Dienstag, 14. Januar 2020

Sizilien 2019 - Teil III: Zur Südspitze und bis zum Ätna

Text: Eva Irmler
Fotos: Günter Schmidt



Von Agrigent zur Südspitze Siziliens


Als wir uns am späten Nachmittag Agrigent näherten, fiel unser erster Eindruck ziemlich ernüchternd aus. Günter hatte es ja noch von einem früheren Aufenthalt auf der Insel vor über 30 Jahren gewusst, aber ich war schon leicht entsetzt über die Masse an hässlichen Hochhäusern, viele davon reichlich verfallen, in denen das bisschen Altstadt nahezu unterging - eine typische Industriestadt eben. Nie würde man bei diesem Anblick darauf kommen, dass es hier etwas Nennenswertes zu besichtigen gäbe, dabei machten wir doch genau deshalb hier Station, um die Überreste einer antiken griechischen Stadt zu bewundern.

Antike Trümmer im Vordergrund, dahinter auf dem Hügel die
Altstadt von Agrigent - umringt von den Auswüchsen der Moderne.

Immerhin landeten wir im küstennahen Stadtteil San Leone auf einem gut organisierten und, abgesehen von der städtischen Lage, sehr hübschen Campingplatz.

Kaum waren wir dort angekommen und hatten uns auf einer der vielen noch nicht besetzten Parzellen niedergelassen, legte dann tatsächlich ein heftiges Gewitter los. Es donnerte nahezu am laufenden Band und die ersten Regentropfen veranlassten uns, im Auto Schutz zu suchen. Zunächst sah es noch so aus, als ob das Schlimmste links und rechts an uns vorbeiziehen würde. Doch waren wir letzten Endes gut beraten, nicht bei der ersten scheinbaren Flaute loszulaufen, um nach einem Restaurant Ausschau zu halten, denn es regnete dann noch ganz ordentlich und ein paar Blitze schlugen wohl in unmittelbarer Nähe ein …

Nach einer dreiviertel Stunde war der Spuk aber schon wieder vorbei und wir konnten uns auf den Weg machen. Den nahen „Lido“ von Agrigent steuerten wir an, wo sich entlang der Promenade einige Restaurants aufreihten.

Unterwegs mussten wir zu unserem Leidwesen hautnah erfahren, dass sizilianische Städte offenbar noch viel weniger auf Fußverkehr ausgelegt sind, als unsere heimischen. Die Fußwege waren hier selten breiter als einen Meter, häufig hingen wild wuchernde Hecken weit darüber, lag irgendwelcher Müll oder sonstige Hindernisse darauf. Und der Autoverkehr rauschte unablässig und ohne besondere Rücksicht in minimalem Abstand an uns vorbei. An einer Stelle galt es, eine große Pfütze zu überqueren, die sich beim Gewitter gebildet hatte. Günter watete einfach durch, doch ich wollte das nächste Auto abwarten und sie dann auf der Fahrbahn umgehen. Leider erwischte das Auto aber einen Ausläufer der Pfütze, so dass ich von oben bis unten nass gespritzt wurde … Super! – Dann konnte ich jetzt also mit klammen Klamotten im Restaurant frösteln ...

In der Trattoria „Portobello“, die wir recht kurz entschlossen ansteuerten (der riesige, hyänenartige streunende Hund, der uns da gerade verfolgte beschleunigte unsere Entscheidungsfindung ungemein …), war es dann zum Glück angenehm warm und das Tagesmenü, das wir uns auf den Schreck hin gönnten, mal wieder mehr als sättigend.

Zurück auf dem Campingplatz noch eine Runde Lesen („Winterbergs letzte Reise“ von Jaroslav Rudiš) bzw. „Internetten“ und dann wartete eine überraschend ruhige Nacht.

Campingplatz-Idyll mit Katze

Am Mittwoch erwachten wir so recht ausgeruht und bester Dinge, packten nach dem Frühstück unsere sieben Sachen und machten uns auf den Weg zum „Valle dei Templi“.

