weitere Pause wählten wir leider in einem windstillen Moment einen ziemlich ungeeigneten Platz und zu allem Überfluss kamen nun Schleierwolken auf, verschwand wenig später die Sonne hinter den Gipfeln und ein Großteil des Tals lag von da an im Schatten. So trieb es uns schon bald zur Weiterfahrt. 


Nach kurzer Pause am Grat ...


... machen wir uns auf den langen Rückweg nach Bivio.


Wie ich beim Blick von oben schon befürchtet hatte, wurde der Rückweg gegen Ende dann wirklich extrem zäh. Zunächst ging es zwar noch über erst steile, dann zunehmend flachere Hänge und bei oft auch sehr angenehmen Schneebedingungen zu Tal – außer an völlig abgeblasenen vereisten Stellen, gab es meist eine dünne Pulverauflage auf einem tragenden Harschdeckel. Irgendwann war dessen Sohle jedoch nahezu erreicht und es begannen einige sehr ausgedehnte und lästige Schiebestrecken, gefolgt von diversen Hangquerungen und weiteren Schiebestrecken. Schließlich stießen wir wieder auf die ersten Ausläufer von Bivio, aber auch dann verging noch schmerzhaft viel Zeit bis wir endlich wieder oberhalb der Talstation des Lifts herauskamen. 


Mühevolle Schiebestrecke vor dem Plang Camfer


Wir erreichen erste Gehöfte, aber Bivio ist noch immer
nicht in Sicht.


Glücklicherweise waren es von da nur wenige Schritte bis zum Skikeller des Hotels Solaria und ebenfalls ein Glück war, dass sich meine lädierten Füße über Nacht doch wieder einigermaßen erholten, so dass ich mir an unserem zweiten Tag unter Einsatz von ein paar Blasenpflastern und etwas Tape eine weitere Skitour zutraute.

Auf den Piz Scalotta sollte es diesmal gehen, zu dem die Tour nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt begann. Gut 1100 Hm standen uns bis zum 2992 m hohen Gipfel bevor auf diesmal lediglich 4,5 km Strecke. Normalerweise also kein echtes Problem, doch an diesem Tag spielte weder das Wetter so richtig mit noch mein Geläuf. Morgens war der Himmel grau in grau und der Wind blies eher noch heftiger als am Vortag, später zeigte sich in der Umgebung immer häufiger die Sonne, nur leider genau nicht an „unserem“ Berg …


Aufstieg zum Piz Scalotta ...


... bei eher durchwachsenem Wetter.


Über dem Plang Tguils ...


... und auch Richtung Julierpass reißt der Himmel allmählich auf.


Doch bei uns bleibt es leider schattig und zugig.


Vielleicht hätte uns auch der eisige Wind zum Umkehren bewegen können, letztlich gaben aber meine Füße den Ausschlag, die mich trotz aller Vorkehrungen wieder gewaltig ärgerten und ausbremsten. Unter diesen Umständen musste der Gipfel nicht um jeden Preis sein, waren wir uns einig, und so brachen wir nach etwa Zweidritteln der Tour ab. 

12 Uhr war gerade vorbei, so verspeisten wir an einem leicht windgeschützten Platz unterhalb einer Schneewehe noch unser Vesper. Von unserem Rastplatz aus konnten wir einige Punkte in der Ferne beobachten, die sich Richtung Piz Scalotta bewegten, und dies bestärkte uns noch einmal in unserem Entschluss. Bis zu dieser Stelle hatten wir bereits zweieinhalb Stunden gebraucht und wir schätzten, dass es in unserem heutigen Tempo sicher noch einmal mindestens ein bis eineinhalb Stunden bis zum Gipfel wären, die ich mir definitiv nicht zumuten wollte. 

So fellten wir denn ab und „rauschten“ flott ins Tal. Während oben noch alles komplett vereist oder ganz am Anfang gar bruchharschig war, wurde der Schnee später immer weicher, erst gut fahrbar, dann pappig und zuletzt wars nur noch Matsch.
 
Abgesehen von der Aussicht auf die umliegenden Berge und Täler gab es bei der Tour noch ein weiteres kleines Highlight: Bereits im Aufstieg hatten wir eine ganze Herde Steinböcke erspäht, von denen auch bei der Abfahrt noch einige zu entdecken waren.


Steinböcke - ein Suchbild


Weil es dann noch gar so früh am Tag war und unten im Tal fast den ganzen Nachmittag die Sonne schien, machten wir uns bald auf die Suche nach Kaffee und Kuchen. Nach einer kurzen Runde durch die Ortschaft, bei der wir feststellten, dass diese wirklich sehr übersichtlich ist, kehrten wir direkt an der Talstation des Lifts (und zweimal Umfallen vom Hotel entfernt) im Café Roccabella zu Cappuccino und Heidelbeerkuchen ein.



Mittwoch, 27. März – Hotel Solaria, Bivio



In Anbetracht des wenig einladenden Regenwetters vor dem Fenster standen wir an unserem dritten Morgen in Bivio sehr gemütlich auf und bis wir mit dem Frühstück und allem fertig waren, war 9 Uhr längst vorbei. Der Lift drehte draußen traurig und nahezu verwaist seine Runden und wir brachen trotzdem, wenn auch nur mäßig hoffnungsvoll, mit dem ganzen Skitourengeraffel im Auto Richtung Julierpass auf. 

Anhand der diversen Wetterprognosen war schon am Vorabend absehbar gewesen, dass dies kein guter Tag werden würde. Doch so garstig, wie es nun tatsächlich war, hätten wir doch nicht für möglich gehalten. Bei der Anfahrt zum Ausgangspunkt der kleinen Skitour zum Piz Campagnung, die Günter als, hoffentlich auch bei eher ungünstigen Bedingungen machbares, „Minimalprogramm“ ausgesucht hatte, ging nach wenigen Kilometern der Regen in Schneetreiben über. Dies hatten wir nicht anders erwartet und war natürlich auch erwünscht. Bedenklich fand ich schon eher die Windböen und die Schneefahnen, die es immer wieder über die Straße trieb. Und als wir den Parkplatz etwas unterhalb des Passes erreichten, wäre ich am liebsten im Auto sitzen geblieben und gleich wieder ins Hotel zurückgefahren: Man sah überhaupt gar nichts, Windböen rüttelten am Auto und nasser Schnee wurde gegen die Scheiben geklatscht. – Kalt konnte es also immerhin nicht sein, zumal der Schnee auf der Windschutzscheibe sofort wieder wegschmolz. 

Nach einigem Hin und Her und mangels Alternativprogramm beschlossen wir, der Tour, die ja lediglich ungefähr 600 Hm und 3 km lang sein sollte, wenigstens eine Chance zu geben. Sowieso standen erstaunlich viele Autos auf dem Parkplatz und wir fragten uns, wo die zugehörigen Leute wohl hin verschwunden waren. Zu sehen war niemand, nicht einmal eine Spur war im Schnee erkennbar – bei Schneesturm allerdings auch kaum verwunderlich. Vielleicht waren einige Tourengeher schon tags zuvor zur Jenatsch-Hütte aufgestiegen und harrten dort nun aus, in der Hoffnung auf bessere Bedingungen morgen?
 
Gegen 10.30 Uhr brachen wir schließlich auf, folgten bei praktisch nicht vorhandener Sicht anfangs noch einem Wegweiser und ein paar Markierungen des Sommerwegs, die aus dem Schnee lugten. Später orientierten wir uns im Wesentlichen am rechten Bachufer der „Gelgia“ (rätoromanisch für Julia), sowie einem GPS-Track von Outdooractive. 


Im Schneetreiben tasten wir uns an der Julia entlang.


Die Sicht ist und bleibt an diesem Tag äußerst schlecht.


Zu Anfang gaben wir uns noch der Hoffnung hin, dass das Wetter mit der Zeit besser werden, es wenigsten für eine Weile mehr aufklaren, der Schneefall nachlassen würde. Und das eine oder andere Mal schien es auch tatsächlich kurz davor und wurde es im Windschatten plötzlich so warm, dass die Goretexjacke schlagartig lästig wurde, die Brille beschlug. 


Ohne GPS-Track geht heute gar nichts.


Nach einer Stufe, die wir ziemlich dicht am Bachufer überwanden, folgte ein weiteres Hochtal. Hier konnten wir am jenseitigen Bachufer schemenhaft drei Skifahrer erkennen, die sich langsam bergab tasteten. Dieser Anblick zusammen mit der allmählichen Erkenntnis, dass wir wohl in absehbarerer Zeit mit keiner wesentlichen Besserung der Verhältnisse rechnen konnten, brachte uns schließlich zu dem Entschluss, auch diese Skitour bei einem markanten Felsen etwas abseits der eigentlichen Route abzubrechen. 


Nach etwa einem Drittel der Tour
zum Piz Campagnung geben wir auf.


Ein geteilter Schokoriegel, ein Schluck Wasser, Abfellen im Schneetreiben und natürlich ein paar Beweisfotos, damit niemand auf die Idee käme, dass wir grundlos aufgegeben hätten ;), und schon ging es wieder den Berg hinab. Der Wind trieb uns nun gemeinerweise den Schnee direkt von vorn in die Gesichter, dieser setzte die (Ski-) Brillen zu und die feuchte Wärme ließ letztere noch zusätzlich dauernd beschlagen. Mit Skibrille war es also schlecht, ohne nicht besser und die Kombination aus normaler Brille und Skibrille funktionierte schon gar nicht. So kam es, dass ich ein ums andere Mal in einen Hügel oder Schneehaufen geriet und stürzte, weil ich von Günters Spur abgekommen war. 


Wo geht's hier ins Tal?


Ohne Worte ...


Letztlich war es ja echt keine Strecke (ca. 1,5 km, weiter waren wir nicht gekommen) und wir hatten auch trotz allem schnell wieder die Engstelle am Bach erreicht, die einzige etwas anspruchsvollere Passage. Obwohl wir insgesamt nur anderthalb Stunden unterwegs waren, war von unserer Aufstiegsspur bei der Abfahrt rein gar nichts mehr zu sehen. Daher war ich auch sehr verunsichert, ob wir wirklich so dicht am Bach aufgestiegen waren, erst recht, als Günter vor mir ein ganzes Stück seitlich abrutschte und erst kurz vor dem Bachbett wieder Halt fand … Am Ende hat es aber wohl gestimmt, denn wir kamen genau bei den beiden markanten Felsen heraus, die eine Art „Tor“ bildeten, durch das es wieder in die Ebene beim Parkplatz hinaus ging.
 
Hier staunten wir nicht schlecht, als uns eine vielköpfige Tourengruppe mit Helmen und Pickeln an den Rucksäcken auf ihren Skiern entgegengestapft kam. Hätte nicht gedacht, dass sich bei diesem Sauwetter wer zu der Hütte dort oben aufmachen würde, doch diese (Chamanna Jenatsch) steuerten sie tatsächlich an. Günter wollte den aufsteigenden Skitourist*innen galant nach links ausweichen und geriet dabei prompt in einen Graben, brach ein und bis zum Wasser durch … Bis er sich wieder aufgerappelt hatte, war die Gruppe vorübergezogen und wir schoben und rutschten noch die letzten Meter zum Parkplatz zurück. 


Eine große Skitourengruppe will trotz allem zur Jenatsch-Hütte.


Es folgte eine heikle Talfahrt auf der schneebedeckten Passstraße mit unseren nach fast 5 Jahren doch schon eher abgefahrenen Ganzjahresreifen. Am Straßenrand standen immer wieder Autos, Klein- und Großlaster, deren Fahrer gerade dabei waren, Schneeketten aufzuziehen (die wir noch immer nicht besitzen …) und der Räumdienst kam uns erst kurz vor Bivio entgegen, wo die Straße sowieso schon nahezu frei war. Auch hier unten schneite es mittlerweile und für die kommenden Tage war keine Besserung in Sicht. Dies betraf uns zwar nicht mehr wirklich, da wir anderntags weiterfahren würden, doch falls bis zum folgenden Morgen so viel Schnee fiele, dass am Julierpass Schneekettenpflicht verhängt wurde, müssten wir auf die Schnelle einen Plan B für die Weiterfahrt finden.



Frankreich


Gründonnerstag, 28. März – Baratier/Frankreich, Camping Le Verger



Nun hieß es Abschiednehmen vom Hotel Solaria und Bivio. Und auch die Schweiz ließen wir bald hinter uns, durchquerten Italien und erreichten am späten Nachmittag bereits Frankreich. Ursprünglich hatten wir noch einen Zwischenstopp im italienischen Susatal geplant, um die Fahrstrecke etwas kürzer zu halten, und vielleicht hätte sich ja im „Gran Bosco di Salbertrand“ noch eine Wanderung ergeben. Doch die Wettervorhersage für diese Gegend war für Freitag dann so gruslig, dass wir es vorzogen, gleich noch etwas weiter nach Westen zu fliehen. 

Morgens starteten wir in Bivio bei leichtem Schneegestöber und, während die Julierpass-Straße zu unserem Glück durchgehend geräumt und gestreut war, hatte die Schneedecke neben der Straße noch einmal deutlich zugelegt. Zusammen mit den eher milden Temperaturen (am Pass 0°C) verwunderte es daher nicht, dass die Lawinenwarnstufe mittlerweile auf 3 (erheblich) hochgesetzt worden war. Immerhin herrschte etwas bessere Sicht als am Vortag, trotzdem war ich froh, hier nicht noch einmal auf Skitour zu gehen …

Weiter gings über den Malojapass und auch hier herrschte tiefster Winter. Die Bäume waren vielleicht sogar noch dicker eingeschneit als am Julier und bei der Talfahrt Richtung Comer See dauerte es lange, bis der Schnee weniger wurde und das Grün und blühende Bäume und Sträucher schließlich die Oberhand gewannen. Nachdem wir die Grenze nach Italien (ohne Kontrolle) überschritten hatten, war schnell der Lago di Mezzola erreicht und nach einem Tankstopp ging es durch Unmengen an Tunneln entlang des Comer Sees nach Süden. Den Schnee hatten wir hier hinter uns gelassen, doch regnete es ohne Unterlass aus einem gleichförmig grauen Himmel und die Außentemperatur stieg nur ganz allmählich bis auf 6/7°C … 

Über diverse Autobahnen ging es an Mailand vorbei Richtung Turin, im weitesten Sinne mal wieder durch die Poebene. Doch im Unterschied zu fast allen anderen Gelegenheiten war es hier heute weder unerträglich heiß, noch fuhren wir durch ausgedörrte, nahezu wasserlose Landstriche. Ganz im Gegenteil waren die Flüsse und Seen allesamt gut gefüllt und die Landschaft frühlingshaft grün! Erst kurz vor Turin hellte auch der Himmel allmählich auf und der Regen ließ nach. Im dritten Anlauf schafften wir es, auf einem Rastplatz einen halbwegs annehmbaren Platz zum Vespern zu finden, und tatsächlich kam dann sogar noch die Sonne raus, so dass wir auf der Ladeklappe „speisen“ konnten.
 