Günter, dem ich mal wieder die Planung überlassen hatte, meinte, die dortigen Sehenswürdigkeiten seien eher übersichtlich, im Wesentlichen gebe es einen gut erhaltenen Tempel, den man auch schon bei der Anfahrt sah, und sonst nur ein paar weniger spektakuläre Trümmer. So wunderte ich mich doch etwas über die Masse an Touristen und den gesalzenen Eintritt von 12 € pro Person. - Doch irgendwie wunderten wir uns anscheinend nicht genug, denn es gelang uns tatsächlich in den zwei Stunden, die wir uns für die Besichtigung Zeit nahmen, die Hauptattraktion (den „Concordiatempel“) und noch so manches andere zu verpassen …

Zwar sind die Überreste des Dioskuren-Tempels ...

... und die imposanten Säulen des Herkulestempels
auch nicht zu verachten, jedoch ...

Um es nicht allzu sehr breit zu treten: Dass wir große Teile des riesigen Tempelareals von Agrigent ausgelassen hatten, ging uns tatsächlich erst auf, als wir gerade den Ausgang durchschritten hatten und noch mal eben (warum erst jetzt?) auf die Infotafel mit dem Plan der ganzen Anlage schauten. Mich ärgerte dieses Versäumnis dann doch gewaltig, aber zu ändern war‘s ja nun leider nicht mehr ...

So machten wir uns wie geplant auf den Weg zum nächsten „Tagesordnungspunkt“, der barocken Stadt Ragusa, nicht ohne noch an der ungefähr teuersten Tankstelle auf Sizilien getankt zu haben. Mittags legten wir beim Torre San Nicola kurz vor Licata einen Abstecher ans Meer ein und verzehrten mit Blick auf die rauschende Brandung auf der Ladefläche sitzend unser Mittagessen. Sehr wohlschmeckendes Olivenbrot hatten wir glücklicherweise schon vor der missglückten Tempelbesichtigung beim Panificio um die Ecke vom Campingplatz gekauft.


Der Weg nach Ragusa zog sich länger als gedacht und wir kamen so spät dort an, dass für die schönen barocken Kirchen nur noch extrem wenig Zeit blieb, ehe die Sonne, die schon bei unserem Eintreffen massiv am Sinken war, vollends hinter den Hügeln verschwand.

San Giorgio in Ragusa Ibla - leider schon im Schatten.

Überhaupt war dies auf dieser Reise ein immer wiederkehrendes Problem: die Oktobertage waren einfach extrem kurz, zumal wir morgens selten vor halb neun oder neun aus den Federn kamen. An einigen Tagen wäre es daher sicher vernünftiger gewesen, sich nicht gar so viel vorzunehmen. So hätten wir uns beispielsweise sowohl für Agrigent, als auch für Ragusa besser je einen kompletten Tag zugestanden. Andererseits lief uns auch schon so langsam die Zeit davon, denn gerade an der Ostküste Siziliens, der wir uns nun näherten, häuften sich die sehenswerten Orte, und natürlich wollten wir auch den Ätna noch ausgiebig erwandern.

Von Ragusa aus sollte es an diesem Abend noch zur südlichsten Spitze Siziliens beim Capo delle Correnti gehen. Angeblich gab es dort auch einen Campingplatz, auf dem wir die Nacht verbringen wollten, obwohl er nicht gerade toll klang. So fuhren wir zunehmend in die Nacht hinein auf immer engeren Sträßchen bis dahin, wo Google den besagten Platz verortete. Doch dort wies weder ein Schild auf einen Campingplatz hin, noch war zu erkennen, wo ein solcher hätte sein können. Auf alle Fälle mussten wir bald einsehen, dass es keinen Zweck hatte, im Dunkeln weiter zu suchen. Hier, direkt am Cap würde es für uns keinen Übernachtungsplatz geben.

Beim Begleichen der Rechnung auf dem Campingplatz in Agrigent, hatten wir eine Sizilienkarte bekommen, auf der einige Plätze auf der Insel verzeichnet waren, die mehrheitlich um diese Jahreszeit noch geöffnet sein sollten. Einer von diesen sollte sich nur einige Kilometer entfernt in Richtung Noto befinden, und da wir anderntags sowieso diesen Weg einschlagen wollten, beschlossen wir, es dort zu versuchen. Doch irgendwie klappte die Kommunikation zwischen uns beiden nicht recht, jedenfalls gab Günter ins Navi „Sunset Beach“ ein statt „Sun Sea Camping“ und so landeten wir im nächtlichen und herbstlich ausgestorbenen Küstendorf Lido di Noto vor der natürlich ebenfalls geschlossenen Strandbar „Sunset Beach“ …