Anschließend gings schon bald ins nächste Gebirge und somit leider auch zurück in den Winter. Bereits die Spitzen der Berge, die das Susatal einrahmen, waren weiß und spätestens auf dem Weg zum dritten und letzten Pass des Tages, dem „Montgenèvre“, sah es wieder genauso winterlich aus wie an Julier und Maloja. Hier schien allerdings an diesem Nachmittag immerhin die Sonne auf den Skizirkus im gleichnamigen Ort. Kurz vor diesem überquerten wir zunächst unbehelligt die Grenze nach Frankreich, doch in der Ortschaft selbst gab es dann noch einen vorgeschobenen Grenzposten, wo wir tatsächlich angehalten und gefragt wurden, was wir „dadrinnen“ (dedans) in unserem Aufbau hätten. Auf Günters Antwort, dass das „pour camping“ sei, ließ man uns dann aber gleich ziehen.


Von Montgenèvre geht es nach Briançon hinab ...


... bei noch immer sehr winterlichen Bedingungen.


Der Schnee begleitete uns dann sehr lange, bis Briançon und noch weiter hinab, so dass ich mich schon beim Wintercamping sah. Ganz so schlimm kam es letztlich nicht, der Campingplatz in Baratier lag deutlich unter der Schneegrenze und abends wurde es zwar kühl, aber nicht wirklich eisig. Der ursprünglich ausgesuchte Campingplatz „Les Grillons“ war entgegen anderslautenden Angaben im Internet „fermé“, rund um Embrun gab es aber noch ein paar andere Plätze, bei denen wir unser Glück versuchen konnten. Auch beim „Camping Le Verger“ hatten wir anfangs wenig Hoffnung, der Platz sah so ausgestorben aus, die Rezeption am Eingang war ganz offensichtlich geschlossen, alle Läden heruntergelassen. Doch während wir noch ratlos herumstanden, tauchte ein Typ auf, der erst vor unserem Auto auf- und ablief und telefonierte, uns dann aber tatsächlich für zwei Nächte einen Platz inklusive Strom für 44 € Cash auf die Hand ohne Quittung „verkaufte“… – Na ja, die Sanitäreinrichtungen waren allesamt funktionstüchtig, Strom gab es auch – was wollte man mehr?

Zum Abendessen hatten wir es ebenfalls nicht weit: im nur wenige Schritte entfernten Hôtel, Les Peupliers“ kostete das Menü (3 Gänge) 37 € pro Nase und schmeckte uns so gut, dass wir uns für den folgenden Abend gleich noch einmal anmeldeten.
 
Als wir später in unsere Schlafsäcke krochen, hatte der Himmel aufgeklart und es versprach eine empfindlich kalte erste Campingnacht in diesem Jahr zu werden.


Karfreitag, 29. März – Baratier, Camping Le Verger



Frisch wurde es dann durchaus, doch frieren mussten wir nicht, da wir uns von Anfang an zusätzlich zu unseren "normalen" Daunenschlafsäcken mit den beiden Hälften unseres Deckenschlafsacks zugedeckt hatten. Zudem zog es im Lauf der Nacht wieder zu, gelegentlich tröpfelte es sogar etwas und in der Folge wurde es deutlich wärmer. So konnte ich mich wieder aus der Kapuze des Schlafsacks schälen, die ich anfangs fest zu gezurrt hatte, damit höchstens die Nasenspitze noch der ungewohnt eisigen Luft ausgesetzt wäre. Herrlich ruhig war es auf dem nahezu verwaisten Platz noch obendrein und so schliefen wir ziemlich gut und auch ziemlich lang.
 
Morgens war es noch immer bedeckt, aber immerhin trocken, doch so richtig lockte es uns nicht aus den Schlafsäcken. Irgendwann stellten wir fest, dass es bereits nach 8.30 Uhr war und wir nun doch schleunigst in die Gänge kommen mussten, wenn wir die auf fünf Stunden veranschlagte Wanderung auf den Mont Guillaume, die wir uns vorgenommen hatten, noch schaffen wollten. Eingekauft musste davor ja auch noch werden, weil es nach der langen Fahrt am Vortag nicht mehr dazu gekommen war, und dann kam noch eine gute halbe Stunde Anfahrt zum Ausgangspunkt der Tour obendrauf. So kam es, dass wir erst kurz nach 11 Uhr vom Parkplatz auf 1600m, weit oberhalb von Embrun und bereits längst wieder im Schnee, losstapften. 

Vom Start weg war dann fast klar, dass wir es bei diesen Bedingungen nicht zum Gipfel bzw. der Kapelle auf dem Mont Guillaume schaffen würden. Der Schnee war schon jetzt extrem weich, kein Wunder bei 10°C Lufttemperatur, und schon nach wenigen hundert Metern sanken wir immer tiefer und noch tiefer darin ein. Günter, der mit seinen Sommerwanderschuhen für Schnee sowieso eher mangelhaft gewappnet war, spurte tapfer voran und hatte im Handumdrehen pitschnass durchgeweichte Schuhe und Socken und trotz der Anstrengung entsprechend kalte Füße. Meine festen Lederstiefel mit Goretexfutter hielten dagegen fast bis zum Ende Stand, zwar hatte auch ich praktisch die ganze Zeit kalte Zehen, doch das kam wohl eher von der Kältestrahlung des Schnees durch die Sohlen. 


Auch beim Aufstieg zum Mont Guillaume bei Embrun
liegt noch viel sehr weicher Schnee.


So stapften wir also durch den lichten Lärchenwald bergan und kamen wegen des Schnees nur recht langsam voran. Bis zum Mont Guillaume sollten es 6 km und knappe 1000 Hm sein und nach 1 ½ h hatten wir gerade mal 2 km davon geschafft. Der Schnee wurde außerdem immer noch weicher und das, obwohl aus dem für heute eigentlich versprochenen Sonnenschein nichts wurde. Die Wolken vom Morgen hatten sich zwar aufgelöst, stattdessen verschleierte im Lauf des Tages zunehmend ein rötlicher Nebel Sonne und Aussicht: Saharastaub mal wieder …

In Anbetracht der weit fortgeschrittenen Tageszeit, von Günters nassen, eiskalten Füßen und der vermutlich im Tagesverlauf deutlich gestiegenen Lawinengefahr beschlossen wir, es an der „Chapelle de Seyères“ gut sein zu lassen. Kurz vor der Kapelle ging es über einen Bach, an dessen Ufer sich uns ein Querschnitt durch die beeindruckend dicke Schneedecke hier oben darbot. Die Kapelle selbst verschwand zur Hälfte im Schnee, von den Bänken, die sommers hier offenbar zur Rast einladen, keine Spur. 


Chapelle de Seyères




Die Kapelle steckt noch zur Hälfte im Schnee.


So setzten wir uns letztlich in den kahlen Innenraum, der zwar ziemlich frostig war, immerhin aber Windschutz und auf zwei Hackklötzen einen halbwegs angenehmen Sitzplatz bot. Vermutlich war die Kapelle vor dem Winter leergeräumt worden. Außer etwas Brennholz, den beiden Holzklötzen und zwei Fotos, auf denen einem jungen Mann gedacht wurde, der im vergangenen September wohl in den Bergen ums Leben gekommen war, einem improvisierten Kreuz aus zwei Stecken und einem dicken Wackerstein auf dem Altar enthielt sie nichts. Unser Vesper fiel dann eher kurz aus, weil wir bald doch zu frösteln begannen, und so machten wir uns nach höchstens 15 Minuten schon wieder an den Abstieg.

Dabei sanken wir noch tiefer in den Schnee ein als zuvor, einerseits weil wir im Abstieg mehr Gewicht auf die Füße brachten, aber eindeutig auch weil der Schnee noch einmal weicher geworden war. Bergab ging es freilich trotzdem deutlich schneller und so langten wir nach insgesamt gut 3 ½ h wieder beim Auto an. Beim Aufstieg hatten wir im Übrigen zwei Skifahrer gesehen, die offensichtlich rechtzeitig am frühen Morgen gestartet waren und deren Spuren wir nun öfter folgten. Wir hofften schwer, dass sie mit „Stein-Skiern“ (also alten Skiern, bei denen es auf ein paar Kratzer mehr nicht ankommt) unterwegs waren, sonst hatten sie spätestens anschließend welche … 


Mühsam waten wir wieder zu Tal.


Der Mont Guillaume blieb heute unerreichbar für uns.


So ein Kaffee im Städtchen wäre auch nicht verkehrt, dachten wir, weshalb wir uns gleich am Auto trockene Klamotten anzogen. Von einem Parkplatz am Bahnhof von Embrun spazierten wir in die historische Altstadt und zur romanisch-gotischen Kathedrale „Notre-Dame-du-Réal“ immer mit einem Auge auf mögliche Cafés schielend. Doch es gab zwar eine Menge Boulangerien, Pattisiers, Chocolatiers und dergleichen, auch einen Salon de Thé entdeckten wir, aber kein einziges Café! 


Auf der vergeblichen Suche nach einem Café ...


... in den Gassen von Embrun.


Notre-Dame-du-Réal


So besichtigten wir die Kathedrale, die außen aber leider mal wieder rundum eingerüstet war. Vom Jardin de l’Archevéché bzw. von der Promenade Belvédère du bord du Roc hatte man einen schönen Blick über das Durance-Tal und eigentlich auch auf die Berge dahinter, doch die waren mittlerweile nahezu komplett von Saharastaub-Nebel verhüllt.

Auch auf dem Rückweg zum Auto fand sich kein Café mehr, so kehrten wir zum Campingplatz zurück und verspeisten die vorsorglich am Morgen gekauften süßen (Oster-?)Zöpfe. Für Kaffee war es uns nun, um halb fünf, aber schon zu spät, so gabs nur Sprudelwasser dazu.
 
Abends (nach Duschen, Wurschteln, Tagebuch schreiben) gings noch einmal ins Hotelrestaurant „Les Peupliers“. Am Abend zuvor waren wir dort zwar auch die ersten gewesen, doch dann hatte es sich schnell gefüllt. Heute jedoch blieben wir lange allein, erst als wir schon die Vorspeise vertilgt hatten, kam ein weiteres Paar und später noch ein Tisch voll Leute. Das Menü kam diesmal für uns nicht in Frage, da man lediglich die Vorspeise geändert hatte, so bestellten wir à la carte. Und weil wir anschließend noch nicht ganz zufrieden waren, wurde gemeinsam ein XL-Nachspeisenteller mit fünf verschiedenen Probierportionen geordert … 

Zum Glück ging es mit den vollen Bäuchen zum Campingplatz nur noch bergab, doch nahmen wir uns vor, anderntags auf der Weiterfahrt ins „Land der Katharer“ (zwischen Carcassonne und Perpignan) möglichst mittags einzukehren und etwas spartanischer zu essen …


Karsamstag, 30. März – Camping Domaine Le Peiriere bei Tuchan



Morgens war es bei Embrun noch immer rötlich-diesig vom Saharastaub und auch auf der Weiterfahrt Richtung Südwesten begleitete uns dieses sonderbare Phänomen und die damit einhergehende eigenartige Lichtstimmung noch lange. Vom angekündigten großflächigen Regengebiet, das wir heute unbedingt durchfahren und hinter uns lassen wollten, dagegen keine Spur. Wenn es den gesamten Tag über fünf Minuten getröpfelt hat, dann war das schon viel ... 


Camping bei Sahara-Staub-Stimmung


Doch die Landschaft wurde im Lauf des Tages deutlich grüner, vom Winter ging es erst in den Vorfrühling mit noch weitgehend kahlen Bäumen, dann in den Frühling mit blühenden und grünenden Bäumen und Büschen und zuletzt war es nahe Narbonne bereits frühsommerlich mit blühendem Wiesensalbei, Hahnenfuß und dergleichen. Entsprechend stieg auch die Temperatur von 10 auf 21°C an. 

Gegen Mittag hatten wir gerade Pertius erreicht, und da der Isuzu wieder einmal nach Treibstoff lechzte, bot es sich an beim Carrefour am Stadtrand einen Stopp einzulegen, einerseits zum Tanken, andererseits für letzte Einkäufe vor dem Osterwochenende. Und weil wir dann sowieso schon da waren, suchten wir uns gleich noch ein Restaurant in der Stadt. 


Pertius


Wenn wir es schon nicht nach Marokko schafften, könnten wir ja wenigstens marokkanisch essen, dachten wir. Das Restaurant „La Couscoussière“, erwies sich dann in jeder Hinsicht als sehr „authentisch“ bzw. bestätigte viele unserer Vorurteile (die wir bei anderer Gelegenheit hoffentlich werden entkräften können ;)): Vom klebrigen Boden über das sehr einfache Ambiente bis zur offensichtlich längere Zeit nicht geputzten Toilette … Doch von alledem mal abgesehen, war auch das Essen sehr bodenständig arabisch: Wir bestellten einmal Couscous Maison mit Lammspieß, Merguez und Boulette, sowie eine vegetarische Tajine. Während das Couscous sehr in Ordnung war, neben dem Fleisch auch noch mit leckerer Gemüsesauce serviert wurde, kam die Tajine im Originaltopf eher als arg kartoffelbetonter Gemüseeintopf in viel Brühe daher. Vermutlich hätten wir auf letztere besser verzichtet und uns das Couscous, sowie vielleicht noch eine Vor- oder Nachspeise geteilt.