Noch einmal zurückzufahren zum dann vielleicht sowieso geschlossenen Campingplatz, kam nicht in Frage, zumal wir mittlerweile (obwohl wir uns in Ragusa noch ein Eis genehmigt hatten) schon wieder recht hungrig waren. Eine Pizzeria in der Nähe sollte immerhin noch geöffnet sein und tatsächlich warf man dort nur für uns noch einmal den Pizzaofen an – und zwar so gewaltig, dass zumindest meine Pizza stellenweise ziemlich schwarz wurde … 

Satt und zufrieden suchten wir dann zum ersten Mal nach einem „wilden“ Stellplatz für unseren Camper. Für den folgenden Tag hatten wir eine Küstenwanderung im Naturreservat „Vendicari“ geplant, und da das Nordende desselben nicht weit entfernt war, beschlossen wir den dazu gehörigen Parkplatz (bei der archäologischen Ausgrabungsstätte „Eloro“) anzusteuern. Gesagt, getan. Das Ganze machte zwar selbst bei Nacht einen eher trostlosen und verfallenen Eindruck – das Tor zur Grabungsstätte verriegelt und verrammelt, die Hinweistafeln nahezu unlesbar und vor dem Tor jede Menge zurückgelassener (Strand-?) Müll –, aber für uns gab’s Platz, auch wenn wir nicht ganz allein waren: Kurz vor dem Parkplatz stand ein großes Wohnmobil in einer Wiese und am anderen Morgen entdeckten wir weiter hinten noch ein zweites.

So klappten wir schnell unser Dach auf, krochen in die Schlafsäcke und verbrachten eine relativ ruhige Nacht. Nachdem die Party irgendwo in der Umgebung beendet war, störten uns nur noch die Unmengen an Mücken, die den Weg in unser rollendes Zuhause gefunden hatten, obwohl wir vorsorglich alle Schotten komplett dicht gemacht hatten. Letzteres führte dann auch dazu, dass sich extrem viel Schwitzwasser bildete. Morgens liefen auf der Innenseite des Dachs dicke Tropfen herunter, wobei sicher auch die relativ kühle Nacht und hohe Luftfeuchtigkeit eine Rolle spielten.

Richtung Nordosten


Am Donnerstagmorgen war es noch immer recht kühl aber meist sonnig, sodass wir fürs Frühstück die Campingstühle rausholten. Den Tisch sparten wir uns allerdings, weil wir ja bald weiterwollten. Günter bereitete wie schon in den letzten Tagen ein „kaffeeartiges Heißgetränk“, indem er die Espresso-Pads (die leider zu groß für die Maschine waren, die er zum Geburtstag bekommen hatte) im Topf mit Wasser aufkochte. Und die letzten beiden von zuhause mitgebrachten, inzwischen schon recht schrumpeligen Äpfel ergänzten nochmal gut unser Müsli.

Währenddessen beschlossen wir, unsere Wanderung nicht, wie zunächst angedacht, von hier aus zu starten, sondern doch zum Südeingang des Naturparks zu fahren, weil dort der interessantere Teil desselben zu sein schien. Die Anfahrt war dann schnell geschafft, doch stellte sich heraus, dass sich der Park ziemlich großer Beliebtheit erfreute, nicht zuletzt wohl seiner beiden Badestrände wegen. Außerdem mussten wir zum wiederholten Mal feststellen, dass die Lagebeschreibung (hier des Parkplatzes) im „Rother“ nicht oder nicht mehr stimmte: Auf dem Weg zum vermeintlichen Parkplatz wurden wir gestoppt und zu einem Platz viel weiter vorn geschickt, wo wir für 3,50 € wenigstens einen genügend großen Schattenparkplatz für unser Gefährt fanden. Tatsächlich stellte sich beim folgenden Anmarsch zum Eingang des Naturreservats heraus, dass zwar viele entlang der Straße parkten, ansonsten aber kein „offizieller“ Parkplatz mehr zu entdecken war.