Bei der Weiterfahrt wurde es nun deutlich heller, ließen wir die Saharastaubzone bald hinter uns und sahen endlich wieder blauen Himmel. Bei Narbonne bogen wir von der Autobahn ab und rollten durch die hübsche Hügellandschaft, vorbei an Unmengen an Rebstöcken bis zum Camping Domaine Le Peiriere in der Nähe des Dörfchens Tuchan.


Schon beim Campingplatz gibt es eine erste Katharer-Burg:
Château d'Aguilar
 

Dieser Platz war einerseits recht hübsch mit einem Ententeich, Ziegen, Pfauen und dergleichen, hatte andererseits aber auch einige Macken: Dass das Restaurant trotz des nicht unbeträchtlichen Ansturms über die Osterfeiertage noch nicht geöffnet hatte, war davon noch am leichtesten zu verschmerzen. Doch unser zwar riesiger Stellplatz am - hoffentlich - ruhigen Ende der Anlage lag leider maximal weit vom einzigen, winzigen Sanitärgebäude entfernt, das zudem lediglich 3 WCs, 3 Duschen, 2 Handwaschbecken und 4 Spülbecken für den gesamten Platz bereithielt. – Auch hier stellten wir also denselben Trend fest, den wir schon im letzten Jahr in der Bretagne bemerkt hatten: Offenbar ziehen viele französischen Campingplätze mittlerweile die Kundschaft, die sich in eine Hütte einmietet, den „echten“ Campern vor. Oder man geht davon aus, dass die Mehrheit von letzteren sowieso in Wohnmobilen mit allem Komfort anreist und gar nicht mehr auf die platzeigenen Einrichtungen – vielleicht mal abgesehen von der Entsorgungsstation für die Campingtoilette – angewiesen ist.

Aber immerhin war es hier endlich warm genug (um fünf Uhr abends noch 18°C), um unseren neuen Tisch beim abendlichen Vesper einzuweihen, und wir genossen es, endlich genügend Platz für die Beine darunter und auch deutlich mehr Fläche darauf zu haben.
 
Dem Winter waren wir nun definitiv fürs erste entronnen, allerdings waren die Pyrenäen bereits in Sichtweite und auf denen lag – Schnee!


Ostersonntag, 31. März – Tuchan, Camping Domaine Le Peiriere



Nachdem nachts endlich die schwer einzuordnenden Tiergeräusche verstummt waren, die mich bis dahin immer wieder aufgeschreckt hatten, herrschte paradiesische Ruhe bis uns das doppelte 6-Uhr-Schlagen der nahen Kirche von Tuchan jäh aus dem Schlaf riss und daran erinnerte, dass diese Nacht um eine Stunde kürzer war – Umstellung auf Sommerzeit mal wieder …

An diesem Tag wollten wir unsere erste Katharer-Burg besuchen. Eine halbe Stunde Fahrt brachte uns zum Château de Peyrepertuse, einer recht ausgedehnten Burganlage hoch auf den Felsen über der Ortschaft Duilhac-sous-Peyrepertuse. Vom Tal aus waren jedoch große Teile der Anlage verborgen und musste man schon genau hinsehen, um überhaupt zu erkennen, dass dort über die Felsen noch ein paar künstliche Elemente herausragten.


Château de Peyrepertuse und Duilhac-sous-Peyrepertuse

 
Man hätte vom Dorf auch zu Fuß die gut 500 Hm zu der Burgruine hinaufsteigen können, was wir zunächst auch vorhatten. Doch die inklusive Burgbesichtigung dafür veranschlagten vier Stunden standen uns diesmal nicht zur Verfügung, denn für 13 Uhr hatten wir einen Tisch im Restaurant „Auberge du Moulin“ in Duilhac reserviert. Also ging es mit dem Auto zum obersten Parkplatz am Fuß der Burg und reihten wir uns am Kassenhäuschen in die zum Glück noch recht übersichtliche Besucherschlange ein.
 
Nachdem wir bei der Kassiererin, die mit Kunden, die des Französischen mächtig waren, gern ausführlich plauschte, endlich die 8 € Eintritt pro Nase hatten über den Tresen schieben dürfen, marschierten wir in knapp 15 Minuten zur äußersten der drei Burgmauern hoch. Die Burganlage erwies sich alles in allem als sehr sehenswert, und obwohl wir keinen Audioguide hatten, erfuhren wir dank einer Broschüre, die wir an der Kasse mitgenommen hatten, doch das Wichtigste zur Geschichte des Bauwerks. 


In der Burg


Die einstige Kapelle der Anlage


Aussicht bis zum Mittelmeer, davor das Château de Queribus


Pyrenäen in Sicht


Das Château de Peyrepertuse erstreckt sich über mehrere Ebenen.


Natürlich boten die drei ineinander geschachtelten Burgen, die von unten nach oben bzw. von außen nach innen sukzessive im Lauf von zwei oder drei Jahrhunderten (11. – 13. Jh.) errichtet worden waren, auch einen tollen Überblick über die umliegende Landschaft. Im Süden erblickten wir verschneite Pyrenäengipfel, im Osten lag das Meer, davor unser nächster Besichtigungskandidat, das Château de Quéribus, und rundum die weite, grüne Hügellandschaft, durchsetzt mit unzähligen hellen Kalkfelsen und einigen Dörfern.


Hier noch ein paar Worte zur Geschichte der Katharer, auf die man in der Gegend zwischen Carcasonne und Narbonne laufend stößt: 
Die Katharer oder auch Albigenser waren eine besonders in Südfrankreich zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert sehr erfolgreiche religiöse Gegenbewegung zur Römisch-Katholischen Kirche. Ähnlich wie später Luther lehnten sie die allzu weltlichen Umtriebe (z.B. persönliche Bereicherung, Schwelgen im Luxus, während die Landbevölkerung zunehmend verarmte) von deren Vertretern ab. Im Gegensatz zu diesem vertraten sie jedoch einen radikalen Dualismus, d.h. für sie war alles Irdische und Materielle grundsätzlich des Teufels und nur das Jenseitige göttlich. Hätten sich alle Katharer in letzter Konsequenz an diese Lehren gehalten, wären sie ziemlich schnell ausgestorben, da sogar die Empfängnis und Geburt von Nachkommen abgelehnt wurde. Doch die Mehrheit der Anhänger bestand aus "Credentes", die nicht eigentlich zur Kirche gehörten, sondern lediglich Sympathisanten waren, die den "Perfecti" genannten Kirchenmitgliedern ihre Ehrerbietung durch Kniebeuge oder Verneigung bezeugten, aber nicht zur Befolgung der strengen Regeln verpflichtet waren. Die etablierte Römisch-Katholische Kirche fühlte sich mit zunehmendem Erfolg dieser Gegenkirche mehr und mehr bedroht und nach einer kurzen Phase, in der man tatsächlich versuchte, sich im Gespräch zu einigen, sorgte letztlich doch die Inquisition mit ihren Mitteln dafür, dass die Anhänger der katharischen Lehren schnell und radikal dezimiert wurden. Da halfen auch die Burgen, in denen sie sich häufig verschanzten, nichts mehr, vor allem nachdem der ländliche Adel, von dem die Katharer anfangs unterstützt wurden, die Seiten gewechselt hatte.


Als wir die Burgbesichtigung für beendet erklärt hatten, war es zwar noch etwas früh, doch wir begaben uns trotzdem schnurstracks zur „Auberge du Moulin“, wo wir exakt um 12.30 Uhr eintrafen. Angeblich öffnete man um diese Zeit gerade, aber der übersichtliche und sehr urig gestaltete Gastraum war trotzdem schon gut gefüllt. Da war es diesmal wohl wirklich kein Fehler gewesen, fürs Mittagessen zu reservieren! Natürlich nicht weiter verwunderlich an einem Ostersonntag am Fuß eines beliebten Ausflugsziels und in einem Restaurant mit so guter – wenn auch hochpreisiger – Küche. Wir waren jedenfalls hoch zufrieden, sowohl mit dem geteilten Pulpo-Salat zur Vorspeise, als auch mit der Lammhaxe bzw. dem Hirschgulasch, das mit weißen Bohnen als eher ungewöhnlicher Beilage kam. Und auch der Birnen-Marzipankuchen, den wir uns zum Abschluss wieder teilten, war sehr gelungen. 


Brunnen an der Auberge du Moulin - die Inschrift darüber
verspricht dem, der daraus trinkt, dass er sich verliebt ...


Gehaltvoll war das Mahl natürlich auch gewesen, was lag also näher, als das Auto am Restaurant stehen zu lassen und gleich von hier zu der kleinen Wanderung zu den Gorges bzw. Cascades du Verdouble aufzubrechen. Von Duilhac ging es zum Bach hinab und an diesem entlang gut zwei Kilometer bis zum Eingang der Schlucht. Bis hier hätte man auch mit dem Auto kommen können, doch wanderte es sich auf den gut angelegten Wegen ebenfalls sehr angenehm und bequem. 


Schwalbenschwanz ...


... in den Gorges du Verdouble


Am unmittelbaren Beginn der Schlucht war leider gerade Baustelle, von daher überraschte umso mehr, was anschließend auf uns wartete: Über mehrere Stufen fließt hier der Bach Verdouble durch die enge Schlucht zu Tal und hat dabei viele herrlich blaugrün schimmernde Becken (Gumpen) ausgewaschen. Im Sommer ist dies wohl ein Badeparadies, das sogar überwacht wird. Jetzt im Frühjahr traute sich außer einem etwa 12-jährigen Jungen aber niemand ins sicher eisige Wasser. Uns genügte jedenfalls der Anblick, zumal der Himmel zunächst bedeckt und es entsprechend kühl war. 


Die Gumpen sehen einladend aus ...


... doch noch ist es auch bei Sonne zu frisch für ein Bad.


Während wir soweit wie möglich durch die Schlucht aufstiegen, kam zur Freude des Fotografen aber die Sonne doch zum Vorschein. Und als wir schließlich den Rückweg in Angriff nahmen, der mit einem steilen Anstieg auf den Höhenrücken oberhalb der Schlucht begann, floss denn auch zum ersten Mal an diesem Tag so richtig der Schweiß. Leider gab die Sonne aber nur ein eher kurzes Gastspiel und, bis wir wieder beim Auto angelangt waren, hatte es längst wieder zugezogen.


Duilhac-sous-Peyrepertuse,
ganz rechts die Auberge du Moulin, vor der unser Max parkt.
 

Und der Wind, der wohl zuvor die Wolken verjagt hatte, blieb vorerst noch böig und heftig und so machten wir zwar auf der Rückfahrt noch einen Abstecher zum Château de Quéribus hinauf, verschoben den Besuch der Burg aber auf den folgenden Morgen, in der Hoffnung, dann angenehmere Bedingungen und bessere Sicht zu haben. 


Ostermontag, 1. April – Quillan, Camping La Sapinette



Exakt zu der Zeit, als wir am Sonntagabend beim Zähneputzen waren, kam urplötzlich (wieder) ein böiger Wind auf. Tatsächlich war es auf dem Hinweg zum Sanitärhäuschen noch völlig windstill gewesen, doch beim Zurückgehen ließen die ersten Böen bereits den Staub im Lichtschein meiner Stirnlampe tanzen. Ein paar Stunden lang rüttelte dann der Sturm teils so heftig an unserem Blech-, Stoff- und Plexiglasgehäuse, dass an Schlafen – jedenfalls für mich – kaum zu denken war. Schließlich legte der Wind sich zum Glück aber wieder und die restliche Nacht war absolut ruhig, obwohl die Zahl unserer Nachbarn im Lauf des Tages deutlich zugenommen hatte. 

Am Ostermontagmorgen war der Himmel wieder strahlend blau, doch es war merklich kühler geworden. Nach dem Frühstück im dank Heizlüfter angenehm warmen Aufbau, brachen wir unsere „Zelte“ ab und machten uns auf den Weg zum ersten Besichtigungsstopp des Tages: Noch einmal ging es die kurvige Straße zum Château de Quéribus hinauf und, was soll ich sagen? Hier hat sich das Aufschieben tatsächlich mal voll gelohnt! Die Aussicht von den verschiedenen Ebenen der Burganlage (ähnlich wie beim Château de Peyrepertuse gibt es auch hier drei Ringmauern und zuoberst den „Donjon“ = Burgfried) war an diesem Morgen einfach umwerfend. Die höheren Pyrenäengipfel im Süden strahlten im Weiß des (wieder einmal) frisch gefallenen Schnees, im Westen konnte man über die grün-weiße Kalksteinlandschaft hinweg dem Château de Peyrepertuse winken, sowie dem Dorf Cucugnan mit seiner alten Windmühle, und im Osten war das Meer nun deutlich näher gerückt. Und all dies in der Sonne und unter blauem Himmel, an dem ein Geierpaar seine Runden über der Burg und den umliegenden felsigen Hügeln drehte.


Cucugnan, das Dorf mit der Windmühle


Schlüssellochperspektive auf die Pyrenäen


Blick zurück zum Château de Peyrepertuse


Die Ortschaft Saint-Paul vor dem Rücken eines
schlafenden Drachen (? - ;))


Aussicht vom Donjon, dem Burgfried

 
Nach der Burgbesichtigung schlugen wir einen Weg unterhalb der äußersten Mauer ein, der zwar nicht ausgeschildert war, aber klar zu erkennen und außerdem mit vielen neongelben Punkten markiert. Dieser führte auf den Nachbarhügel des Burgbergs, von wo aus der Blick auf den Burgfried vor der Landschaft perfekt war. 