Am Eingangshäuschen wurden wir lediglich für die Statistik gefragt, aus welchem Land wir kämen, Eintritt war hier keiner fällig. Gleich zu Beginn der Wanderung kamen wir zu zwei Beobachtungshütten, von wo man die Vögel in und um die beiden Salzseen Pantano Grande und P. Piccolo beobachten konnte – so sie denn in der Nähe gewesen wären oder man an ein Fernglas gedacht hätte …

Der einladende Pfad mitten durch die erste Lagune war dann mit einem Tor abgesperrt und ein Schild verwehrte – Eintritt und Jagd, was wir großzügig zu unseren Gunsten auslegten: Jagen wollten wir ja nicht … Und da das Tor nur mit einem Strick verschlossen war, gingen wir eben doch durch, entdeckten einen einsamen Flamingo in Grau, ein paar Reiher und nicht viel mehr.

Flamingo in Grau

Ferne Kormorane

Am anderen Ende wurden wir jedoch von ein paar Touristen erwartet, die sich am Tor mit ihren Kameras postiert hatten und uns äußerst missbilligend ansahen. – Die Geschichte lag mir dann noch eine Weile im Magen, da ich im Prinzip ganz und gar nicht dafür bin, solche Vorschriften zu missachten. Andererseits glaube ich auch nicht, dass unser Eindringen irgendwelchen Schaden angerichtet hat. Zwei Leute, die einfach nur durchgehen, ohne großen Lärm zu verbreiten, dürften nicht das Problem sein, höchstens ein schlechtes Vorbild. Wenn dagegen alle, die an diesem Tag das Naturreservat besuchten (von schönen Tagen in der Hauptsaison vermutlich ganz zu schweigen), hier durchtrampeln würden, sähe es wohl anders aus.

Blick von einer Anhöhe mit Feigenkakteen zurück zur Lagune.

So setzten wir unseren Weg auf der nunmehr „legalen“ Strecke fort, vorbei am ersten Strand und der Ruine einer alten Tunfischfabrik und dann immer am Zaun entlang und an vielen Verbotsschildern vorbei, die unter anderem auch striktestens verboten, irgendwo in der Landschaft auf die „Toilette“ zu gehen. – Völlig verständlich, nur leider gab es im ganzen Naturreservat und nicht mal am Eingang ein Toilettenhäuschen. Wie stellten die Verantwortlichen sich das denn vor? Eine Familie mit kleinen Kindern macht sich auf zum Strand und keiner muss den ganzen Tag über mal ins Gebüsch? Und die vielen Wanderer haben alle keine allzu menschlichen Bedürfnisse? Der Witz war ja, dass etwa auf der halben Strecke zur „Cala Mosche“, dem zweiten Strand, den auch wir ansteuerten, plötzlich alle Zäune und Schilder endeten und das weit verzweigte Netz an Trampelpfaden zeigte, dass es ab da auch die Besucher nicht mehr so genau nahmen.

An der „Cala Mosche“ angelangt, nach mindestens anderthalb Stunden bei inzwischen sengender Sonne, überlegten wir dennoch zuerst, ob wir überhaupt baden sollten. Hier war nun doch wieder alles eingezäunt, insbesondere die Felsen am Rand der Bucht, auf denen wir uns gerne niedergelassen hätten, da wir in unseren Klamotten und Handtüchern nicht den halben Sandstrand abtransportieren wollten. Schließlich sagten wir uns aber, dass es ja auch Quatsch wäre, bei dem Wetter und nachdem wir extra unsere Badesachen hierher geschleppt hatten, diese vielleicht letzte Gelegenheit auszulassen, uns auf Sizilien ins erfrischende Nass zu stürzen.

  Cala Mosche

Ganz am Rand des Strands ließen wir uns auf einem dickeren Treibholzast nieder, den wir dafür eigenhändig über den Zaun gezerrt hatten. Meine Runde „Schwimmen“ fiel allerdings wieder einmal eher kurz aus, denn die Brandung war auch heute und hier beträchtlich und anfangs ging’s vom Strand so flach hinein, dass man auch noch viele Meter von diesem entfernt stehen konnte. Und auch Günter kam schon nach kurzer Zeit zurück mit recht mauer „Ausbeute“. Sandstrände, noch dazu mit viel Seegras wie hier, sind einfach ungeeignet zum Schnorcheln und die Felsen am Rand der Bucht hatten unter dem Wasserspiegel überhängende Grotten ausgebildet, gegen deren Dächer der Seegang ihn zu schleudern drohte. So machten wir uns nach kurzem Antrocknen in der Sonne schon bald wieder auf den langen, heißen Rückweg auf inzwischen nahezu ausgestorbenen Pfaden. Auch unser Gefährt stand mittlerweile praktisch allein auf dem Parkplatz, der Straßenrand dagegen war noch immer gut vollgeparkt.