Château de Queribus vom Nachbarhügel betrachtet


Nach dem zwar kurzen, aber doch anstrengenden Aufstieg, gönnten wir uns erst mal eine Pause, dann ging es weiter am Hügelkamm entlang. Einmal kamen wir dabei wohl vom rechten Weg ab und folgten, statt weiter über die Felsen am Grat zu steigen, einer Ziegenspur, die etwas in die Ostflanke hinabführte und erst anschließend mühsam wieder den Rücken erklomm. Schließlich erreichten wir aber doch den höchsten Punkt, den eine Steinpyramide markierte. – Bis dahin war dies ja eher die Reise mit den abgebrochenen (Ski-)Wanderungen gewesen, so wurde dieser unscheinbare namenlose Hügel mit seinen 728 m Höhe nun zu unserem allerersten Gipfel …  


Auf dem "Gipfel(i)"


Auch der Abstieg in Richtung des Kassenhäuschens bzw. Parkplatzes der Burganlage war weiterhin bestens markiert und offensichtlich, bis wir, vielleicht 50 m davor, plötzlich an einem Weidezaun standen. Dieser bestand zwar nur aus einem Draht der zudem nicht sehr hoch gespannt war, aber wo genau es nun weitergehen sollte, blieb unklar. Unsere offenbar recht zahlreichen Vorgänger hatten diverse Trampelspuren hinterlassen, von denen wir aufs Geratewohl eine wählten und letztlich auf der Picknickwiese unterhalb des Parkplatzes landeten. Warum man den Zaun nicht so verlegt hatte, dass etwaige Wanderer auch von dieser Seite innerhalb desselben zum offiziellen Ausgang der Burganlagen gelangen konnten, blieb uns ein Rätsel.


Noch ein letzter Blick auf die Burg, dann geht's weiter.
 

Über den Bergen bildeten sich mittlerweile die ersten Quellwolken, doch wir rollten vorerst noch in der Sonne zu Tal. In der Ortschaft Maury kehrten wir spontan im Restaurant „Le Pichenouille“ ein, wo wir völlig problemlos im Innenraum einen Tisch bekamen. Offenbar bevorzugten die meisten Gäste die Plätze im Hof hinter dem Restaurant, doch dafür fand ich es sowieso etwas zu kühl. Das gegrillte Schweinekotelette mit frittierten Kartoffelstäbchen, sowie der „Salade de Chèvre“ kamen dann flott auf den Tisch und die Kombination aus Salat und Hauptgericht erwies sich für uns beide wieder einmal als völlig ausreichend.

Weiter gings zu den Gorges de Galamus mit der Eremitage Saint-Antoine. Mittlerweile war der Himmel bereits überwiegend bedeckt und im Westen dräuten überraschend dunkle Wolken. Während wir in die Schlucht hinab und zur Eremitage hinauf „wanderten“ (insgesamt knapp 2 km und 85 Hm …) kam noch gelegentlich die Sonne durch, doch schon beim Rückweg zum Parkplatz donnerte es ein paarmal, was, durch den Widerhall verstärkt, in der Schlucht deutlich bedrohlicher wirkte als sonst.

Vor allem von Ferne betrachtet ist die Eremitage ein sehr malerischer Anblick, wie sie dort in die Felsen gebaut ist. In einer natürlichen Höhle befindet sich eine Kapelle und davor einige Gebäude auf mehreren Ebenen, in denen früher die Eremiten wohnten, heute u.a. ein Café und Kiosk mit allerlei Krimskrams (von Kerzen, die man in der Kapelle anzünden kann, über andere Devotionalien bis hin zu Honig, Schnaps und Keksen) untergebracht ist. Auch die Tiefblicke in die Schlucht mit dem rauschenden Bach an ihrem Grund (zu dem man offiziell nur im Rahmen von geführten Canyoning -Touren absteigen darf) waren wirklich eindrucksvoll. 


Die Gorges de Galamus mit der Eremitage Saint-Antoine


In der Felsenkapelle der Eremitage




Zu der Einsiedelei kann man von beiden Enden der Schlucht
gelangen.


Rückweg zum Parkplatz bei bedrohlicher Gewitter-Stimmung


Die Weiterfahrt durch die Schlucht wurde dann noch überraschend abenteuerlich, da die Straße deutlich enger war als gedacht. Bei dem nicht unbeträchtlichen Gegenverkehr brauchte es also maximale Aufmerksamkeit, um keinen Zusammenstoß zu riskieren. Das Gewitter blieb dabei und auch bei unserem letzten Besichtigungsstopp in Rennes-le-Château dauerhafte Hintergrundmusik. 


Rennes-le-Château


Kleine wilde Narzissen am Wegesrand.


In letzterer Ortschaft wollten wir hauptsächlich die Kirche Sainte Marie-Madeleine mit ihrer sehr speziellen Geschichte besichtigen. An und für sich handelt es sich dabei um eine romanische Dorfkirche, wie es in Frankreich viele gibt, doch Ende des 19. Jahrhunderts ließ der damalige Pfarrer, Bérenger Saunière, sie aufwendig renovieren und umgestalten. Woher er das viele Geld dafür nahm, ist wohl bis heute ungeklärt, was natürlich die Gerüchteküche ziemlich anheizte und zur „modernen Legendenbildung“ (Wikipedia) beitrug. Im Lauf der Zeit wurde der Ort auch zum Schauplatz in diversen Schmökern erkoren (z.B. Umberto Ecco: Das Foucaultsche Pendel; Dan Brown: Sakrileg), was dem Tourismus gewaltigen Auftrieb gab und gibt. 


Sainte Marie-Madleine in Rennes-le-Château


Abgesehen davon ist ein Spruch über dem Eingang der Kirche bemerkenswert: „Terribilis est locus iste“ (dieser Ort ist schrecklich) – ziemlich seltsam, wenn man davon ausgeht, dass es sich auf die Kirche bezieht, aber letztlich wohl nur das unvollständige Zitat eines Verses aus der Genesis. Und links vom Eingang unter dem Weihwasserbecken kniet ein nahezu lebensgroßer Dämon namens Asmodeus (mit sehr blauen Augen …). 


Inschriften am Eingang der sagenumwobenen Kirche


Asmodeus


Nach der Kirchenbesichtigung warfen wir noch einen Blick auf den „Tour Magdala“, doch dann kehrten wir schleunigst zum Parkplatz zurück, denn der Himmel verdüsterte sich nun auch hier zusehends. Und kaum saßen wir im Auto, fielen schon erste Tropfen und wir waren noch keine 500 m gefahren, als heftigster Hagel mit Körnern bis Ø 1,5 cm niederging … Erst stellten wir uns unter einen Baum, dessen Krone in die Straße hineinragte, da dieser aber nur bedingt Schutz bot, wollten wir schnell weiter- und hoffentlich aus der Hagelzone hinausfahren. Ein paar hundert Meter weiter mussten wir aber einsehen, dass uns dies nicht gelingen würde, so stellten wir uns mit anderen Autos ein zweites Mal unter Bäumen unter. Nach ein paar Minuten ließ der Hagel nach und wir wagten uns aus der Deckung, doch wieder hatten wir uns zu früh gefreut: noch einmal setzte das Prasseln mit ähnlicher Heftigkeit ein und wieder krochen wir unter einem Baum unter. 


 Am Tour Magdala - gleich geht es los ...