Für den Nachmittag hatten wir uns Noto vorgenommen, eine weitere barocke Stadt, ebenso wie Ragusa im 17. Jahrhundert von einem Erdbeben völlig zerstört und im damals „modernen“ Barockstil wiederaufgebaut. Da wir bis jetzt um 15 Uhr noch kein Mittagessen gehabt hatten, führte unser erster Weg aber zu einem Supermarkt am Ortsrand, in einer grünen Ecke von dessen ausgedehntem Parkplatz wir anschließend auch gleich Brot, Ricotta und Speck verzehrten.

Dann also Noto mit seinen diversen Kirchen, die von außen alle recht imposant, im Inneren dagegen eher bunt-kitschig bis grau und langweilig waren.

San Nicolò - Die Kathedrale von Noto

Blick in die Kuppel von San Nicolò - einige Fresken sind
gerade mal 10 Jahre alt, da Teile der Kirche 1996 eingestürzt waren.

Der Aussicht wegen bestiegen wir einen Campanile – nicht besonders hoch, aber mit sehr enger, sehr ausgetretener Wendeltreppe.

Aussicht vom Campanile di San Carlo auf Kathedrale
und Chiesa di San Francesco all'Immacolata ...

... und in entgegengesetzter Richtung über die Dächer der Stadt.

Und schließlich gönnten wir uns auch hier wieder ein Eis, das wir dann allerdings gar nicht so richtig genießen konnten: Just als wir aus der Gelateria traten, kam die Abendsonne unterhalb der Wolkendecke hervor und strahlte all die Fassaden mit ihrem warmen Licht an, worauf offensichtlich viele andere Touristen schon sehnsüchtig gewartet hatten: Auf dem Campanile, den wir vor einer halben Stunde noch für uns allein gehabt hatten, drängten sich nun die Menschen. Und natürlich wollte auch Günter diesen besonderen Moment unbedingt festhalten.

Die Kathedrale erstrahlt in der Abendsonne.

Nicht weit entfernt sollte es an der Küste einen Campingplatz geben, der laut verschiedenen Quellen geöffnet sein sollte – und wo wir nach abenteuerlicher Anfahrt durch enge, dunkle Gassen doch wieder vor verschlossenem (und unbeschildertem) Tor standen. Ein junger Inder, der gerade mit seinem Motorroller ankam, bestätigte uns, dass der Platz geschlossen sei, meinte aber, nur 5 Minuten entfernt gebe es einen anderen, der offen habe. Nachdem wir gemeinsam und mit Googles Hilfe herausgefunden hatten, welchen er meinte, machten wir uns auf den Weg dorthin.

Tatsächlich war es überhaupt nicht weit bis zum „Camping Sabbiodoro“, die Anfahrt allerdings noch einmal ein ähnliches Abenteuer. Der kauzige alte Campingplatzbetreiber unterbrach für uns das gemeinsame Abendessen mit seiner mindestens ebenso kauzigen Frau und geleitete uns an einen etwas tiefer gelegenen und durch unzählige Bäume, die umschifft werden mussten, nicht ganz einfach zu erreichenden Stellplatz. Aber wir hatten es ja so gewollt und uns für einen Platz mit „Meerblick“ entschieden … 

Auch fürs Abendessen bekamen wir einen Tipp und so folgten wir zu Fuß einige hundert lebensgefährliche Meter der stark befahrenen Hauptstraße zum „Antico Casale Degli Ulivi“. Der Laden brummte dort, denn sowohl eine Hochzeit wurde in einem der Säle gefeiert, als auch fand in einem anderen eine Verkaufsveranstaltung statt. Einen Tisch bekamen wir doch (am Nebentisch ein deutsches Paar, das mit dem Fahrrad vom Campingplatz gekommen war und auf der Anfahrt mindestens genauso gezittert hatte wie wir …) und auch mehr als genug zu essen: Die „Schlachtplatte“ auf heißem Stein, eines von insgesamt drei Gerichten, die wir bestellt hatten, hätte sicher schon allein für uns beide gereicht.

Auf dem Rückweg versuchten wir uns an einer alternativen Strecke durch Wohnstraßen und über den Strand. Leider war nachts der Hintereingang zum Campingplatz verschlossen, so mussten wir doch noch einmal den ganzen Platz umrunden, wurden aber am Haupteingang schon vom „Chef“ erwartet, der uns per Überwachungskamera am Strand erspäht hatte. Überhaupt schien der Gute ein Technikfreak zu sein: der relativ neu renovierte Sanitärblock hatte allerhand elektronischen Schnickschnack, insbesondere automatische Türen, die mich etwas an die „intelligenten“ Türen auf einem Raumschiff im Sciencefiction-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ erinnerten – auch in ihrer gelegentlichen Bockigkeit (schlossen sich mehr als einmal direkt vor meiner Nase …).

Ruhig war es in dieser Nacht, das Meer rauschte sanft und wir hatten kaum Tau, leider jedoch wieder jede Menge Mücken. Morgens dann eine leidlich funktionierende „Cyber“-Dusche, wobei das Problem eher zu viel Wasser war, als zu wenig, wie das auf Campingplätzen sonst üblich ist: Meine 50 Cent reichten üppig – und anschließend wollte die Dusche gar nicht mehr aufhören und stellte sich wieder und wieder an, während ich versuchte, mich abzutrocknen …

"Psychedelische Sonnendusche"

Beim Frühstück bedauerte ich dann sehr, dass wir hier wieder nur eine Nacht blieben, denn der Blick durch die Bäume aufs nahe Meer war sehr verlockend. Doch der Ätna rief und außerdem hatte ich am Vorabend Günter bekniet, dass wir uns mal wieder eine Campingpause gönnen, und so hatte er noch spät (ich konnte kaum mehr die Augen offenhalten) ein Hotel nördlich von Catania gebucht.

Sehnsüchtiger Blick zum Meer ...

So rollten wir also schon wieder weg vom Meer und machten uns auf den Weg zum Ausgangspunkt der Wanderung, die wir uns für diesen Freitag vorgenommen hatten. Durch wilde Karstschluchten sollte es gehen, die unzählige in die Felsen gemeißelte Grabstätten aus dem 13. Bis 7. Jahrhundert vor Christus, die „Necropoli Pantálica“, eine UNESCO-Weltkulturerbestätte, beherbergen. Leider schickte Google uns auf recht verschlungenen Pfaden (und unsere Suche nach einer Einkaufsmöglichkeit unterwegs machte es nicht besser) zum Hintereingang der Schlucht beim Dorf Ferla, statt zum Haupteingang bei Sortino, was morgens vom Campingplatz schneller zu erreichen gewesen wäre und ebenso abends die Anfahrt zum Hotel deutlich verkürzt hätte.

Alles in allem erwies sich die Wanderung dann als sehr lohnenswert, die Höhlengräber als solche fand ich persönlich jedoch nicht weiter aufregend. Beeindruckend allerdings, dass die Menschen schon vor so langer Zeit mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in der Lage waren, so etwas zu schaffen. 

In die Karstschlucht des Fiume Anapo.

Blick aus einem der unzähligen Höhlengräber.

Mit der Zeit zog sich die Rundwanderung dann sehr und es warteten auch ein paar überraschende Hürden, so musste an zwei Stellen ein Bach durchwatet werden, was „Rother“ offenbar nicht erwähnenswert fand.

Die erste Wat-Passage ist noch recht harmlos.

Hier zweigte der Wanderweg vor dem Tunnel links ab
 und einige hundert Meter später ging es knietief durch den Bach.

Als wir gerade erst den Haupteingang erreicht und damit Halbzeit hatten, ging es schon wieder gewaltig auf den Abend zu, so dass der Rest der Strecke im Schweinsgalopp und ohne weitere Schlenker zu etwaigen Höhlen oder Aussichtspunkten absolviert wurde.

Dieser Aussichtsbalkon lag zum Glück direkt am Weg.

Krokusse im Oktober!

Trotzdem erreichten wir erst kurz vor 17 Uhr wieder das Auto … Abmarsch war um 12 Uhr gewesen und „Rother“ hatte nur 3 Stunden veranschlagt! … Waren wir so unfit geworden? – Anderntags las Günter dann noch einmal die Rezensionen speziell für diesen Sizilien-Wanderführer und stellte fest, dass es anderen offenbar ähnlich gegangen war wie uns, so konnten wir in dieser Hinsicht beruhigt sein.