Schließlich schüttete es dann aber doch „nur“ noch und wir machten uns endgültig auf den Weg zum Campingplatz in der Ortschaft Quillan. Dieser hatte angeblich erst seit diesem Tag geöffnet und wir waren zusammen mit den Bewohnern eines VW-Busses offenbar die einzigen Gäste. Man sollte ja meinen, dass zu Beginn der Campingsaison so ein Platz bestens in Schuss und alles sauber geputzt ist. Hier sah es allerdings eher so aus, als hätte man im Herbst alles so gelassen, wie es nach der Abreise der letzten Gäste eben war, und nun einfach wieder aufgesperrt, ohne irgendetwas zu tun … 

Das Gewitter war, bis wir unser Ziel erreicht hatten, praktisch durch und wenig später kam auch schon wieder die Sonne raus. Zum Glück hatte das Auto den Hagel unbeschadet überstanden und auch der Aufbau hatte im Starkregen weitgehend dicht gehalten.


Dienstag, 2. April – Salardú/Spanien, Hotel Mauberme



Morgens weckte uns in Quillian wieder schönster Sonnenschein und ich machte mich noch vor dem Frühstück auf den Weg zur Dusche. Diese funktionierte allerdings nur so leidlich: nachdem ich tapfer eine halbe Ewigkeit gewartet hatte, spritzte allmählich warmes und schließlich sogar heißes Wasser aus dem arg verkalkten Duschkopf. Bis dahin stand bereits die komplette Dusche unter Wasser, aber als erfahrene Campingplatzduschen-Benutzerin schaffte ich es trotzdem, mit trockenen Klamotten und Schuhen davonzukommen ... Später erschien der Typ, der wohl am Vorabend auch an der Rezeption gesessen hatte, mit einem Putzwagen, aber, soweit ich feststellen konnte, sprühte er lediglich Putzmittel in WCs und Waschbecken, wischte etwas lustlos am Außenspülbecken herum und telefonierte ansonsten hauptsächlich – kein Wunder wirkten die Sanitärgebäude so dermaßen verratzt, wenn das hier als Putzen durchging … Aber gut, wir zogen ja sowieso weiter. 

Vor der Weiterfahrt wurde Günter die 17.44 € für die Übernachtung noch in bar los, da seine diversen Karten hier seltsamerweise allesamt von den entsprechenden Gerätschaften nicht akzeptiert wurden, während ich den Müllschluckern vor dem Eingang des Platzes Glas, Plastik und Pappe anvertraute.


Quillan im Tal der Aude


Es folgte eine sehr hübsche, sehr kurvige Bergstrecke durch Wälder, Wiesen und Schluchten bis zum Fuß des Montségur. Für die zunächst angedachte Wanderung auf einen Nachbarberg, die auf 1000 Hm gekommen wäre, fehlte uns die Zeit und letztlich auch die Motivation, denn gerade jetzt zogen Wolken auf und wir befürchteten, dass es bald wieder ganz dicht machen und uns die Aussicht verhageln würde. 


Montségur


Das Château de Montségur liegt zwar tatsächlich sehr spektakulär auf einem freistehenden Felsblock, doch die Burg selbst besteht lediglich aus einem einzigen großen, nach oben offenen Raum mit teils eingestürzten Mauern. Keinerlei Türme oder mehrere Ebenen wie bei den anderen Châteaus, die wir besichtigt hatten, sind hier erhalten - kein Wunder, wurde diese Burg doch von den Handlangern der Inquisition besonders gründlich geschleift und die darin verschanzten Katharer dabei allesamt verbrannt. 

Die 6.50 € Eintritt, die die Burg laut Internet kosten sollte, fanden wir in Anbetracht des Gebotenen leicht überzogen. Doch wir hatten Glück: die Ticketschalter waren unbesetzt, die Burg aber trotzdem zugänglich. So wanderten wir in einer guten viertel Stunde hinauf, genossen die Aussicht, wider Erwarten bei bestem Wetter, und kehrten anschließend in der gleichnamigen Ortschaft zum Essen ein.


Blick vom Montségur über das weite Land im Norden.


Das Dorf Montségur und die Pyrenäen im Süden


Die Überreste des Château de Montségur ...


... sind eher kläglich.


Das Dorf wirkt von oben wie Züge im Rangierbahnhof, dabei
erstreckt es sich einfach über mehrere Stufen entlang eines Hangs.
 

Das Restaurant mit dem originellen Namen „A La Patate Qui Fume“ (Zur dampfenden Kartoffel) hatte eine hübsche windgeschützte Terrasse, wo es in der Sonne nach kurzer Zeit schon fast zu heiß wurde. Das Essen war prima, Günter hatte einen Burger mit Entenbrust und Pommes (heiß, wie der Name des Gasthauses es versprach ;)) und Salat. Die Burger-Semmel war skurrilerweise schwarz eingefärbt. Geschmeckt hats ihm wohl genauso wir mir mein Lamm (ebenfalls mit Pommes, Gemüse und Nessel-Pesto), das allerdings ziemlich viel Fett auf den Knochen hatte. Noch ein geteilter Eisbecher mit 2 Kugeln Sorbet und Crème de Cassis und für jeden einen Espresso und schon konnten wir zufrieden weiterrollen. 


Guten Appetit!


Bis zu unserem Tagesziel in Spanien waren es nun noch immer gut 2 ½ Stunden Fahrt, bei der wir anfangs geraume Zeit am Fuß der Pyrenäen entlang querten. Hier im Tiefland wurde es im Lauf des Nachmittags recht warm, draußen stieg die Temperatur bis auf 21°C und im Auto heizte die Sonne uns mächtig ein. Bei einem Intermarché deckten wir uns unterwegs noch mit Wasser, Wein, Brot und Vesperzubehör für die kommenden Tage ein. Und gegen Abend bogen wir schließlich endgültig Richtung Pyrenäen und Spanien ab. 

Die französisch-spanische Grenze im Val d’Aran war leicht zu übersehen, denn es gab weder Grenzanlagen, noch eine entsprechende Beschilderung. So wurde uns erst in der ersten Ortschaft auf spanischem Boden (Les) wirklich bewusst, dass wir die Grenze bereits überschritten hatten. Eine ganz andere Bauweise und Unmassen an bunten Schildern, die offensichtlich Touristen in die Restaurants und Geschäfte locken sollten, bildeten hier einen deutlichen Kontrast zu den eher unaufgeregt normalen Ortschaften, durch die wir zuletzt in Frankreich gekommen waren. Offenbar reichten die Ausläufer des Skizirkus', für den dieses Tal ja in erster Linie steht, bis direkt an die Landesgrenze.

Apropos Ski: Auch wir wollten die unseren hier natürlich noch einmal zum Einsatz bringen. Schnee hatte es in der Ortschaft Salardú, wo wir uns ins Hotel Mauberme eingebucht hatten, nun allerdings keinen mehr, im Skigebiet oberhalb sollte ab einer gewissen Höhe jedoch noch genug von der weißen Pracht vorhanden sein und an der Rezeption versicherte man uns, dass der Schnee noch gut sei. Allerdings waren damit natürlich die beschneiten Pisten gemeint, doch wie es außerhalb derselben aussah, blieb vorerst unklar. Von den Skitouren, die Günter im Val d’Aran ausfindig gemacht hatte, einigten wir uns an diesem Abend auf eine als „leicht“ charakterisierte zum 2736m hohen Tuc de Parros. Ausreichend Schnee vorausgesetzt, sollte diese hoffentlich machbar sein, einzig die Entfernung von fast 9 km einfach machte mir noch Sorgen …