Im Hotel, dem „Kepos Relais and Spa“ in Santa Venerina, waren wir schließlich kurz nach sieben, auch hier war die Anfahrt ein typisch sizilianisches Abenteuer mit vielen engen Straßen und Gassen und einer leicht zu verfehlenden Zufahrt. Die recht große Anlage bestand aus mehreren Gebäuden mit Swimmingpool und eigenem Restaurant. Unser Zimmer fanden wir in Anbetracht des gehobenen Anspruchs (und saftigen Preises) nur gerade mal ok und der Schimmel, der in der Dusche wucherte (vermutlich als Folge einer unzureichenden Lüftung), störte uns massiv. Doch Abendessen und Frühstück waren beides sehr in Ordnung und auch der Chef der Anlage, der sich nicht zu schade war, im Restaurant selbst zu bedienen, schien sehr nett und um das Wohl seiner Gäste bemüht.

Am Samstag ging es nach dem Frühstück nach Taormina, das wir dank Autobahn schon nach etwa einer halben Stunde erreicht hatten. Da uns klar war, dass wir uns hier in eine Touristenhochburg begaben, versuchten wir gar nicht erst, unser unhandliches Gefährt direkt in den engen, weit oben an der Steilküste gelegenen Ort zu bugsieren, sondern parkten an der Talstation der Seilbahn (Funivia). 

Mit dieser schwebten wir dann ganz dekadent die paar Höhenmeter hinauf und gerieten beim Verlassen der Bergstation gleich mitten in den schönsten Touristenrummel. Ein paar Gassen weiter entspannte sich die Lage zum Glück bereits wieder, aber natürlich waren wir hier nirgends allein, zumal auch wir gleich als erstes die bekannteste Sehenswürdigkeit, das antike römische Theater besichtigen wollten. Syrakus hatten wir uns aus Zeitmangel komplett gespart und so wollten wir uns wenigstens das zweitgrößte Theater der Insel nicht entgehen lassen. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall, schon allein wegen der Aussicht auf die Dächer von Taormina, Küste, Meer und den rauchenden Ätna in der Ferne.



Oberhalb von Katz und Maus das sonderbare
 dreibeinige Sizilien-Symbol (Trinacria).

In den Gassen von Taormina.

Nach dem Mittagessen im schattigen Garten des Restaurants „I Giardini di Babilonia“, stiegen wir entlang eines Kreuzwegs zur Kapelle „Madonna della Rocca“ hinauf, die teilweise in den Fels hineingebaut wurde und von deren Vorplatz der Blick auf Taormina und das Theater ebenfalls begeistern konnte.

Madonna della Rocca
Unvergleichliche Lage: Taormina und das Theater.
Zurück im Ort mussten wir dann schon wieder zusehen, dass wir die Seilbahn ins Tal erwischten, denn unser Parkticket drohte bereits abzulaufen.

Domplatz, im Hintergrund San Giuseppe.

In Santa Venerina deckten wir uns in einem Supermarkt mit Brotzeitzubehör für den Abend ein, doch dass wir für die Zeit am Ätna, zu dem wir ja schon anderntags aufbrechen wollten, noch zusätzliche Wasser- und Essensvorräte benötigen würden, kam uns leider erst später in den Sinn … Zudem war der folgende Tag ein Sonntag und daher alles andere als klar, ob wir morgens noch eine Einkaufsmöglichkeit finden würden. – Na gut, notfalls würden wir eben mit dem wenigen, was wir von zuhause an Trekkingnahrung mitgebracht hatten, und im Hotel abgefülltem Leitungswasser auskommen müssen ...

Eine weitere offene Frage war, inwieweit Wandern am Ätna überhaupt möglich sein würde, so aktiv wie er derzeit war. Sogar hier unten rieselte beständig Asche und bedeckte unerbittlich alles mit einer grauen Patina (auch unser Autodach …) und oben am Krater prasselten wohl tatsächlich vulkanische Bomben. Der Gipfel des Ätna konnte demnach definitiv nicht bestiegen werden, auch nicht in Begleitung eines Guides. Dem Internet war zudem zu entnehmen, dass es eine komplette Sperre ab 2500 m Höhe gab. So konnten wir nur hoffen, dass die Wanderungen und Nebengipfel, die wir anvisierten, dennoch zugänglich sein würden.